Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 279/07
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, RVG, GKG


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
ZPO § 3
ZPO § 9
RVG § 2 Abs. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
GKG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 12.11.2007 - 8 Ca 891/07 - wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit einem Kündigungsschutzverfahren und der Abberufung eines Geschäftsführers.

Der Kläger war bei der Beklagten durch Arbeitsvertrag vom 29.05.2006 seit dem 07.06.2006 als kaufmännischer Leiter mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 6.000,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte ernannte ihn mit Gesellschafterbeschluss vom 04.07.2006 zum 14.07.2006 zum stellvertretenden Geschäftsführer (kaufmännischer Geschäftsführer). Mit Schreiben vom 18.04.2007 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 27.04.2007 kündigte die Beklagte dieses Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Darüber hinaus kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2007 das mit dem Kläger "bestehende Dienstverhältnis als stellvertretender Geschäftsführer" fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Mit seiner Klage vom 07.05.2007 beantragte der Kläger,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten weder durch die außerordentlichen noch durch die ordentlichen Kündigungen vom 18. April 2007 und vom 27. April 2007 aufgelöst werde;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall seines Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 29.05.2006 nebst Ergänzung vom 23.11.2006 vereinbarten Arbeitsbedingungen als kaufmännischen Leiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Am 06.06.2007 schlossen die Parteien im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, den der Kläger innerhalb der ihm eingeräumten Widerrufsfrist widerrief. Am 22.08.2007 schlossen die Parteien im Kammertermin erneut einen Vergleich, in dem sie unter anderem sinngemäß vereinbarten, dass

1. das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis in Folge ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung vom 18.04.2007 mit Ablauf des 15.06.2007 ende;

2. die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 15.06.2007 ordnungsgemäß abrechne;

3. die Beklagte an den Kläger als Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 2.000,00 Euro zahle;

4. die Beklagte dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis erstelle;

5. beide Parteien über betrieblich erlangte Kenntnisse und Unterlagen Stillschweigen zu bewahren hätten;

6. dem Kläger der ihm noch zustehende Urlaub in natura gewährt werde;

7. mit Abschluss und Erfüllung des Vergleichs sämtliche gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung erledigt seien.

Weiter heißt es unter Ziffer 7, die Parteien sind sich insbesondere auch darüber einig, dass neben dem beendeten Arbeitsverhältnis kein weiteres Dienstverhältnis besteht. Der Kläger wird aus der Kündigung der Gesellschafterversammlung vom 18.04.2007 keine Rechte herleiten.

Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12.11.2007 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf 18.000,00 Euro für das Verfahren und auf 25.000,00 Euro für den Vergleich festgesetzt. Dabei setzt sich der für den Vergleich festgesetzte Mehrwert von 7.000,00 Euro zusammen aus 6.000,00 Euro (einem Bruttomonatseinkommen des Klägers) für das Zeugnis sowie 1.000,00 Euro für die Verschwiegenheitspflicht. Für die unter Ziffer 7 des Vergleichs getroffene Regelung hat das Arbeitsgericht keinen Vergleichsmehrwert festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.11.2007 BESCHWERDE eingelegt mit dem Ziel, hinsichtlich der unter Ziffer 7 des Vergleichs getroffenen Regelung einen eigenen Gegenstandswert in Höhe von 252.000,00 Euro zu veranschlagen und damit den Gegenstandswert für den Vergleich insgesamt auf 277.000,00 Euro festzusetzen.

Zur Begründung tragen die Beschwerdeführer vor, sämtliche Regelungen des Vergleichs seien zwischen den Parteien streitig gewesen. Zwar habe der Kläger seine Abberufung als Geschäftsführer nicht gerichtlich angegriffen. Er hätte jedoch insoweit noch einen weiteren Rechtsstreit vor dem Landgericht anstreben können, da Arbeitsverhältnis und Dienstverhältnis nebeneinander bestanden hätten, weswegen auch ihre Auflösung unabhängig voneinander zu beurteilen seien. Um der Gefahr eines solchen potentiellen zweiten Rechtsstreits entgegen zu wirken, sei es nötig gewesen, die unter Ziffer 7 des Vergleichs getroffene Regelung in den Vergleich mit aufzunehmen. Um eine Regelung zu finden, hätten sowohl die Parteien (auch außergerichtlich) verhandelt sowie die Prozessbevollmächtigten beider Seiten mehrere Telefonate miteinander geführt. Die Höhe der für die unter Ziffer 7 des Vergleichs getroffene Regelung beziffern die Beschwerdeführer unter Verweis auf die §§ 3 und 9 ZPO sowie verschiedene Urteile des BGH mit dem 3,5-fachen Jahresgehalt des Klägers.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend keinen Vergleichsmehrwert für die in Ziffer 7 des Vergleichs enthaltene Regelung festgesetzt.

