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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 109/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 613 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 109/05

Entscheidung vom 01.06.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.12.2004, AZ: 8 Ca 2703/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Überstundenvergütung, hilfsweise die Gewährung eines Freizeitausgleichs.

Die Klägerin ist seit dem 01.05.2004 bei der Beklagten als Bürokauffrau beschäftigt. Als solche hatte sie bereits zuvor seit dem 14.05.2003 bei der Fa. T. Z. GmbH, und zwar zu denselben Arbeitsbedingungen und in denselben Räumlichkeiten wie bei der Beklagten, gearbeitet. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 15.04.2004 enthält u. a. folgende Regelungen:

§ 1 Vertragsbeginn, Tätigkeit

...

Die Vorbeschäftigung bei der T. GmbH in Höhe von 1 Jahr wird angerechnet, die Probezeit entfällt.

...

§ 3 Arbeitszeit

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Mehrarbeit wird grundsätzlich nicht vergütet, jedoch wird für angemessene zusätzliche Mehrarbeit, soweit von der Geschäftsführung angeordnet, ein angemessener Freizeitausgleich gewährt.

Derzeit befindet sich die Klägerin im Erziehungsurlaub.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, sie habe in der Zeit von Mai 2003 bis Oktober 2004 insgesamt 338,50 Überstunden geleistet. Diese Überstunden seien von Seiten der Arbeitgeberin auch angeordnet bzw. geduldet worden. So sei angeordnet gewesen, dass die Mitarbeiter während der Öffnungszeiten im Betrieb anwesend sein mussten. Angesichts der Geschäftszeiten von 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr (donnerstags bis 18:00 Uhr) ergebe sich unter Berücksichtigung einer täglichen Pause von einer Stunde bereits eine Überstunde pro Woche. Im Übrigen sei die Anordnung der Überstunden in der Weise erfolgt, dass die Geschäftsführerin der Beklagten nach ihrer Rückkehr aus der Mittagspause Akten zum Bearbeiten auf den Tisch gelegt habe mit den Worten ..."das muss heute aber noch raus". Da regelmäßig am ersten Samstag des Monats die Lohnabrechnungen zu erstellen gewesen seien, hätten sie - die Klägerin - und ihre Kollegin jeweils am davor liegenden Freitag umfangreiche Vorarbeiten durchführen müssen. Die Geschäftsführerin der Beklagten sowie deren Personalchef hätten auch die von ihr - der Klägerin - erbrachten Arbeiten beobachten können. Das Büro der Geschäftsleitung und des Personalchefs grenze nämlich direkt an ihren Arbeitsbereich. Da die Türen zwischen diesen Räumen regelmäßig offen stünden, hätten sowohl der Personalchef als auch die Geschäftsführerin der Beklagten gesehen, dass und wie lange sie im Büro sei und damit zumindest die Erbringung von Überstunden geduldet. Die Beklagte sei auch verpflichtet, diejenigen Überstunden, die sie bei der Fa. T. erbracht habe, zu vergüten. Das Arbeitsverhältnis sei nämlich durch den am 15.04.2004 abgeschlossenen Arbeitsvertrag auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte sei mit allen Rechten und Pflichten an die Stelle der bisherigen Arbeitgeberin getreten. Auf die in § 3 des Arbeitsvertrages enthaltene Vereinbarung könne sich die Beklage nicht berufen, da diese Bestimmung unwirksam sei. Die pauschale Abgeltung aller Überstunden sei unzulässig.

Die Beklagte bestreitet die von der Klägerin behaupteten Überstunden und trägt im Wesentlichen vor, die Erbringung von Überstunden sei weder angeordnet noch geduldet worden. Es habe auch keinerlei Notwendigkeit für die Erbringung von Überstunden bestanden. Der Arbeitsbereich der Klägerin sei vor ihrer Einstellung von einer Halbtagskraft erledigt wurden. Auch die nach dem Eintritt der Klägerin in ihren Erziehungsurlaub beschäftigten Arbeitnehmerinnen seien ohne weiteres in der Lage, das Arbeitsvolumen innerhalb ihrer Arbeitszeit zu bewältigen. Da es sich bei ihr - der Beklagten - um eine von der Fa. T. Z. GmbH rechtlich selbständige Gesellschaft handele, sei völlig unverständlich, weshalb die Klägerin von ihr auch die Zahlung von Überstundenvergütung für den Zeitraum vom 14.05.2003 bis zum 30.04.2004 begehre.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.12.2004 die Klage der Klägerin auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 3.640,84 € abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 3 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 69 bis 72 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 10.01.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.02.2005 Berufung eingelegt und diese am 10.03.2005 begründet.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 06.12.2004 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, AZ: 8 Ca 2703/04, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.640,84 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen Freizeitausgleich von 338,50 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 68 und 69 d. A.), auf die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 10.03.2005 (Bl. 86 bis 92 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 12.04.2005 (Bl. 106 bis 108 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Klage ist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Überstundenvergütung. Auch der hilfsweise erhobene Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich ist nicht gegeben. Dabei kann offen bleiben, ob bereits die in § 3 des Arbeitsvertrages enthaltene Regelung (gegen deren Zulässigkeit allerdings nicht unerhebliche Bedenken bestehen), wonach auch tatsächlich von der Klägerin geleistete Mehrarbeit grundsätzlich nicht vergütet werden soll, diesen Ansprüchen entgegensteht.

Soweit die Klägerin Vergütung für die nach ihrer Behauptung in der Zeit von Mai 2003 bis April 2004 erbrachten Überstunden begehrt, ist die Klage bereits deshalb unbegründet, weil in diesem Zeitraum zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand und keinerlei Umstände gegeben sind, aus denen sich eine Verpflichtung der Beklagten ableiten ließe, Ansprüche zu erfüllen, welche die Klägerin gegen ihre frühere Arbeitgeberin, die Fa. T. Z. GmbH, erworben hat. Ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB von der Fa. T. auf die Beklagte wird von der Klägerin nicht behauptet. Diesbezüglich sind auch keinerlei ausreichenden Tatsachen vorgetragen oder ersichtlich. Die Beklagte hat sich auch nicht vertraglich verpflichtet, etwaige Verpflichtungen der früheren Arbeitgeberin der Klägerin zu erfüllen. § 1 des Arbeitsvertrages enthält lediglich die Vereinbarung, dass die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der Fa. T. von einem Jahr auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten angerechnet wird.

Aber auch hinsichtlich der nach dem Inhalt der von der Klägerin erstellten Stundenlisten (Bl. 23 bis 30 R. d. A.) in den Monaten Mai 2004 bis August 2004 geleisteten Mehrarbeit von insgesamt 26 Stunden besteht weder ein Vergütungs- noch ein Freizeitausgleichsanspruch.

Der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung oder den Ausgleich von Überstunden fordert, muss beim Bestreiten der Überstunden im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muss ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (BAG, AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Überstunden werden nicht nur in der Weise angeordnet, dass ihre Zahl und Lage im Voraus festgelegt werden, sondern häufig allgemein dadurch, dass ein bestimmter Arbeitsauftrag innerhalb einer bestimmter Zeit ohne Rücksicht auf Dienststunden durchgeführt werden muss. Es kann auch genügen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann oder wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit kennt und mit ihr einverstanden ist oder ihre Leistung duldet (BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt).

Den sich aus der Anwendung dieser Grundsätze ergebenden Anforderungen wird der Sachvortrag der Klägerin nicht gerecht. Eine Anordnung von Überstunden durch die Beklagte lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Ihr diesbezüglicher Vortrag erweist sich als unsubstantiiert. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Behauptung, "die Beklagte" habe Überstunden angeordnet. Hierzu hat bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass es insoweit im Hinblick auf den Umstand, dass es sich bei der Beklagten um eine juristische Person handelt, erforderlich gewesen wäre, diejenige Person konkret zu bezeichnen, die nach Behauptung der Klägerin die Überstunden angeordnet haben soll. Entsprechendes gilt für die Behauptung, es sei angeordnet gewesen, dass die Mitarbeiter während der Öffnungszeiten der Firma anwesend sein mussten, wobei hier noch hinzu kommt, dass sich aus diesem Vortrag nicht ergibt, dass sämtliche Mitarbeiter durchgehend hätten anwesend sein müssen und nicht lediglich - wie die Beklagte behauptet - die Klägerin und ihre Kollegin im wöchentlichen abwechselnden Rhythmus. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass die Ableistung von Überstunden zur Erledigung der ihr obliegenden Arbeit notwendig war. Soweit sie diesbezüglich vorträgt, die Geschäftsführerin der Beklagten habe nach ihrer Rückkehr aus der Mittagspause Akten auf den Tisch mit der Bemerkung gelegt, "das muss heute aber noch raus", so ergibt sich hieraus weder eine konkludente Anordnung von Überstunden noch die Notwendigkeit, über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig zu werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass nach der Mittagspause noch mehrere Stunden regulärer Arbeitszeit zur Verfügung standen und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, weshalb diese Zeit zur Erledigung der im Anschluss an die Mittagspause übertragenen Arbeit nicht ausreichend gewesen sein soll. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Klägerin bezüglich der Vorarbeiten für die am ersten Samstag eines jeden Monats durch die Geschäftsleitung zu erstellenden Lohnabrechnungen, da auch diesbezüglich nicht dargetan ist, dass zur Erledigung dieser Aufgabe das Arbeiten über das übliche Arbeitszeitende hinaus notwendig war. Die Klägerin hat letztlich auch nicht ausreichend dargelegt, dass die behaupteten Überstunden von der Beklagten geduldet worden sind. Aus dem Umstand, dass für die Geschäftsführerin der Beklagten und deren Personalchef die Möglichkeit bestand, die Klägerin während ihrer Arbeit zu beobachten und auch die Dauer der von ihr erbrachten Arbeitszeit zur Kenntnis zu nehmen, ergibt sich noch keine Duldung von Überstunden. Es ist in diesem Zusammenhang schon nicht erkennbar bzw. von der Klägerin nicht dargetan, dass die Geschäftsführerin und/oder der Personalchef bei Erbringung konkreter Überstunden der Klägerin überhaupt in ihren Büros anwesend waren und dadurch die Möglichkeit hatten, die Menge der von der Klägerin geleisteten Arbeitszeit festzustellen. Im Übrigen ist die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme von Überstunden des Arbeitnehmers nicht gleichzusetzen mit deren Duldung bzw. Billigung. Auch aus dem Umstand, dass nach Behauptung der Klägerin mehrere Unterredungen zwischen ihr und der Geschäftsführerin der Beklagten stattfanden, deren Gegenstand die Abgeltung von Überstunden war, ergibt sich nichts für die notwendige Duldung bzw. Billigung der Mehrarbeit. Auch dann, wenn die Klägerin im Rahmen von Gesprächen gegenüber der Beklagten die Abgeltung von Überstunden geltend gemacht hat, so folgt hieraus keineswegs, dass die betreffenden Überstunden in irgendeiner Weise angeordnet oder geduldet worden waren.

Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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