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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 9 Ta 124/04
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG
Vorschriften:
ArbGG § 2 Abs. 1 | |
ArbGG § 5 Abs. 1 | |
ArbGG § 48 Abs. 1 | |
GVG § 17a |
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
wegen: Sonstiges
hier: Rechtswegzuständigkeit
Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 11.03.2004, Az. 4 Ca 1583/03 C, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf EUR 6.243,48.
Gründe:
I.
Der am 17.03.1935 geborene Kläger war bei der Beklagten in leitender Funktion seit dem Jahr 1973 bis zum 31.03.1993 beschäftigt. Inhaberin der Beklagten war bis zum Jahr 2000 die Ehefrau des Klägers und seit dem 01.01.2001 seine Tochter C....
Der Kläger erbrachte seine Dienste auf der Grundlage geschlossener Arbeitsverträge, für ihn wurden Sozialabgaben abgeführt und er bezog vom 01.04.1993 bis 31.03.1995 Arbeitslosengeld.
Die Beklagte zahlte an den Kläger ab dem 01.04.1995 eine monatliche Betriebsrente von EUR 520,29, stellte diese Zahlungen jedoch ab August 2003 ein.
Hiergegen wendet sich die zum Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - eingereichte Klage vom 17.10.2003, mit der der Kläger rückständige Betriebsrente und die Wiederaufnahme der monatlichen Zahlungen von EUR 520,29 begehrt.
Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges und behauptet, der Kläger sei wegen seiner leitenden Stellung in dem Unternehmen kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes.
Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Beschluss vom 11.03.2004 den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt.
Gegen den der Beklagten am 17.03.2004 zugestellten Beschluss haben ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18.03.2004, der am Folgetag beim Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Beschluss vom 01.06.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Sie ist gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 567, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. 2. Die sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Auf seine Ausführungen in der Ausgangsentscheidung vom 11.03.2004 (Bl. 52-55 d.A.) und in der Nichtabhilfeentscheidung vom 01.06.2004 (Bl. 76-78 d.A.) wird deshalb verwiesen. a) Trotz der von der Beklagten behaupteten leitenden Funktion des Klägers bei der Beklagten ist dieser nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aus dem Kreis der Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ausgenommen. Der Kläger war nämlich nicht organschaftlicher Vertreter einer juristischen Person oder Personengesamtheit, denn die Beklagte wird lediglich als Einzelhandelsfirma betrieben und nicht als eine juristische Person oder Personengesamtheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Im Übrigen hatte der Kläger weder die formale Stellung eines Vertretungsorgans noch war er vertretungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten. b) Der Kläger hat seine Tätigkeit als "Geschäftsführer" oder "leitender Angestellter" im Rahmen eines Dienstvertrages gemäß § 611 BGB erbracht, für dessen rechtliche Einordnung als Arbeitsverhältnis oder sonstiges Dienstverhältnis - entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin - entscheidend auf die von den Vertragsparteien gewählte Vertragsform abzustellen ist.
Für die Abgrenzung von anderen Vertragsbeziehungen, insbesondere einem sonstigen Dienstverhältnis i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 12.06.1996 - 5 AZR 1066/94 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB freier Mitarbeiter; Urteil vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96 - AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit; jeweils m.w.N.) nicht entscheidend darauf abgestellt, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnet haben. Der Status des Beschäftigten bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt einzuordnen ist. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wird der Vertrag abweichend von den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen vollzogen, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, durch Parteivereinbarung könne die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzes nicht eingeschränkt werden.
Bereits aus dieser Begründung folgt, dass die dargestellten Grundsätze nur für solche Fälle gelten, in denen die Parteien ihr Rechtsverhältnis gerade nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet haben, sondern etwa als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis. Haben die Parteien dagegen ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch als solches einzuordnen (so BAG im Urteil vom 12.09.1996). Zumindest dann, wenn die vereinbarte Tätigkeit sowohl im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses oder eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden kann. In diesem Fall ist stets von einer Beschäftigung als Arbeitnehmer auszugehen, wenn dies vertraglich ausdrücklich so vereinbart worden ist. Nur dann, wenn es an einer solchen ausdrücklichen Vereinbarung fehlt, müssen im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass das für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist (so BAG in den Urteilen vom 01.11.1995 - 5 AZR 84/94 und 5 AZR 880/94 - NZA 1996, 813 und 1996, 816).
Hierbei steht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete fachlichen Weisungen nicht unterliegt, wenn er Dienste höherer Art ausübt, bei denen der Ausführende ein höheres Maß an Eigeninitiative und fachlicher Selbstbestimmung in Anspruch nehmen darf (so BAG NZA 1996, 813, 814, m.w.N.).
Der Kläger hat sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, für die gesamte Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses seien jeweils Arbeitsverträge abgeschlossen worden und auch abgabenrechtlich sei von den Vertragsparteien vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen worden. Dies wird von der Beklagten nicht konkret in Abrede gestellt, vgl. § 138 Abs. 3 ZPO.
Unter Berücksichtigung obiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehung der Parteien ihr Wille verbindlich, ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründen zu wollen und nicht ein sonstiges Dienstverhältnis im Rahmen des § 611 Abs. 1 BGB.
Eine leitende Funktion in einer Einzelhandelsfirma kann nämlich auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden; insoweit handelt es sich um den Vertrag eines "leitenden Angestellten". III.
1.
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
2.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.
3.
Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes im Rahmen des § 25 Abs. 2 GKG ist ein Drittel des Wertes der Hauptsache in Ansatz gebracht worden. Dieser bemisst sich nach dem 36fachen Monatsbetrag gemäß § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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