Zwar setzt die Veranschlagung eines Vergleichsmehrwerts nicht notwendigerweise voraus, dass die Parteien über den entsprechenden Punkt vorher im Verfahren gerichtlich gestritten haben. Die Veranschlagung eines Mehrwerts kommt jedoch nur in Betracht, wenn durch die vergleichsweise Regelung Streit oder Ungewissheit der Parteien in Bezug auf den Regelungsgegenstand beseitigt wird (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.08.2007 - 1 Ta 181/07; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 08.05.2007 - 6 Ta 99/07; LAG Hamm, Beschluss vom 17.04.2007 - 6 Ta 145/07). Auch nach Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG entsteht eine Einigungsgebühr "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht." Daran fehlt es hier. Die Beschwerdeführer haben trotz mehrfachen Hinweises des Arbeitsgerichts und der erkennenden Kammer keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die erkennen ließen, dass der Kläger sich gegen seine Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten wenden wollte. Seine Ausführungen, die Beklagte hätte die Einleitung eines potentiellen weiteren Rechtsstreits durch ihn, den Kläger, befürchten können und deshalb habe sie aus Gründen der Rechtssicherheit die unter Ziffer 7 getroffene Regelung in den Vergleich aufnehmen lassen, bleiben rein abstrakter Natur. Zwar mag dem Kläger eine solche Möglichkeit rechtlich offen gestanden haben. Allein die bloße Möglichkeit reicht jedoch noch nicht aus, um die gesetzlichen Voraussetzungen der Beilegung eines Streites oder einer Ungewissheit zu bejahen. Ansonsten wären solche deklaratorischen Regelungen in einem Gesamtvergleich stets streitwerterhöhend, weil theoretisch über sämtliche darin aufgenommenen Punkte gestritten werden könnte. Maßgeblich für eine eigenständige Gegenstandswertfestsetzung sind nicht die theoretischen rechtlichen Möglichkeiten des Klägers, sondern das, was er aus ihnen macht und ob und wie er sie überhaupt durchzusetzen beabsichtigt. Im Streitfalle hat der Kläger die ihm am 18.04.2007 gegenüber ausgesprochene Kündigung seines Dienstverhältnisses als stellvertretender Geschäftsführer der Beklagten anstandslos hingenommen und noch in seinem Schriftsatz vom 16.08.2007 ausgeführt, er sei mit Gesellschafterbeschluss vom 17.04.2007 als stellvertretender Geschäftsführer abberufen worden. Gerichtlich hat er sich ausschließlich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt, was sich sowohl aus den Klageanträgen wie auch aus den unter Ziffer 1 bis 6 des Vergleichs getroffenen Regelungen ergibt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer, sowohl die Parteien wie auch deren Prozessbevollmächtigte hätten "verhandelt, um eine Regelung zu finden", vermochte hieran ebenfalls nichts zu ändern. Weder haben die Beschwerdeführer vorgetragen, worüber genau verhandelt wurde und ob und inwieweit Zweifel an der Wirksamkeit der Abberufung des Klägers als stellvertretender Geschäftsführer jemals Gegenstand derartiger Verhandlungen waren, noch wurden die äußeren Umstände solcher Verhandlungen näher dargelegt. Auch den Gegenstand der angestrebten Regelung oder das mit dieser verfolgte Ziel haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt. Mit Verfügung vom 07.12.2007 hat die erkennende Kammer die Beschwerdeführer noch einmal ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer näheren Substantiierung, ob, wann und in welcher Form sich der Kläger gegen seine Abberufung als stellvertretender Geschäftsführer gewendet haben soll, hingewiesen, da dies bislang weder dem Sachvortrag der Parteien noch aus den zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen ersichtlich war. Gleichwohl haben die Beschwerdeführer lediglich die vorgenannten abstrakten Ausführungen getätigt, was den Punkt "Streit oder Ungewissheit" nicht weiter konkretisieren konnte.

Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück