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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 564/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BAT, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BAT § 54
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.04.2007, AZ: 1 Ca 1715/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten, außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Die am 01.03.1971 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.2001 bei dem beklagten Land als Telefonistin beschäftigt.

Seit dem Jahr 2004 befindet sich die Telefonzentrale im Tiefpaterre des Umweltministeriums. Von den Räumlichkeiten der Telefonzentrale aus kann der Innenhofbereich durch Glastüren stufenlos betreten werden. Neben der Telefonzentrale sind im Tiefpaterre weitere Büroräume eingerichtet.

Zum Kündigungszeitpunkt waren in der Telefonzentrale fünf Mitarbeiter beschäftigt, von denen vier schwerbehindert waren und eine einem schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 40 gleichgestellt war.

Die Klägerin ist blind mit einem Grad der Behinderung von 100 %. Die Klägerin besitzt nur noch ein geringes Restsehvermögen und ist daneben gehbehindert.

Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen des Vorfalls vom 10.07.2006 außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.08.2006 gekündigt.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.04.2007 (dort Seiten 3 bis 10 = Bl. 184 bis 191 d. A.).

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2006 nicht beendet worden ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen H. und E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.04.2007 (Bl. 165 ff. d. A) verwiesen.

Mit Urteil vom 30.04.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 11 - 18 dieser Entscheidung (= Bl. 192 bis 199 d. A.) verwiesen

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.04.2007 ist der Klägerin am 30.07.2007 zugestellt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Klägerin am 22.08.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegte und am 30.10.2007 begründete Berufung.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor:

Das Gericht habe nicht hinreichend gewichtet, dass die Worte nicht gegenüber der Mitarbeiterin S. gefallen seien, sondern in einem Gespräch mit Herrn B., als es um die Frage der Dienstplangestaltung gegangen sei. Die Mitarbeiterin sei somit letztendlich nicht beleidigt worden, wobei die Klägerin derartige Worte auch nicht als beleidigend empfinde. Beispielsweise sei in der Schule, in der Klägerin gegangen sei, eine derartige Wortwahl normal gewesen. Auch sie sei von den Mitschülerinnen immer entsprechend beschimpft worden.

Bei der Gesamtsituation sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nervlich äußerst angespannt gewesen sei. Zu der Eskalation zwischen der Klägerin und Herrn B. an dem streitbefangenen Tag sei es letztendlich wegen der Dienstplanumstellung gekommen.

Nachdem Frau S. ihre Arbeit in der Telefonzentrale aufgenommen gehabt habe, habe sich das Klima in dieser verändert, insbesondere im Bereich des Lautstärkepegels. Ständig sei es zu Fragen von Frau S. gekommen, welche lautstark diskutiert worden seien. Es sei sogar soweit gekommen, dass sie - die Klägerin - häufig angenommene Telefonate wegen des äußeren Geräuschpegels nicht verstanden gehabt habe. Habe sie dann etwa gesagt, ob man nicht etwas leiser diskutieren könne, sie verstehe die eingehenden Telefonate nicht, habe sie die Antwort erhalten, dass sie den Mund halten solle. Dies sei nun über einen längeren Zeitraum so gegangen.

Hierdurch sei sie mit ihren Nerven am Ende gewesen, insbesondere auch deshalb, weil sie mit niemanden habe darüber reden können. Habe sie beim Personalreferat vorgesprochen, so habe niemand Zeit gehabt, man sei auch quasi von der Außenwelt abgeschlossen gewesen und zwar dadurch, dass sich die Telefonzentrale in einem Kellergebäude befinde, mit eigenem Sozialraum, so dass man kaum Gelegenheit gehabt habe, diesen Bereich zu verlassen. Diese Situation sei bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung der Interessenlage insbesondere der Klägerin als schwerbehinderten Menschen, hätte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung nicht in Betracht ziehen dürfen. Man hätte lediglich eine Abmahnung aussprechen dürfen, um der Klägerin vor Augen zu führen, dass ihr Verhalten nicht hingenommen werden könne, sie jedoch mit ihren Ängsten und Sorgen ernst genommen werde und man versuche, ihr entgegenzukommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - 1 Ca 1715/06 - vom 30.04.2007 abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2006 nicht beendet worden ist.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Das beklagte Land trägt hierzu vor:

Der streitgegenständlichen Kündigung liege das Gespräch vom 10.07.2006 zu Grunde.

Das beklagte Land habe es - unstreitig - Frau S. ermöglichen wollen, Therapietermine wahrzunehmen. Hierfür hätten - unstreitig - die Dienstpläne geändert werden sollen, wovon auch die Arbeitszeiten der Klägerin betroffen gewesen wären. Bereits am 14.06.2006 habe deshalb zu diesem Thema - unstreitig - eine Unterredung mit sämtlichen Telefonistinnen durch das Personalreferat stattfinden sollen. Hierbei habe es die Klägerin - unstreitig - abgelehnt, mit dem Personalreferat zu reden, so dass die Unterredung ohne die Klägerin habe stattfinden müssen.

Die vom Arbeitsgericht in der Beweisaufnahme vom 30.04.2007 festgestellten Äußerungen der Klägerin seien zumindest in Anwesenheit der betroffenen Frau S. gefallen.

In einem weiteren Personalgespräch am 11.07.2006 habe die Klägerin - insoweit unstreitig - auf entsprechende Befragung durch Herrn F. bestätigt, dass die von Herrn B. festgehaltenen Äußerungen (hier Anlage B 1) tatsächlich so gemacht habe. Die Klägerin habe in diesem Gespräch zur Erklärung ihres Verhaltens auf die ihrer Ansicht nach unzureichenden Arbeitsleistungen von Frau S. und die damit für sie verbundenen Belastungen hingewiesen. Sie habe jedoch weder Reue noch Einsicht gezeigt. Zu einer Entschuldigung sei sie nicht bereit gewesen.

Ein milderes Mittel sei nicht möglich gewesen, da mit einer Wiederherstelllung des Vertrauens nicht zu rechnen gewesen sei. Dies sei für das beklagte Land zumindest dann erkennbar gewesen, als eine Entschuldigung von der Klägerin abgelehnt worden sei.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift (vgl. Bl. 254 bis 259 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift (vgl. Bl. 262 bis 269 d. A.) verwiesen.

Wegen der Verfahrensgeschichte wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.01.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.04.2007 statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin kann nicht verlangen, dass festgestellt wird, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land durch die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2006 nicht beendet worden ist. Diese Kündigung ist gemessen an den Wirksamkeitsvorgaben des § 54 BAT - der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommt - wirksam. Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin sind allerdings die folgenden Ausführungen veranlasst:

I. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 10.10.2002, 2 AZR 418/01; BAG, 17.02.2000, AZ: 2 AZR 927/98) können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form- und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichte aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen.

Dabei stellt die Klägerin im Berufungsverfahren letztlich nicht mehr in Abrede, dass sie während des Gesprächs am 10.07.2006 mit Herrn B. mehrfach Frau S. als "Fotze" bezeichnet hat.

Diese Äußerung stellt ohne jeden Zweifel eine grobe Beleidigung der Arbeitskollegin S. dar, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Äußerung auch von Frau S. vernommen worden ist, weil sie jedenfalls Herr B. wahrgenommen hat.

Die Beklagte weist im Weiteren zutreffend darauf hin, dass diese Äußerung so wie sie von dem Zeugen H. auf Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 30.04.2007 wiedergegeben worden ist, auch eine Beleidigung von Herrn B. darstellt.

Diese Äußerungen sind daher - was die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr in Abrede gestellt hat - "an sich" geeignet, die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2006 zu rechtfertigen.

II. Auch die damit gemäß der §§ 54 BAT, 626 BGB gebotene Interessenabwägung hat zum Ergebnis, dass sich die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2006 als rechtswirksam erweist.

Der Beklagten stand insbesondere kein milderes Mittel zur Verfügung, um auf die Verfehlung der Klägerin angemessen reagieren zu können. Insbesondere war eine Wiederherstellung des von der Klägerin durch ihre Äußerung bewusst und nachhaltig beschädigten Verhältnisses zu der Arbeitskollegin S. und zu dem Vorgesetzten B. nicht mehr zu erwarten.

Zu Gunsten der Klägerin war dabei insbesondere deren Schwerbehinderung und die darauf beruhende besondere soziale Situation zu berücksichtigen.

Für die Klägerin stehen wegen ihrer erheblichen Einschränkungen der Sehfähigkeit sowie weiter wegen der Gehbehinderung nur sehr wenige Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, so dass es künftig für die Klägerin außerordentlich schwierig - vielleicht sogar ausgeschlossen - sein wird, einen vergleichbaren Arbeitsplatz wie den bei dem beklagten Land zu finden.

Dies zeigt sich auch darin, dass die Klägerin - was die Kammer in diesem Zusammenhang zu ihren Gunsten berücksichtigt hat - bereit war, wegen ihrer Arbeitstätigkeit bei dem beklagten Land erhebliche Belastungen auf sich zu nehmen, die insbesondere darauf beruhten, dass die Klägerin ihren Wohnsitz in A-Stadt hat und damit einen außerordentlichen belastenden Anfahrtsweg in Kauf nehmen musste. Dabei kann die Kammer auch nachvollziehen, dass die Klägerin wegen ihrer Beeinträchtigungen in der Sehfähigkeit davon abgesehen hat, an ihren Arbeitsort nach M. umzuziehen, weil - wie die Klägerin geltend macht - sie in besonderer Weise auf ein vertrautes Umfeld angewiesen ist. Arbeitsplätze, die vergleichbar mit dem Arbeitsplatz in der Telefonzentrale des beklagten Landes für die Klägerin geeignet wären, stehen auf dem freien Arbeitsmarkt so gut wie gar nicht zur Verfügung.

Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass die Klägerin die ihr übertragenen Arbeitsaufgaben unbeanstandet erledigt hat.

Nicht entscheidend im Rahmen der Interessenabwägung sind allerdings die näheren Umstände, unter denen die Klägerin die geschuldete Tätigkeit zu verrichten hatte. Deswegen kann dahinstehen, ob die Klägerin diese Arbeitsumstände nach dem Umzug der Telefonzentrale in des Tiefpaterre als belastend empfunden hat. Die Klägerin war verpflichtet, die geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen der von der Beklagten vorgegebenen betrieblichen Organisation zu verrichten. Deswegen handelt es sich hier um neutrale Umstände, die sich im Rahmen der Interessenabwägung weder zu Gunsten noch zum Nachteil der Klägerin auswirken.

Deswegen ist es auch nicht von entscheidender Bedeutung, dass das beklagte Land die Telefonzentrale wegen der abgeschlossenen Integrationsvereinbarung im Wesentlichen mit Schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeitern besetzt. Es liegt allerdings auf der Hand, dass aus dieser besonderen Arbeitssituation - von der die Klägerin genauso wie die anderen Mitarbeiter in der Telefonzentrale profitierten - auch Besonderheiten - einschließlich solcher belastender Art - resultieren, die gerade auf den Einsatz der schwerbehinderten Mitarbeiter zurückzuführen sind. Deswegen kann die Klägerin im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu ihren Gunsten anführen, dass es infolge der Einstellung der Mitarbeiterin S. zu solchen Beeinträchtigungen gekommen ist.

Zu Gunsten der Klägerin hat es die Kammer allerdings gewichtet, dass das Gespräch vom 10.07.2006 im Hinblick darauf geführt worden ist, dass das beklagte Land die Dienstpläne auch der Klägerin ändern wollte und dass diese beabsichtigte Änderung weitere, erhebliche Belastungen bedeutet hätte.

Allerdings stellt auch dies letztendlich kein wirklich entlastendes Kriterium dar, weil Auseinandersetzungen über die Dienstplangestaltung - soweit sich diese im Rahmen des arbeitsvertraglich und personalvertretungsrechtlich Zulässigen hält - in der Arbeitswelt häufiger vorkommen und von den Arbeitsvertragsparteien mit dem dazu zur Verfügung stehenden normalen Instrumentarium - insbesondere Personalgespräche - bewältigt werden müssen. Daran ändert auch die besondere soziale Situation der Klägerin nichts.

Dass der Anlass des Gesprächs vom 10.07.2006 eine Auseinandersetzung über die Dienstplangestaltung gewesen ist, rechtfertigt damit insbesondere nicht die verbale Entgleisung der Klägerin im Rahmen dieses Gesprächs.

Bei denen im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellten Äußerungen der Klägerin, die diese im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht mehr bestritten hat, handelt es sich - und dies ist letztlich einer der entscheidenden Punkte - um eine massive verbale Entgleisung, mit einem beleidigenden Inhalt, der schlimmer kaum möglich ist. Dass die Äußerung "Fotze" von einer außergewöhnlichen beleidigenden Qualität ist, zeigt sich schon daran, dass das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 30.04.2007 - dort Seite 12 ff. - diese Äußerung nicht dem Wortlaut nach, sondern mit "F..." wiedergegeben hat. Diese Zurückhaltung gegenüber der Wiedergabe dieses Wortes ist nur mit der außerordentlichen Obszönität des Begriffs zu erklären, die auf den beleidigenden Inhalt dieses Wortes durchschlägt.

Die Klägerin musste sich bei dem Gebrauch dieses Wortes auch über die außerordentliche beleidigende Qualität im Klaren sein. Die Klägerin, die als Telefonistin ausgebildet worden ist und bei der bei der Einstellung durch das beklagte Land ausreichende Deutschkenntnisse zur Voraussetzung gemacht worden sind, verfügt nach den gesamten Feststellungen des Verfahrens über eine ausreichende Sprachkompetenz, um erkennen zu können, welchem Sprachregister dieser Begriff zuzuordnen ist.

Die Klägerin kann deswegen nicht damit gehört werden, dass sie derartige Worte nicht als beleidigend empfindet und etwa in der Schule, in die sie gegangen ist, eine derartige Wortwahl normal gewesen sein soll. Der Gebrauch dieses Begriffs ist unter keinen Umständen und in keiner Situation normal und angemessen; vielmehr wird er in jedem sozialen Umfeld und wohl auch in jedem Kulturkreis als üble und brutale Beleidigung verstanden.

Die Klägerin hat zudem durch die entsprechende Einlassung nochmals verdeutlicht, dass sie nicht bereit ist, sich für die entsprechende Beleidigung zu entschuldigen.

Dies hat die Klägerin bereits in dem Gespräch vom 11.07.2006 zum Ausdruck gebracht.

Auch bei groben, massiv ehrverletzenden Beleidigungen macht es einen erheblichen Unterschied, ob diese sich als einen "Ausrutscher" darstellen oder nicht. Wenn solche Äußerungen im Rahmen einer Konfliktsituation "herausrutschen" dann können sie in ihrer das Arbeitsumfeld beschädigenden Wirkung noch abgemildert werden, wenn der Äußernde im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang klar macht, dass es sich um eine unbedachte Äußerung gehandelt hat. In diesem Zusammenhang kommt einer sich unmittelbar anschließenden Entschuldigung eine erhebliche Bedeutung zu. Auch erhebliche, massive Beleidigungen können in ihrer Fortwirkung für das Arbeitsumfeld eine gewisse Entschärfung erfahren, wenn der Arbeitnehmer den unbedachten Charakter dieser Äußerung herausstellt und sich deswegen für diese entschuldigt.

Umgekehrt bedeutet es eine Verfestigung, ggfls. sogar eine Steigerung der Belastung des Arbeitsumfeldes wenn der Arbeitnehmer sich nicht entschuldigt und damit die beleidigende Qualität seiner Äußerungen sogar noch unterstreicht.

Deswegen muss es zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass diese den Begriff "Fotze" mehrfach in verschiedenem sprachlichen Kontext gebraucht hat und sogar nach Einlassung des Zeugen E. auch vor dem Gespräch am 10.07.2006 in Bezug auf die Mitarbeiterin S. gebraucht haben soll. Weiter hat die Klägerin nicht nur am Folgetag - dem 11.07.2006 - die ihr von dem beklagten Land ausdrücklich gegebene Gelegenheit zur Entschuldigung nicht genutzt, sondern im Laufe des Verfahrens betont, dass es sich nach ihrer Einschätzung bei dem Begriff um eine "normale Wortwahl" gehandelt habe. Bei dieser Sachlage hatte sich die durch die Äußerung der Klägerin entstandene Belastung der Arbeitsituation nicht nur im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung durch das beklagte Land erheblich verfestigt. Vielmehr war sogar davon auszugehen, dass es künftig zu vergleichbaren verbalen Ausfällen durch die Klägerin kommen konnte.

In dieser Situation war aber ein gedeihliches Zusammenarbeiten der Klägerin mit den anderen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten in der Telefonzentrale nicht mehr möglich. Eine Wiederherstellung des Betriebsfriedens - etwa durch eine gegenüber der Klägerin wegen des Vorfalls ausgesprochene Abmahnung - war ausgeschlossen.

Die anzustellende umfassende Interessenabwägung konnte deswegen nicht zu Gunsten der Klägerin ausfallen

Die Berufung musste zurückgewiesen werden.

III. Die Kosten des Rechtsstreits waren der Klägerin gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen.

Die Revision war im Hinblick auf die Vorgaben des § 72 ArbGG nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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