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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 10 TaBV 22/06
Rechtsgebiete: ERA, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

ERA § 6
ERA § 8 Abs. 3
BetrVG § 74 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 87 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 98
ArbGG § 98 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 98 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 TaBV 22/06

Entscheidung vom 13.09.2006

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 18.04.2006, AZ: 9 BV 8/06, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle zum Thema "Einführung und inhaltliche Gestaltung der Entgeltstufen gemäß § 6 Entgeltrahmentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz vom 06.07.2004".

Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin, einem tarifgebundenen Unternehmen der Metallindustrie gebildete Betriebsrat.

Die Antragsgegnerin hat zum 01.04.2006 das Entgeltrahmenabkommen (im Folgenden: ERA) für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz eingeführt.

In seiner Sitzung vom 04.01.2006 fasste der Antragssteller u. a. den Beschluss, eine Betriebsvereinbarung über Zusatzstufen nach § 6 ERA herbeizuführen. Über diese Beschlussfassung wurde die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.01.2006 informiert. Die Antragsgegnerin lehnte das Ansinnen des Betriebsrats mit Schreiben vom 20.01.2006 ab und bekräftigte diese Ablehnung mit Schreiben vom 30.01.2006, nachdem der Antragsteller zuvor nochmals seine Ansicht bezüglich der Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung schriftlich erläutert hatte.

In seiner Sitzung vom 01.02.2006 beschloss der Antragsteller zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Einsetzung einer Einigungsstelle.

Der Antragssteller hat erstinstanzlich beantragt,

1. Bei der Antragsgegnerin eine Einigungsstelle einzusetzen zum Thema "Einführung und inhaltliche Gestaltung der Entgeltstufen gemäß § 6 Entgeltrahmentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz vom 06.07.2004.

2. Den Richter am Arbeitsgericht W. M. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen.

3. Die Zahl der Beisitzer auf drei pro Seite festzusetzen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.04.2006 den Anträgen zu 1. und 2. stattgegeben, die Anzahl der Beisitzer jedoch unter Abweisung des insoweit weitergehenden Antrages auf zwei pro Seite festgesetzt. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 13 dieses Beschlusses (= Bl. 46-51 d. A.) verwiesen.

Gegen den hier am 21.04.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 04.05.2006 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Antragsgegnerin macht im Wesentlichen geltend, die Anträge seien insgesamt wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen. Der Antragsteller habe nämlich trotz mehrerer Aufforderungen überhaupt noch nicht mitgeteilt, worüber er konkret verhandeln wolle. Dies hätte jedoch seinen Obliegenheiten gemäß § 74 Abs. 1 BetrVG entsprochen. Solange der Antragsteller noch nicht einmal klar mache, aus welchen Gründen und wofür er Zusatzstufen fordere, gebe es diesbezüglich keine Meinungsverschiedenheiten, welche die Einigungsstelle beilegen könne. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts gebe es diesbezüglich nicht einmal einen hinreichend umgrenzten Regelungsgegenstand, über den die Einigungsstelle entscheiden könne. Es sei völlig unklar, worüber überhaupt verhandelt werden solle.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 18.04.2006, AZ: 9 BV 8/06, abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss.

Von einer weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 41-47 d. A.) sowie auf die von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren.

II.

Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung den erstinstanzlichen Anträgen weitestgehend stattgegeben. Das Beschwerdegericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. des Beschlusses vom 18.04.2006 und stellt dies hiermit in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest. Das Vorbringen der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

Der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle ist zulässig. Ihm fehlt - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Begehren des Antragsstellers auf Einsetzung einer Einigungsstelle auf andere, leichtere Weise, ohne Einschaltung des Gerichts erreicht werden könnte. Vorliegend ist indessen nicht ersichtlich, dass der Antragssteller eine Einigungsstelle auf einfachere Weise als durch das Arbeitsgericht installieren lassen könnte, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin die Zuständigkeit der Einigungsstelle vehement bestreitet.

Der Antrag ist auch begründet, da eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle i. S. v. § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht gegeben ist.

Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort feststellbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt.

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dem Betriebsrat stehe im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens nicht das Recht zu, eine Einigungsstelle einsetzen zu lassen, da er noch keinerlei konkrete Vorschläge unterbreitet habe, so lässt sich hieraus eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht ableiten. Zwar müssen die Betriebsparteien über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten machen. Vor Anrufung der Einigungsstelle muss eine gütliche Einigung versucht werden. Die Betriebsparteien entscheiden jedoch in eigener Kompetenz, ob sie Verhandlungen aufnehmen, weiterführen oder ein Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG betreiben (LAG Niedersachsen v. 07.12.1998, 1 TaBV 74/95). Das gerichtliche Bestellungsverfahren ist darauf angelegt, bei Konflikten die Einrichtung einer Einigungsstelle zu beschleunigen und jede weitere Verzögerung von Verhandlungen zu vermeiden. Hieran hat sich die Verhandlungspflicht der Betriebspartner vor Anrufung der Einigungsstelle zu orientieren. Es muss genügen, dass der Regelungsgegenstand hinreichend umgrenzt ist, d. h. die Beteiligten wissen, um was es bei den Verhandlungen geht. Ist dies der Fall, liegt es an Ihnen, zu entscheiden, wann sie die Einrichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachten. Die förmliche Aufnahme von Verhandlungen oder die Fortführung von Verhandlungen ist nicht Voraussetzung für ein gerichtliches Bestellungsverfahren, ansonsten hätte es eine verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung der Einigungsstelle und damit die Erledigung der Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Betriebes zu blockieren. Im Streitfall geht es dem Betriebsrat ersichtlich um die Einführung von Zusatzstufen. Dieses Ansinnen hat die Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hieraus wird deutlich, dass eine Verhandlung nicht sinnvoll weiter geführt werden kann, wenn nicht durch die Einsetzung einer Einigungsstelle ein gewisser Einigungsdruck entsteht. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin war der Betriebsrat auch nicht gehalten, vor Einsetzung der Einigungsstelle konkrete Beispiele für die im Betrieb einzuführenden Zusatzstufen zu nennen. Es wird vielmehr Sache des Betriebsrats sein, diesbezügliche Vorschläge und Wünsche im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens zu unterbreiten.

Eine offensichtliche Unzuständigkeit für eine Einigungsstelle lässt sich im Streitfall auch nicht damit begründen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der betreffenden Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage komme. Die Möglichkeit der Einführung tariflicher Zusatzstufen zu den Entgeltgruppen E 4 bis E 11 ist in § 6 ERA ausdrücklich vorgesehen. Zwar ist in dieser tariflichen Bestimmung - im Gegensatz zur Regelung des § 8 Abs. 3 ERA - nicht geregelt, dass der Spruch der Einigungsstelle die Einigung der Betriebsparteien ersetzt. Hieraus allein kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine erzwingbare Mitbestimmung in dieser Angelegenheit nicht besteht. Diese und damit die Zuständigkeit der Einigungsstelle könnte sich nämlich jedenfalls aus § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG ergeben. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle kann daher nicht festgestellt werden.

Nach alledem war die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen, wobei die Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG durch den Vorsitzenden allein zu ergehen hatte.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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