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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.07.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 156/05
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
BAT § 59 Abs. 1 | |
BAT § 59 Abs. 1 Unterabsatz 2 | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
ZPO § 256 Abs. 1 | |
ZPO § 266 Abs. 1 | |
BGB § 812 |
Aktenzeichen: 10 Sa 156/05
Entscheidung vom 06.07.2005
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 02.11.2004, Az: 7 Ca 706/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Urteilstenor in Ziffer 1 bis Ziffer 3 wie folgt neu gefasst wird:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 28.02.2005 fortbestanden hat.
2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 14.627,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2004 zu zahlen.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
3. Im Übrigen ist die Hauptsache erledigt.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis über den 31.08.2002 hinaus fortbestanden hat. Darüber hinaus begehrt die Beklagte vom Kläger im Wege der Widerklage die Rückzahlung erbrachter Leistungen.
Der am 01.03.1940 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 02.01.1970 als Angestellter beschäftigt. Aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des BAT und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Mit Vertrag vom 16.02.2000 vereinbarten die Parteien mit Wirkung ab dem 01.03.2000 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Nach § 2 dieses Vertrages beträgt die Arbeitszeit die Hälfte der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und wird im sog. Blockmodell geleistet, wobei die Arbeitsphase vom 01.03.2000 bis 31.08.2002 und die Freizeitphase vom 01.09.2002 bis 28.02.2005 andauern soll. Nach § 8 des Vertrages endete das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2005. Wegen des Inhalts der schriftlichen Vereinbarung vom 16.02.2000 wird auf Bl. 7 bis 9 d. A. Bezug genommen. Der Kläger nimmt auch an der Zusatzversorgung durch die ZVK teil.
Laut Bescheinigung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 01.03.1969 ist der Kläger seit dem 01.07.1965 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Er hat bei der P. - Lebensversicherungs-AG eine Befreiungsversicherung in Form einer Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall unter Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen, die für den Fall der Berufsunfähigkeit die Beitragsbefreiung von der Hauptversicherung sowie die Zahlung einer Invaliditätsrente vorsieht. Die Versicherungsprämien hat der Kläger selbst abgeführt. Die Beklagte hat mit dem Gehalt jeweils den Arbeitgeberanteil (den hälftigen Rentenversicherungsbeitrag) zur befreienden Lebensversicherung sowie - seit Beginn der Altersteilzeit - auch den sog. Aufstockungsbetrag hierauf überwiesen.
Mit Schreiben vom 08.05.2002 teilte die P. - Lebensversicherungs-AG dem Kläger mit, dass sie auf Bitten von Herrn K., dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, den Berufungsunfähigkeitsantrag des Klägers nochmals eingehendgeprüft habe und diesbezüglich ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben worden sei. Mit Schreiben vom 31.07.2002 hat die Versicherung einen Leistungsanspruch des Klägers aus dessen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu 100 % anerkannt. Der Leistungsbeginn wurde mit Schreiben vom 03.09.2002 auf den 01.01.2002 festgesetzt. Der Kläger erhält seitdem aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung pro Quartal einen Betrag i.H.v. 5.881,26 €. Seit dem 01.01.2002 zahlt er keine Beiträge mehr an die P. - Lebensversicherungs-AG. Über diese Umstände wurde die Beklagte vom Kläger nicht informiert.
Mit Schreiben vom 05.04.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2002 in entsprechender Anwendung des § 59 Abs. 1 BAT als beendet ansehe und forderte zugleich den Kläger zur Erstattung von 96.047,27 € auf mit der Begründung, dass es sich hierbei um zu Unrecht für die Zeit ab September 2002 ausgezahltes Entgelt handele. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Gehaltszahlungen mit sofortiger Wirkung eingestellt würden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnis über den 31.08.2002 hinaus auf der Grundlage des Vertrages vom 16.02.2000 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und weder durch die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente durch die P. versicherung noch durchsonstige Umstände beendet wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 62.549,11 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.11.2004 der Klage in vollem Umfang sowie der Widerklage in Höhe von 14.627,55 € nebst Zinsen stattgegeben. Die weitergehende Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 10 bis 19 dieses Urteils (Bl. 125 bis 134 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 27.01.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.02.2005 Berufung eingelegt und diese am 22.03.2005 begründet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteil des Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 02.11.2004, Az.: 7 Ca 706/04,
1. die Klage abzuweisen,
2. auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte für weitere 47.921,56 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2005 seinen Klageantrag wie folgt geändert:
Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 28.02.2005 fortbestanden hat.
Im Übrigen hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 117 bis 125 d. A.), auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 22.03.2005 (Bl. 148 bis 158 d.A.), auf die Berufungserwiderungsschrift des Klägers vom 29.04.2005 (Bl. 184 bis 189 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 06.07.2005 (Bl. 200 bis 203 d. A.).
Entscheidungsgründe:
A.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I.
Die nunmehr noch auf Feststellung gerichtete Klage des Klägers, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bis zum 28.02.2005 fortbestanden hat, ist zulässig und begründet.
1.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Zwar ist die Klage nicht auf Feststellung eines gegenwärtigen sondern eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet. Gleichwohl ist jedoch das nach § 266 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Bestand nämlich das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.08.2002 hinaus bis zum 28.02.2005 fort, so ergeben sich gerade hieraus - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit bis einschließlich Februar 2005. Die Beklagte hat die Zahlung von Arbeitsentgelt an den Kläger mit Schreiben vom 05.04.2004 unter Hinweis auf die nach ihrer Ansicht eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingestellt. Da sich somit aus der begehrten Feststellung gegenwärtig bestehende Ansprüche des Klägers herleiten lassen, besteht diesbezüglich auch das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. BAG, AP Nr. 22 zu § 256 ZPO 1977)
2.
Die Klage ist auch begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat bis zum 28.02.2005 fortbestanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat es nicht mit Ablauf des 31.08.2002 in Folge der Gewährung einer Berufungsunfähigkeitsrente durch die P. - Lebensversicherungs-AG an den Kläger oder aufgrund sonstiger Umstände zu diesem Zeitpunkt geendet. Das Berufungsgericht folgte diesbezüglich uneingeschränkt den sehr ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher insoweit abgesehen werden.
Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet an sich keinen Anlass, den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils etwas hinzuzufügen. Es erscheinen allenfalls folgende ergänzende Klarstellungen angezeigt:
Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren (erneut) insbesondere geltend macht, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Gewährung einer Rente aus seiner Berufungsunfähigkeits-Zusatzversicherung gegen Mitwirkungs- und Informationspflichten verstoßen, so erweist sich dieses Vorbringen für die Frage der Beendigung bzw. des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses letztlich als unerheblich. Selbst wenn man nämlich mit der Beklagten in diesem Zusammenhang von diesbezüglichen Pflichtverletzungen des Klägers ausgeht, so haben diese nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Eine Berufsunfähigkeit des nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Klägers konnte nach § 59 Abs. 1 Unterabsatz 2 BAT nur bei Vorliegen eines amtsärztlichen Gutachtens eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen. An einem amtsärztlichen Gutachten fehlt es jedoch bis heute. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 30.04.1997 (Az.: 7 AZR 122/96, AP Nr. 20 zu § 812 BGB) berufen. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit trotz der nach § 59 Abs. 1 BAT aufgrund der Zustellung eines Rentenbescheids eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortsetzt, ohne den Arbeitgeber von der Existenz des Rentenbescheides zu unterrichten, nach § 812 BGB zur Rückzahlung erhaltener Arbeitsvergütung verpflichtet ist. Im Streitfall ist hingegen - wie bereits ausgeführt - in Ermangelung eines amtsärztlichen Gutachtens keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten.
II.
Soweit der Kläger erstinstanzlich den unbefristeten, d.h. bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung andauernden Fortbestand seines Arbeitsverhälnisses geltend gemacht hat, so war nunmehr auf seinen Antrag hin festzustellen, dass die Hauptsache insoweit erledigt ist, als der Zeitraum nach dem 28.02.2005 betroffen ist.
Hinsichtlich der Zeit nach dem 28.02.2005 ist in Folge der vertraglich vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt ein erledigendes Ereignis eingetreten. Die Klage war ursprünglich und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz insgesamt begründet. Der allgemeine Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO bezog sich von vornherein auf die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung, sodass für den Kläger vor dem 28.02.2005 weder Anlass noch die Notwendigkeit bestand, seine Klage in zeitlicher Hinsicht einzuschränken.
III.
Die Widerklage der Beklagten ist insoweit unbegründet, als sie den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag von 14.627,55 € übersteigt.
Ein den erstinstanzlich zuerkannten Betrag übersteigender Zahlungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) ist bereits deshalb nicht gegeben, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 28.02.2005 fortbestanden hat und daher für diejenigen Leistungen, deren Rückzahlung die Beklagte im Berufungsverfahren weiterverfolgt, ein Rechtsgrund vorhanden ist. Ein Schadensersatzanspruch (§ 280 BGB) ist ebenfalls nicht gegeben. Dies gilt auch dann, wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger einer arbeitsvertraglich geschuldeten Pflicht, sie über die Bewilligung der privaten Berufsunfähigkeitsrente und über sonstige damit in Zusammenhang stehenden Umstände zu informieren, schuldhaft nicht nachgekommen ist. Ein aus dieser Pflichtverletzung resultierender Schadensersatzanspruch der Beklagten könnte nur darauf gerichtet sein, die Beklagte so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn sie rechtzeitig von den betreffenden Umständen durch den Kläger informiert gewesen wäre. Es wäre insoweit daher Sache der Beklagten gewesen, darzulegen, das und ggf. wann sie im Falle einer ausreichenden Information ein amtsärztliches Gutachten eingeholt hätte, durch welches eine Erwerbsminderung i.S.v. § 59 Abs. 1 BAT festgestellt worden wäre, was zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zu einer früheren Einstellung der Zahlungen an den Kläger geführt hätte. Dies hat die Beklagte jedoch nicht dargetan. Es kann im Übrigen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Fall einer ausreichenden Information überhaupt ein amtsärztliches Gutachten veranlasst hätte. Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hat nämlich unstreitig bereits vor dem 08.05.2002 die P. - Versicherungs-AG darum gebeten, den Berufsunfähigkeitsantrag des Klägers erneut zu überprüfen. Der Beklagten war daher das Bestehen einer etwaigen Berufsunfähigkeit des Klägers bereits ab diesen Zeitpunkt bekannt. Gleichwohl hat sie kein amtsärztliches Gutachten eingeholt. Auch nachdem sie von der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente positive Kenntnis hatte, hat sie diesbezüglich nichts veranlasst.
B.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Zugleich war auf Antrag des Klägers die teilweise Erledigung der Hauptsache festzustellen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.
Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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