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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 10.09.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 209/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG, ZPO
Vorschriften:
RVG § 23 Abs. 1 | |
RVG § 23 Abs. 1 S. 1 | |
RVG § 23 Abs. 3 S. 2 | |
RVG § 33 Abs. 3 | |
RVG § 33 Abs. 9 S. 1 | |
RVG § 33 Abs. 9 S. 2 | |
GKG § 3 Abs. 2 | |
GKG § 42 Abs. 4 S. 1 | |
GKG § 48 Abs. 1 | |
GKG § 48 Abs. 2 | |
GKG § 48 Abs. 4 | |
ZPO § 3 |
Aktenzeichen: 1 Ta 209/07
Entscheidung vom 10.09.2007
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 30.07.2007 - 4 Ga 14/07 - wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird auf 4.000,00 Euro für das Verfahren und auf 6.000,00 Euro für den Vergleich festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 5/8 zu tragen.
4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes für eine einstweilige Verfügung, mit der verlangt wurde, bestimmte Äußerungen in Zukunft zu unterlassen.
Der Antragsteller ist der Vorgesetzte der Antragsgegnerin. Mit seinem Antrag verlangte er von der Antragsgegnerin, die von ihr in einem Schreiben an die Geschäftsführung vom 08.01.2007 aufgestellten Behauptungen in Zukunft zu unterlassen. Der Antragsteller befürchtete, durch die Äußerungen der Antragsgegnerin seinen Arbeitsplatz zu verlieren und fühlte sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in seiner Ehre verletzt.
Das Verfahren wurde vor dem Arbeitsgericht durch nachfolgenden Vergleich vom 13.06.2007 erledigt:
"1. Die Beklagte enthält sich zukünftig sämtlicher folgender Äußerungen (wörtlich oder sinngemäß):
a) "Der Kläger erpresst sich private Gefälligkeiten (Schwarzarbeit oder Zigarettenbeschaffung) immer mit der gleichen Art, dass er es schon geschafft hat, dass einige Mitarbeiter, zum Beispiel M. B. O. oder D. A. gehen mussten und wenn nicht ... es bei "normalen" Arbeitern eine Leichtigkeit sei, diese zu entfernen."
b) "Der Kläger habe gesagt, er halte seinen Bereich sauber, da lasse er sich von S. und dem Wichser H. nicht in die Karten schauen, denn diese seien dumm wie Scheiße."
c) "Der Kläger habe der Beklagten vorgeschlagen, mal eine Nachtschicht zu machen, weil er dann auch kommen würde, es gäbe ja genügend gemütliche Plätze für uns zwei."
2. Die Beklagte nimmt die Vorhalte "Wichser", "dumm wie Scheiße" zurück und entschuldigt sich hierfür ausdrücklich.
3. Die Beklagte stellt klar, dass keinerlei Ehrabträglichkeiten gegenüber dem Kläger persönlich beabsichtigt waren und entschuldigt sich für jedwede empfundene Ehrabträglichkeit gegenüber dem Kläger ausdrücklich.
..."
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 2.000,00 Euro für das Verfahren und auf 3.000,00 Euro für den Vergleich festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 01.08.2007 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 8.645,00 Euro festzusetzen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer habe im einstweiligen Verfügungsverfahren das Interesse des Antragstellers an dem Erhalt seines Arbeitsplatzes im Vor gestanden. Dieses wirtschaftliche Interesse entspreche seinem Vierteljahresverdienst in Höhe von 8.645,00 Euro. Aber auch die ehrverletzenden Äußerungen der Antragsgegnerin rechtfertigten eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf 6.000,00 Euro, da deren Äußerungen unterschiedlicher Natur gewesen seien und in keinerlei Zusammenhang gestanden hätten.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zu einem Teil Erfolg.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren war auf 4.000,00 Euro festzusetzen.
Die Bestimmung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich vorliegend unter Beachtung des § 48 Abs. 4 GKG nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO sowie § 48 Abs. 2 GKG. Eines Rückgriffs auf § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bedarf es daher nicht.
Während sich § 48 Abs. 1 GKG auf vermögensrechtliche Ansprüche bezieht, gilt § 48 Abs. 2 GKG für nichtvermögensrechtliche Ansprüche. Vermögensrechtlich ist dabei jeder Anspruch, der entweder auf einer vermögensrechtlichen Beziehung beruht oder im wesentlichen wirtschaftlichen Interessen dienen soll (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 89/07; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage 2007, GKG § 48 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Das Begehren des Antragstellers war auf das Unterlassen der im Schreiben vom 08.01.2007 gegenüber der Geschäftsführung getätigten Behauptungen gerichtet, die sowohl seine Ehre und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als auch wirtschaftliche Interessen - der Antragsteller fürchtete die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses - zu beeinträchtigen in der Lage waren. Damit macht der Antragsteller nicht nur einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts), sondern auch einen vermögensrechtlichen Anspruch (Bestand des Arbeitsverhältnisses) geltend. In derartigen Fällen kommt neben § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 2 GKG für den nichtvermögensrechtlichen Teil auch ein eigener Wert nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO für den vermögensrechtlichen Teil in Betracht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 89/07; LAG Köln, Beschluss vom 06.06.2003 - 13(3) Ta 23/03; so offenbar auch Herget, in Zöller, ZPO, 26. Auflage 2007, § 3 Rn. 16 - Widerruf). Dabei ist nach § 48 Abs. 4 GKG bei einem Zusammentreffen eines nichtvermögensrechtlichen mit einem vermögensrechtlichen Anspruch nur der höhere Anspruch maßgebend.
Nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 2 GKG ist bei der Streitwertfestsetzung für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, Ermessen auszuüben. Nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO wird der Wert ebenfalls nach freiem Ermessen festgesetzt. Maßgebend ist dabei das objektiv zu ermittelnde Interesse des Klägers (vgl. Heinrich, in: Musielak, ZPO, 5. Auflage 2007, § 3 Rn. 6) bzw. Antragstellers.
Im Zusammenhang mit ehrverletzenden Äußerungen wird für Unterlassungsanträge regelmäßig ein Betrag zwischen 3.000,00 Euro und 5.000,00 Euro angesetzt, der entsprechend den Einzelfallumständen ermäßigt oder erhöht werden kann (vgl. Heinrich, in: Musielak, ZPO, 5. Auflage 2007, § 3 Rn. 36). Sofern es den nichtvermögensrechtlichen Teil (Ehrverletzung, Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Verletzung des Ansehens) betrifft, ist im Rahmen der Ermessensentscheidung zunächst zu berücksichtigen, dass der Brief "lediglich" an den Geschäftsführer der Arbeitgeberin ging und somit der Adressatenkreis beschränkt war. Allerdings waren die Behauptungen der Antragsgegnerin schwerwiegend und somit im Falle ihrer Unwahrheit auch geeignet, den Antragsteller erheblich in seiner Ehre und auch in seinem Ansehen gegenüber seinem Vorgesetzten zu verletzen. Dies rechtfertigt eine Erhöhung des Gegenstandswertes. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der begehrten Regelung - der Antragsteller hat sein Verlangen im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht - erscheint bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein Betrag von 4.000,00 Euro als angemessen. Dem steht auch nicht entgegen, dass mit einem Einlenken der Antragsgegnerin bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren zu rechnen gewesen war. Dies war zwar möglich, aber keineswegs sicher.
Soweit der vermögensrechtliche Teil, also die Gefährdung des Arbeitsplatzes betroffen ist, ergibt sich keine höhere Bewertung. Zwar ist nach § 42 Abs. 4 S. 1 GKG bei Rechtstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auf den Vierteljahresverdienst abzustellen. Im vorliegenden Fall war Streitgegenstand jedoch weder der Bestand des Arbeitsverhältnisses noch eine Kündigung desselben. Die Äußerungen der Antragsgegnerin haben gerade keine Kündigung des Antragstellers ausgelöst. Vielmehr hat der Arbeitgeber wegen dieser "lediglich" erste Ermittlungen angestellt. Solche Ermittlungen entsprechen aber mit Blick auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses nicht einem Streit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Das Interesse, sie zu vermeiden, wäre allenfalls - wie etwa eine Abmahnung - mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten.
Damit war der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 4.000,00 Euro festzusetzen.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich war auf 6.000,00 Euro festzusetzen, weil die Parteien im Vergleich, und zwar weitergehend als im Verfahren, nicht nur eine Unterlassung, sondern darüber hinaus auch teilweise einen Widerruf vereinbart haben.
Im Zusammenhang mit dem Widerruf ehrverletzenden Äußerungen wird regelmäßig ein Betrag von 2.000,00 Euro angesetzt, der entsprechend den Einzelfallumständen ermäßigt oder erhöht werden kann (vgl. Steffen, AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 148). Maßgeblich für die Wertbestimmung beim Widerruf ist die zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beantragten Verhalten des Prozessgegners zu besorgen ist und die mit der jeweils begehrten Maßnahme beseitigt werden soll. Nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend von einem Wert von 2.000,00 Euro auszugehen, soweit es den nichtvermögensrechlichten Teil dieser Regelung betrifft. Zwar waren die beleidigenden Äußerungen der Antragsgegnerin - "Wichser", "dumm wie Scheiße" - geeignet, den Antragssteller in seiner Ehre zu beeinträchtigen. Da der Brief aber "lediglich" an den Geschäftsführer der Arbeitgeberin gerichtet und somit der Adressatenkreis beschränkt war, erscheint eine zusätzliche Bewertung mit 2.000,00 Euro als angemessen.
Auf eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers war durch diese beleidigenden Äußerungen nicht abzustellen. Hieraus ergibt sich somit keine höhere Bewertung.
Der Gegenstandswert für den Vergleich war somit um 2.000,00 Euro auf 6.000,00 Euro zu erhöhen.
Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt. Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer nach §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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