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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.07.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 184/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 61 a
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
ZPO § 149
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 184/05

Entscheidung vom 20.07.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.02.2005, Az.: 1 Ca 1462/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat 3/4 und der Kläger 1/4 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 17.12.1958 geborene Kläger war seit dem 01.04.1982 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Seine Beschäftigungsdienststelle war zuletzt das G.-E. Dort war der Kläger der Abteilung S. A. K. zugeordnet und in der Unterabteilung Wareneingang eingesetzt. Aufgabe dieser Abteilung ist es u.a., Geräte und Gegenstände der US-Streitkräfte bestandsmäßig zu erfassen und der weiteren Verwendung zuzuführen. Gegenstände, die nicht mehr benötigt werden, werden durch eine andere Abteilung (Warenausgangsabteilung) der Dienststelle D. R. M. O. zugeleitet und von dieser gegebenenfalls auch dem freien Verkauf zugeführt.

Der Kläger war als aufsichtsführender Angestellter (Nachschub) beschäftigt. Seine Aufgabe war es, die auf Lastzügen angelieferten Gegenstände zunächst nach Materialgruppen zu sortieren. Entsprechend dieser Vorsortierung werden die einzelnen Gegenstände sodann den Bearbeitungsstellen innerhalb der Wareneingangsabteilung zugeführt.

Im Rahmen von Ermittlungen, die gegen einen ebenfalls bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigten Arbeitnehmer geführt wurden, äußerte dieser - nach Behauptung der Beklagten - anlässlich einer bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung, dass nicht nur er sondern auch der Kläger im Eigentum der US-Streitkräfte stehende Gegenstände gestohlen habe und diese zuhause aufbewahre. Bei einer aufgrund dieser Aussage beim Kläger am 08.07.2004 durchgeführten Hausdurchsuchung wurde eine Reihe von Gegenständen bzw. Geräten sichergestellt, welche - jedenfalls nach Behauptung der Beklagten - zur gängigen Ausstattung der US-Streitkräfte gehören. Hierbei handelte es sich u.a. um zwei Laptops der Marke P.

Mit Schreiben vom 21.07.2004 kündigten die US-Streitkräfte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich zum 22.07.2004 mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger Eigentum der US-Streitkräfte entwendet habe. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 10.08.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, er habe die ihm zur Last gelegten Straftaten nicht begangen. Die bei ihm aufgefundenen Gegenstände seien weder bei den US-Streitkräften gestohlen worden noch ließen sie sich den US-Streitkräften in irgendeiner Weise zuordnen. Er habe die Gegenstände auf dem freien Markt erworben, was er auch teilweise durch Vorlage von Rechnungen belegen könne. Es handele sich auch nicht um Material, welches ausschließlich bei den amerikanischen Streitkräften Verwendung finde. Die sichergestellten Geräte habe er erworben, um diese auszuschlachten und mit den alten Teilen neue Computer zu bauen oder defekte Geräte zu reparieren.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die außerordentliche Verdachtskündigung vom 21.07.2004 zum 22.07.2004 beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 22.07.2004 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst wird,

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den ursprünglichen Bedingungen, wie sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegeben waren, wieder einzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger im Eigentum der US-Streitkräfte stehende Gegenstände entwendet habe. Der Verdacht ergebe sich zum einen aus der den Kläger belastenden Aussage des im Rahmen von Ermittlungen vernommenen Mitarbeiters, auch wenn dieser selbst unter Diebstahlsverdacht stehe und seine Aussagen deshalb kritisch zu beurteilen seien. Zum anderen sei hinsichtlich der beschlagnahmten Gegenstände zu berücksichtigen, dass diese zum Teil eindeutig aus Beständen der US-Streitkräfte herrührten und diesen mit entsprechender Wahrscheinlichkeit entwendet worden seien. Zwei der beim Kläger sichergestellten Notebooks seien in einer Datenbank als Armeeeigentum erfasst. Die vom Kläger vorgelegten Quittungen hätten hingegen keinerlei Beweiskraft zu dessen Gunsten. Diesbezüglich sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger diese Quittungen erst sehr spät im Prozess vorgelegt habe und sich den Quittungen nicht entnehmen ließe, wer der Käufer der Gegenstände gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.02.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Streitkräften nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 21.07.2004 aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 126 bis 128 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 16.02.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.03.2005 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 18.04.2005, begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der gegen den Kläger erhobene dringende Tatverdacht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.02.2005, Az.: 1 Ca 1462/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der im Berufungsverfahren zunächst mit Schriftsatz vom 20.05.2005 seinen erstinstanzlich vom Arbeitsgericht abgewiesenen Klageantrag zu 2) erneut gestellt, diesen jedoch in der letzten mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und macht im Wesentlichen geltend, der von der Beklagten erhobene Verdacht sei weder gerechtfertigt noch durch konkrete Aussagen bzw. ausreichende Tatsachen oder Umstände begründet.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 123 bis 125 d.A.), auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 18.04.2005 (Bl. 161 bis 166 d.A.), auf den weiteren Schriftsatz der Beklagten vom 24.06.2005 (Bl. 138 bis 142 d.A.), auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.05.2005 (Bl. 191 bis 204 d.A.) und vom 14.07.2005 (Bl. 250 bis 253 d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20.07.2005 (Bl. 270 bis 273 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Stationierungsstreitkräften nicht durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.

Das Berufungsgericht folgt den sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher abgesehen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen erscheinen lediglich folgende ergänzende Klarstellungen angezeigt:

Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers sondern auch der Verdacht, dieser habe eine strafbare Handlung oder eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein. Dabei muss der Verdacht jedoch objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können (BAG, AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat (BAG, AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Die Verdachtsmomente und die Verfehlungen, deren der Arbeitnehmer verdächtig wird, müssen so schwerwiegend sein, dass dem Dienstberechtigten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitbefangene Verdachtskündigung als unwirksam. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass aufgrund der im Streitfall gegebenen objektiven Tatsachen bzw. Umständen gegen den Kläger der Verdacht besteht, er habe im Eigentum der US-Streitkräfte stehende Gegenstände entwendet. Dieser Verdacht ergibt sich - wovon die Beklagte zu Recht ausgeht - aus der Aussage des Mitarbeiters S. sowie aus dem Ergebnis der beim Kläger durchgeführten Hausdurchsuchung. Dieser Verdacht ist jedoch, wie das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil ausführlich und in jeder Hinsicht zutreffend ausgeführt hat, keineswegs dringend, d.h. es besteht keine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger die Straftat tatsächlich begangen hat. Die Beklagte hat auch im Berufungsverfahren keine Tatsachen vorgetragen, die einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger begründen könnten. Zu Gunsten des Klägers ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch Sachen aus US-Beständen, welche zur Dienststelle des Klägers gelangen, in den freien Verkauf gelangen können. So bieten Geschäfte wie etwa das C. für K., ausgesonderte US-Armee-Produkte zum Verkauf an. Im Berufungsverfahren ist auch unstreitig geworden, dass die beim Kläger sichergestellten Laptops - entgegen dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten - nicht mit der National Stock Number (NSN) versehen waren. Der Umstand, dass an den Geräten noch eine Seriennummer war, spricht nicht gegen den Kläger. Diesbezüglich hat die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass Seriennummern keinesfalls immer entfernt werden, bevor die Gegenstände in den freien Handel gegeben werden. Der Annahme eines dringenden Tatverdachts steht jedoch insbesondere entgegen, dass hinsichtlich derjenigen Gegenstände, deren Entwendung von der Beklagten behauptet wird, nicht einmal feststeht, dass sie jemals zur Beschäftigungsdienststelle bzw. in die Abteilung des Klägers und somit in dessen Machtbereich gelangt waren. Wie die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung selbst erklärt hat, gelangen nämlich nicht alle von den US-Streitkräften nicht mehr benötigten Geräte zur Dienststelle des Klägers. Vielmehr existieren Dienststellen, die ähnliche Aufgaben wie die Dienststelle des Klägers wahrnehmen. Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass die beim Kläger sichergestellten Gegenstände in dessen Dienststelle gelangt waren, so ergibt sich hieraus noch kein dringender Tatverdacht. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn innerhalb der Dienststelle nur der Kläger Zugriff auf die betreffenden Gegenstände gehabt hätte. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. In Ansehung all dieser Umstände können weder die inhaltlich nicht präzisierte, den Kläger belastende Aussage eines Arbeitskollegen noch der Umstand, dass die beim Kläger vorgefundenen Gegenstände üblicherweise zum Inventar der US-Streitkräfte gehören und dort nach Behauptung der Beklagten noch in einer Datenbank erfasst sind, einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger begründen.

Der Anregung der Beklagten, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens auszusetzen, war nicht zu entsprechen. Bei der im Rahmen des § 149 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung ist vorliegend nämlich zum einen der besondere Beschleunigungsgrundsatz in Kündigungsschutzverfahren, der in § 61 a ArbGG seinen Ausdruck gefunden hat, zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls welche für den vorliegenden Fall maßgeblichen Erkenntnisse im Strafverfahren gewonnen werden können. Letztlich wäre das im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren erkennende Gericht an ein etwaiges Strafurteil und an die dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen ohnehin nicht gebunden.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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