Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 820/04
Rechtsgebiete: ZPO, GewO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 3
GewO § 106 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 820/04

Verkündet am: 19.01.2005

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 25.06.2004, AZ: 6 Ca 446/04, wie folgt teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin Montags von 22:00 Uhr bis Dienstags 06:00 Uhr, Mittwochs von 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr und Freitags von 22:00 Uhr bis Samstags 06:00 Uhr zu beschäftigen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat 80 % und die Klägerin 20 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Dauer und Lage der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin.

Die Beklagte, eine französische Fluggesellschaft, führt vom C-Stadt aus Frachtflüge durch. Die Klägerin ist dort seit dem 20.05.1997 als Fracht - Sachbearbeiterin beschäftigt. Nachdem sie zunächst in Vollzeit (37,5 Stunden wöchentlich) gearbeitet hatte, nahm sie vom 01.03.2002 bis zum 04.03.2003 Elternzeit in Anspruch und arbeitete während dieses Zeitraums wöchentlich 20 Stunden. Nach Beendigung der Elternzeit wurde die Klägerin aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung weiterhin in Teilzeit (20 Stunden wöchentlich) beschäftigt.

Ab März 2003 gestaltete sich die Arbeitszeit der Klägerin zunächst wie folgt:

- von Montags 22:00 Uhr bis Dienstags 06:00 Uhr

- Mittwochs von 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr

- von Freitags 22:00 Uhr bis Samstags 06:00 Uhr.

Am 01.03.2004 trat einer neuer Schichtplan in Kraft, nach dessen Inhalt die Arbeitszeiten der Klägerin wie folgt liegen:

- Dienstags 18:00 bis 22:00 Uhr

- Freitags 06:00 Uhr bis 14:15 Uhr

- Samstags 06:00 Uhr bis 14:15 Uhr.

Zuletzt wurde die Klägerin wie folgt eingesetzt:

Im wöchentlichen Wechsel:

Woche 1: Montag: 14:00 - 22:00 Uhr

Freitag: 16:30 - 22:00 Uhr

Samstag: 14:00 - 22:00 Uhr

Woche 2: Montag: 08:00 - 16:00 Uhr

Donnerstag: 16:30 Uhr - 22:00 Uhr

Freitag: 22:00 Uhr - 06:00 Uhr.

Die Klägerin ist Mutter eines vierjährigen Kindes. Ihr Ehemann ist berufstätig und arbeitet - auch an Wochenenden - im Schichtdienst, wobei er allerdings nur Früh- und Spätdienste zu verrichten hat. Während der Kindergarten - Öffnungszeiten (Montags bis Freitags jeweils von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr) hat die Klägerin die Möglichkeit, ihr Kind im Kindergarten betreuen bzw. versorgen zu lassen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich (zuletzt) beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, sie montags von 22:00 Uhr bis dienstags 06:00 Uhr, mittwochs von 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr und freitags von 22:00 Uhr bis samstags 06:00 Uhr zu beschäftigen,

hilfsweise zu 1),

2. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, für die Beklagte im Zeitraum von samstags 06:00 Uhr bis montags 06:00 Uhr Arbeitsleistungen zu erbringen,

hilfsweise zu 1),

3. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, für die Beklagte an den Wochentagen Montag bis Freitag zwischen 12:00 Uhr und 22:00 Uhr Arbeitsleistungen zu erbringen,

4. festzustellen, dass ihre Regelarbeitszeit 18,75 Stunden pro Woche beträgt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 80 bis 84 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.06.2004 abgewiesen.

Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 10 dieses Urteils (= Bl. 85 bis 88 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 03.09.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 04.10.2004, Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beklagte die Lage der wöchentlichen Arbeitszeit nur nach billigem Ermessen bestimmen könne. Diesbezüglich sei der zwischen den Parteien unstreitige Umstand nicht berücksichtigt worden, wonach sie - die Klägerin - außerhalb der Nachtzeiten und außerhalb der Kindergarten - Betreuungszeiten ihr Kleinkind betreuen und versorgen müsse und eine anderweitige Sicherstellung der Betreuung ihres Kindes während der betreffenden Zeiten nicht möglich sei. Dem sich hieraus ergebenden erheblichen Interesse auf Einhaltung der im Antrag bezeichneten Arbeitszeiten habe die Beklagte keine eigenen berechtigten Interessen entgegengesetzt.

