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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 30/06
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG, BGB, BetrVG


Vorschriften:

BAT § 53 Abs. 3
BAT § 54 Abs. 1
BAT § 54 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BetrVG § 102 Satz 3
Fristlose Kündigung wegen Beleidigung eines Vorgesetzten.
Aktenzeichen: 10 Sa 30/06

Entscheidung vom 26.04.2006 Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10.11.2005, Az.: 7 Ca 1269/05, wie folgt abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie einer ordentlichen Kündigung.

Der am 14.12.1952 geborene Kläger war seit dem 12.01.1977 beim F. als Angestellter (Betriebswirt) beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.04.2001 übernahm die Beklagte die Betriebsführung für den Eigenbetrieb F. und übernahm dabei nach Maßgabe eines Personalüberleitungsvertrages vom 04.12.2004 zugleich auch alle dort beschäftigten Arbeitnehmer, zu denen auch der Kläger gehörte. Der Personalüberleitungsvertrag enthält eine Regelung, wonach dem übernommenen Personenkreis "durch die Überleitung keine rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile entstehen dürfen, sodass ihm sowohl im Zeitpunkt der Überleitung als auch bei einer zukünftigen Veränderung die Rechtsstellung zusteht, die er hätte, wenn keine Überleitung erfolgt wäre". In Umsetzung der Überleitungsvereinbarung schlossen die Parteien am 06.03.2001 einen Arbeitsvertrag, nach dessen Inhalt auf das Arbeitsverhältnis des Klägers (weiterhin) die Vorschriften des BAT Anwendung finden. Bereits seit längerer Zeit war der Kläger mit dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich unzufrieden und unterbreitete der Beklagten mehrere Vorschläge hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung seines Aufgabengebietes. Mit Schreiben vom 16.06.2005 bot die Beklagte dem Kläger an, ihn auf einer neu zu schaffenden Position in der Bauabteilung einzusetzen. Am 13.07.2005 fand sodann ein Gespräch zwischen dem Kläger, seinem Vorgesetzten sowie dem Personalleiter der Beklagten statt. Bei diesem Gespräch erklärte der Kläger, dass er die ihm angebotene Tätigkeit nicht als adäquat ansehe. Er äußerte auch, dass er sich gemobbt fühle und dass er beabsichtige, eine im Unternehmen gegebene Korruption, die von seinen beiden Gesprächspartnern begangen worden sei, aufzudecken und diesbezüglich Anzeige zu erstatten. Nach dieser Äußerung wurde das Gespräch vom Personalleiter der Beklagten abgebrochen. Zwei Tage später fand ein weiteres Gespräch zwischen denselben Teilnehmern statt. Hierbei wiederholte der Kläger seinen Vorwurf der Korruption gegenüber seinem Vorgesetzten und dem Personalleiter der Beklagten und erklärte, er werde eine Anzeige erstatten. Mit Schreiben vom 25.07.2005, welches dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 04.08.2005 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis sodann mit Schreiben vom 13.09.2005 "vorsorglich" ordentlich zum 30.06.2006. Hinsichtlich dieser Kündigung hat der Kläger am 26.09.2005 eine (weitere) Kündigungsschutzklage eingereicht. Das Arbeitsgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 10.11.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, für ihn sei aufgrund verschiedener Ereignisse der Eindruck entstanden, dass sowohl sein Vorgesetzter als auch der Personalleiter der Beklagten Korruption in Form des Nepotismus getätigt hätten. Hierunter sei zu verstehen, dass sie ihre Amtsstellung ausgenutzt hätten, um einzelne Personen oder Gruppen normwidrig zu bevorzugen. Soweit er den Korruptionsvorwurf erhoben habe, habe er dies in diesem Sinne verstanden. Soweit er im Rahmen der beiden Gespräche davon gesprochen habe, er wolle Anzeige erstatten, habe er damit gemeint, dass er die betreffenden Vorgänge dem Aufsichtsrat der Beklagten sowie deren Geschäftsführer mitteilen wolle. Er habe sich, insbesondere auch bei den Gesprächen am 13. und 15.07.2005, ungerecht behandelt gefühlt. Anderen Arbeitnehmern seien - im Gegensatz zu ihm - adäquate Arbeitsmöglichkeiten eingeräumt worden. Die ihm angebotene Tätigkeit in der Bauabteilung entspreche nicht seinen Fähigkeiten. Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 25.07.2005, zugegangen am 25.07.2005, nicht aufgelöst worden ist; 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13.09.2005 nicht zum 30.06.2006 aufgelöst werden wird. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger sei durch dessen gegenüber seinen Vorgesetzten erhobenen Korruptionsvorwürfe unwiederbringlich zerstört worden. Dadurch sei auch der Betriebsfrieden gestört worden. Die Korruptionsvorwürfe des Klägers entbehrten jeglicher Grundlage. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.11.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 25.07.2005 aufgelöst worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 15 des Urteils (= Bl. 43 - 52 d. A.) verwiesen. Gegen das dem Kläger am 13.12.2005 und der Beklagten am 12.12.2005 zugestellte Urteil haben beide Parteien am 11.01.2006 Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers ist am 06.02.2006, diejenige der Beklagten am Montag, dem 13.02.2006, begründet worden. Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liege kein Sachverhalt vor, welcher den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigen könne. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht seine Äußerungen gegenüber seinem Vorgesetzten und dem Personalleiter der Beklagten als ehrverletzende Kränkung im Sinne einer groben Beleidigung angesehen. Zu berücksichtigen seien insbesondere die Umstände, unter denen er - der Kläger - die betreffenden Äußerungen getätigt habe, sowie der genaue Wortlaut der Äußerungen. Mit dem Hinweis "da kommt noch etwas Korruption dazu" habe er die Schwere seines Vorwurfes schon (etwas) reduziert. Im Übrigen habe er durchaus davon ausgehen können, dass bestimmte Personen bei der Besetzung von Stellen bevorzugt behandelt würden, während er schon Jahre um eine adäquate Beschäftigung gekämpft habe. Die Details der betreffenden Personalmaßnahmen habe er jedoch nicht gekannt. Es habe sich jedoch aus seiner subjektiven Sicht der Verdacht auf Korruption in der Form des Nepotismus aufgedrängt. Bei dieser Konstellation könne man nicht von einer kränkenden Beleidigung sprechen, da es sich nicht um eine zielgerichtete Ehrenkränkung gehandelt habe. Zweck seiner Äußerungen sei vielmehr gewesen, seine Gesprächspartner aufzurütteln, endlich darüber nachzudenken, hochmotivierte, engagierte Mitarbeiter durch Zuweisung geeigneter Tätigkeiten zu fördern. Wenn ihm seitens der Beklagten der gesamte Sachverhalt bezüglich der betreffenden Personalmaßnahmen offenbart worden wäre und sich hierbei möglicherweise herausgestellt hätte, dass der von ihm gehegte Verdacht unbegründet sei, so hätte er sich klar äußern können, dass er aufgrund der neuen Erkenntnisse diesen Verdacht nicht weiter aufrechterhalten wolle. Er habe auch deutlich gemacht, dass er im internen Rahmen bereit sei, sich zu entschuldigen, falls sich der Verdacht als vollkommen haltlos erweise. Die ordentliche Kündigung sei jedoch bereits deshalb unwirksam, weil deren Ausspruch nach § 53 Abs. 3 BAT unter Berücksichtigung seiner Beschäftigungsdauer und seines Lebensalters nicht möglich gewesen sei. Weiterhin müsse bestritten bleiben, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß und umfassend über die Vorgeschichte und seine Äußerung informiert worden sei. Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13.09.2005 zum 30.06.2006 aufgelöst worden ist. Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Die Beklagte trägt in Erwiderung auf die Berufung des Klägers und zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, es treffe zwar zu, dass § 53 Abs. 3 BAT der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 13.09.2005 entgegenstehe. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - bereits durch die fristlose Kündigung vom 25.07.2005 aufgelöst worden. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei ihr - der Beklagten - in Ansehung der völlig haltlosen, vom Kläger gegenüber seinem Vorgesetzten und dem Personalleiter erhobenen Korruptionsvorwürfe und der Ankündigung einer Anzeige nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus habe der Kläger diese Vorwürfe gegenüber dem vollständigen Betriebsratsgremium wiederholt. Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10.11.2005, 7 Ca 1269/05, die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 39 - 43 d. A.) und auf die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze des Klägers vom 02.02.2006 (Bl. 83 - 91 d. A.) vom 14.03.2006 (Bl. 123 - 126 d. A.) und vom 29.03.2006 (Bl. 129 u. 130 d. A.) sowie der Beklagten vom 13.02.2006 (Bl. 110 - 117 d. A.) und vom 20.03.2006 (Bl. 127 u. 128 d. A.). Entscheidungsgründe:

I.

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die der Beklagten sind statthaft und vorliegend insgesamt zulässig. In der Sache hat jedoch nur das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg. II.

Die Klage ist insgesamt unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist bereits durch die mit Schreiben vom 25.07.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung aufgelöst worden. Die fristlose Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 Abs. 1 BAT sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam. 1.

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 Abs. 1 BAT ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen oder eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Die strafrechtliche Beurteilung ist dabei nicht ausschlaggebend. Auch bereits eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (BAG v. 10.10.2002 -2 AZR 418/01-). Im Streitfall steht aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes fest, dass der Kläger sowohl am 13.07. als auch am 15.07.2005 seinen Vorgesetzten sowie den Personalleiter der Beklagten der Korruption bezichtigt hat. Den diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger bereits in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht (vgl. Sitzungsniederschrift vom 06.09.2005, dort Seite 2 = Bl. 14 d. A.) ebenso wie in seinen schriftsätzlichen Ausführungen eingeräumt, wobei er allerdings geltend macht, er habe - am 13.07.2005 - lediglich die Formulierung "da kommt noch etwas Korruption dazu" gebraucht. Aber auch bei Verwendung dieser Wortwahl hat der Kläger gegenüber seinen Gesprächspartnern den Vorwurf erhoben, korrupt zu sein. Dass die betreffende Äußerung im Gesprächszusammenhang - insbesondere im Zusammenhang mit dem vom Kläger zugleich erhobenen Mobbingvorwürfen - in diesem Sinne zu verstehen war, ist zwischen den Parteien unstreitig, ebenso wie der Umstand, dass der Kläger am 15.07.2005 seinen Korruptionsvorwurf wiederholt hat. Die betreffenden Äußerungen des Klägers stellen zweifellos eine ganz erhebliche Ehrenkränkung, d. h. eine grobe Beleidigung dar. Umstände, die das Verhalten des Klägers in ein "mildes Licht" rücken könnten, sind nicht gegeben. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger die betreffende Äußerung im Rahmen des ersten Gespräches vom 13.07.2005 spontan, unbedacht und in einer gewissen Erregung getätigt hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger mit dem ihm angedachten Tätigkeitsbereich in der Bauabteilung nicht einverstanden war und bei dem betreffenden Gespräch auch seitens seines Vorgesetzten und des Personalleiters die Möglichkeit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesprochen worden war. Nachdem das Gespräch unmittelbar nach der Erhebung des Korruptionsvorwurfs seitens der Gesprächsteilnehmer des Klägers abgebrochen worden war, stellt sich die Wiederholung der betreffenden Äußerung durch den Kläger im (weiteren) Gespräch vom 15.07.2005 jedoch als durchaus überlegte Handlung dar, die in der betreffenden Situation nicht mehr auf eine Erregung oder bloße Unbedachtheit des Klägers zurückgeführt werden kann. Da die Unterhaltung vom 13.07.2005 unmittelbar nach Erhebung des Korruptionsvorwurfes vom Personalleiter der Beklagten beendet worden war, war dem Kläger die Bedeutung seiner Äußerung bewusst. Er hatte sodann bis zur Fortsetzung des Gesprächs am 15.07.2005 ausreichend Gelegenheit, sein Verhalten bzw. den erhobenen Vorwurf zu überdenken. Gleichwohl hat er auch am 15.07.2005 sowohl seinen Vorgesetzten als auch den Personalleiter der Beklagten erneut der Korruption bezichtigt und dabei - unter Zugrundelegung seines eigenen Sachvortrages - erklärt, dass er den Verdacht auf Korruption dem Vorstand, dem Betriebsrat und eventuell auch dem Aufsichtsrat der Beklagten bekannt geben (anzeigen) werde. Gründe die das Verhalten des Klägers rechtfertigen oder zumindest entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insoweit hat bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils zu Recht ausgeführt, dass die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 26.10.2005 geschilderten Personalmaßnahmen nicht ansatzweise einen Korruptionsverdacht begründen können. Die Annahme des Klägers, es sei bei den betreffenden Personalmaßnahmen nicht mit rechten Dingen zugegangen, wird durch keinerlei konkrete Umstände gestützt und erweist sich daher als haltlos. Tatsachen, die auch nur ansatzweise die Erhebung des schweren Vorwurfs der Korruption rechtfertigen könnten, lieben nicht vor. Vielmehr handelt es sich allenfalls um bloße vage Vermutungen des Klägers. Auch wenn man zu dessen Gunsten unterstellt, dass er Anlass für die Annahme hatte, seitens der Personalführung der Beklagten ungerecht behandelt zu werden, so lässt sich hieraus indessen ein Entschuldigungs- oder gar Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten in keiner Weise ableiten. Ein Sachverhalt, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung zu bilden, ist daher gegeben. Die fristlose Kündigung ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte brauchte den Kläger vor Kündigungsausspruch nicht abzumahnen. Der Kläger konnte nämlich nicht ernsthaft damit rechnen, die Beklagte werde die groben Beleidigungen von Vorgesetzten tolerieren. Bei besonders schwerwiegenden Vertragsverletzungen - eine solche liegt hier vor - besteht nicht das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - m.w.N.). Auch das Ergebnis der durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der streitbefangenen fristlosen Kündigung nicht entgegen. Zwar ist im Rahmen der Interessenabwägung zunächst zu beachten, dass der Kläger nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich nicht kündbar ist und eine außerordentliche fristlose Kündigung - also ohne Gewährung einer Auslauffrist - des Arbeitsverhältnisses eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers regelmäßig nur dann gerechtfertigt ist, wenn es dem Arbeitgeber nicht einmal mehr zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der "fiktiven" Frist zur ordentlichen Kündigung fortzusetzen. Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch erfüllt. Zwar sind zugunsten des Klägers dessen langjährige Betriebszugehörigkeit von über 28 Jahren sowie sein fortgeschrittenes Lebensalter (52 Jahre) bei Kündigungsausspruch, was den Erhalt eines anderweitigen adäquaten Arbeitsplatzes nicht unwesentlich erschweren dürfte, zu berücksichtigen. Gleichwohl war es der Beklagten - auch in Ansehung dieser Umstände - nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der "fiktiven" ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende (§ 53 Abs. 2 BAT) d. h. bis zum 31.03.2006 fortzusetzen. Die für eine auch nur befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien ist durch das Fehlverhalten des Klägers restlos zerstört. Der Kläger hat vage Vermutungen zum Anlass genommen, seinen Vorgesetzten sowie den Personalleiter der Beklagten der Korruption zu bezichtigen und diese dadurch in grober Weise zu beleidigen. Darüber hinaus musste die Beklagte auch damit rechnen, dass der Kläger in Zukunft dieselben oder ähnliche Äußerungen tätigt. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger - wie von ihm im Laufe des Rechtsstreits mehrfach vorgetragen - den Standpunkt vertritt, er sei bereits deshalb zur Erhebung des Korruptionsvorwurfes berechtigt, weil er die Einzelheiten der Personalmaßnahmen, aus denen sich für ihn ein Korruptionsverdacht ergebe, nicht kenne und er daher (nur) dann bereit gewesen sei, von seinen Vorwürfen gänzlich abzurücken oder sich ggf. sogar zu entschuldigen, wenn die Beklagte die Verdachtsmomente ausräume. Der Kläger war und ist (nach wie vor) der Ansicht, er sei aufgrund vager Verdachtsmomente dazu berechtigt, seine Vorgesetzen in schwerwiegender Weise zu beleidigen. Somit bestand bei Kündigungsausspruch auch bereits die Gefahr, dass sich das Fehlverhalten des Klägers zukünftig in gleicher oder ähnlicher Weise wiederholt. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände überwog das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Hinsichtlich der Einhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. des § 54 Abs. 2 BAT bestehen vorliegend keinerlei Bedenken, da sich das Fehlverhalten des Klägers letztmals am 15.07.2005 ereignete und ihm das Kündigungsschreiben bereits am 27.07.2005 zugegangen ist. 2.

Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört hat. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass der Personalleiter der Beklagten das Anhörungsverfahren am 20.07.2005 eingeleitet und dabei gegenüber dem Betriebsrat die beabsichtigte fristlose Kündigung mit den beleidigenden Vorwürfen des Klägers vom 13.07. und 15.07.2005 begründet hat. Die ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens ergibt sich auch aus dem Vorbringen des Klägers selbst, wonach er bereits am 20.07.2005 vom Betriebsratsvorsitzenden im Hinblick auf die beabsichtigte fristlose Kündigung und den maßgeblichen Kündigungssachverhalt (Korruptionsvorwurf), der dem Betriebsrat vom Personalleiter der Beklagten mitgeteilt worden war, angehört wurde. Die Sozialdaten des Klägers (Lebensalter, Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, Unterhaltsverpflichtungen) waren dem Betriebsrat nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Beklagten (Schriftsatz vom 14.10.2005, dort Seite 2 = Bl. 14 d. A. des verbundenen Verfahrens 7 Ca 1269/05) bereits bekannt. Soweit der Kläger geltend macht, der Betriebsrat sei nicht "umfassend über die Vorgeschichte" informiert worden, so ergeben sich hieraus keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung. Der Arbeitgeber ist nämlich nicht gehalten, dem Betriebsrat Umstände mitzuteilen, die für seine Kündigungsüberlegungen völlig unerheblich waren. Will der Arbeitgeber die Kündigung - wie im Streitfall - allein auf ein bestimmtes Fehlverhalten des Arbeitnehmers stützen ohne Rücksicht darauf, auf welche Ursachen das Fehlverhalten zurückzuführen ist, so genügt es, wenn er den Betriebsrat über das Fehlverhalten unterrichtet. Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats reicht es nämlich aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Tatsachenkomplex mitteilt, der für seinen Kündigungsentschluss maßgebend ist (vgl. KR-Etzel, 6. Auflage, § 102 BetrVG Rz. 64 a und 66 m.w.N.). Diesen Anforderungen hat die Beklagte bei Anhörung des Betriebsrats genüge getan, indem sie diesem die beleidigenden Äußerungen des Klägers gegenüber seinen Vorgesetzten als für den Kündigungsentschluss maßgebend mitgeteilt hat. Die vom Kläger als "Vorgeschichte" bezeichneten Umstände waren für die Kündigungsabsicht der Beklagten offensichtlich unerheblich. Letztlich hat die Beklagte die Kündigung auch erst nach Ablauf der in § 102 Satz 3 BetrVG normierten Frist von drei Tagen nach Einleitung des Anhörungsverfahrens ausgesprochen. Die Betriebsratsanhörung erweist sich somit insgesamt als ordnungsgemäß. 3.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien somit bereits durch die am 25.07.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, erweist sich auch die gegen die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 13.09.2005 gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers als unbegründet. Voraussetzung für die Begründetheit einer Kündigungsschutzklage ist nämlich, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zwischen den Parteien (noch) ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies war jedoch hier nicht mehr der Fall. III.

Nach alledem war die Klage unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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