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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 109/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 9 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 109/06

Entscheidung vom 06.09.2006

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 20.09.2005, Az.: 5 Ca 2015/04, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.2004 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 01.10.2004 aufgelöst worden ist.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt die Beklagte hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der am 22.09.1951 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.09.1998 als Elektriker beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.08.2004 zum 31.10.2004 sowie mit Schreiben vom 01.10.2004 fristlos. Gegen diese Kündigungen richten sich die vom Kläger am 17.09.2004 und am 07.10.2004 beim Arbeitsgericht eingereichten Klagen.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung seien in Ermangelung ausreichender Kündigungsgründe unwirksam. Entgegen der Behauptung der Beklagten treffe es nicht zu, dass er am 27.09.2004 den Arbeitsauftrag, eine Verteilerdose im Außenbereich auszutauschen, nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe. Der betreffende Auftrag sei ihm überhaupt nicht erteilt worden. Es treffe allerdings zu, dass auf dem Dach der Werkshalle - was die Beklagte nicht bestreitet - ohnehin Feuchtraumdosen in größerem Umfang montiert seien, ohne dass diesbezüglich eine ordnungsgemäße Installation gegeben sei. Darüber hinaus fehlten Sicherheitseinrichtungen wie z. B. FI-Schalter im Bereich der Außeninstallation völlig. Es existiere daher ohnehin ein Zustand, der insgesamt den heutigen technischen Anforderungen nicht mehr genüge. Er - der Kläger - habe jedenfalls am 27.09.2004 eine solche Installation nicht vorgenommen. Ebenso wenig treffe es zu, dass er Leuchtstoffröhren in der von der Beklagten behaupteten Art und Weise unsachgemäß entsorgt habe. Richtig sei, dass ihm am 01.10.2004 der Auftrag erteilt worden sei, an einer Anlage die Filter zu reinigen. Bei Auftragserteilung gegen 6:30 Uhr habe er jedoch weder über irgendwelche Reinigungsmittel, noch über Werkzeug oder Schutzkleidung verfügt. Daher habe er sich zum Magazin begeben, um dort die erforderlichen Sachen zu besorgen. Gegen 8:00 Uhr sei er sodann von der Beklagten nach Hause geschickt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch bereits die ihm übertragene Reinigungstätigkeit ausgeführt. Die von der Beklagten zur Stützung der ordentlichen Kündigung ohnehin nur unsubstantiiert vorgetragenen Behauptungen seien unzutreffend und darüber hinaus auch nicht geeignet, den Ausspruch einer Kündigung zu rechtfertigen. Die Abmahnung vom 28.04.2004 sei ungerechtfertigt, da die Beklagte wiederholt und willkürlich seine Arbeitszeiten geändert habe ohne vorherige Einbeziehung des Betriebsrats.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.2004 nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die fristlose Kündigung vom 01.10.2004 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Arbeitsverhältnis sei bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 01.10.2004 aufgelöst worden. Der Kläger habe am 27.09.2004 den Arbeitsauftrag erhalten, eine Verteilerdose im Außenbereich, d. h. auf dem Dach der Werkshalle, auszutauschen. Hierbei habe der Kläger anstelle einer Außenbereichsdose eine Feuchtraumdose installiert. Zudem habe er die Dose vom Dosenrand bis in die Leitungsdurchführungsöffnung zerschnitten. Diese Vorgehensweise sei völlig unverständlich, da der Kläger gelernter Elektriker sei. Die von ihm durchgeführte Montage stelle eine völlig fehlerhafte Elektroinstallation dar; insbesondere könne infolge des Zerschneidens der Dose jederzeit Wasser eindringen und einen Kurzschluss verursachen. Ferner habe der Kläger den Auftrag erhalten, defekte Leuchtstoffröhren in den Werkshallen auszutauschen. Diesbezüglich sei dem Kläger bekannt, dass es für die Leuchtstoffröhren ganz klare und strenge Entsorgungswege gebe. Zur Entsorgung der Röhren stehe ein spezieller Behälter zur Verfügung. Der Kläger sei jedoch mit den alten (funktionslosen) Röhren nicht vorschriftsmäßig umgegangen sondern habe diese unter anderem am Eingang der Toilettenanlage abgestellt, wo eine Beschädigung drohe. Am 01.10.2004 habe der Kläger um 6:20 Uhr den Auftrag erhalten, in der Zentralkühlung Reinigungsarbeiten vorzunehmen. Gegen 8:00 Uhr sei festgestellt worden, dass der Kläger die betreffende Arbeit noch nicht aufgenommen habe. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei in Ansehung dieser Vorkommnisse nicht mehr zumutbar. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger mit dem unfachgerechten Einbau der in Rede stehenden Dose Leben und Gesundheit seiner Kollegen gefährdet habe. Der Umgang mit den Leuchtstoffröhren verdeutliche, dass der Kläger in einfachsten Dingen die maßgeblichen Vorschriften nicht beachte und unzuverlässig sei. Der Umstand, dass er am 01.10.2004 die ihm übertragenen Reinigungsarbeiten um 8:00 Uhr noch nicht aufgenommen habe, sei wiederum typisch für seine Einstellung. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch jedenfalls durch die unter dem 27.08.2004 zum 31.10.2004 ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden. Auch dieser Kündigung lägen gravierende Arbeitspflichtenverstöße des Klägers zugrunde, so dass die Kündigung aus verhaltsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei (zur Darstellung des Vorbringens der Beklagten hinsichtlich der sie zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung veranlassenden Vorkommnisse wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.11.2004, dort Seiten 9 - 23 = Bl. 65 - 79 d. A. gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen). Das Ausmaß des Fehlverhaltens des Klägers werde im Zusammenspiel mit den mündlichen und schriftlichen Abmahnungen ersichtlich. Hierbei sei exemplarisch auf eine Abmahnung vom 28.04.2004 zu verweisen. Gegenstand dieser Abmahnung sei, dass der Kläger am 26.04.2004 um 8:00 Uhr seine Arbeit habe aufnehmen sollen. Der Kläger sei jedoch weisungswidrig bereits um 6:53 Uhr zur Arbeit erschienen. Für sie - die Beklagte - sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die andauernden und unerträglichen Arbeitspflichtenverstöße des Klägers unzumutbar. Dies ergebe sich bereits aus der Vielzahl der Abmahnungen und arbeitsgerichtlichen Verfahren. Der Kläger begehe bei seiner Arbeitsleistung Fehler, die für die übrige Belegschaft lebensbedrohlich seien. Es bedürfe keiner weiteren Erläuterung, dass der unfachgerechte Einbau der Feuchtraumdose (statt Außenbereichsdose) Leib und Leben der Mitarbeiter gefährde. Es dränge sich fast der Verdacht auf, dass der Kläger willentlich fehlerhaft und damit in Schädigungsabsicht arbeite, was unmittelbar zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung führen müsse.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.09.2005 den Kündigungsschutzanträgen des Klägers stattgegeben, jedoch das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.10.2004 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 6.600,00 EUR aufgelöst. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 9 dieses Urteils (= Bl. 160 - 164 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 12.01.2006 und der Beklagten am 11.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.02.2006 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 13.03.2006, begründet. Die Beklagte hat am 11.04.2006 Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor, das Auflösungsbegehren der Beklagten sei - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - nicht begründet. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses könne nicht allein wegen des Umstandes, dass es zwischen den Parteien bereits zu mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen sei, als unzumutbar angesehen werden.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht sei - was die beantragte Auflösung des Arbeitsverhältnisses betreffe - zu Recht davon ausgegangen, dass im Vertrauensbereich derart große Defizite bestünden, dass für die Zukunft mit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu rechnen sei.

Zur Begründung ihrer Anschlussberufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die fristlose Kündigung nicht wegen Fehlens einer vorherigen Abmahnung unwirksam. Der Kläger sei mehrfach, u. a. mit Schreiben vom 28.04.2004 abgemahnt worden. Im Übrigen sei im Hinblick auf die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers die Erteilung einer Abmahnung entbehrlich gewesen. Dem Arbeitsgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, dass die ordentliche Kündigung deshalb unwirksam sei, weil der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Das Arbeitsgericht habe hierbei übersehen, dass die Modalitäten der Betriebsratsanhörung nur im Falle eines diesbezüglichen Bestreitens seitens des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber im Prozess vorzutragen seien. Der Kläger habe jedoch die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats erstinstanzlich mit keinem Wort angesprochen bzw. bestritten. Überdies sei eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor Kündigungsausspruch erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 20.09.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 158 - 160 d. A.), auf die Schriftsätze des Klägers vom 13.03.2006 (Bl. 177 - 179 d. A.) und vom 18.05.2006 (Bl. 221 - 223 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 11.04.2006 (Bl. 204 - 209 d. A.) und vom 25.07.2006 (Bl. 226 - 229 d. A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Anschlussberufung der Beklagten sind sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Von den beiden hiernach insgesamt zulässigen Rechtsmitteln hat jedoch nur dasjenige des Klägers in der Sache Erfolg.

