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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.05.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 930/03
Rechtsgebiete: BGB, TVG, ETV Systemgastronomie


Vorschriften:

BGB § 611
TVG § 3
TVG § 4
ETV Systemgastronomie § 2
Vorarbeiter/Schichtführer in Systemrestaurants verfügen "in der Regel" nach 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit über eine "entsprechende Berufserfahrung", für "Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern" i.S.d. Tarifgruppe 5, § 2 Entgelttarifvertrag vom 07.07.2000 für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden Systemgastronomie im Bundesverband der Systemgastronomie e.V.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 930/03

Verkündet am 02. Mai 2005

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht R o t h und die ehrenamtlichen Richter Steil und Fieger aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Mai 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.10.2003, Az.: 8 Ca 2907/02, abgeändert.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.241,43 (in Worten: Euro eintausendzweihunderteinundvierzig 43/100) brutto zu bezahlen und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2002.

3.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers und daraus resultierende Vergütungsansprüche.

Der am 15.01.1960 geborene Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit mehreren Jahren beschäftigt, seit dem 01.04.2001 als Vorarbeiter. Sein Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 01.11.2001 auf die Beklagte über.

Aufgrund beidseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Entgelttarifvertrag vom 07.07.2000 für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden der Systemgastronomie im Bundesverband der Systemgastronomie (TR 29-110 ab 56; künftig: ETV) Anwendung.

Der Kläger bezog zuletzt Vergütung nach Tarifgruppe 4 in Höhe von EUR 1.414,-- brutto monatlich.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.08.2002 (Kopie Bl. 10 d.A.) begehrte der Kläger die Eingruppierung in die Tarifgruppe 5 ETV.

In § 2 ETV werden die hier interessierenden Tarifgruppen wie folgt geregelt:

Tarifgruppe 4:

Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die über die Tarifgruppe 3 hinausgehen, z.B.:

- Arbeitnehmer/-in mit Aufsichtsbefugnis in einzelnen Bereichen des Rotationssystems ohne Weisungsbefugnis nach 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit.

- Vorarbeiter/in und Hilfsschichtführer/-in in den ersten 12 Monaten dieser Tätigkeit

- ...

Tarifgruppe 5:

Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine betriebliche Ausbildung bzw. entsprechende Berufserfahrung in Systemrestaurants erworben werden, z.B.:

- Vorarbeiter/-in und Hilfsschichtführer/-in nach mindestens 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit

- ...

Der ETV ist zwischenzeitlich gekündigt , jedoch in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum noch durch keine neue tarifvertragliche Regelung ersetzt worden.

Mit seiner am 04.12.2002 zum Arbeitsgericht Würzburg erhobenen Klage begehrt der Kläger für die Zeit von Mai bis Oktober 2002 die Differenz zwischen der gewährten und der begehrten Tarifgruppe in Höhe von EUR 1.194,-- brutto und einen erhöhte Nachtzuschläge für 279 Stunden in Höhe von EUR 47,43 brutto jeweils zuzüglich von Zinsen.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Endurteil vom 06.10.2003 die Klage abgewiesen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.11.2003 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 16.12.2003, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 18.12.2003, Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 27.02.2004 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 20.02.2004 begründet.

