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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 547/08
Rechtsgebiete: MuSchG, BUrlG, BGB


Vorschriften:

MuSchG § 3 Abs. 1
MuSchG § 3 Abs. 2
MuSchG § 4
MuSchG § 6 Abs. 1
MuSchG § 6 Abs. 3
MuSchG § 6 Abs. 4
MuSchG § 11
MuSchG § 17 Satz 2
MuSchG § 17 Abs. 2
BUrlG § 5 Abs. 1 c
BUrlG § 7 Abs. 3
BUrlG § 7 Abs. 3 Satz 1
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 11
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 249 S. 1
BGB § 251 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 287 S. 2
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 366 Abs. 2
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.05.2008, AZ: 7 Ca 2342/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Tierarztpraxis betreibt, auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.12.2002 (Blatt 5 bis 14 der Akte) ab 01.01.2003 bis einschließlich 31.05.2007 als Assistenztierärztin bei einem monatlichen Bruttogehalt von 2.950,00 € beschäftigt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages betrug die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich 48 Stunden. Die Klägerin hatte ihre Arbeitsleistung an sechs Tagen/Woche zu erbringen. In § 7 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch von 28 Tagen.

Im Jahr 2006 wurde die Klägerin schwanger. Der Beklagte stellte sie ab Mai 2006 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung wegen eines Beschäftigungsverbotes frei. Die Klägerin hatte im Jahr 2006 vor der Freistellung zwei Tage Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Die Mutterschutzfrist gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG begann am 26.10.2006. Am 03.12.2006 wurde das Kind der Klägerin geboren. Nach Ablauf der Mutterschutzfristen befreite sie der Beklagte erneut wegen des Bestehens eines gesetzlichen Beschäftigungsverbotes von der Arbeitspflicht. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.04.2007 zum 31.05.2007 und teilte ihr mit Schreiben vom 10.05.2007, am 12.05.2007 zugegangen mit, dass er sie ab dem 11.05.2007 unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freistelle. Die Klägerin forderte den Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrfach erfolglos zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf.

Mit am 13.12.2007 beim Arbeitsgericht Koblenz erhobener Klage machte die Klägerin die Zahlung von Urlaubsabgeltung für insgesamt 38 Urlaubstage in Gesamthöhe von 4.311,54 € brutto geltend.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

ihr stehe ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für in den Jahren 2006 und 2007 nicht genommenen Erholungsurlaub von insgesamt 38 Urlaubstagen (2006: 26 Urlaubstage, 2007: 12 Urlaubstage) zu. Ab Mai 2006 habe ein generelles Beschäftigungsverbot gemäß § 4 MuSchG bestanden. Der Erholungsurlaub aus dem Kalenderjahr 2006 sei nicht am 31.12.2006 erloschen, sondern gemäß § 17 Satz 2 MuSchG übertragen worden. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.311,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat erwidert,

