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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 428/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 64 Abs. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 | |
ArbGG § 64 Abs. 6 | |
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
BGB § 626 Abs. 1 | |
BGB § 626 Abs. 2 | |
ZPO § 138 | |
ZPO § 138 Abs. 2 | |
ZPO § 138 Abs. 3 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 519 |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 19. März 2008, Az.: 6 Ca 1686/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 30.08.2007. Der Kläger (geb. am 10.01.1962, verheiratet, eine Tochter) war seit dem 01.10.2002 im Betrieb der Beklagten als EDV-Techniker zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.400,00 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte neben dem Kläger noch eine Teilzeitkraft. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.08.2007 (Bl. 9 d. A.), das der Beklagten am 30.08.2007 zugegangen ist, zum 30.09.2007 selbst gekündigt. Mit Anwaltsschreiben vom 30.08.2007 (Bl. 16 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung, die ihm am 03.09.2007 zugegangen ist, wendet sich der Kläger mit seiner am 18.09.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Die Beklagte stützt die fristlose Kündigung auf unerlaubte Konkurrenztätigkeit. So habe der Kläger u.a. während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit am 17.11.2006 für die Firma S. EDV Service und Vertrieb, die mit ihr in Wettbewerb stehe, einen Serviceauftrag beim Autohaus G. in A-Stadt erledigt. Der Kläger entlastet sich damit, dass er sowohl mit dem Geschäftsführer der Firma S. als auch mit dem Inhaber des Autohauses befreundet sei. Er habe anlässlich eines Besuchs am 17.11.2006 ca. 30 Minuten aus Gefälligkeit und ohne Entgelt einen defekten Schalter ausgetauscht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer nochmaligen Darstellung des erstinstanzlichen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 19.03.2008 (dort S. 3-5 = Bl. 101-104 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung mit Schreiben vom 30.08.2007 aufgelöst wurde, sondern unverändert bis zum 30.09.2007 fortbestanden hat. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat mit Urteil vom 19.03.2008 der Klage stattgegeben. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers habe zwischen den Parteien ein erstes Gespräch bezüglich sämtlicher kündigungsrelevanter Sachverhalte bereits am 17.08.2007 stattgefunden. Unstreitig habe es dann ein weiteres Gespräch am 20.08.2007 gegeben. Soweit die Beklagte schriftsätzlich vortrage, erst am 20.08.2007 seien "die Tatsachen" bekannt geworden, lasse der unmittelbare Zusammenhang mit dem Absatz davor allein die Auslegung zu, dass damit die behauptete Konkurrenztätigkeit des Klägers in der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit im November 2006 gemeint sei. Im weiteren Verlauf behaupte die Beklagte indes "... in der laufenden Woche sind jedoch so viele Tatsachen bekannt geworden, u. a. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie der ausgeführte Auftrag, [Beweis: Serviceauftrag als Anlage B2, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Anlage B1], sodass man zu dem Entschluss gekommen ist, dem Kläger die fristlose Kündigung auszusprechen." Dieser Vortrag sei widersprüchlich und daher nach § 138 ZPO unbeachtlich. Die Beklagte trage zunächst vor, der Umstand der behaupteten Konkurrenztätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei ihr erst am 20.08.2007 bekannt geworden. Im nächsten Absatz erkläre sie hingegen, diese Begebenheit sei ihr erst in der Woche danach zur Kenntnis gelangt. Dabei bleibe insgesamt der Vortrag des Klägers unwidersprochen, dass die Parteien schon am 17.08.2007 über die hier streitgegenständlichen Vorwürfe gesprochen hätten, ohne dass konkrete Entscheidungen zur Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen worden seien. Gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO gehe die Kammer davon aus, dass dieses Gespräch mit dem vom Kläger bezeichneten Inhalt am 17.08.2007 stattgefunden habe. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei daher bei Zugang der Kündigung am 03.09.2007 bereits verstrichen gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sofortiger Wirkung, sondern erst durch die ordentliche Kündigung des Klägers mit Ablauf des 30.09.2007 beendet worden. Die Beklagte, der das Urteil des Arbeitsgerichts am 02.07.2008 zugestellt worden ist, hat am Montag, dem 04.08.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit am 01.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie trägt vor, vorliegend hätten, wie sich bis zum 20.08.2007 nachprüfbar und beweisbar herausgestellt habe, mehrere Gründe vorgelegen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigten. Die am 17.08.2007 angesprochenen Verfehlungen des Klägers habe sie über das darauffolgende Wochenende soweit belegen können, dass die auch im Interesse des Klägers liegende Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur den Schluss zugelassen habe, dass hier eine fristlose Kündigung auszusprechen sei. Insoweit sei ihr erstinstanzlicher Vortrag, dass sich auch in den Folgetagen der Umfang der Verfehlungen des Klägers immer mehr gezeigt habe, nicht als widersprüchlich anzusehen. Der Ausspruch der außerordentlichen Kündigung habe sich als vollkommen richtig erwiesen, da der Kläger das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 01.09.2008 (Bl. 132-134 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 19.03.2008, Az.: 6 Ca 1686/07, aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt wiederholend vor, am 17.08.2007 seien alle Verfehlungen angesprochen worden, die die Beklagte zur Begründung ihrer Kündigung erstinstanzlich vorgetragen habe. Der Beklagten hätten alle Belege und Nachweise vorgelegen. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.09.2008 (Bl. 152-158 d. A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:
I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.08.2007 nicht aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten wegen Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam ist.
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch die Berufungskammer anschließt, ist der Kündigungsberechtigte - hier die Beklagte - für die Einhaltung der Zweiwochenfrist darlegungs- und beweispflichtig. Derjenige, der eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspricht, muss darlegen und ggf. beweisen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Diese Darlegungspflicht ist nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll. Hat der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen durchgeführt, muss er hierzu weiter darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren, und welche - sei es auch nur aus damaliger Sicht - weiteren Ermittlungen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat (vgl. BAG Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 - NZA 2007, 744-748, m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte ihrer Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Sie hätte ihre Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund substantiiert darlegen und konkrete Ausführungen machen müssen, welche Tatsachen im Anschluss an das Gespräch mit dem Kläger am 17.08.2007 noch ermittelt werden sollten bzw. noch ermittelt worden sind.
Es ist unstreitig, dass die Parteien bereits am 17.08.2007 ein Gespräch geführt haben. Der Kläger hat sowohl erst- als auch zweitinstanzlich vorgetragen, dass die Beklagte am 17.08.2007 sämtliche Verfehlungen angesprochen habe, die sie im vorliegenden Kündigungsschutzprozess als Gründe für ihre fristlose Kündigung anführe. Der Beklagten hätten bereits am 17.08.2007 alle Belege und Nachweise vorgelegen. Angesichts dieses Sachvortrags des Klägers durfte sich die Beklagte nicht darauf beschränken pauschal zu behaupten, sie habe die am 17.08.2007 angesprochenen Verfehlungen des Klägers über das Wochenende so weit belegen können, dass die auch im Interesse des Klägers liegende Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur den Schluss zugelassen habe, hier die fristlose Kündigung auszusprechen. Ihr Vortrag, der Umfang der Verfehlungen habe sich nach dem 17.08.2007 in den Folgetagen immer mehr gezeigt, ist völlig unsubstantiiert. Ihr Vortrag lässt auch nicht ansatzweise erkennen, welche konkreten Umstände ihr bereits am 17.08.2007 bekannt waren und welche konkreten Tatsachen erst im Anschluss an das Gespräch ermittelt worden sind. Die Beklagte hätte konkrete Einzelheiten dazu vortragen müssen, welche Erkenntnisse ihr am 17.08.2007 vorlagen und welche Kenntnisse, sie erst über das Wochenende bzw. in den Folgetagen erlangt hat.
Angesichts nicht ausreichend substantiierter Angaben zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung nach dem 17.08.2007 hat die zweiwöchige Ausschlussfrist am 17.08.2007 zu laufen begonnen hat. Die Frist war bereits am 31.08.2007 und damit vor Zugang der fristlosen Kündigung, der am 03.09.2007 erfolgt ist, abgelaufen.
Weil die fristlose Kündigung der Beklagten bereits wegen Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam ist, kann dahinstehen, ob das Verhalten des Klägers einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt.
III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
Ende der Entscheidung
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