Der Kläger behauptet, er erfülle nach 12-monatiger Ausübung der Tätigkeit eines Vorarbeiters die allgemeinen Tarifmerkmale der Tarifgruppe 5. Er übe Tätigkeiten aus, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern. Dies folge aus der ihm überlassenen Stellenbeschreibung (Kopie Bl. 68, 69 d.A.) und den von ihm tatsächlich zu verrichtenden Einzeltätigkeiten in mehreren Arbeitsbereichen. Als Schichtführer sei er verantwortlich für die Einteilung der im Dienstplan vorgesehenen Mitarbeiter auf die einzelnen Stationen (Küche, Kasse bzw. Lobby); ihm obliege die Pauseneinteilung und die gesamte Schichtkontrolle. Wenn er Spätschicht habe, sei es seine Aufgabe, den Tagesabschluss zu erledigen. Einmal wöchentlich sei es Aufgabe des jeweiligen Schichtführers, die Listen mit den so genannten Wochenzahlen an den Bezirksleiter weiterzuleiten. Er sei für die bedarfsorientierte Bestellung zuständig, wenn er für die Frühschicht eingeteilt sei. Im Rahmen der bedarfsgerechten Lagerhaltung sei er dafür verantwortlich, zu kontrollieren, ob die bevorratete Menge ausreiche oder zusätzliche Ware zu ordern sei. Bei Anlieferung der Ware sei diese ordnungsgemäß zu erfassen und die laufende Inventur durchzuführen. In technischer Hinsicht sei er bei Einteilung in die Frühschicht zuständig für den Geräteeinschaltplan. Bei auftretenden Funktionsstörungen habe der Schichtführer zu entscheiden, ob der Fehler betriebsintern behoben werden könne oder ein Servicedienst zu rufen sei. Durchzuführende Sonderaktionen seien von den Schichtführern zu organisieren. Der jeweilige Schichtführer sei auch zuständig bei notwendig werdenden Korrekturen im Rahmen der Zeiterfassung. Schließlich zähle zu seinen Aufgaben auch die Übergabe des Geldes an den jeweiligen Geldboten des Kurierdienstes. Die allgemeinen Tarifmerkmale der Tarifgruppe 5 erfülle er ab dem 01.05.2002 wegen seiner mehr als 12-monatigen Tätigkeit als Vorarbeiter. Wie in der Beschreibung der allgemeinen Tarifmerkmale gefordert, könne von einer "in der Regel" gegebenen "entsprechenden Berufserfahrung in Systemrestaurants" "nach mindestens 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit" ausgegangen werden, wie im konkreten Tarifbeispiel des Vorarbeiters geregelt. Zu Unrecht sehe das Erstgericht in der Formulierung des Tarifbeispiels einen Mindestzeitraum, der seine Höhergruppierung nicht gebiete. Auch die beiden übrigen Vorarbeiter würden nach Tarifgruppe 5 und 6 vergütet.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

1.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.10.2003 - 8 Ca 2907/02 - wird aufgehoben.

2.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.241,43 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.12.2002 zu zahlen.

3.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:

Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.10.2003, Az.: 8 Ca 2907/02, wird zurückgewiesen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Kläger sei auch weiterhin mit Tarifgruppe 4 richtig eingruppiert. Wenn in Tarifgruppe 5 in dem Einzelbeispiel eine mindestes 12-monatige Ausübung der Tätigkeit gefordert werde, bedeute dies, dass es sich um Tätigkeiten handeln müsse, die ein Mitarbeiter nur dann übernehmen könne, wenn er zuvor mindestens 12-monatige Erfahrung als Vorarbeiter habe sammeln können. Voraussetzung sei jedoch, dass sich der Vorarbeiter die gründlichen und/oder vielseitigen Kenntnisse tatsächlich angeeignet habe. Diese gründlichen, vielseitigen Kenntnisse und Fertigkeiten besitze der Kläger nicht. Er verfüge nach wie vor nur über mittelmäßige Fertigkeiten und Kenntnisse, die einen Verbleib als Schichtführer nur eben gerade so rechtfertigen würden. Selbstverständlich sei, dass der Kläger mit für den reibungslosen Service und den Schichtablauf verantwortlich sei. Auch müsse er die entsprechenden Vorgaben im Standardbereich erfüllen - wie alle anderen Mitarbeiter auch - und natürlich auch die Hygienevorschriften einhalten. Kontrollfunktionen übe der Kläger nicht aus. Er müsse den Schichtwechsel vorbereiten und durchführen, wie alle anderen Mitarbeiter ebenfalls. Selbstverständlich sei auch seine Aufgabe, im Service- und Küchenbereich unterstützend zu helfen und korrekte Warenannahmen durchzuführen. Die Mitarbeiter würden dienstplanmäßig vom Bezirksleiter eingeteilt. Der Kläger habe ein Augenmerk auf ein ordentliches und gepflegtes Erscheinungsbild der Crew zu richten. Für die bedarfsorientierten Bestellungen und die bedarfsgerechte Lagerhaltung sei er nicht zuständig, ebenso wenig für die Einhaltung des Geräteeinschaltplanes. Er sei dafür zuständig, dass der Service und der Schichtablauf reibungslos vonstatten gingen, und habe die Tagesabschlüsse zu erledigen. Für eine Höhergruppierung erforderlich sei, dass sich im Laufe der Beschäftigung die Tätigkeit als Vorarbeiter maßgeblich verändert hätte und höherwertigere Tätigkeiten auszuüben seien. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er auch nach 12-monatiger Tätigkeit noch dieselben Arbeiten verrichte wie bei Beginn seiner Vorarbeitertätigkeit. Durch den zunehmenden Einsatz von Computern seien einzelne Vorarbeitertätigkeiten sogar deutlich vereinfacht worden, insbesondere das Bestellwesen und die Lagerhaltung.

Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 02.11.2004 (Bl. 110 bis 112 d.A.) durch Einvernahme der Zeugen C... und D... durch das ersuchte Arbeitsgericht Würzburg. Hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.12.2004 (Bl. 120 bis 124 d.A.) verwiesen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren und die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich begründet.

Auf die Berufung des Klägers ist das Ersturteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.241,43 brutto zuzüglich der geltend gemachten Zinsen zu bezahlen, da der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum beanspruchen kann, nach Tarifgruppe 5 ETV vergütet zu werden.

1.

Dem Kläger stehen ab dem 01.05.2002 die geltend gemachte Vergütungsdifferenz in Höhe von EUR 1.194,-- brutto und die zusätzlichen Nachtzuschläge in Höhe von EUR 47,43 brutto zu, da er ab diesem Zeitpunkt Vergütung nach Tarifgruppe 5 ETV beanspruchen kann, § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 2, 7 ETV.

Unstreitig gilt zwischen den Parteien der ETV kraft beidseitiger Tarifbindung, §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG, so dass sich die Höhe des zu zahlenden Entgelts aus § 7 ETV ergibt. Die Berechnung des monatlichen Differenzbetrages und der geltend gemachten zusätzlichen Nachtzuschläge ist zwischen den Parteien nicht streitig, weshalb diesbezüglich auf nähere Ausführungen verzichtet werden kann.

a)

Die Zuordnung des Klägers in die jeweilige Tarifgruppe des ETV erfolgt unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen und nur zur Erläuterung nach den aufgeführten Tätigkeitsbeispielen, § 5 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 ETV.

Entscheidend hierfür ist, welche tatsächliche Tätigkeit der Arbeitnehmer überwiegend ausübt, § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 ETV.

b)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger mit Übertragung der Tätigkeit eines Vorarbeiters ab dem 01.04.2001 in dieser Funktion Tätigkeiten ausübt, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die über die Tarifgruppe 3 hinausgehen. Beide Parteien gehen nämlich von einer tarifgerechten Eingruppierung des Klägers im Zeitraum vom 01.04.2001 bis 30.04.2002 aus. Dies entspricht auch dem in Tarifgruppe 4 aufgeführten Tätigkeitsbeispiel eines Vorarbeiters in den ersten 12 Monaten dieser Tätigkeit.

c)

Der Kläger erfüllt ab dem 01.05.2002 den Oberbegriff der Tarifgruppe 5, denn er übt Tätigkeiten aus, "die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine entsprechende Berufserfahrung in Systemrestaurants erworben werden". Er erfüllt ferner auch das Tätigkeitsbeispiel "Vorarbeiter nach mindestens 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit".

ca)

Die Tätigkeit eines Vorarbeiters, die der Kläger ab dem 01.05.2002 weiterhin ausübt, erfordert vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten.

Wie sich aus der Verbindung der Begriffe "und/oder" ergibt, sind nicht neben den "vielseitigen" Kenntnissen und Fertigkeiten zusätzlich jeweils "gründliche" Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich, um dieses Tarifmerkmal zu erfüllen (so BAG vom 05.09.2002 - 8 AZR 575/01 - AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gaststätten).

Der Begriff der "Vielseitigkeit" in dem Tarifsinne betrifft eine Steigerung in Bezug auf die Quantität der Kenntnisse und/oder Fertigkeiten, die der Oberbegriff der Tarifgruppe 4 fordert.