die Klägerin habe keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der Erholungsurlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr 2006 sei gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. § 17 Satz 2 MuSchG finde lediglich auf die während der vor- und nachgeburtlichen Mutterschutzfristen bestehenden absoluten Beschäftigungsverbote sowie auf individuelle Beschäftigungsverbote, bei denen der Arbeitnehmerin jegliche Arbeitstätigkeit untersagt sei, Anwendung. Allenfalls der anteilige Jahresurlaub von 4,66 Urlaubstagen aus dem Jahr 2006, der in die Zeit der Mutterschutzfrist ab dem 26.10.2006 falle, sei in das Kalenderjahr 2007 übertragen worden. Der Beklagte habe die Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Tierärztin von der Arbeitspflicht suspendiert; es habe ein individuelles arbeitsplatzbezogenes Beschäftigungsverbot bestanden. Er hätte ihr ab Mai 2006 andere Aufgaben, z. B. Telefondienst oder die Abrechnung von Leistungen in der Praxis zuweisen können. Deshalb sei der Urlaubsanspruch auch erfüllbar gewesen. Den Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2007 habe die Klägerin im Mai 2007 in natura erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs.2 ArbGG im Übrigen Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.05.2005, AZ: 7 Ca 2342/07, dort Seite 3 bis 5, Blatt 44 bis 46 der Akte. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 15.05.2008 zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.565,42 € brutto nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 23 in den Kalenderjahren 2006 und 2007 nicht genommene Urlaubstage gemäß §§ 7 Abs. 4, Abs. 3 BUrlG, 17 Abs. 2 MuSchG, 611 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag bzw. gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 287 S. 2, 249 S.1, 251 Abs. 1 BGB. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch sei Surrogat des wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehenden, nicht mehr durch Gewährung in Natur realisierbaren Urlaubsanspruchs. Der Klägerin hätten für das Kalenderjahr 2006 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2007 noch 11 Urlaubstage zugestanden. Da sie bis Mai 2006 lediglich 2 Urlaubstage genommen habe, seien noch 26 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2006 verblieben. Dieser Anspruch sei nicht durch Erfüllung seitens des Beklagten durch die ab Mai 2006 erfolgte Freistellung wegen des Bestehens eines Beschäftigungsverbotes erloschen. Der Urlaub aus dem Kalenderjahr 2006 sei auch nicht mit Ablauf des 31.12.2006 bzw. des 31.03.2007 gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Die Sonderregelung des § 17 Satz 2 MuSchG stehe dem Verfall entgegen. Da sie vor Beginn der Beschäftigungsverbote ihren Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2006 nicht vollständig erhalten habe, könne sie diesen gemäß § 17 Satz 2 MuSchG nach Ablauf der Mutterschutzfrist gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG am 28.01.2007 im laufenden Urlaubsjahr 2007 und somit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2007 beanspruchen. Aufgrund der mit Schreiben vom 10.05.2007 erfolgten Freistellung der Klägerin unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2007 sei ihr Urlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr 2006 in einem Umfang von 15 Urlaubstagen, gerechnet ab Zugang des Schreibens am 12.05.2007 gemäß §§ 362 Abs. 1, 366 Abs. 2 BGB erloschen. Der Urlaubsanspruch sei trotz des Beschäftigungsverbotes im Mai 2007 erfüllbar gewesen, weil sie vertraglich verpflichtet und tatsächlich in der Lage gewesen wäre, andere, nicht vom mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot erfasste Tätigkeiten auszuüben.

Für das Kalenderjahr 2007 habe der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2007 noch ein Teilurlaubsanspruch von 12 Urlaubstagen zugestanden.

Die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2007 nicht genommenen insgesamt 23 Urlaubtage für die Kalenderjahre 2006 und 2007 in Höhe seien abzugelten, wobei entsprechend der nach § 11 BUrlG maßgeblichen Berechnung pro Urlaubstag ein Betrag von 111,54 € brutto in Ansatz zu bringen sei (2.900,- x 12 Monate : 52 Wochen X 13 Wochen : 78 Arbeitstage), so dass sich ein Urlaubsabgeltungsanspruch von insgesamt 2.565,42 € brutto errechne. Der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen beruhe auf §§ 291, 288 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils verwiesen (dort Seite 6 bis 14, Blatt 47 bis 55 der Akte).

Der Beklagte hat gegen das am 26.08.2008 zugestellte Urteil (Blatt 56 der Akte) mit am 26.09.2008 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Blatt 60,61 der Akte) und diese am 24.10.2008 (Blatt 69 ff. der Akte) im Wesentlichen und zusammengefasst wie folgt begründet, wobei wegen der Einzelheiten auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen wird:

