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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 162/07
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9 S. 1
RVG § 33 Abs. 9 S. 2
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
ArbGG § 2a
ArbGG §§ 80 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 162/07

Entscheidung vom 19.07.2007

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 05.06.2007 - 1 BV 17/06 - wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 2/3 zu tragen.

4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit der Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Anordnung von Sonderschichten.

Der Antragsteller (im Folgenden Betriebsrat) hat im Rahmen eines Beschlussverfahrens beantragt, der Antragsgegnerin (im Folgenden Arbeitgeberin) aufzugeben, (1.) es zu unterlassen, ohne seine Zustimmung, ohne eine Betriebsvereinbarung - hilfsweise, ohne dass die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung hinsichtlich zustimmungsfreier Sonderschichten vorliegen - oder entsprechenden Spruch der Einigungsstelle oder ohne dass ein Notfall vorliegt, einseitig an Samstagen und Sonntagen Sonderschichten in der Produktion, sei es in der Früh-, Spät- oder Nachtschicht, durchzuführen oder deren Durchführung zu dulden; hilfsweise (2.) es zu unterlassen, kollektivbezogene Überstunden in Form von Sonderschichten durchzuführen und/oder deren Durchführung zu dulden, sofern hierzu der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilt, oder diese Überstunden durch die betriebliche Einigungsstelle nicht genehmigt worden sind, es sei denn, es liegt ein Notfall vor; hilfsweise (3.) es zu unterlassen, Sonderschichten, hilfsweise kollektivbezogene Überstunden in Form von Sonderschichten, durchzuführen, wie es am 24.06.2006 durch einseitige Anordnung unter Geltendmachung eines Notfalls nach erfolgter Ablehnung der Zustimmung durch den Betriebsrat am 23.06.2006 geschehen ist, durchzuführen und/oder deren Durchführung zu dulden, ohne dass tatsächlich ein Notfall vorliegt; (4.) festzustellen, dass die einseitige Festsetzung von Sonderschichten am 24. und 25.06.2006 ohne Zustimmung des Betriebsrats unwirksam war.

Das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren endete mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.02.2007. Die Unterlassungsanträge hat das Arbeitsgericht wegen der aufgrund einer zwischenzeitlich abgeschlossenen Betriebsvereinbarung fehlenden Wiederholungsgefahr und den Feststellungsantrag wegen Fehlens des Feststellungsinteresses zurückgewiesen.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 05.06.2007 den Gegenstandswert ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 12.06.2007 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf mindestens 12.000,00 Euro festzusetzen. Zur Begründung haben die Beschwerdeführer auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11.08.1988 - 8 TaBV 63/88 - verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist somit zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel nur zum Teil begründet. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist auf 6.000,00 Euro festzusetzen.

Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen das § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.

Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. §§ 2a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 S.1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07). Der Gegenstandswert steht auch sonst nicht fest. Die Bestimmung des Gegenstandswertes richtet sich daher nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand. Von einem solchen ist dann auszugehen, wenn der im Verfahren erhobene Anspruch auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung beruht bzw. nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07). Dies ist bei dem geltend gemachten Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG der Fall. Dieses beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung und ist auch nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.06.2007 - 1 Ta 116/07). Im Übrigen kommt eine Schätzung auch deshalb nicht in Betracht, weil vorliegend Anhaltspunkte zur Feststellung eines Wertes dieser Anträge nicht bestehen. Der Gegenstandswert ist daher nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; vgl. auch Arbeitsrechtslexikon/Schwab: Streitwertgegenstandswert II 3) stellt der Wert von 4.000,00 Euro dabei keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Unter Umständen ist auch der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erscheint vorliegend eine Festsetzung des Gegenstandswertes auf 6.000,00 Euro als angemessen.

Der Unterlassungsantrag, die gestellten Hilfsanträge und der Feststellungsantrag stehen in einem engen Zusammenhang. Der Unterlassungsantrag sollte - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat - durch die Hilfsanträge erkennbar lediglich konkretisiert werden. Sie dienten damit der Einhaltung des Bestimmtheitserfordernisses. Bei allen Anträgen, auch dem Feststellungsantrag, ging es vorliegend nicht um eine Vielzahl von Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Sonderschichten, sondern "lediglich" darum, ob die Anordnung von Sonderschichten am 24.06.2006 einen Eil- oder Notfall dargestellt hat und dem Betriebsrat wegen dieses einzelnen Vorfalls ein Unterlassungsanspruch bzw. Feststellungsanspruch zusteht. Diese Anträge sind daher auch einheitlich zu bewerten. Der Hilfswert von 4.000,00 Euro ist vorliegend allerdings aufgrund der betroffenen Anzahl von Mitarbeitern um 2.000,00 Euro zu erhöhen. Anhaltspunkte für eine besondere Schwierigkeit oder einen besonderen Umfang der Angelegenheit oder einen besonderen Arbeitsaufwand der Beschwerdeführer, die eine weitere Erhöhung rechtfertigen würden, bestehen vorliegend dagegen nicht. Insbesondere hielt sich das Verfahren in Umfang und Schwierigkeit in einem für Beschlussverfahren "normalen" Rahmen. Auch die Tatsache, dass zwischen den Betriebsparteien ein Einigungsstellenverfahren über die am 30.08.2006 geschlossene Betriebsvereinbarung flexible Arbeitszeit geführt wurde, ist nicht gegenstandswerterhöhend. Damit war der Gegenstandswert auf 6.000,00 Euro festzusetzen.

Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt. Dies gilt auch im Beschlussverfahren (vgl. ausführlich LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07 jeweils mit weiteren Nachweisen). Da die Beschwerde bezogen auf die Anwaltsgebühren nur zu ca. 1/3 erfolgreich war, haben die Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach §§ 97, 92 ZPO zu 2/3 zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

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