Aufgrund des vielschichtigen Aufgabengebietes des Klägers sind Kenntnisse und Fertigkeiten in unterschiedlichen Arbeitsbereichen erforderlich, die wegen der Aufsichts- und Koordinierungsfunktion eines Schichtleiters sicher beherrscht werden müssen. Nach den übereinstimmenden Angaben der hierzu vernommenen Zeugen C... und D... umfasst die Gesamttätigkeit eines Schichtführers unterschiedliche Einzelaufgaben, die jeweils unterschiedliche Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern. Bei den beiden Zeugen handelt es sich um Schichtführer wie den Kläger in demselben Restaurant der Beklagten und deshalb um besonders fachkundige Auskunftspersonen. An deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln besteht seitens des Gerichts kein Anlass, weshalb von der Richtigkeit ihrer Angaben auszugehen ist. Beide protokollierte Aussagen beziehen sich jeweils auf die einzelnen Punkte des Beweisbeschlusses vom 02.11.2004 und sind insofern ausreichend aussagekräftig. Danach ist der Kläger als Schichtführer verantwortlich für die Einteilung der im Dienstplan (erstellt vom Restaurantleiter bzw. Bezirksleiter) vorgesehenen Mitarbeiter auf die einzelnen Stationen Küche, Kasse bzw. Lobby, macht die konkrete Pauseneinteilung und übt die Schichtkontrolle aus. Wegen des zeitversetzten Einsatzes der drei Schichtführer bei einer Öffnungszeit von 06.00 Uhr früh bis 2.30 Uhr nachts sind dabei die Schichtführer oft auf sich alleine gestellt. Da der Kläger wie die übrigen Schichtführer auch alternierend in der Früh -, Mittel- und Spätschicht eingesetzt ist, fallen die unterschiedlichen Aufgaben in der jeweiligen Schicht auch bei ihm alternierend an. In der Spätschicht ist es seine Aufgaben, den Tagesabschluss zu erledigen. In der Frühschicht ist er dafür verantwortlich, zu kontrollieren, ob die bevorratete Warenmenge ausreicht oder neue Ware zu ordern ist. Insofern ist er für eine bedarfsorientierte Bestellung zuständig. Soweit bezüglich der Lagerhaltung und Ermittlung der bevorrateten Warenmenge auf die betriebliche EDV zurückgegriffen werden kann, sind keine geringeren Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich, vielmehr zusätzliche EDV-Kenntnisse. Gleiches gilt für die ordnungsgemäße Erfassung der angelieferten Ware während seiner Schichtzeit und die laufende Bestandskontrolle. In der Frühschicht sind auftretende Funktionsstörungen bei Geräten zu erfassen und eventuell zu beheben bzw. ein externer Servicedienst zu verständigen. Erforderliche Korrekturen bei der Zeiterfassung hat er zu veranlassen, bei Erscheinen eines Geldboten des Kurierdienstes diesem die eingenommenen Gelder zu übergeben. Daneben ist nach übereinstimmendem Sachvortrag beider Parteien Aufgabe des Schichtführers, während seiner Schicht für einen reibungslosen Service und Schichtablauf zu sorgen und im Bereich der Qualitätssicherung für die Einhaltung aller Standards, der Produktsicherheit und der Hygienevorschriften zu sorgen. Er hat den Schichtwechsel vorzunehmen und bei Bedarf sind von ihm die Service- und Küchenkräfte zu unterstützten. Er hat auch für ein ordentliches und gepflegtes Erscheinungsbild seiner Crew zu sorgen.

