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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 576/06
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 25 i. V. m. der Anlage 3
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 576/06

Entscheidung vom 13.12.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.06.2006 - AZ: 1 Ca 289/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zulassung zu einer mündlichen Prüfung.

Die am 23.10.1969 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1988 als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des BAT Anwendung. Seit dem 01.12.2001 arbeitet die Klägerin im Bürgeramt der Beklagten.

Die Beklagte betreibt ein kommunales Studieninstitut. Diesem obliegt nach § 4 des Bezirkstarifvertrages über die Ausbildungs- und Prüfungspflicht der Verwaltungsangestellten vom 27.10.1988 u. a. die Durchführung von Lehrgängen und Prüfungen des Angestelltenlehrganges. Gemäß § 10 Abs. 2 des vom kommunalen Studieninstituts erlassenen Prüfungsordnung werden Prüfungsteilnehmer zur mündlichen Prüfung der ersten Angestelltenprüfung nur dann zugelassen, wenn die schriftlichen Prüfungsleistungen im rechnerischen Durchschnitt mindestens mit der Note 4,25 und mindestens zwei der schriftlichen Arbeiten mit der Note "ausreichend" bewertet worden sind.

Nachdem die Klägerin im Februar 2003 erstmals ohne Erfolg an der Angestelltenprüfung I teilgenommen hatte, unterzog sie sich im Jahre 2005 zum zweiten Mal der betreffenden Prüfung. Mit Schreiben vom 27.06.2005 teilte ihr das kommunale Studieninstitut mit, dass die Voraussetzungen für die Zulassung zur mündlichen Prüfung nicht gegeben seien, da die von ihr gefertigten Klausuren wie folgt bewertet worden seien: Kommunalrecht: Note 4; Öffentliches Finanzwesen: Note 5; Privatrecht: Note 5 und Allgemeines Verwaltungsrecht: Note 4.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.07.2005 wendete sich die Klägerin gegen die Bewertung ihrer Klausuren und begründete dies mit weiterem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.10.2005, auf dessen Inhalt (Bl. 111 - 130 d. A.) Bezug genommen wird. Die Einwendungen der Klägerin richteten sich dabei gegen die Bewertungen der Klausuren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht". Aufgrund dieser Einwendungen veranlasste die Beklagte eine erneute Bewertung der betreffenden Klausuren durch die Korrektoren sowie durch die Zweitkorrektoren.

Die Prüfungsaufgabe aus dem Gebiet "Öffentliches Finanzwesen" umfasste insgesamt vier Aufgabenstellungen. Wegen der Aufgabenstellungen im Einzelnen, der Einzelheiten der Klausur der Klägerin und der für diese Klausur geltenden Lösungsskizze wird auf Bl. 75 - 94 d. A. Bezug genommen. Nach § 6 der Prüfungsordnung erfolgt die Notenfindung aufgrund so genannter "Treffer", die von den Korrektoren für die einzelnen Aufgaben vergeben werden, wobei bei mehreren Teilaufgaben einer Prüfungsaufgabe jeweils die für eine einzelne Teilaufgabe maximal erreichbare Punktezahl festgelegt wird. Bei der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" waren beide Korrektoren (Erst- und Zweitkorrektor) bei ihrer ursprünglichen (ersten) Bewertung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Teilaufgabe 1 mit 4 von insgesamt 17 Treffern zu bewerten sei. Im Rahmen der von der Beklagten veranlassten erneuten Bewertung aufgrund der Einwendungen der Klägerin kamen beide Korrektoren zu dem Ergebnis, dass diese Teilaufgabe nur mit 3 von 17 Treffern bewertet werden könne. Die Bewertung der Teilaufgabe 2 blieb in der erneuten Bewertung gegenüber der ursprünglichen Bewertung mit 1,5 von 3 Treffern unverändert. Bei Aufgabe 3 führte die Erstbewertung zu 5 von 10 Treffern, die Neubewertung hingegen zu 6,5 von 10 Treffern. Die Teilaufgabe 4 wurde im Rahmen der ursprünglichen Bewertung und der erneuten Bewertung übereinstimmend mit 5 von 10 Treffern bewertet. Hinsichtlich der Ausführungen der Korrektoren zu dem Ergebnis ihrer erneuten Bewertung der Aufgabe "Öffentliches Finanzwesen" wird auf Bl. 198 - 207 d. a. Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, die Klausur "Allgemeines Verwaltungsrecht" sei mit der Note 4, die Klausur "Kommunalrecht" mit der Note 2, die Klausur "Öffentliches Finanzwesen" mit der Note 4 und die Klausur "Privatrecht" mit der Note 3 zu bewerten. Dies ergebe sich bereits auf der Grundlage ihrer vorgerichtlich erhobenen Einwendungen. Es sei insbesondere unzulässig, die Teilaufgabe 1 der Klausur "Öffentliches Finanzwesen", die ursprünglich mit 4 von 17 Treffern bewertet worden sei, nunmehr im Rahmen der aufgrund ihrer Einwendungen durchgeführten Überprüfung nur noch mit 3 von 17 Treffern zu bewerten. Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Neubewertung vorgenommenen Besserbewertung der Teilaufgabe 3 von ursprünglich 5 auf nunmehr 6,5 von 10 Treffern ergebe sich unter Beibehaltung der ursprünglichen Benotung der Teilaufgabe 4 mit 4 von 17 Treffern eine Gesamttrefferzahl von 17 von insgesamt 40 Treffern, was nach § 6 der Prüfungsordnung der Note 4 entspreche. Die Verschlechterung der ursprünglich vorgenommenen Bewertung der Teilaufgabe 1 verstoße gegen das Verbot der "reformatio in peius".

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zur mündlichen Prüfung zur ersten Angestelltenprüfung gemäß § 25 BAT i. V. m. der Anlage 3 zum BAT zuzulassen;

hilfsweise,

die Bewertung der von der Klägerin im Rahmen der ersten Angestelltenprüfung gefertigten Klausuren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht" aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin im Rahmen der ersten Angestelltenprüfung gefertigten Klausuren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen;

hilfsweise,

festzustellen, dass die Bewertung der von der Klägerin im Rahmen der ersten Angestelltenprüfung gefertigten Klausuren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht" rechtsfehlerhaft ist, und die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin im Rahmen der ersten Angestelltenprüfung gefertigten Klausuren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin im Rahmen der ersten Angestelltenprüfung gefertigten Klausurren "Kommunalrecht", "Öffentliches Finanzwesen" und "Privatrecht" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, ein Verstoß gegen das Verbot der "reformatio in peius" liege hinsichtlich des Ergebnisses der Neubewertung der Prüfungsaufgabe "Öffentliches Finanzwesen" nicht vor, da sich das Endergebnis der Bewertung der Gesamtaufgabe nicht zu Lasten der Klägerin geändert habe. Die Korrektoren hätten bei der Neubewertung ihr Bewertungssystem nicht geändert und sich im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraumes gehalten. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine bessere Bewertung der anderen Klausuren. Ihr Anspruch auf Neubewertung der Klausuren unter Beibehaltung des ursprünglichen Bewertungssystems sei bereits durch die im Hinblick auf die vorgerichtlich erhobenen Einwendungen erneut durchgeführten Korrekturen erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.06.2006 dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 - 13 dieses Urteils (= Bl. 278 - 283 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.07.2006 zugestellte Urteil am 25.07.2006 Berufung eingelegt und diese am 05.09.2006 begründet.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass das Ergebnis der Teilaufgabe 1 der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" im Rahmen der Neukorrektur nicht habe zu Lasten der Klägerin von 4 auf 3 Treffer verschlechtert werden dürfen. Die Klägerin habe keinen Vertrauensschutz darauf, dass ihr nur die "Rosinen" der Zweitkorrektur zu Gute kommen könnten. Vielmehr müssen sie es gegen sich gelten lassen, wenn ein Korrektor zu dem Ergebnis gelange, dass eine Teilaufgabe ursprünglich zu gut bewertet gewesen sei. Das Verböserungsverbot greife im Streitfall nicht ein, da sich das Gesamtergebnis der Klägerin durch die Neukorrektur nicht verschlechtert habe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bestehe auch kein Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass der Punktabzug hinsichtlich der Teilaufgabe 1 auf einer Änderung des Bewertungssystems beruhe. Der Unterschied in den Ergebnissen der Erst- und Zweitbewertung rühre daher, dass die Korrektoren bei ihrer ursprünglichen Bewertung die Arbeiten der Klägerin auch im Verhältnis der Leistungen der anderen Prüfungskandidaten bewertet hätten. Dies sei jedoch bei der erneuten, isolierten Zweitbewertung ohne Kenntnis und Vorlage aller Prüfungsarbeiten nach einem größeren Zeitraum nicht mehr möglich gewesen. Bei der Neubewertung habe man sich nur noch an das vorgegebene Lösungsschema gehalten. Falls man die Ansicht vertrete, dass hierin eine Änderung des Bewertungsmaßstabes liege, so könne die Zweitkorrektur insgesamt keinen Bestand haben. In diesem Fall habe die Klägerin nur Anspruch auf eine erneute Zweitbewertung ihrer Klausur.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung in vollem Umfang stattgegeben.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zulassung zur mündlichen Prüfung im Rahmen des Angestelltenlehrgangs I. Das Berufungsgericht folgt den sehr ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende ergänzende Klarstellungen angezeigt:

Der Anspruch der Klägerin auf Zulassung zur mündlichen Prüfung ergibt sich aus § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung, da die schriftlichen Arbeiten der Klägerin im rechnerischen Durchschnitt mindestens mit der Note 4,25 zu bewerten sind und die Klägerin auch bei mindestens zwei schriftlichen Arbeiten die Note "ausreichend" erzielt hat. Unstreitig sind die Klausuren der Klägerin aus den Bereichen "Kommunalrecht" und "Allgemeines Verwaltungsrecht" mit mindestens der Note 4 und die Klausur aus dem Bereich "Privatrecht" mit mindestens der Note 5 zu bewerten. Aber auch in der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" hat die Klägerin nach § 6 Abs. 2 der Prüfungsordnung die Note "ausreichend" (4) erzielt, da diese Arbeit mit insgesamt 17 von 40 erreichbaren Treffern zu bewerten war. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung für die Zulassung der mündlichen Prüfung sind daher erfüllt.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht seiner Entscheidung die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die rechtliche Überprüfung von Prüfungsleistungen entwickelten Grundsätze, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus den Art. 3, 12 und 33 GG entspringen, zu Grunde gelegt. Danach ist der Grundsatz der Chancengleichheit im Verfahren der Leistungsbewertung bei Anwendung der Bewertungskriterien zu beachten. Dies bedeutet insbesondere, dass ein Prüfer bei einer aufgrund eines erkannten Bewertungsfehlers erforderlichen Neubewertung nicht seine Bewertungskriterien ändern darf, nach denen er im Rahmen des ihm zustehenden Bewertungsspielraums die Prüfungsleistung ursprünglich bewertet hat. Er darf bei der Neubewertung das der ursprünglichen Bewertung der Prüfungsarbeiten aller Prüflinge zugrunde gelegte Bewertungssystem nicht verändern, da dies eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Prüflingen bedeuten würde (BVerwG v. 14.07.1999 - 6 C 20/98). Hieraus ergibt sich, dass im Rahmen einer gebotenen Neubewertung grundsätzlich weder die früher festgesetzte Note verschlechtert, noch zu Gunsten des Prüflings in die Abwägung eingeflossene neue Einzelbewertungen durch neue nachteilige Einzelbewertungen aufgefangen werden dürfen, um durch eine solche Kompensation eine Verbesserung der Note auszuschließen (BVerwG v. 11.06.1996 - 6 B 88/95). Das Ergebnis der Bewertung einer Prüfungsleistung darf durch eine gebotene erneute Bewertung regelmäßig nicht verschlechtert werden, weil dies dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Chancengleichheit zuwiderlaufen würde. Die Korrektur eines Bewertungsfehlers kann daher grundsätzlich nur zu einer besseren oder gleichen Bewertung führen (BVerwG v. 24.02.1993 - 6 C 38/92).