Der Erholungsurlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahr 2006 sei spätestens im März 2007 verfallen. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht nicht zwischen den Urlaubsansprüchen bis zum 26.10.2006 und danach differenziert. Lediglich der Urlaubsanspruch für den Zeitraum der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote sei gemäß § 17 Satz 2 MuSchG auf das Kalenderjahr 2007 übertragen worden und infolge Freistellung unter Urlaubsanrechnung vom 12. bis 31.05.2007 durch Erfüllung erloschen. Der Anwendungsbereich des § 17 Satz 2 MuSchG sei beschränkt auf die während der Mutterschutzfristen bestehenden absoluten Beschäftigungsverbote sowie auf individuelle Beschäftigungsverbote, bei denen aufgrund ärztlichen Attests der Arbeitnehmerin - anders als im Streitfall - jegliche Arbeitstätigkeit untersagt sei. Auf den anteiligen Jahresurlaub, der auf den Zeitraum entfalle, in dem kein Beschäftigungsverbot bestanden habe, finde § 17 Satz 2 MuSchG keine Anwendung; vielmehr sei § 7 Abs.3 BUrlG anwendbar. Zwischen Mai und Oktober 2006 habe kein absolutes Beschäftigungsverbot bestanden, so dass in diesem Zeitraum Erholungsurlaub hätte gewährt werden können. Der Beklagte habe aufgrund eines ausschließlich arbeitsplatzbezogenen individuellen Beschäftigungsverbots seit Kenntnis der Schwangerschaft der Klägerin nicht auf ihrer Arbeitsleistung bestanden, obwohl es ihm möglich gewesen sei, ihr Tätigkeiten zu übertragen, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegen gestanden hätten wie Telefondienst oder Abrechnung. Da diese Tätigkeiten jedoch von anderen Mitarbeitern durchgeführt worden seien, habe er von der Umsetzung der Klägerin und der Umorganisation der Arbeitsabläufe in der Praxis abgesehen. Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 15.05.2008, AZ: 7 Ca 2342/07, die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin erwidert,

§ 17 Satz 2 MuSchG verdränge als spezielle Regelung § 7 Abs. 3 BUrlG. § 17 Satz 2 MuSchG differenziere bezüglich der Übertragbarkeit nicht zwischen individuellen und generellen Beschäftigungsverboten. Der Beklagte habe aufgrund eines arbeitsplatzbezogenen individuellen Beschäftigungsverbotes seit Kenntnis der Schwangerschaft nicht auf ihrer Arbeitsleistung bestanden. Bei Beginn des absoluten Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG am 26.10.2006 sei es ihr noch möglich gewesen, 26 Urlaubstage im Jahr 2006 zu nehmen. Die auf das Jahr 2007 entfallenden 12 Urlaubstage seien in vollem Umfang abzugelten.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 15.05.2008,. AZ: 7 Ca 2342/07, ist nach § 64 Abs.1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.565,42 € brutto nebst Zinsen für 23 Urlaubstage zu zahlen.

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.05.2007. Zu diesem Zeitpunkt standen der Klägerin noch 23 Urlaubstage zu. I. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch ist Surrogat für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehenden aber nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruch (BAG vom 19.08.2003, 9 AZR 619/02; BAG vom 17.07.2008, 6 AZR 602/07). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der noch bestehende und nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedarf, von Gesetzes wegen in einen Abgeltungsanspruch um (BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 200/04). II. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 nicht genommene Urlaubstage aus den Kalenderjahren 2006 und 2007.

1. Im Jahr 2006 nahm sie 2 Arbeitstage Erholungsurlaub in Anspruch. Nach § 7 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages hatte die Klägerin einen Jahresurlaubsanspruch von 28 Tagen. Die verbleibenden 26 Urlaubstage sind nicht durch Erfüllung im Jahr 2006 erloschen (a)) und auch nicht am 31.12.2006 oder am 31.03.2007 verfallen; sie wurden vielmehr auf das Jahr 2007 gemäß § 17 Satz 2 MuSchG übertragen (b)).

a) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von 26 Urlaubstagen nicht durch Erfüllung im Jahr 2006 nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers erfolgt durch Erteilung des Erholungsurlaubs durch den Arbeitgeber. Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaubsgewährung erklärt wird. Andernfalls ist nicht bestimmbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Abs. 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichtet, § 615 BGB (BAG vom 14.08.2007, 9 AZR 934/06 m.w.N., BAG vom 25.01.1994, 9 AZR 312/92). Der Beklagte stellte die Klägerin, nachdem er von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, ab Mai 2006 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung wegen des Bestehens eines Beschäftigungsverbotes frei. In dieser Erklärung des Beklagten lag mithin gerade keine Urlaubserteilung, die zu einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs der Klägerin für das Kalenderjahr 2006 hätte führen können. Die Argumentation des Beklagten in der Berufung, er habe aufgrund eines ausschließlich arbeitsplatzbezogenen individuellen Beschäftigungsverbots seit Kenntnis der Schwangerschaft der Klägerin nicht auf ihrer Arbeitsleistung bestanden, obwohl es ihm möglich gewesen sei, ihr Tätigkeiten zu übertragen, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegen gestanden hätten, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Beklagte kann nicht im Nachhinein die im Zeitraum ab Mai 2006 erfolgte Freistellung wegen eines Beschäftigungsverbotes "umwidmen" in eine Urlaubsfreistellung. Die Freistellung muss sich auf einen bestimmten künftigen Zeitraum beziehen. Ist der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen von der Arbeitspflicht befreit, kommt eine nachträgliche Festlegung dieser Zeiten als Urlaub nicht in Betracht (BAG vom 14.08.2007, 9 AZR 934/06).

b) Der Resturlaubsanspruch der Klägerin von 26 Arbeitstagen für das Jahr 2006 ist nicht mit Ablauf des 31.12.2006 bzw. des 31.03.2007 gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfallen; er wurde vielmehr gemäß § 17 Satz 2 MuSchG in das Jahr 2007 übertragen. Nach dieser Vorschrift kann die Frau, sofern sie ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten hat, nach Ablauf der Fristen den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen. Die Regelung des § 17 Satz 2 MuSchG geht § 7 Abs. 3 BUrlG vor (BAG vom 25.01.1994, 9 AZR 312/92).

Die Voraussetzungen des § 17 Satz 2 MuSchG sind im Streitfall gegeben. Das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot begann im Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte der Klägerin von ihrem Gesamtjahresurlaubsanspruch von 28 Urlaubstagen 2 Urlaubstage gewährt. Die restlichen 26 Urlaubstage konnte die Klägerin nach Ablauf der Mutterschutzfristen am 28.01.2007 beanspruchen. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist alleine entscheidend, ob die Klägerin den Urlaub vor Beginn des Beschäftigungsverbotes nicht bzw. nicht vollständig erhalten hatte. Die Auffassung des Beklagten, wonach § 17 Satz 2 MuSchG nur auf die Beschäftigungsverbote gemäß §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG sowie § 3 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 3 MuSchG Anwendung finde, ist unzutreffend; sie findet im Gesetz keine Stütze. Das Gesetz spricht ohne weitere Differenzierung von dem Bestehen eines Beschäftigungsverbotes. Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig; er lässt ein anderes Verständnis nicht zu. Es kommt alleine auf das Bestehen eines Beschäftigungsverbotes an. Das Gesetz differenziert nicht danach, ob es sich um ein absolutes oder aber nur um ein individuelles arbeitsplatzbezogenes Beschäftigungsverbot handelt (Erfurter Kommentar-Schlachter § 17 MuSchG Rz.1, Buchner-Becker, § 17 MuSchG Rz.10).

Hinzu kommt, dass das absolute Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG am 26.10.2006 begann. Die Klägerin hätte, wäre sie nicht schwanger gewesen und hätte das absolute Beschäftigungsverbot nicht bestanden, ihren gesamten Resturlaubsanspruch 2006 ab 26.10.2006 noch nehmen können, so dass auch unter Zugrundelegung der oben dargestellten Rechtsauffassung des Beklagten der verbleibende Resturlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2006 auf das Jahr 2007 gemäß § 17 Satz 2 MuSchG übertragen wurde.