Zur Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren im Weiteren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.10.2004 (Bl. 103 bis 105 d. A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 23.12.2004 (Bl. 142 und 143 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 25.06.2004 zum Aktenzeichen 6 Ca 446/04 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin Montags von 22:00 Uhr bis Dienstags 06:00 Uhr, Mittwochs von 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr und Freitags von 22:00 Uhr bis Samstags 06:00 Uhr zu beschäftigen.

Hilfsweise zu 2):

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für die Beklagte im Zeitraum von Samstags 06:00 Uhr bis Montags 06:00 Uhr Arbeitsleistungen zu erbringen.

Hilfsweise zu 2):

4. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für die Beklagte an den Wochentagen Montag bis Freitag jeweils zwischen 12:00 Uhr und 22:00 Uhr Arbeitsleistungen zu erbringen.

5. Es wird festgestellt, dass die Regelarbeitszeit der Klägerin 18,75 Stunden pro Woche beträgt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, dem Begehren der Klägerin auf Festlegung der Lage ihrer Arbeitszeit stehe bereits der Inhalt des Arbeitsvertrages entgegen, nach dessen Inhalt die Klägerin verpflichtet sei, auch Nacht -/Wechselschicht- /Sonntags- /Mehr- und Überarbeit zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig sei. Während es in Bereichen der Verwaltung durchaus möglich sei, den Mitarbeitern freie Samstage zu gewähren, so sei dies bei den in Schichtplänen integrierten Mitarbeitern nicht möglich. Bei der Aufstellung der Schichtpläne müsse sie - die Beklagte - sich insbesondere nach dem Arbeitsanfall, d. h. nach der Anzahl der abzufertigenden Flüge richten. Hierbei entstehe in bestimmten Zeiten ein größerer, zu anderen Zeiten ein geringer Bedarf an Arbeitskräften. Entsprechend seien die Schichtpläne gestaltet. Ein Ermessensverstoß sei hinsichtlich der Festlegung der Arbeitszeiten der Klägerin nicht erkennbar. Auch im Übrigen ergebe sich aus dem klägerischen Vorbringen nicht, weshalb die Klägerin einen Anspruch auf die von ihr gewünschten Schichtzeiten haben solle. Es gebe keine Rechtsgrundlage, die besage, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Festlegung der von ihm persönlich gewünschten Arbeitszeiten habe, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers entgegenstehe.

Zur Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.12.2004 (Bl. 129 bis 132 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die an sich statthafte Berufung der Klägerin ist nur zum Teil zulässig.

Die Berufung ist zwar fristgerecht eingelegt worden und auch die Berufungsbegründungsschrift ist innerhalb der gesetzlichen Frist beim Berufungsgericht eingegangen. Soweit das Arbeitsgericht den erstinstanzlichen Klageantrag zu 4. (festzustellen, dass die Regelarbeitszeit der Klägerin 18,75 Stunden pro Woche beträgt) abgewiesen hat und die Klägerin auch insoweit eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils begehrt (Berufungsantrag zu 5.), so fehlt es jedoch an einer fristgerechten, den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechenden Begründung des Rechtsmittels. Diesbezüglich enthält die Berufungsbegründungsschrift vom 04.10.2004 nämlich keinerlei Ausführungen. Erst mit Schriftsatz vom 23.12.2004 und somit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat sich die Klägerin mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts bezüglich des erstinstanzlichen Klageantrages zu 4. auseinandergesetzt.

Die Berufung war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen.

II.

Das im Übrigen insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Insoweit ist die Klage bereits im Hauptantrag begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch, zu den im Hauptantrag bezeichneten Zeiten beschäftigt zu werden.

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dieses Direktionsrecht ist Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses und ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen, wobei dieses Recht nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Zu den auf Seiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigenden Umständen gehören auch insbesondere dessen schutzwürdigen familiären Belange (BAG, Urteil vom 23.09.2004, AZ: 6 AZR 567/03 m. w. N.). Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber auf die Personensorgepflichten (§§ 1626, 1627 BGB) des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen (vgl. auch LAG Nürnberg, NZA 1999, 263).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich im Streitfall, dass weder der am 01.03.2004 in Kraft getretene noch der derzeitige Schichtplan die berechtigten Interessen der Klägerin angemessen berücksichtigen. Das Interesse der Klägerin geht dahin, dass die Verteilung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit es ihr ermöglicht, sowohl ihre beruflichen als auch ihre familiären Aufgaben zu erfüllen. Im Interesse der Klägerin liegt deshalb eine Arbeitszeit, die es ihr erlaubt, im Wechsel mit ihrem Ehemann ihr vierjähriges Kind außerhalb der Kindergarten - Öffnungszeiten zu beaufsichtigen und zu betreuen. Da ihr ebenfalls berufstätiger Ehemann im Schichtdienst (Früh- /Spätschicht), auch an Wochenenden, arbeiten muss und das Kind nur montags bis freitags jeweils von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr im Kindergarten untergebracht werden kann, ist das Interesse der Klägerin, an Wochenenden nur während der Nachtschicht, an den übrigen Wochentagen nur während der Nachtschicht sowie Vormittags zu arbeiten, schutzwürdig. Dieses Interesse hat die Beklagte ab März 2004 unberücksichtigt gelassen. Der am 01.03.2004 in Kraft getretene Schichtplan und in noch größerem Umfang der derzeitige Schichtplan sehen Arbeitszeiten für die Klägerin vor, während derer eine Betreuung bzw. Versorgung ihres minderjährigen Kindes nicht sichergestellt werden kann. Betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer, die den schutzwürdigen Interessen der Klägerin entgegenstehen könnten, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Einwand der Beklagten, dass eine Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin nach deren Wünschen zur Folge hätte, dass die in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiter alle drei bis vier Wochen einmal eine Schicht von Freitag auf Samstag oder Samstag auf Sonntag zusätzlich arbeiten müssten, ist im Hinblick auf die sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Schichtplänen (Bl. 120 bis 128 d. A.) ergebende Personalstärke im maßgeblichen Arbeitsbereich nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass es während der Elternzeit der Klägerin sowie danach noch bis einschließlich Februar 2004, wo die Lage der Arbeitszeit der Klägerin entsprechend ihren Wünschen bzw. familiären Interessen festgelegt war, zu irgendwelchen Problemen bzw. Schwierigkeiten im Betriebsablauf gekommen ist, die zu erledigende Arbeit während bestimmter Zeiten nicht bewältigt werden konnte oder andere Arbeitnehmer übermäßig belastet wurden. Betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer, die dem schutzwürdigen Interesse der Klägerin entgegenstehen könnten, sind somit nicht erkennbar.

Die zeitlich letzte, die Interessen der Klägerin berücksichtigende und somit billigem Ermessen entsprechende Festlegung der Lage der Arbeitszeit der Klägerin erfolgte für die Zeit bis einschließlich Februar 2004 und beinhaltete die im Hauptantrag angegebenen Arbeitszeiten. Die danach, d. h. nach dem 01.03.2004 im Wege des Direktionsrechts vorgenommenen Änderungen der Arbeitszeiten entsprachen - wie bereits ausgeführt - nicht billigem Ermessen und erweisen sich insoweit als unwirksam. Die Klägerin kann daher derzeit, d. h. solange die Beklagte ihr Direktionsrecht bezüglich der Lage der Arbeitszeit nicht in wirksamer Weise, d. h. unter Beachtung billigen Ermessens (erneut) ausübt, verlangen, zu den im Hauptantrag bezeichneten Arbeitszeiten beschäftigt zu werden.

III.

Nach alledem war der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils teilweise stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 a ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück