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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 74/09
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 4
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 15.10.2008, 6 Ga 26/08, wie folgt abgeändert: "Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wird auf 1.795,45 EUR festgesetzt". 2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu 96 % zu tragen. 4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Gründe:

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandwertes im Zusammenhang mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem der Antragsteller einen Beschäftigungsantrag sowie zwei Unterlassungsanträge verfolgt hat. Dem Rechtsstreit vorausgegangen war eine Mitteilung der Antragsgegnerin vom 13.05.2008 an die Belegschaft der Produktion, diese bleibe aufgrund starken Rückgangs der Auftragslage am 23., 28., 29. und 30.05.2008 geschlossen und die Mitarbeiter würden an diesen Tagen nicht beschäftigt. Darüber hinaus teilte die Antragsgegnerin der Belegschaft mit, die tägliche Arbeitszeit solle ab dem 19.05.2008 wie folgt reduziert werden. Für Mitarbeiter, die 8 Stunden täglich arbeiten: Reduzierung auf 6 Stunden täglich

Für Mitarbeiter, die 6 Stunden täglich arbeiten: Reduzierung auf 5 Stunden täglich.

Für Mitarbeiter, die 4 Stunden täglich arbeiten: Reduzierung auf 3 Stunden täglich. Zudem teilte die Antragsgegnerin mit, auch die Lage der Arbeitszeit in den Schichten werde geändert. Diese sollte nunmehr wie folgt aussehen: "Arbeitszeit:

Frühschicht von 6.00 Uhr bis 12.00 Uhr

Spätschicht von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr Pausenzeiten:

Frühschicht von 8.30 Uhr bis 8.45 Uhr, 10.45 Uhr bis 11.00 Uhr

Spätschicht von 14.30 Uhr bis 14.45 Uhr, 16.45 Uhr bis 17.00 Uhr Beide Pausen der jeweiligen Schichten sind bezahlte Pausen. Die unbezahlte Mittagspause fällt weg". Aufgrund dieser Vorkommnisse beantragte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung, die Antragsgegnerin zu verpflichten: 1. Den Antragsteller am 23.05., 28.05., 29.05, und 30.05.2008 jeweils 8 Stunden pro Tag im Rahmen der Früh- oder Spätschicht als Produktionsarbeiter zu beschäftigen, 2. es zur Meidung eines Zwangsgeldes bis zu 500.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, ihm gegenüber bei Auftragsmangel bezahlen oder unbezahlten Urlaub anzuordnen sowie 3. es zur Meidung eines Zwangsgeldes bis zu 500.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, seine Arbeiten und Pausenzeiten ganz oder teilweise entsprechend der vorangegangenen Mitteilung festzulegen. Das Verfahren endete durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz. Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.10.2008 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auf 1.276,36 EUR festgesetzt, wobei das Arbeitsgericht den Verfügungsantrag zu 1. mit 276,36 EUR sowie den Verfügungsantrag zu 3. mit 1.000,00 EUR bewertet hat. Der Verfügungsantrag zu 2. wurde seitens des Arbeitsgerichts nicht gesondert bewertet, da dieser wirtschaftliche Teilidentität zu dem Verfügungsantrag zu 1. aufweise. Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 11.11.2008 Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel einen Gesamtstreitwert von 13.700,00 EUR festzusetzen (Antrag zu 1.: 4.000,00 EUR, Antrag zu 2.: 4.000,00 EUR, Antrag zu 3.: 5.700,00 EUR). Zur Begründung weist der Beschwerdeführer darauf hin, hinsichtlich des Verfügungsantrages zu 1. sei es nicht sachgerecht, als Gegenstandswert den vier Arbeitstagen entsprechenden Bruttoverdienst abzüglich 20 Prozent in Ansatz zu bringen. Die Parteien stritten hier schließlich nicht darüber, ob ein Urlaubsanspruch bestehe, sondern darüber, wann Urlaub in Anspruch genommen werden solle. Es handele sich daher um eine Auseinandersetzung, die letztlich sowohl immaterielle als auch materielle Interessen des Arbeitnehmers zum Gegenstand habe. Hinsichtlich des Verfügungsantrages zu 2. ist der Beschwerdeführer der Ansicht, eine Teilidentität zwischen den Verfügungsanträgen zu 1. und 2. sei nicht gegeben. Zu beachten sei, dass der zu 2. gestellte Verfügungsantrag die Zukunft betreffe und damit sämtliche Urlaubsansprüche, die die antragstellende Partei im laufenden und im zukünftigen Jahre besitze, erfasse. Hinsichtlich des Verfügungsantrages zu 3. sei zu beachten, dass die von der Antragsgegnerin angeordnete Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnausgleich erfolge. Da diese Reduzierung unbefristet angeordnet worden sei, hätte seitens der Antragsgegnerin praktisch eine unentgeltliche Freistellung der Arbeitnehmer erfolgen können. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.03.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 EUR und ist auch sonst zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Gegenstandswertfestsetzung des Arbeitsgerichts erweist sich nur als relativ geringfügig zu niedrig. 1. Der unter Ziffer 1. gestellte Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller am 23.05., 28.05., 29.05. und 30.05. jeweils 8 Stunden pro Tag zu beschäftigen, war vorliegend mit einem Betrag in Höhe von 345,45 EUR zu bewerten. Das erkennende Gericht teilt insoweit die Ansicht des Arbeitsgerichts, das Interesse des Antragstellers an einer Beschäftigung für die vorgenannten vier Arbeitstage entspreche der Höhe des zu zahlenden Bruttomonatsgehaltes. Dieser beläuft sich betragsmäßig auf 345,45 EUR. Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung war vorliegend jedoch von diesem Betrag kein Abzug im Hinblick auf das Verfügungsverfahren vorzunehmen. Zwar wird üblicherweise im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen. Sichert jedoch ein erfolgreiches einstweiliges Verfügungsverfahren bereits den geltend gemachten Anspruch weitgehend schon in der Hauptsache, so erscheint ein Wertabzug nicht gerechtfertigt. Die Streitigkeit ist vielmehr regelmäßig mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung beendet. So liegt auch der vorliegende Fall. Durch das Verfahren der einstweiligen Verfügung wäre dieser Streitpunkt zwischen den Beteiligten erledigt worden, da bis zur beantragten Beschäftigung ein Hauptsacheverfahren keinesfalls abgeschlossen gewesen wäre. 2. Der unter Ziffer 2. gestellte Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen gegenüber der antragstellenden Partei bei Auftragsmangel bezahlten oder unbezahlten Urlaub anzuordnen, war demgegenüber unter Berücksichtigung eines 50 %igen Abschlags mit 950,00 EUR zu bewerten. Der Gegenstandswert ist nach freiem Ermessen gemäß § 3 ZPO festzusetzen. Hierbei ist das nach objektiven Kriterien zu ermittelnde wahre Interesse der Antragstellerin an der Durchsetzung ihres Antragziels zu bewerten (vgl. Schwab in Arbeitsrechtslexikon, Streitwert/Gegenstandswert II 1). Eine Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG unter Zugrundelegung des Hilfswertes von 4.000 Euro, wie von dem Beschwerdeführer beantragt, kommt dagegen nicht in Betracht. Bei dem vorliegenden Antrag zu 2. handelt es sich nicht um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG, bei der hilfsweise ein Gegenstandswert von 4.000 Euro anzusetzen ist. Bei Ausübung des ihm nach § 3 ZPO eröffneten freien Ermessens gelangt das Beschwerdegericht zu der Auffassung, dass als Grundlage für die Bewertung des Antrags zu 2 ein Bruttomonatsgehalt, mithin 1.900,00 Euro anzusetzen ist, wobei dieses mit einem Abschlag im Hinblick auf das einstweilige Verfügungsverfahren zu versehen ist (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005, 10 Ta BV 55/05, zitiert nach juris). Bei der an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Wertfestsetzung war insbesondere zu berücksichtigen, was die Antragsgegnerin objektiv gegenüber dem Antragsteller erklärt hatte und inwieweit das beschrittene einstweilige Verfügungsverfahren geeignet war, hier tatsächlich Abhilfe schaffen zu können. Da der vorliegende Antrag auch in seiner Bedeutung hinter einem nach ganz überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte mit einem Bruttomonatsentgelt zu bewertenden Weiterbeschäftigungsantrag, welcher die Fortsetzung der Tätigkeit auf Dauer und nicht nur für einzelne noch ungewisse Zeiträume in der Zukunft regelt, zurückbleibt, war insofern ein weiterer Abschlag vorzunehmen. Insgesamt hält das Gericht einen Gesamtabschlag von 50 % für angemessen. Eine wirtschaftliche Teilidentität des Verfügungsantrages zu 2. gegenüber dem Verfügungsantrag zu 1., welche es rechtfertigen würde, den Verfügungsantrag zu 2. wertmäßig unberücksichtigt zu lassen, sieht das Beschwerdegericht nicht. Der Verfügungsantrag zu 2., der auf unbestimmte Zeit in die Zukunft gerichtet ist, geht sowohl zeitlich als auch inhaltlich und dem Umfang nach weit über den Verfügungsantrag zu 1. hinaus. 3. Für den Verfügungsantrag zu 3. war ein Streitwert von 500,00 EUR anzusetzen. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Verfügungsantrag zu 3. nach seinem Umfang und seiner Bedeutung unterhalb der Verfügungsantrages zu 2., jedoch über den Verfügungsantrag zu 1., einzustufen. Der Verfügungsantrag zu 3. behandelt lediglich Fragen der konkreten Arbeitszeitgestaltung sowie der Festlegung der Pausenzeiten, erfasst aber vorbehaltlich der Regelung über die Entgeltpflichtigkeit der Pausen, insbesondere keine entgeltbezogenen Bestandteile. Nach dem materiellen Gehalt des Antrages zu 3. war vorliegend ein Gegenstandswert von 1.000,00 EUR anzusetzen. Dieser war im Hinblick auf das einstweilige Verfügungsverfahren wiederum mit einem Abschlag von 50 % zu versehen. 4. Mit der vorstehenden Festsetzung des Gegenstandswertes geht kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot einher. Die Anwendung des Verschlechterungsverbotes gebietet im vorliegenden Fall lediglich, dass der Gegenstandswert aufgrund der Beschwerde des Beschwerdeführers nicht geringer als in dem von ihm angegriffenen Beschluss des Arbeitsgericht festgesetzt werden darf. Das Verschlechterungsverbot schützt damit nur das Vertrauen des Beschwerdeführers, durch die nur von ihm begehrte Überprüfung einer Entscheidung im Ergebnis nicht schlechter gestellt zu werden. Es schützt aber nicht das Vertrauen auf die Richtigkeit einzelner Positionen einer Gesamtrechnung (vgl. Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07). 5. Damit ergibt sich für das vorliegende Verfahren ein Gesamtgegenstandswert von 1.795,45 EUR (345,45 EUR plus 950,00 EUR plus 500,00 EUR). Dementsprechend war der Beschluss wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern und das Rechtsmittel im Übrigen zurückzuweisen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens aufzuerlegen (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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