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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 6/01
Rechtsgebiete: MTV, ArbGG, HGB, ZPO


Vorschriften:

MTV § 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
HGB § 84 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 92 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 543 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.10.2000 - AZ: 2 Ca 969/00 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Fotograf mit der Beklagten steht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat 1/3 und die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und ob auf dieses die Vorschriften des Manteltarifvertrages für die Redakteure und Redakteurinnen bei Tageszeitungen anzuwenden ist.

Der Kläger ist seit Ende 1987 durchgehend für die Beklagte als Pressefotograf tätig. Als solcher arbeitete er im Jahr 1999 an insgesamt 251 Tagen und lieferte dabei der Beklagten insgesamt 1.690 Bilder, durchschnittlich also ca. 140 Bilder pro Monat.

Die bei der Beklagten beschäftigten Fotografen tragen jeweils bei Jahresbeginn die Zeiträume, während derer sie Urlaub nehmen wollen, in einen Jahreskalender ein. Eine nachträgliche Änderung dieses Urlaubsplanes bedarf einer vorherigen Abstimmung zwischen den Fotografen und der Beklagten. Die Termine für die von den Redaktionen angeforderten Fotos (Bildbestellungen) werden abends in der Bildredaktion von Mitarbeitern der Beklagten für den darauffolgenden Tag auf die einzelnen Fotografen verteilt. Am Freitagabend erfolgt jeweils die Terminverteilung für das gesamte Wochenende. Die Bildbestellungen werden in mehreren Durchschlägen ausgefüllt und abends in ein Fach des Klägers bei der Bildredaktion gelegt. Durchschläge der Bildbestellungen gehen auch an die einzelnen Redaktionen, damit diese wissen, welcher Fotograf welchen Termin wahrnimmt, damit auch die einzelnen Redaktionen gegebenenfalls per Mobiltelefon mit dem Fotografen Kontakt aufnehmen können, um besondere Wünsche über Inhalt und Format der Bilder mitzuteilen. Nach Wahrnehmung der Termine begibt sich der Kläger in das Redaktionslabor der Beklagten und entwickelt dort die Filme. Während der Entwicklung der Filme werden am hauseigenen Computer eventuelle Veränderungen des Bildformates bei der Redaktion abgefragt. Nach Trocknung der Filme werden diese im Redaktionsbüro auf dem Leuchtpult gesichtet. Danach werden sie entweder vom Kläger selbst oder von einer Laborantin eingescannt. Dabei werden die Filme mit entsprechenden Informationen über Ort der Aufnahme, Motiv, Bildbeschreibung, Personen, Datum usw. registriert. Nach dem Einscannen werden die Ausdrucke mit dem Durchschlag des Bildbestellzettels in die jeweilige Redaktion bzw. zu dem jeweiligen Redakteur gebracht.

Zusätzlich zu den ihm jeweils abends erteilten Aufträgen erhält der Kläger auch im Laufe des Tages über Mobiltelefon von den einzelnen Redaktionen weitere Aufträge, welche er sodann in der oben geschilderten Weise bearbeitet.