Das Arbeitsgericht hat bei Anwendung dieser Grundsätze zutreffend festgestellt, dass die im Rahmen der Neubewertung der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" von den Korrektoren vorgenommene Verschlechterung der Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Teilaufgabe 1 dieser Klausur von vormals 4 Treffern auf nunmehr 3 Treffer auf einer Änderung der Bewertungskriterien beruht. Die Änderung der Bewertungskriterien ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten selbst sowie aus den von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen der Korrektoren P. vom 21. 08.2006 (Bl. 350 f. d. A.) und K. vom 15.08.2006 (Bl. 349 d. A.). Danach beruht die Abweichung in der Anzahl der vergebenen "Treffer" auf dem Umstand, dass die Korrektoren bei ihrer ersten Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin auch die Klausuren der anderen Prüflinge vergleichend herangezogen hatten, bei der Neubewertung hingegen die Klausur der Klägerin - ohne Berücksichtigung der Arbeiten der anderen Prüfungsteilnehmer - "isoliert" und nunmehr ausschließlich orientiert an der Lösungsskizze bewertet haben. Hieraus ergibt sich zweifellos, dass die Korrektoren bei der Neubewertung der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" ihre Bewertungskriterien geändert haben, was - nach Maßgabe vorstehender Rechtsausführungen - zu einer unzulässigen verschlechternden Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Teilaufgabe 1 geführt hat. Die Prüfungsleistung hätte nur anhand derselben prüfungsspezifischen Wertungen beurteilt werden dürfen, nach denen auch die Leistung der übrigen Prüflinge beurteilt worden war (BVerwG v. 14.07.1999 - 6 C 20/98). Dies wäre den Prüfern auch ohne Weiteres möglich gewesen, da der Beklagten - wie diese in der letzten mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - die Arbeiten der anderen Prüfungsteilnehmer zum Zeitpunkt der Neubewertung der Klausur der Klägerin noch vorlagen. Die Leistung der Klägerin bei der Teilaufgabe 1 der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" war daher im Ergebnis mit mindestens 4 Treffern zu bewerten.

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die verbessernde Neubewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Teilaufgabe 3 der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" mit nunmehr 6,5 statt vormals 5 Treffern sei wegen der Änderung der Bewertungskriterien unwirksam. Zum einen verbieten die oben aufgezeigten, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze regelmäßig nur eine Verschlechterung des Prüfungsergebnisses im Rahmen einer Neubewertung, d. h. eine Änderung der Bewertungskriterien zu Lasten des Prüflings. Darüber hinaus widerspräche es dem Gebot von Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte - nachdem die Klägerin zu Recht eine unzulässige Verschlechterung der Bewertung hinsichtlich der Teilaufgabe 1 geltend gemacht hat - mit Erfolg darauf berufen könnte, dass auch die verbessernde Neubewertung einer anderen Teilaufgabe auf dem selben, von ihren Korrektoren und daher letztlich von ihr selbst zu verantwortenden Fehler beruht. Letztlich bedürfte es diesbezüglich zumindest eines substantiierten Sachvortrages, aus welchem sich ableiten ließe, dass die Leistung der Klägerin bei der Teilaufgabe 3 unter Mitberücksichtigung der Leistungen der anderen Prüfungsteilnehmer nach wie vor mit lediglich 5 Treffern zu bewerten ist. Diesbezüglich hat die Beklagte jedoch keinerlei konkrete Tatsachen vorgetragen.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung auch ausgeführt, dass die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass sich bei der Gesamtbewertung der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" ungeachtet der für die Teilaufgabe 1 bei der Neubewertung in Ansatz gebrachten geringeren Trefferanzahl aufgrund der gleichzeitigen Erhöhung der Trefferzahl bei der Teilaufgabe 3 die Gesamtbewertung (Note 5) nicht geändert habe. Bei den Teilaufgaben handelte es sich jeweils um eigenständige Aufgabenkomplexe, welche jeweils isoliert und nicht in ihrer Zusammenschau bzw. in ihrer Gesamtheit zu bewerten waren. Bei Anwendung des von der Beklagten selbst zugrunde gelegten Bewertungssystems war jeder einzelnen Aufgabe eine erreichbare Trefferanzahl zugewiesen. Das Bewertungssystem bestand somit gerade darin, die Teilaufgaben jeweils separat mit Treffern zu versehen. Bei derartigen, klar abgrenzbaren Teilbewertungen gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit, das jeweilige (Teil-)bewertungssystem beizubehalten und nicht zu Lasten des Prüflings im Vergleich zu anderen Prüfungsteilnehmern zu verändern.

Die Klägerin hat somit in der Klausur "Öffentliches Finanzwesen" von 40 erreichbaren Treffern insgesamt 17 Treffer erzielt (Teilaufgabe 1: 4 Treffer; Teilaufgabe 2: 1,5 Treffer; Teilaufgabe 3: 6,5 Treffer; Teilaufgabe 4: 5 Treffer), was unstreitig der Note 4 entspricht. Sie ist daher zur mündlichen Prüfung zuzulassen.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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