Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 1 Sa 36/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 519
BGB § 262
BGB § 611
BGB § 612
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Sa 36/05

Entscheidung vom 21.07.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.10.2004 - 2 Ca 173/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Vergütung von Überstunden von Juli 2001 bis April 2003.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Monteur für Saunaanlagen mit einem Stundenlohn von 9,20 Euro beschäftigt. Zwischen den Parteien wurde eine Normarbeitsleistung von acht Stunden pro Tag mündlich vereinbart (Bl. 2 d. A.). Darüber hinaus geleistete Arbeit sollte einem "Überstundenkonto" gutgeschrieben werden (Bl. 38 d. A.). Weiter vereinbarten die Parteien, dass Überstunden vorrangig mit Freizeit ausgeglichen werden. Bei Bedarf bzw. auf Wunsch der Mitarbeiter werden Überstunden mit einem Zuschlag von 2,30 Euro pro Stunde ausgezahlt (Bl. 38, 39 d. A.). Der Abrechnungsturnus für die Lohnzahlung entspricht dem Kalendermonat.

Das Überstundenkonto wird unstreitig nach April 2003 weiter fortgeführt.

Der Kläger hat vorgetragen:

Für die Monate Juli 2001, November 2001, Januar 2002, April 2002, Mai 2002, Januar 2003, Februar 2003 und April 2003 sei die ihm zustehende Überstundenvergütung von der Beklagten falsch berechnet und nicht vollständig geleistet worden. Der Kläger berechnet seinen Anspruch auf ausstehende Überstundenvergütung dergestalt, dass er eine Überstundenvergütung auch dann beanspruchen zu können vermeint, wenn die fraglichen Überstunden auf dem Überstundenkonto verbleiben bzw. wenn die Überstunden zugleich als bezahlte Freizeit in Anspruch genommen werden (vgl. Bl. 2 ff d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1.579,53 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus brutto 514,50 Euro seit dem 11.10.2003 und aus brutto 1.065,03 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Kläger unterliege bei seiner Berechnung einem Irrtum. Nach seinem Abrechnungsmodus würde er zum einen freie Zeit nehmen, zum anderen zusätzlich nochmals für die gleiche Zeit Überstunden geltend machen. Alle Stunden, die vom Kläger geleistet seien, würden entweder durch Freizeit- oder Überstundenauszahlung ausgeglichen oder würden auf dem Überstundenkonto verbleiben für einen späteren Ausgleich (Bl. 54 ff d. A.).

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Sitzungen in erster Instanz verwiesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 29.10.2004 abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bei seiner Berechnung die gewährten Freistunden nicht als Abzugsbeträge berücksichtigt (Bl. 67 d. A.). Die Bezahlung von freien Stunden sei als Ausgleich für Überstunden zu werten und die für freie Stunden erbrachte Vergütung sei von den tatsächlich geleisteten Überstunden in Abzug zu bringen (Bl. 68 d. A.). Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf das Urteil (Bl. 64-70 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27.12.2004 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 12.01.2005, eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht per Fax am selben Tag, die Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17.02.2005, eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht am 18.02.2005, begründet.

Der Kläger nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Die geleisteten Überstunden seien auch dann mit einem Überstundenzuschlag zu vergüten, wenn sie durch die Inanspruchnahme von Freizeit abgebaut werden (Bl. 89 d. A.). Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn der Kläger in einem Monat zwar freie Tage in Anspruch nehme, aber infolge der in diesem Monat geleisteten Überstunden die Normstundenzahl des bezeichneten Monats erreicht habe, wie dies beim Kläger etwa im Juli 2001 der Fall gewesen sei (Bl. 89, 100 d. A.). Hier sei der Abzug der Stunden für freie Tage nicht erforderlich gewesen, um die Normstundenzahl des Monats Juli 2001 zu erreichen. Die abgezogenen Stunden seien deshalb mit dem Überstundenzuschlag zu vergüten (Bl. 89 d. A.).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Koblenz vom 29.10.2004, Az. 2 Ca 173/04, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1.579,53 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus brutto 514,50 Euro seit dem 11.10.2003 und aus brutto 1065,03 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz und trägt ergänzend vor:

Vereinbarungsgemäß bestünden zwei Möglichkeiten, Überstunden abzubauen. Zum einen in den Monaten, in denen der Kläger die Normstunden nicht erreiche, zur Auffüllung seiner Stunden auf die Normstunden. Erhalte der Kläger dagegen keine "Vergütung" in Form von freier Zeit, sondern eine Auszahlung seiner Überstunden in Geld, sei auch der Überstundenzuschlag zu zahlen (Bl. 97 d. A.).

Zur Ergänzung des dargestellten Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Berufungsschriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist im Ergebnis und in der Begründung nicht zu beanstanden.

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist deshalb zulässig.

B.

I.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass dem Kläger die begehrte Überstundenvergütung nicht zusteht.

II.

Das Begehren des Klägers lässt sich weder auf einen vertraglichen noch auf einen gesetzlichen Anspruch stützen.

1. Die Überstundenvergütung in der vom Kläger begehrten Form wurde nicht vertraglich vereinbart.

a) Unstreitig wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass die Überstunden des Klägers auf einem Überstundenkonto gutgeschrieben werden. Unstreitig ist weiterhin die mündliche Vereinbarung, dass Überstunden vorrangig durch die Gewährung von Freizeit "abgegolten" werden sollen, und dass auf Wunsch des Arbeitnehmers die Auszahlung eines Überstundenzuschlags von 2,30 Euro erfolgt. Übereinstimmend gehen die Parteien schließlich von einem Lohnabrechnungsturnus von einem Kalendermonat aus.

b) Auf dieser vertraglichen Grundlage kann der Kläger Überstundenvergütung nur beanspruchen, wenn die mit einem Zuschlag vergüteten Stunden vom Überstundenkonto abgezogen werden. Verbleiben geleistete Überstunden am Monatsende auf dem Arbeitszeitkonto, besteht zunächst kein Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlags, da der Kläger erst entscheiden muss, ob er das Zeitkonto durch Inanspruchnahme von bezahlter Freizeit ohne Überstundenzuschläge oder - bei weiterer Erbringung der Arbeitsleistung - durch Barauszahlung der Überstundenvergütung abbauen möchte.

Da der Überstundenzuschlag nur "auf Wunsch" des Klägers zur Auszahlung zu bringen ist, wurde dem Kläger einzelvertraglich eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt. Dabei handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, welches den Leistungsinhalt verändert. Bei der Ersetzungsbefugnis hat die Schuld - im Gegensatz zum Wahlrecht im Sinne des § 262 BGB - von Anfang an einen bestimmten Inhalt. Der Gläubiger hat aber das Recht, statt der an sich geschuldeten Leistung eine andere zu verlangen. (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, 2005, § 262 Rn. 8; BAG v. 07.02.1995, AP Nr. 54 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel [Ziffer II.1.b)aa) der Gründe] = NZA 1995, 1048 [1049]).

Die Beklagte ist demnach aufgrund der einzelvertraglichen Vereinbarung zunächst verpflichtet bzw. berechtigt, dem Kläger für geleistete Überstunden den regulären Stundenlohn zu zahlen und Freizeitausgleich zum Ende des Abrechnungszeitraums (Kalendermonat) zu gewähren. Der Kläger ist sodann befugt, den verbleibenden Anspruch auf Freizeitausgleich mit einem entsprechenden Verlangen durch den Anspruch auf Zahlung des Überstundenzuschlags zu ersetzen. Diese Vereinbarung bewirkt, dass der Kläger nicht die Abgeltung von Mehrarbeitsstunden durch Freizeit und den entsprechenden Zeitzuschlägen verlangen kann. Er ist lediglich befugt, vom Freizeitausgleich zur Zahlung des Zuschlags zu wechseln. Eine anderslautende Vereinbarung hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2005 nicht dargetan.

Überstundenvergütung kann der Kläger nach dem Inhalt der unstreitigen Vereinbarung nur beanspruchen, indem das Guthaben auf dem Überstundenkonto um die Anzahl der mit Zuschlag vergüteten Stunden vermindert wird und der Kläger die geschuldete Normarbeitsleistung von acht Stunden pro Arbeitstag im gesamten Abrechnungsmonat erbracht hat, nicht jedoch, wenn das Guthaben auf dem Überstundenkonto bereits durch die Gewährung von Freizeit abgebaut wurde. Der Kläger erhielte sonst Überstundenzuschläge für Zeiten, in denen er keine Arbeitsleistung erbracht hat, indem er z.B. einen freien Tag in Anspruch nahm. Eine derartige Vergütungsvereinbarung kann zwar getroffen werden - das haben die Parteien jedoch nicht getan. Vereinbart war vielmehr, dass vorrangig Fehlzeiten vom Arbeitszeitguthaben abzuziehen sind.