Zu näheren Darstellung (insbesondere) des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.10.2000 - AZ: 2 Ca 969/00 - (Bl. 153 bis 157 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.10.2000 festgestellt, dass der Kläger in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten steht und dass auf dieses Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Redakteure bei Tageszeitungen anzuwenden ist. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 14 dieses Urteils (= Bl. 157 bis 165 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 05.12.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2001 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 29.01.2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 05.03.2001 begründet.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das mit dem Kläger begründete Vertragsverhältnis sei nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergebe sich nicht bereits aus der Aufstellung von Urlaubsplänen eine persönliche Abhängigkeit des Klägers. Eine solche bestünde nämlich nur dann, wenn der Kläger verpflichtet wäre, außerhalb seiner Urlaubszeit tatsächlich zur Verfügung zu stehen. Diesbezüglich seien jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Durch seine Angaben im Urlaubsplan signalisiere der Kläger lediglich, in welchen Zeiträumen er zur Entgegennahme von Aufträgen bereit sei, damit sie - die Beklagte - sich hierauf einstellen könne .Derartige zeitliche Vorgaben bzw. Abstimmungen seien im Rahmen eines jeden Dienst- bzw. Werkvertragsverhältnisses geboten und üblich. Entsprechendes gelte hinsichtlich des Umstandes, dass der Kläger jeweils abends seine Aufträge aus einem Fach entnehme, welches er in der Redaktion habe. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, seien für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Eine persönliche Abhängigkeit des Klägers werde hierdurch nicht begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei sie - die Beklagte - auch sehr wohl in der Lage, ihrem Unternehmenszweck ohne festangestellte Fotografen gerecht zu werden. Der Kläger sei auch keineswegs verpflichtet, die Filme im Redaktionslabor zu entwickeln. Vielmehr könne er sich auch ein eigenes Labor aufbauen und dort die Entwicklungsarbeiten durchführen. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, eine bestimmte Anzahl von Bildern zu fertigen. Er könne auch für andere Zeitungsverlage arbeiten und sogar die für sie - die Beklagte -gefertigten Fotos anderweitig wirtschaftlich verwerten. Der Manteltarifvertrag für die Redakteure bei Tageszeitungen finde auf das Anstellungsverhältnis keine Anwendung. Der Kläger wirke nämlich nicht, wie in der Protokollnotiz zu § 1 des betreffenden Tarifvertrages gefordert, kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teiles einer Tageszeitung mit. Welche Ereignisse Gegenstand der Berichterstattung sein sollen, entscheide ausschließlich die Redaktionskonferenz, in welcher der Kläger nicht vertreten sei. Mit dem Ereignis, welches Gegenstand eines vom Kläger zu erstellenden Fotos sein solle, sei in der überwiegenden Zahl der Fälle zugleich auch das Motiv festgelegt. Die Tätigkeit des Klägers sei - jedenfalls überwiegend - mit der Arbeit eines Polizeifotografen vergleichbar, bei der auch jegliche Möglichkeit einer kreativen Gestaltung fehle.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 02.03.2001 (Bl. 179 bis 191 d. A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz vom 15.05.2001 (Bl. 231 bis 235 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.10.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer übereinstimmend erklärt, dass die Beklagte zwischenzeitlich das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger gekündigt habe und dass diesbezüglich ein Kündigungsschutz-verfahren beim Arbeitsgericht Mainz anhängig sei. Der Kläger hat daraufhin - unter Zustimmung der Beklagten - erklärt, dass er seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag dahingehend einschränke, dass die Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses nicht mehr beantragt werde und dass er seinen erstinstanzlichen Antrag dahingehend klarstelle, dass die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses als Fotograf begehrt werde. Darüber hinaus hat der Kläger klarstellend erklärt, dass mit dem in seinem Klageantrag bezeichneten Tarifvertrag der Manteltarifvertrag für die Redakteure und Redakteurinnen bei Tageszeitungen gemeint sei.

Nach Maßgabe dieser Antragseinschränkung und - Klarstellung beantragt der Kläger,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und trägt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag im Wesentlichen vor, dass für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ergebe sich bereits aus der Art der Terminvergabe bzw. Auftragserteilung. Wenn ihm abends durch Einlage in sein Fach ein konkreter Termin genannt werde, dann habe er gar nicht mehr die Zeit und die Möglichkeit, diesen Termin so rechtzeitig gegenüber der Redaktion abzulehnen, dass diese noch einen anderen Fotografen beauftragen könne. Beide Seiten gingen also ganz selbstverständlich davon aus, dass ein abends erteilter Auftrag von ihm - dem Kläger - nicht abgelehnt, sondern vielmehr ordnungsgemäß ausgeführt werde. Die jeweils zu Jahresbeginn in einem Kalender festgehaltene Urlaubsplanung sei sehr wohl für alle Beteiligten verbindlich gewesen. Auch die von der Beklagten betonte Tatsache, dass keine konkreten mündlichen Vereinbarungen bestünden, ändere nichts an der Existenz eines Arbeitsverhältnisses. Die Behauptung, er - der Kläger - habe auch für andere Zeitungsverlage arbeiten können, sei reine Theorie, da er durch seine Tätigkeit für die Beklagte zeitlich völlig ausgelastet gewesen sei. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Redakteure für Tageszeitungen Anwendung finde. Fotografieren sei bereits deshalb grundsätzlich eine kreative Tätigkeit, weil der Fotograf dabei immer nach eigenen Vorstellungen das jeweilige Motiv aufnehme und es grundsätzlich immer mehrere Möglichkeiten gebe, ein Motiv abzulichten. Der Fotograf werde bereits dadurch kreativ tätig, dass er sich für eine Aufnahmemöglichkeit nach eigenen Vorstellungen entscheide. Die Beklagte mache grundsätzlich keine Vorgaben über den Inhalt der von ihm zu erstellenden Bilder, es sei denn sie erteile die allgemeine Anweisung, dass die Fotos jeweils in Hoch- oder Querformat zu erstellen seien. Nachdem vor Ort mehrere Bilder von dem Ereignis, über das berichtet werden solle, aufgenommen worden seien, entscheide er - der Kläger - selbst, welches der betreffenden Bilder veröffentlicht werden solle.

Zur Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren im Weiteren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.04.2001 (Bl. 208 bis 215 d. A.) sowie auf die ergänzenden Schriftsätze vom 23.04.2001 (Bl. 220 bis 222 d. A.) und vom 11.05.2001 (Bl. 223 u. 224 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur zum Teil Erfolg.

I.

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das zwischen ihm und der Beklagten begründete Vertragsverhältnis - ungeachtet der Frage seines Fortbestandes im Hinblick auf eine zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung - als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, so erweist sich die Klage als begründet. Die Berufungskammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort Seiten 8 bis 11 = Bl. 157 bis 162 d. A.) und stellt dies hiermit ausdrücklich gem. § 543 Abs. 1 ZPO fest. Er erscheinen jedoch - insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien - folgende ergänzende Klarstellungen angezeigt:

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzliche Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, dass ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Bei der Frage, ob und in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, muss vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt werden; abstrakte, für alle Arbeitnehmer geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen (vgl. BAG; AP Nr. 26, Nr. 42 und Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

Die vom Kläger erbrachten Leistungen als Fotograf können an sich sowohl Gegenstand eines Arbeitsverhältnisses als auch eines freien Dienstvertrages oder Werkvertrages sein. Die Grenzen zwischen diesen Vertragstypen sind fließend. Ihre Abgrenzung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erfolgen (vgl. BAG, AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972). Die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale sind zu beurteilen, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrages und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben. Für die Einordnung des Rechtsverhältnisses ist eine von den Parteien gewählte Bezeichnung oder von ihnen gewünschte Rechtsfolge, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht, nicht erheblich. Maßgeblich ist vielmehr, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem wirklichen Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Dieser Geschäftsinhalt kann sich aus den getroffenen Vereinbarungen wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind (vgl. BAG, AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Der Kläger erbringt seine Tätigkeit als Fotograf in einem hinreichenden Grad persönlicher Abhängigkeit.

Die Parteien haben ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis begründet. Der Kläger gehört unstreitig zu den Mitarbeitern, welche die Beklagte seit Jahren ständig und planmäßig mit der Herstellung von Fotos beauftragte. Die Rechtsbeziehung der Parteien erschöpfte sich nicht in Einzelleistungen.

Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spricht zunächst die unstreitig praktizierte Aufstellung von Urlaubsplänen. Zwar werden die Urlaubspläne von den Fotografen selbst durch Eintragung in einen Jahreskalender erstellt. Sie haben jedoch, wie sich aus dem unstreitigen Parteivorbringen ergibt, bereits insoweit eine bindende Wirkung, als ein nachträgliches Abweichen von dieser Planung einer vorherigen Zustimmung seitens der Beklagten bedarf und beide Parteien immer davon ausgingen, dass der Kläger außerhalb der vorher festgelegten Urlaubszeiten zur Verfügung steht und die ihm erteilten Aufträge ausführt. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger gebeten hat, ihn am 09.09.1999 von seiner Tätigkeit freizustellen, was die Beklagte jedoch ablehnte und ihm stattdessen noch am 08.09.1999 um 17:48 Uhr per Telefax fünf Aufträge für den Folgetag erteilte. Hieraus wird deutlich, dass die Beklagte über die Arbeitskraft des Klägers außerhalb der im Voraus festgelegten Urlaubszeiten einseitig verfügt hat und hierzu nach wohlübereinstimmender Auffassung der Parteien auch berechtigt war.

Für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit des Klägers spricht weiter der unstreitige Umstand, dass die bei der Beklagten beschäftigten Fotografen von der Redaktionsleitung abwechselnd jeweils für die Dauer einer Woche in den sogenannten Frühdienst bis 13:00 Uhr und in den Spätdienst ab 13:00 Uhr verbindlich eingeteilt wurden. Die einseitige Aufstellung solcher Dienstpläne ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn die Dienstbereitschaft der betreffenden Mitarbeiter erwartet werden kann. Ein den Mitarbeitern unter Umständen eingeräumtes Recht, einzelne Einsätze abzulehnen oder zu tauschen, spricht nicht entscheidend gegen das aufgrund der Aufstellung von Dienstplänen in Anspruch genommene Verfügungsrecht des Arbeitgebers über die Arbeitsleistung, da es in vielen Bereichen üblich ist, dass der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht (vgl. BAG, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

Für die Einordnung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten als Arbeitsverhältnis spricht ferner ganz wesentlich der Umstand, dass seitens der Redaktionsleitung der Beklagten - außerhalb der im Voraus festgelegten Urlaubszeiten - jeweils abends Bildbestellungen in das Fach des Klägers bei der Redaktion gelegt wurden, und dass die betreffenden Aufträge, wie die zwischen den Parteien praktizierte Handhabung zeigt, am Folgetag vom Kläger abzuarbeiten waren. Eine vorherige Absprache zwischen den Parteien hinsichtlich der von ihm zu bearbeitenden Aufträge erfolgte unstreitig nicht. Die Beklagte ging vielmehr selbstverständlich davon aus, dass der Kläger die Aufträge zeitgerecht, d. h. in der Regel noch am nächsten Tag, ausführt. Unstreitig handelte es sich im Jahr 1999 auf circa sechs bis sieben Bildbestellungen pro Tag. Der Kläger konnte daher - insbesondere unter Berücksichtigung der notwendigen Fahrtzeiten und der Abschlussarbeiten (Bilderentwicklung etc.) - nicht mehr in einem nennenswerten Umfang über seine Arbeitszeit selbst bestimmen. Hierüber verfügte vielmehr die Beklagte durch einseitige Zuweisung von Arbeit und gleichzeitiger Vorgabe eines relativ kurz bemessenen Zeitrahmens zu ihrer Erledigung.

Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe jederzeit das Recht, einen Auftrag abzulehnen, ist realitätsfern und entspricht in keiner Hinsicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Wenn der Kläger einzelne Aufträge ablehnen würde, indem er sie beispielsweise unbearbeitet in seinem Fach liegen ließe, so wäre es der Beklagten in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr möglich, zu einem bestimmten Ereignis, von dem berichtet werden soll, wie vorgesehen am nächsten Tag ein Bild zu veröffentlichen. Die von den Parteien bei der Auftragserteilung durchgeführte Praxis beinhaltet somit zwingend, dass der Kläger die ihm zugewiesenen Aufträge auch tatsächlich ausführt. Dementsprechend findet auch unstreitig keinerlei Rückfrage seitens der Beklagten bei dem Kläger statt, ob er die in sein Fach eingelegten Bildbestellungen auch entgegennimmt.

Der Kläger unterliegt daher - außerhalb der im Voraus festgelegten Urlaubszeiten - hinsichtlich seiner Arbeitszeit und der von ihm zu erbringenden Tätigkeiten einem umfassenden Weisungsrecht seitens der Beklagten. Er erbringt seine Dienstleistung somit in persönlicher Abhängigkeit, so dass das zwischen ihm und der Beklagten begründete Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.

Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.1992 (AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972). Die betreffende Entscheidung betrifft den Fall eines pauschal bezahlten Bildberichterstatters, der einer Zeitungsredaktion monatlich eine bestimmte Anzahl von Bildern liefert und in der Übernahme der Fototermine frei ist. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt jedoch ganz wesentlich. Weder handelt es sich bei dem Kläger um einen pauschal bezahlten Bildberichterstatter, der monatlich eine bestimmte Zahl von Bildern fertigt, noch ist der Kläger, wie bereits ausgeführt, in der Übernahme der Fototermine frei.

II.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden jedoch die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Redakteure und Redakteurinnen bei Tageszeitungen (MTV Redakteure) keine Anwendung.

Zwar gehören beide Parteien unstreitig den tarifvertragsschließenden Organisationen an. Der Kläger unterfällt jedoch nicht dem in § 1 MTV Redakteure normierten persönlichen Geltungsbereich. Gemäß der Protokollnotiz zu § 1 MTV Redakteure gilt als Redakteur, wer - nicht nur zum Zweck der Vorbereitung auf diesen Beruf (gleichgültig in welchem Rechtsverhältnis) - kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teiles von Tageszeitungen regelmäßig in der Weise mitwirkt, dass er/sie

1.) Wort- und Bildmaterial sammelt, sichtet, ordnet, dieses auswählt und veröffentlichungsreif bearbeitet und/oder

2.) mit eigenem Wort- und/oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der Zeitung beiträgt und/oder

3.) die redaktionell - technische Ausgestaltung (insbesondere Anordnung und Umbruch) des Textteiles besorgt und/oder

4.) diese Tätigkeit koordiniert.

Die dritte und vierte Alternative der Protokollnotiz treffen auf den Kläger nicht zu, da er weder die redaktionell-technische Ausgestaltung des Textteils besorgt, noch diese Tätigkeit koordiniert.

Die Tätigkeit des Klägers fällt auch nicht unter die erste Alternative der Protokollnotiz. Redakteur im Sinne dieser Alternative ist, wer das Redigieren besorgt, d. h. das Sammeln, Sichten, Ordnen und Bearbeiten des zu publizierenden Stoffes, wobei es auf die veröffentlichungsreife Bearbeitung ankommt. Die vom Kläger geschilderten Tätigkeiten sind lediglich Vorarbeiten für die Herstellung des redaktionellen Teils der Zeitung. Diese Tätigkeiten reichen jedoch nicht aus, da es insoweit an einer veröffentlichungsreifen Bearbeitung fehlt. Dies gilt auch dann, wenn die vom Kläger durchgeführten Vorarbeiten von den Redakteuren übernommen werden oder nur geringe bzw. wenige Veränderungen erfahren. Auch dann bleibt die Tätigkeit des Klägers eine bloße Vorarbeit, da die Verantwortung für die Übernahme nicht der Kläger, sondern ein anderer Mitarbeiter als Redakteur trägt (vgl. BAG, AP Nr. 10 zu § 1 TVG, Tarifverträge: Rundfunk). Der Kläger hat im Übrigen diesbezüglich bereits in seiner Klageschrift (dort Seite 6 = Bl. 6 d. A.) vorgetragen, dass - wie auch im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils festgestellt - während der Entwicklung der Filme am hauseigenen Computer eventuelle Veränderungen des Bildformates bei der Redaktion abgefragt werden. Hieraus ergibt sich, dass jedenfalls die Entscheidung über das zu veröffentlichende Bildformat nicht dem Kläger obliegt. Dem steht nicht entgegen, dass unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren das von ihm gewählte Format seitens der Redaktion generell übernommen wird.