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die fristlose Kündigung vom 01.10.2004 noch durch die ordentliche Kündigung vom 27.08.2004 zum 31.10.2004 aufgelöst worden. Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31.10.2004 aufzulösen, ist unbegründet.

1.)

Die fristlose Kündigung vom 01.10.2004 erweist sich in Ermangelung eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gem. § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Die von der Beklagten zur Stützung der außerordentlichen Kündigung vom 01.10.2004 geltend gemachten Gründe (fehlerhafte Elektroinstallation am 27.09.2004, vorschriftswidriger Umgang mit Leuchtstoffröhren, Arbeitsbummelei im Zusammenhang mit der Ausführung von Reinigungsarbeiten am 01.10.2004), hinsichtlich derer die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist, sind weder isoliert betrachtet noch in ihrer Gesamtheit geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.

Zwar trifft es zu, dass die von der Beklagten dargestellte Ausführung des nach ihrer Behauptung dem Kläger übertragenen Arbeitsauftrages zur Installation einer Verteilerdose im Außenbereich eine nicht unerhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt. Unter Zugrundelegung des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten hat der Kläger nämlich hierbei sowohl eine im Außenbereich nicht geeignete Feuchtraumdose verwendet und diese darüber hinaus - zur Erleichterung der Leitungsdurchführung - zerschnitten. Gleichwohl rechtfertigt diese Schlechtleistung nicht den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, da es an der vorherigen Erteilung einer (einschlägigen) Abmahnung fehlt.

Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss in Ansehung des im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzips grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer Kündigung genommen werden können. Entbehrlich ist eine Abmahnung dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage oder gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Auch bedürfen besonders schwerwiegende Pflichtenverstöße keiner vorherigen Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt.

Im Streitfall war - bezogen auf den Vorfall vom 27.09.2004 - die vorherige Erteilung einer Abmahnung keineswegs entbehrlich. Weder bestand Anlass zur Annahme, der Kläger sei nicht in der Lage oder nicht gewillt, sich vertragsgerecht zu verhalten, noch entfiel das Abmahnungserfordernis wegen einer besonderen Schwere des dem Kläger zur Last gelegten Fehlverhaltens. Zwar ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass die Verwendung einer Feuchtraumdose im Außenbereich und insbesondere auch deren Zerschneiden zur Durchführung der Installation geeignet sind, das Eindringen von Feuchtigkeit und das Entstehen von Kurzschlüssen zu begünstigen. Dass damit jedoch zugleich eine Gefährdung von Leib und Leben anderer Mitarbeiter einhergeht, kann - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht angenommen werden. Diesbezüglich fehlt es an einem konkreten Sachvortrag der Beklagten hinsichtlich etwaiger betrieblicher Gegebenheiten, aus denen sich im Falle eines Kurzschlusses eine konkrete Gefährdung anderer Mitarbeiter ergeben könnten. Zu berücksichtigen ist überdies, dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Klägers im Außenbereich des Betriebs der Beklagten ein Zustand gegeben ist, der ohnehin den technischen Anforderungen nicht genügt. So befinden sich beispielsweise dort Feuchtraumdosen, deren Verwendung dem Kläger vorgeworfen wird, in großer Anzahl und es fehlen auch ansonsten notwendige Sicherheitseinrichtungen wie z. B. FI-Schalter. In Ansehung dieses Zustandes bestand aus Sicht des Klägers kein Grund zur Annahme, die Beklagte werde eine (weitere) fehlerhafte Installation - auch ohne vorherige Abmahnung - bereits zum Anlass nehmen, eine Kündigung auszusprechen.

Eine vorherige (einschlägige) Abmahnung hat die Beklagte dem Kläger nicht erteilt. Die Beklagte beruft sich diesbezüglich auf ein Abmahnungsschreiben vom 28.04.2004, in welchem dem Kläger der Vorwurf gemacht wird, er habe am 26.04.2004 seine Arbeit um ca. eine Stunde zu früh angetreten. Diese Abmahnung ist, bezogen auf das Fehlverhalten vom 27.09.2004, nicht einschlägig. Der in dieser Abmahnung enthaltene Vorwurf betrifft nicht den Pflichtenkreis, gegen den der Kläger am 27.09.2004 verstoßen hat. Darüber hinaus bestehen im Hinblick auf die Geringfügigkeit des abgemahnten Verhaltens (zu frühe Arbeitsaufnahme) ohnehin Bedenken bezüglich dessen kündigungsrechtlicher Relevanz. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger an dem betreffenden Tag (26.04.2004) seinen Arbeitsplatz früher als seitens der Beklagten vorgegeben verlassen und /oder seine vertragsgemäße Arbeit in zeitlicher Hinsicht nicht erbracht hat. Die Existenz weiterer Abmahnungen hat die Beklagte nicht ausreichend dargetan. Der pauschale Sachvortrag, dem Kläger seien eine Vielzahl von Abmahnungen erteilt worden, erweist sich diesbezüglich als völlig unzureichend. Es ist weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich, wann und insbesondere wegen welchen Fehlverhaltens der Kläger abgemahnt worden sein soll. Mit Ausnahme derjenigen vom 28.04.2004 konnte daher im vorliegenden Rechtsstreit keine weitere Abmahnung Berücksichtigung finden.

Auch die von der Beklagten zur Stützung der fristlosen Kündigung behaupteten weiteren Pflichtenverstöße des Klägers (vorschriftswidriger Umgang mit Leuchtstoffröhren, Arbeitsbummelei am 01.10.2004 bezüglich der Ausführung eines Auftrages zur Durchführung von Reinigungsarbeiten) sind nicht geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Auch hinsichtlich dieser Vorfälle, die sich darüber hinaus auch als weniger schwerwiegend als die fehlerhafte Installation einer Verteilerdose erweisen, fehlt es an einer vorherigen einschlägigen Abmahnung. Insoweit wird - zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - auf die obigen Ausführungen verwiesen.

2.)

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die streitbefangene ordentliche Kündigung vom 27.08.2004 zum 31.10.2004 aufgelöst worden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

Die von der Beklagten zur Stützung der ordentlichen Kündigung mit Schriftsatz vom 17.11.2004 (dort Seiten 10 - 21 = Bl. 66 - 77 d. A.) behaupteten Pflichtenverstöße des Klägers (mehrfache nicht ordnungsgemäße Durchführung von Arbeitsaufträgen, Nichtausführung übertragener Arbeiten, Nichterscheinen bei Vorgesetzten trotz Aufforderung, verspätetes Anzeigen einer Arbeitsunfähigkeit sowie verspätete Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) sind in Ansehung des im Kündigungsrecht geltenden Verhältnissmäßigkeitsgrundsatzes in Ermangelung einer vorherigen einschlägigen Abmahnung nicht geeignet, den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung zu rechtfertigen. Bei keinem der betreffenden Vorfälle handelt es sich um einen schweren Pflichtenverstoß des Klägers, bei welchem eine vorherige Abmahnung als entbehrlich angesehen werden könnte. Ebenso wenig besteht Grund zu der Annahme, dass der Kläger nicht in der Lage oder nicht gewillt war, sich vertragsgerecht zu verhalten. Eine Abmahnung, welche ein nennenswertes Fehlverhalten des Klägers betrifft, ist dem Kläger - wie bereits ausgeführt - nicht erteilt worden. Die den zu frühen Arbeitsantritt des Klägers am 26.04.2004 rügende Abmahnung vom 28.04.2004 betrifft ein Verhalten, welches einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen kaum erkennen lässt. Darüber hinaus fehlt es insoweit, bezogen auf die von der Beklagten zur Begründung der ordentlichen Kündigung herangezogenen Vorfälle an der erforderlichen Einschlägigkeit des abgemahnten Verhaltens.

3.)

Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, ist nicht begründet. Es liegen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zwischen der Beklagten und dem Kläger nicht mehr erwarten lassen.

Unter Beachtung der primären Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes, den Arbeitnehmer im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses vor einem Verlust des Arbeitsplatzes durch sozialwidrige Kündigungen zu bewahren, sind an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strenge Anforderungen zu stellen. Das Erfordernis eines strengen Prüfungsmaßstabes besagt allerdings nicht, dass damit für den Arbeitgeber nur solche Umstände als Auflösungsgründe in Betracht kommen, die geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB zu rechtfertigen. Als Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen, kommen nur solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistungen oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den früheren Mitarbeitern betreffen. Es ist stets erforderlich, dass die Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses in dem Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers ihren Grund hat. Als Auflösungstatsachen können auch solche Umstände geeignet sein, welche die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Durch eine bloße Bezugnahme auf die Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber jedoch nicht seiner Darlegungslast. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen. Schlagwortartige Formulierungen, etwa des Inhalts, dass die Vertrauensgrundlage entfallen sei oder keine gemeinsame Basis mehr für eine Zusammenarbeit bestehe, reichen nicht aus.

Bei Anwendung dieser Grundsätze lässt sich im Streitfall nicht feststellen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht mehr zu erwarten ist.

Die Beklagte macht zur Begründung ihres Auflösungsbegehrens geltend, die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei bereits im Hinblick auf die andauernden und unerträglichen Arbeitspflichtenverstöße des Klägers unzumutbar. Allein schon durch die Vielzahl der Abmahnungen und arbeitsgerichtlichen Verfahren sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Der Kläger begehe bei seiner Arbeitsleistung Fehler, die für die übrige Belegschaft lebensbedrohlich seien. Es dränge sich fast der Verdacht auf, dass der Kläger willentlich fehlerhaft und damit in Schädigungsabsicht arbeite, was unmittelbar zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung führen müsse.

Mit diesem Sachvortrag bezieht sich die Beklagte zunächst auf die zur Stützung der streitbefangenen Kündigung vorgetragenen Kündigungsgründe, womit die Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses allein nicht begründet werden kann. Aus dem Sachvortrag der Beklagten kann auch nicht abgeleitet werden, dass die Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen. Dies könnte etwa dann angenommen werden, wenn feststünde, dass der Kläger trotz der Erteilung von Abmahnungen, denen eine Warnfunktion zukommt, nicht bereit oder in der Lage ist, ein Fehlverhalten zu ändern und den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Hierfür bestehen im Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte. Aus dem Vorfall vom 27.09.2004 (fehlerhafte und vorschriftswidrige Installation einer Verteilerdose) ergibt sich noch nicht, dass der Kläger nicht bereit ist, seine Arbeitspflicht ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies gilt auch im Hinblick auf die sonstigen, von der Beklagten behaupteten Pflichtenverstöße. Es ist weder von der Beklagten vorgetragen noch ansonsten ersichtlich, dass der Kläger ein bereits abgemahntes Fehlverhalten fortgesetzt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch - wie bereits ausgeführt - nicht davon ausgegangen werden, dass die behaupteten Schlechtleistungen des Klägers für die übrige Belegschaft lebensbedrohlich seien. Diesbezüglich fehlt es an einem konkreten Sachvortrag der Beklagten. Soweit diese schließlich geltend macht, es dränge sich der Verdacht auf, dass der Kläger willentlich fehlerhaft und mit Schädigungsabsicht arbeite, so fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten, die eine solche Annahme begründen könnten. Schließlich stellt der Umstand, dass zwischen den Parteien bereits mehrere arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben, keinen Auflösungsgrund i. S. v. § 9 Abs. 1 ArbGG dar.

III.

Nach alledem war der Auflösungsantrag der Beklagten unter teilseiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Anschlussberufung der Beklagten war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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