c) Auch in einem Monat wie dem Juli 2001, in dem der Kläger die Normstundenzahl (22 Arbeitstage x 8 Stunden/Arbeitstag = 176 Normstunden) überschritten hat, gilt - entgegen seiner Ansicht in der Berufung - nichts anderes. Die Parteien haben bei einem monatlichen Abrechnungsturnus eine vorrangige Verrechnung des Zeitguthabens mit Fehlzeiten des Abrechnungsmonats vereinbart. Im Juli 2001 hat der Kläger zwei freie Tage zu je acht Stunden genommen. Diese waren vereinbarungsgemäß vorrangig vom Zeitguthaben in Abzug zu bringen. Erst dann stand dem Kläger eine Ersetzungsbefugnis hinsichtlich der Vergütung der verbleibenden Überstunden zu. Von dieser Befugnis hat der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht, da er den Bestand des Zeitguthabens nicht reduzieren wollte bzw. zugleich bezahlte Freizeit forderte. Er konnte folglich keine Überstundenvergütung beanspruchen.

Soweit der Kläger fordert, die im Juli 2001 geleisteten Überstunden seien mit einem Zuschlag zu vergüten und zugleich als bezahlte Freizeit zu gewähren, differenziert er unzulässigerweise zwischen Überstunden, die über die tägliche Normzeit hinaus erbracht wurden und solchen die über die monatliche Normzeit hinaus erbracht wurden. Er rechnet folglich mit zwei Arbeitszeitkonten. Das entspricht nicht der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Bei einem vereinbarten Abrechnungsturnus von einem Kalendermonat ist allein auf die monatliche Normstundenzahl abzustellen, um zu ermitteln, ob zuschlagsfähige Überstunden erbracht wurden. Das ergibt sich aus der unstreitigen Vereinbarung der Vertragsparteien, dass Überstunden (bei der Monatsabrechnung) vorrangig mit Freizeit auszugleichen sind. Infolge dieser Vereinbarung ist es unerheblich, dass der Kläger im Monat Juli 2001 selbst bei zwei freien Tagen die Normstundenzahl überschritten hat. Denn vorrangig sollten die Fehlzeiten mit den erbrachten Überstunden verrechnet werden. Vom Arbeitszeitkonto waren folglich zunächst 16 Stunden für die beiden freien Tage abzuziehen.

Dem Kläger wird mit dieser Regelung auch nichts vorenthalten. Keineswegs bewirkt die vorrangige Verrechnung der Fehlzeiten mit dem Arbeitszeitguthaben, dass dem Kläger Überstundenvergütung verloren geht (vgl. Bl. 58 d. A.). Denn der einzelvertragliche Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass der Kläger im jeweiligen Abrechnungszeitraum, also bei Betrachtung des Zeitsaldos des jeweiligen Kalendermonats, Überstunden erbracht hat. Das folgt aus der unstreitigen Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos mit monatlichem Abrechnungsturnus. Der Kläger begehrt dagegen eine Abrechnung so, als bestünde ein solches Zeitkonto nicht. Auf der Grundlage der unstreitigen Vertragsvereinbarungen kann er mit seinem Begehren nicht durchdringen.

2. Auch die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage hat der Kläger nicht vorgetragen (vgl. zur tariflichen Vergütungsvereinbarung bei einem Arbeitszeitkonto in § 4 Abs. 4 S. 2 Manteltarifvertrag des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen v. 23.07.1993: BAG v. 07.02.1995, AP Nr. 54 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

3. Schließlich besteht auch keine gesetzliche Grundlage für den vom Kläger begehrten Abrechnungsmodus. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 611 i. V. m. § 612 BGB. Danach gilt zwar die übliche Vergütung als geschuldet, wenn eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung und eine taxmäßige Vergütung nicht bestehen. Zwischen den Parteien wurde jedoch eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung der monatlich geleisteten Überstunden getroffen. Diese Vereinbarung gilt.

4. Die Parteien haben ausdrücklich erklärt, dass sie nicht über die Anzahl der jeweils geleisteten Überstunden streiten (vgl. insbesondere die Schriftsätze des Klägers vom 29.07.2004 und vom 20.04.2005, Bl. 48 f, 100 d. A.). Damit hat der Kläger den Beklagtenvortrag über die Anzahl der geleisteten Stunden und genommenen freien Tage unstreitig gestellt. Auf dieser Grundlage erweist sich der Abrechnungsmodus der Beklagten als zutreffend.

Nach all dem war das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz nicht zu beanstanden und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

Zurück