Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 16.06.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 986/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 74 ff
BGB §§ 305 ff
Die Zusage einer Karenzentschädigung in AGB ist wirksam, wenn lediglich auf §§ 74 HGB verwiesen wurde. Jedenfalls aber kann der Verwender des AGB sich nicht auf die Unwirksamkeit der Zusage berufen, wenn der Arbeitnehmer sich an das Wettbewerbsverbot hält.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 986/04

Verkündet am 16. Juni 2005

in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Nürnberg Bonfigt und die ehrenamtlichen Richter Brosch und Adacker aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 11.11.2004, Az. 1 Ca 800/04, in Ziffern 1. und 2. abgeändert.

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 13.151,43 (in Worten: EURO dreizehntausendeinhundertundeinundfünfzig 43/100) zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.11.2004 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für November 2004 EUR 1.238,14 (in Worten: EURO eintausendzweihundertachtunddreißig 14/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2004 sowie weitere EUR 658,71 (in Worten: EURO sechshundertachtundfünfzig 71/100) für Dezember 2004 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2005 zu bezahlen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung.

Die Klägerin war vom 08.09.2003 bis 16.12.2003 als Ergotherapeutin bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 15.07.2003 zugrunde (Bl. 5 und 6 d.A.). In § 12 war ein Wettbewerbsverbot enthalten. Die monatliche Vergütung betrug EUR 2.552,52 brutto.

Mit Schreiben vom 23.01.2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sich an das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot halte und die monatliche Karenzentschädigung fordere.

Die Klägerin ist der Meinung, das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot sei verbindlich, so dass die Karenzentschädigung entstanden sei. Die Beklagte dagegen verweist darauf, dass eine Zahlungsverpflichtung nicht vereinbart worden sei, so dass kein wirksames Wettbewerbsverbot vereinbart worden sei.

Auf die entsprechende Klage hat das Arbeitsgericht Würzburg mit Urteil vom 11.11.2004 die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Wettbewerbsvereinbarung in § 12 des Arbeitsvertrages nichtig sei.

Gegen dieses der Berufungsklägerin am 25.11.2004 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.12.2004, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14.01.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 14.01.2005, begründet.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, dass ein wirksames Wettbewerbsverbot vorliege, so dass die Karenzentschädigung entstanden sei.

In der Berufung beantragt die Berufungsklägerin,

das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 11.11.2004, Az: 1 Ca 800/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Beklagte dagegen meint, dass die Wettbewerbsvereinbarung nichtig sei, da eine Entschädigungsregelung nicht getroffen worden sei. Im Übrigen könne ein Wettbewerbsverbot nicht schon während der Probezeit wirksam werden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird, insbesondere auf den Tatbestand des Ersturteils, die in der Berufung gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der Akten Bezug genommen und gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere in der gesetzlich vorgesehenen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 2, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

In der Sache hat die Berufung Erfolg, die Klägerin hat Anspruch auf die beantragte Karenzentschädigung, deren Höhe zwischen den Parteien nicht streitig ist. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist die Wettbewerbsvereinbarung wirksam getroffen worden und führt deshalb zur Zahlung einer Karenzentschädigung, nachdem die Klägerin unbestritten vorgetragen hat, dass sie sich an das Wettbewerbsverbot halten werde.

Das Wettbewerbsverbot in § 12 des Arbeitsvertrags ist formwirksam zustande gekommen und auch inhaltlich ausreichend bestimmt. Gemäß § 74 Abs. 2 HGB ist ein Wettbewerbsverbot aber nur verbindlich, wenn der Arbeitgeber zusagt, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung in Höhe von mindestens 50 % der letzten Gesamtbezüge zu zahlen. Vorliegend ist zwischen den Parteien nur streitig, ob eine solche ausreichende Zusage vorliegt.

In § 12 des Arbeitsvertrags heißt es hierzu:

"Frau A... verpflichtet sich, für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Umkreis von 15 km des Arbeitgebers nicht in einer anderen ergotherapeutischen Praxis tätig zu werden, noch sich unmittelbar oder mittelbar an der Gründung zu beteiligen oder in einer bestehenden ergotherapeutischen Praxis mitzuwirken. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB."

Damit ist eine Entschädigungspflicht nicht ausdrücklich erwähnt, sondern lediglich auf die einschlägigen §§ 74 ff. HGB verwiesen. Ob dies als ausreichende Zusage einer Karenzentschädigung gewertet werden kann, war in der Vergangenheit bei den Instanzgerichten durchaus umstritten. Das Bundesarbeitsgericht hat aber bereits mit Urteil vom 14.08.1975 (AP Nr. 35 zu § 74 HGB) entschieden, dass ein solcher Verweis auf die Vorschriften des HGB im Zweifel die Zusage einer Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthöhe enthält und hat in einer neueren Entscheidung vom 31.07.2002 (AP Nr. 74 zu § 74 HGB) diese Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Im Hinblick auf die Regelungsdichte der §§ 74 ff. HGB seien mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB alle wesentlichen Elemente ausreichend abgedeckt, so dass der Verweis auf § 74 ff. HGB als ausreichend angesehen werden muss. Die Kammer schließt sich dieser Entscheidung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung an. Der Verweis auf die §§ 74 ff. HGB kann nur dahin verstanden werden, dass eine Entschädigungszusage in der gesetzlich vorgesehenen Weise getroffen werden soll, da nur dann ein wirksames Wettbewerbsverbot vereinbart ist und der Hinweis auf die §§ 74 ff. HGB nur dahingehend verstanden werden kann, dass ein wirksames Wettbewerbsverbot gewollt ist.

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass das Wettbewerbsverbot in einem vorformulierten Vertrag vereinbart worden ist. Da das Arbeitsverhältnis erst 2004 begründet worden ist, gilt das AGB-Recht nach der Schuldrechtsreform für das Arbeitsverhältnis vorliegend uneingeschränkt. Die Vertragsklausel ist deshalb an den §§ 307 ff. BGB zu messen insbesondere an dem Transparenzgebot. Dabei trifft die Frage nach der Transparenz der Entschädigungszusage nicht nur die Höhe dessen, was der Arbeitnehmer an Karenzentschädigung verlangen kann, sondern entscheidet auch über die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots insgesamt. Die Frage, ob in § 12 des Arbeitsvertrages eine ausreichend klare Entschädigungszusage vorliegt, ist deshalb anhand der §§ 307, 305 c BGB zu prüfen. Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders, hier also des Arbeitgebers. Dabei kann es durchaus unklar sein, ob ein Wettbewerbsverbot zu Lasten oder zu Gunsten des Arbeitnehmers wirkt. Da sich dies möglicherweise im Laufe des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ändern kann, muss auf eine abstrakt-generelle Interessenslage von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Abschluss eines Wettbewerbsverbots abgestellt werden (so auch Diller NZA 2005, 250 f.). Eine solche abstrakte Sichtweise ist wohl dahingehend zu werten, dass das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer letztlich eine Belastung darstellt, da er in seiner weiteren Berufsausübung eingeschränkt ist, mit der Folge, dass dann die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB dazu führen würde, dass das Wettbewerbsverbot nicht als vereinbart gilt. Auf diese Unwirksamkeit kann sich aber der Verwender der AGB selbst nicht berufen, da kein Anlass besteht, den Klauselverwender vor den von ihm selbst in den Vertrag eingeführten AGB's zu beschützen (BGH NJW 1987, 838). Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass zwar möglicherweise ein Wettbewerbsverbot nicht wirksam vereinbart worden ist, da aber der Arbeitnehmer die Karenzentschädigung geltend macht, weil er sich an dieses vertraglich festgelegte Wettbewerbsverbot gehalten hat, der Arbeitgeber die Zahlung nicht mit dem Argument verweigern kann, die Entschädigungszusage sei wegen der Unklarheitenregelung unwirksam. D.h., der Arbeitgeber kann sich auf eine "mögliche" Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots nicht berufen.

Soweit die Beklagte sich auf § 75 d HGB beruft und vorträgt, dass der Arbeitnehmer zwar ein Wahlrecht hat, aber ein Anspruch auf Aufstockung und Auffüllung bis zur gesetzlich vorgesehenen Regelung nicht erwächst, ist klarzustellen, dass ein Fall des § 75 d HGB hier gerade nicht gegeben ist, da dies voraussetzt, dass grundsätzlich eine Entschädigungszusage gemacht worden ist, die aber nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Dieser Fall ist aber vorliegend gerade nicht gegeben.

Soweit die Beklagte weiter vorträgt, ein Wettbewerbsverbot käme deshalb nicht zum Zuge, da die Klägerin noch innerhalb der Probezeit ausgeschieden sei und für diesen Fall ein Wettbewerbsverbot nicht vereinbart worden sei, greift auch dieses Argument nicht. Die vertragliche Regelung enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Wettbewerbsverbot erst nach Ablauf der Probezeit gelten soll. Die Beklagte hätte als Verwender des vorformulierten Vertrages die Möglichkeit gehabt, dies in ihre Vertragsbedingungen aufzunehmen, es fehlt aber jeder Hinweis darauf. Auch eine Auslegung der Wettbewerbsvereinbarung in diese Richtung ist nicht möglich, da keinerlei Anhaltspunkte hierfür gegeben sind. Es ist auch nicht lebensfremd, eine Wettbewerbsvereinbarung bereits ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren, da der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt Einblick in die Geschäftstätigkeit des Beklagten hat und die Beklagte deshalb möglicherweise bereits ab dem ersten Arbeitstag sich entsprechend vor möglicher Konkurrenz des Arbeitnehmers schützen will. Wenn der Arbeitgeber mit seinem Einwand, das Wettbewerbsverbot solle nicht während der Probzeit gelten, ein fehlendes berechtigtes geschäftliches Interesse geltend machen will, ist es ebenfalls unbeachtlich. Gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot zwar unverbindlich, wenn es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Ob dies der Fall, ist kann vorliegend aber dahinstehen, da jedenfalls auch in diesem Fall der Arbeitnehmer ein Wahlrecht hätte, trotz Vorliegens eines unverbindlichen Wettbewerbsverbots sich an das Verbot zu halten und damit den Anspruch auf Karenzentschädigung zu erwerben (BAG, AP Nr. 36 zu § 74 HGB) und die Klägerin dieses Wahlrecht vorliegend ausgeübt hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Vereinbarung unverbindlich war oder nicht.

Nach alledem hat die Klägerin Anspruch auf Karenzentschädigung in der geltend gemachten Höhe, die zwischen den Parteien unstreitig ist. Das Ersturteil war insoweit abzuändern und zu entscheiden wie geschehen.

Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Im Hinblick auf die Frage des Transparenzgebots bei Wettbewerbsvereinbarungen in AGBs, die lediglich auf §§ 74 HGB verweisen, war die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück