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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 402/05
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, KSchG


Vorschriften:

BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 402/05

Entscheidung vom 07.09.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.03.2005, AZ: 9 Ca 2439/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit dem 01.05.2000 bei der Fa. G.-M. als Glasermeister beschäftigt. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt vom 01.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser führte den Betrieb zunächst weiter und bemühte sich um einen Betriebserwerber.

Mit Schreiben vom 26.08.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2004.

Mit Vertrag vom 08.11.2004 (Bl. 86 ff. d. A.) verkaufte der Beklagte Einrichtungsgegenstände, Werkzeuge und Maschinen aus der Insolvenzmasse an die Fa. G.. Diese erwarb darüber hinaus mit weiterem Kaufvertrag vom 08.11.2004 (Bl. 83 ff. d. A.) aus den Lagervorräten der Insolvenzschuldnerin Glasbestände zu einem Kaufpreis von 32.825,60 € sowie einen Pkw zum Preis von 1.879,20 €. Andere Einrichtungsgegenstände sowie zwei Nutzfahrzeuge wurden an andere Erwerber veräußert. Weitere Gegenstände des Anlagevermögens wurden versteigert oder anderweitig verkauft.

Die Fa. G. übt seit Beginn des Monats November 2004 ihre gewerbliche Tätigkeit u. a. auch in den vormaligen Räumen der Insolvenzschuldnerin aus. Diesbezüglich hatten die G. und der Beklagte bereits im Kaufvertrag über das Anlagevermögen vereinbart, dass die Fa. G. mit dem Vermieter über eine nachfolgende Anmietung der Betriebsräume verhandelt und der Beklagte der Fa. G. die Nutzung gegen Zahlung eines Betrages von 7.000,- € für die Zeit vom 10.11.2004 bis einschließlich 31.12.2004 gestattet.

Mit seiner am 20.09.2004 eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der ihm am 30.08.2004 zugegangenen Kündigung.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, entgegen der Behauptung des Beklagten sei der Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht stillgelegt worden. Vielmehr habe ein Betriebsübergang auf die Fa. G. stattgefunden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 26.08.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, er habe sich bereits im Juni 2004 dazu entschlossen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen. Zuvor habe es lediglich zwei Interessenten für einen Erwerb und Fortführung des Betriebs gegeben, nämlich den früheren Betriebsleiter der Insolvenzschuldnerin sowie die Fa. G.. Die Verhandlungen mit der Fa. G. seien Anfang des Jahres 2004 wegen der fehlenden Finanzierung gescheitert. Auch die mit dem Betriebsleiter geführten Verhandlungen seien bereits im Frühjahr 2004 nicht mehr Erfolg versprechend gewesen. Deshalb seien im Juni 2004 die ersten Maßnahmen für eine Betriebsstilllegung getroffen worden. Nachdem der Betriebsleiter sich noch einmal um eine Finanzierung bemüht habe, seien die ursprünglich für Ende Juli 2004 vorgesehenen Kündigungen der Arbeitnehmer noch einmal hinausgeschoben worden. Anfang August 2004 habe die Sparkasse C-Stadt jedoch das Finanzierungskonzept des Betriebsleiters abgelehnt. In Ermangelung eines weiteren Interessenten sei sodann die bereits getroffene Stilllegungsentscheidung weiter umgesetzt worden. Der operative Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin sei zum 29.10.2004 endgültig eingestellt worden. Erst nachdem alle Arbeitsverhältnisse der bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer gekündigt gewesen seien, habe sich die Fa. G. bei ihm - dem Beklagten - gemeldet und Interesse an einem Erwerb von Teilen des Anlagevermögens und des Glaswarenbestandes bekundet.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W. und des Zeugen S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.05.2005 (Bl. 169 ff. d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.03.2005 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 16 dieses Urteils (= Bl. 182 bis 191 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 25.04.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 08.06.2005 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts treffe es nicht zu, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs beabsichtigt habe, den Betrieb stillzulegen. Die Fa. G. sei von Anfang an an einem Erwerb des Betriebs, jedoch ohne Übernahme des Personals, interessiert gewesen. Die Unterbrechung der Gespräche zwischen dem Beklagten und der Fa. G. wegen angeblicher Nichtfinanzierbarkeit ändere nichts daran, dass objektiv das Interesse der Fa. G. an der Übernahme des Unternehmens der Gemeinschuldnerin fortbestanden habe. Soweit die Gespräche zwischen der Fa. G. und dem Beklagten nach dessen Behauptung für insgesamt sechs Monate unterbrochen gewesen seien, so entspreche dies genau dem Zeitraum, der benötigt worden sei, um die Kündigungen vorzubereiten bzw. durchzuführen. Die behauptete Stilllegungsabsicht sei lediglich vorgeschoben. Die wahre Absicht des Beklagten habe nicht auf die tatsächliche Stilllegung des Betriebes gezielt, sondern darauf, dem von Anfang an vorhandenen Interessenten, der Fa. G., ein arbeitnehmerloses Unternehmen zur Übernahme anbieten zu können. Die Fa. G. habe den Betrieb sodann auch gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übernommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.03.2005, AZ: 9 Ca 2439/04, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 26.08.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 177 bis 182 d. A.), auf die Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 07.06.2005 (Bl. 204 bis 211 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift des Beklagten vom 06.07.2005 (Bl. 223 bis 229 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den sehr ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher abgesehen werden. Das Berufungsvorbringen bietet lediglich Anlass zu folgenden Klarstellungen:

Es entspricht einhelliger Meinung, dass die Entscheidung des Arbeitsgebers, seinen Betrieb stillzulegen, eine Unternehmerentscheidung darstellt, die nicht auf ihre Notwendigkeit und auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist und die den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigendes dringendes betriebliches Erfordernis i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellt. Eine wegen Betriebsstilllegung erklärte ordentliche Kündigung ist zwar schon vor dem Zeitpunkt der Betriebsstilllegung zulässig aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer nach dem Auslaufen der Kündigungsfrist entbehrt werden kann. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht und gleichwohl wegen Betriebsstilllegung kündigt oder nur vorsorglich mit der Begründung kündigt, der Betrieb solle zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt werden, falls eine Veräußerung scheitere. Ist hingegen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance biete, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, so bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (BAG vom 07.03.1996, AZ: 2 AZR 298/95).

Das Arbeitsgericht ist nach zutreffender Beweiswürdigung zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte im Kündigungszeitpunkt seine Bemühungen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin zu veräußern, als gescheitert ansah, deshalb zur Stilllegung ernsthaft und endgültig entschlossen war und dieser Entschluss bereits greifbare Formen angenommen hatte, so dass der Beklagte davon ausgehen durfte, bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist werde der Kläger entbehrt werden können. Die Frage, ob es nach Kündigungsausspruch zu einem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB auf die Fa. G. gekommen ist, kann daher offen bleiben. Insoweit käme allenfalls - wie das Arbeitsgericht zutreffend hervorgehoben hat - ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung gegenüber dem Betriebserwerber in Betracht.

Soweit der Kläger geltend macht, die Verhandlungen zwischen dem Beklagten und der Fa. G. seien nur deshalb unterbrochen worden, um dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, den Arbeitnehmern zu kündigen und sodann einen "arbeitnehmerfreien" Betrieb zu veräußern, so handelt es sich letztlich um eine bloße Vermutung, die durch keine ausreichenden Umstände bzw. Tatsachen gestützt wird. Gegen diese Annahme des Klägers spricht insbesondere das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme. Den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil ist nichts hinzuzufügen.

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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