Diese vielschichtigen Aufgaben eines Schichtführers können nur erledigt werden, wenn er es versteht, mit den ihm unterstellten Mitarbeitern umzugehen, unterschiedliche Interessen zu erkennen und für einen gerechten Ausgleich zu sorgen, dies insbesondere bei der Einteilung zu konkreten Tätigkeiten und die Pauseneinteilung. Hierbei hat er die Vorgaben des Dienstplanes ebenso zu berücksichtigen, wie zu beachtende tarifvertragliche oder gesetzliche Arbeitszeitregelungen. Bei Erstellung des Tagesabschlusses und der Geldübergabe sind kassentechnische Regelungen penibel zu beachten, damit Fehler und Unregelmäßigkeiten ausgeschlossen werden. Bei der Erfassung des Warenbestandes sind Kenntnisse über die unterschiedlichen Produkte, ihre jeweilige Qualität, Haltbarkeit und Verwendbarkeit erforderlich. Ferner für das Bestellwesen EDV-Kenntnisse sowie technische Grundkenntnisse bei der Inbetriebnahme der Geräte und hierbei eventuell auftretende Fehler. Korrekturen in der Zeiterfassung erfordern technische Kenntnisse bezüglich des Zeiterfassungssystems.

Für die Bejahung der "Vielseitigkeit" ist nicht erforderlich, dass sich nach Übertragung der Vorarbeitertätigkeit innerhalb der ersten 12 Monate irgendwelche Veränderungen ergeben haben, wie die Berufungsbeklagte meint. Vielmehr geht das Tätigkeitsbeispiel in Tarifgruppe 4 davon aus, dass Vorarbeiter in den ersten 12 Monaten dieser Tätigkeit wegen der noch geringen berufspraktischen Erfahrung gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten noch nicht erworben haben. Insoweit ändert sich nicht ihr Tätigkeitsfeld, sondern infolge praktischer Erfahrungen die Qualität und Quantität der vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten.

cb)

Der Kläger hat nach 13-monatiger Ausübung seiner Tätigkeit als Vorarbeiter die erforderlichen vielseitigen Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des Oberbegriffes der Tarifgruppe 5 erworben, denn hierfür genügt es, wenn sie "in der Regel durch eine" "entsprechende Berufserfahrung in Systemrestaurants erworben werden". Da es eine besondere Berufsausbildung zum Vorarbeiter in einem Systemrestaurant nicht gibt und von den Parteien auch ein entsprechender innerbetrieblicher Ausbildungsgang nicht behauptet wird, kann nur auf eine entsprechende Berufserfahrung abgestellt werden. Hierbei gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass "in der Regel" hiervon nach 12-monatiger Ausübung der Tätigkeit ausgegangen werden kann. Dies zeigen die beiden Tätigkeitsmerkmale in Tarifgruppe 4 und 5 ETV, nach der Vorarbeiter in den ersten 12 Monaten der Tätigkeit nach Tarifgruppe 4 zu vergüten sind und "nach mindestens 12-monatiger Ausübung dieser Tätigkeit" nach Tarifgruppe 5.

Weshalb dies beim Kläger anders sein soll, wird von der Beklagten nicht näher konkretisiert.

Zu Unrecht geht das Erstgericht davon aus, aufgrund der Verwendung des Wortes "mindestens" handelt es sich hier um einen nach oben offenen und scheinbar im Belieben des Arbeitgebers stehenden Mindestzeitraum. Das Erstgericht lässt hierbei die Zeitbestimmung im Tätigkeitsbeispiel der Tarifgruppe 4 unberücksichtigt, wonach lediglich in den ersten 12 Monaten dieser Tätigkeit Vorarbeiter nach Tarifgruppe 4 einzugruppieren sind. Nach Ablauf der ersten 12 Monate greift die tarifvertragliche Vermutung, dass der Vorarbeiter "in der Regel durch eine entsprechende Berufserfahrung in Systemrestaurants" die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen gründlichen und/oder vielseitigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hat. Nur wenn dies ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte, wäre der Oberbegriff der Tarifgruppe 5 nach 12-monatiger Tätigkeit noch nicht erfüllt. Dies etwa bei längeren Krankheitszeiten, einem nur beschränkten Einsatzgebiet oder erheblichen Leistungsdefiziten. Vom Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestandes kann in Ermangelung eines diesbezüglich konkreten Sachvortrages der Parteien nicht ausgegangen werden.

Für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht auch die Eingruppierung der beiden übrigen Schichtführer, die im Wesentlichen dieselben Tätigkeiten verrichten wie der Kläger.

2.

Die Hauptsacheforderung ist ab Zustellung der Klage in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.

III.

1.

Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

2.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 2 ETV ist die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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