2. Für das Kalenderjahr 2007 stand der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2007 noch ein Teilurlaubsanspruch von weiteren 12 Urlaubstagen zu. Ausgehend von einem Gesamtjahresurlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen ergibt sich bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2007 ein Teilurlaubsanspruch von 12 Arbeitstagen, § 5 Abs.1 c) BUrlG.

Mithin stehen der Klägerin aus dem Jahr 2006 26 Arbeitstage und aus dem Jahr 2007 12 Arbeitstage, insgesamt 38 Arbeitstage Urlaub zu.

3. Davon sind durch Erfüllung 15 Urlaubstage durch Gewährung in natura erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2007, am 12.05.2007 zugegangen mit, dass er sie ab dem 11.05.2007 unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freistelle. Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers kann wie hier auch dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freistellt (BAG vom 14.03.2006, 9 AZR 11/05 m.w.N). Bei einem Zugang des Schreibens vom 10.05.2007 am 12.05.2007 fallen in diesen Zeitraum 15 Urlaubstage.

a) Der Urlaubsanspruch der Klägerin war trotz des bestehenden Beschäftigungsverbotes gemäß §§ 6 Abs. 3, 4 Mutterschutzgesetz erfüllbar. Der Arbeitgeber ist in den Fällen, in denen die Beschäftigung einer Arbeitnehmerin nach dem Mutterschutzgesetz mit bestimmten Arbeiten oder während einer bestimmten Dauer oder Lage der Arbeitszeit verboten wird, berechtigt, die Arbeitnehmerin mit anderen, nicht verbotenen, jedoch zumutbaren Arbeiten oder während einer nicht verbotenen kürzeren Arbeitszeit oder während einer anderen Lage der Arbeitszeit zu beschäftigen, um die Lohnzahlungspflicht aus § 11 Mutterschutzgesetz abzuwenden. Es handelt sich insoweit um ein mutterschutzrechtliches Umsetzungsrecht, dessen Umfang und Grenzen sich nicht allein nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages bestimmen; entscheidend ist vielmehr der Grundsatz von Treu und Glauben, aus dem die Zumutbarkeit für beide Arbeitsvertragspartner abzuleiten ist (BAG vom 09.08.1994, 9 AZR 384/92, Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß Mutterschutzgesetz und Mutterschaftsleistungen, vor § 3 Mutterschutzgesetz Rz. 5;).

b) Der Beklagte hätte die Klägerin im Zeitraum vom 11.05.2007 bis einschließlich 31.05.2007 in der Praxis mit Telefondienst oder der Abrechnung von Praxisleistungen beschäftigen können.+ Zwar war die Klägerin nach Maßgabe des Arbeitsvertrages hierzu nicht verpflichtet. Gleichwohl wäre der Beklagte hierzu berechtigt gewesen, da eine solche Tätigkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben für beide Seiten zumutbar gewesen wäre. Da die Möglichkeit einer Umsetzung in diesem Zeitraum bestand, wäre der Beklagte auch in der Lage gewesen, der Klägerin in diesem Zeitraum Urlaub zu erteilen, mithin den Urlaubsanspruch der Klägerin zu erfüllen. Er hat dies mit Schreiben vom 10.05.2007 getan, so dass der Gesamturlaubsanspruch der Klägerin in einem Umfang von 15 Arbeitstagen durch Erfüllung erloschen ist. Nach alledem steht fest, dass der Klägerin ein Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG für 23 Arbeitstage zusteht. Demzufolge hat der Beklagte nach näherer Maßgabe der in dem Urteil des Arbeitsgerichts dargelegten und von der Berufung nicht angegriffenen Berechnung pro Urlaubstag einen Betrag von 111,54 € brutto, mithin insgesamt 2.565,42 € brutto zu zahlen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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