Aber selbst dann, wenn die vom Kläger im Rahmen der Bilderbearbeitung durchzuführenden Tätigkeiten der Ziffer 1. der Protokollnotiz zu § 1 MTV Redakteure unterfallen, so wird der Kläger gleichwohl nicht vom persönlichen Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrages erfasst. Diesbezüglich wäre es nämlich nach den tariflichen Bestimmungen und den allgemeinen Grundsätzendes Tarifrechts erforderlich, dass der Kläger die betreffenden Tätigkeiten überwiegend, d. h. mit dem überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit ausübt (vgl. BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Presse). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen. Es kann daher keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Arbeiten des Klägers im Zusammenhang mit der Auswahl und Bearbeitung des von ihm selbst erstellten Bildmaterials den überwiegenden Teil seiner Arbeitzeit ausmachen.

Die Tätigkeit des Klägers fällt auch nicht unter die zweite Alternative der Protokollnotiz. Zwar trägt der Kläger mit eigenem Bildmaterial zur Berichterstattung bzw. Kommentierung in der Zeitung bei. Er wirkt jedoch nicht kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung mit, wie es die Tarifvertragsparteien nach dem Eingangssatz der Protokollnotiz verlangen. Hierbei verwenden die Tarifvertragsparteien das Wort "kreativ" in seiner allgemeinen, auf seine lateinische Wurzel zurückgehenden Bedeutung und verstehen demgemäß darunter eine eigenschöpferische, auf eigenen Einfällen und Entschlüssen beruhende Tätigkeit, ohne dass es insoweit auf Fragen des künstlerischen Charakters der Tätigkeit oder des Urheberrechts ankommt (vgl. BAG, AP Nr. 1 und 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse).

Der Kläger wird nicht kreativ im tariflichen Sinne tätig, soweit er Fotos für die Beklagte liefert. Er fertigt die Bilder nach seinem eigenen Sachvortrag auf Weisung der Redaktion der Beklagten, wobei ihm jeweils das zu fotografierende Ereignis (z. B. Ehrungen, Hochzeiten, Vorträge, künstlerische Darbietungen) vorgegeben ist. Mit dem Ereignis, welches Gegenstand eines vom Kläger zu erstellenden Fotos sein soll, wird jedoch regelmäßig zugleich auch das Motiv festgelegt. Dies machen auch die vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.05.2001 eingereichten Fotos (Bl. 225d. A.) deutlich. Bei keinem der durch diese Fotos dokumentierten Ereignisse wäre eine andere Motivauswahl vorstellbar. Dem Kläger verbleibt somit regelmäßig kein eigener nennenswerter Entscheidungsspielraum. Eine eigenschöpferische, auf eigenen Einfällen und Entschlüssen beruhende Tätigkeit liegt daher nicht vor.

Soweit dem Kläger in Einzelfällen bei Fehlen konkreter Vorgaben seitens der Redaktion oder im Hinblick auf das abzulichtende Ereignis auch bezüglich des Bildmotivs ein nennenswerter Entscheidungsspielraum verbleibt und er daher "kreativ" im tariflichen Sinn tätig wird, so fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass solche Tätigkeiten den überwiegenden Anteil an der Arbeitszeit des Klägers ausmachen, was jedoch für die Erfüllung der in § 1 MTV Redakteure normierten Voraussetzungen erforderlich wäre.

III.

Nach allem war das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abzuändern, wobei im Hinblick auf den Urteilstenor ausdrücklich klarzustellen ist, dass die Berufungskammer nicht über die Frage befunden hat, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch fortbestanden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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