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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 584/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, EFZG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 23
EFZG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 584/06

Entscheidung vom 02.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.06.06 - 2 Ca 278/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren wehrt sich der Kläger gegen eine ihm gegenüber seitens der Beklagten ausgesprochene, ordentliche Beendigungskündigung.

Der Kläger ist seit dem 04.06.1984 bei der Beklagten als Chemiewerker beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 3.100,00 Euro bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden.

Die Beklagte beschäftigt ca. 570 Arbeitnehmer.

Der Kläger ist 1966 geboren, verheiratet und drei Personen zum Unterhalt verpflichtet. Seine beiden Kinder sind 11 und 14 Jahre alt.

Der Kläger ist seit dem Jahre 2004 alkoholkrank. Er fehlte im Jahre 2004 insgesamt 66 Tage aus diesem Grund, wobei die Beklagte für 65 Tage Entgeltfortzahlung zahlen musste. Im Jahre 2005 fehlte er aufgrund der Alkoholerkrankung 84 Tage, wobei die Beklagte für 13 Tage Entgeltfortzahlung zahlte und im Jahre 2006 bis zum Ausspruch der Kündigung fehlte der Kläger aufgrund dieser Erkrankung 49 Tage, wobei die Beklagte für 23 Tage Entgeltfortzahlungskosten aufbringen musste. Einer ersten längeren Therapie unterzog sich der Kläger in dem Zeitpunkt vom 03.03. bis 25.05.2005. Er wurde spätestens im September 2005 erneut rückfällig.

Einer weiteren Langzeittherapie unterzog sich der Kläger im Sommer 2006, die bis in den August 2006 hineinreichte. Bereits im September 2006 wurde er erneut rückfällig und nahm Alkohol zu sich.

Die Beklagte erteilte dem Kläger am 22.02.2005 eine Abmahnung, da er schlafend während des Nachtdienstes in der Küche angetroffen wurde und weil er zuvor bei der Verrichtung seiner Arbeit sich unsicher und ungeschickt angestellt hatte, so dass Kollegen eingreifen mussten. Bezüglich des Inhalts der Abmahnung wird auf dieselbe verwiesen (Anlage 6 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.04.2006, Bl. 69 ff).

Eine weitere Abmahnung wurde dem Kläger am 04.10.2005 ausgesprochen. Hierbei rügte die Beklagte eine nicht rechtzeitige Krankmeldung bzw. Mitteilung, dass eine Arbeitsunfähigkeit andauern würde. Auf den Inhalt des Abmahnungsschreibens (Anlage 8 zum Beklagtenschriftsatz vom 25.04.2006, Bl. 73 ff d.A.) wird verwiesen.

Bei der Beklagten existiert eine Betriebsvereinbarung vom 28.02.1992 bezüglich suchtgefährdeter Mitarbeiter. In dieser Betriebsvereinbarung sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, wie mit suchtgefährdeten Mitarbeitern umzugehen ist, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Anlage 2 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.05.2006, Bl. 57 ff d.A.) wird verwiesen. Die Beklagte ist entsprechend den Regeln in dieser Betriebsvereinbarung vor Ausspruch der Kündigung vorgegangen.

Am 24.12.2005 meldete die Ehefrau des Klägers ihren Mann kurzfristig beim Schichtmeister ab. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde für den 24.12.2005 bis zum 26.12.2005 vorgelegt. Am 26.12.2005 erfolgte eine Information, dass die Erkrankung bis zum 30.12.2005 fortdauern würde. Am 30.12.2005 erhielt die Beklagte abends die Information, dass der Kläger in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Eine Folgebescheinigung für den Zeitraum vom 12.01. bis 18.01.2006 ging am 12.01.2006 ein. Für den 21.01.2006 war der Kläger wieder zur Frühschicht eingeteilt, erschien jedoch nicht zur Arbeit. Er wurde auch nicht von dritter Seite entschuldigt. Erst am 22.01.2006 informierte der Schwager des Klägers gegen 9.00 Uhr den Vorgesetzten des Klägers, dass dieser am 21.01.2006 in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Am 23.01.2006 erhielt die Beklagte per Post eine am 17.01.2006 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung bis zum 22.01.2006. Die Bescheinigung über die stationäre Aufnahme des Klägers am 21.01.2006 wurde am 24.01.2006 am Werkstor abgegeben. Der Kläger war in diesem Krankheitszeitraum wieder rückfällig geworden. Er wurde am 30.01.2006 in die Psychiatrie eingewiesen.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat zum Ausspruch einer Kündigung erstmals mit Schreiben vom 25.01.2006 an. Bezüglich der Einzelheiten der Betriebsratsanhörung wird auf das Anhörungsschreiben vom 25.01.2006 (Anlage 9 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.04.2006, S. 75 ff d.A.) verwiesen. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 21.01.2006.

Nachdem die Beklagte Kenntnis erlangte, dass der Kläger wiederum aufgrund seiner Alkoholerkrankung in die Psychiatrie nach Pirmasens eingewiesen wurde, hörte sie den Betriebsrat erneut zu einer Kündigung an. Dies geschah am 08.02.2006. Bezüglich des Inhalts der Anhörung wird auf das Anhörungsschreiben (Anl. 11 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.04.2006) verwiesen. Der Betriebsrat äußerte sich zu diesem Antrag nicht. Die Beklagte sprach daraufhin am 16.02.2006 eine ordentliche Kündigung zum 30.09.2006 aus.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,

eine negative Zukunftsprognose aufgrund seiner Alkoholerkrankung bestünde nicht, da er seit Januar 2006 trocken sei. Im Übrigen habe die Beklagte nicht ausreichend die betrieblichen Beeinträchtigungen aufgrund seiner unstreitigen Fehlzeiten dargelegt. Die ihm gegenüber ausgesprochenen Abmahnungen vom 22.02.2005 und 04.10.2005 seien zu Unrecht ergangen. Jedenfalls sei die Kündigung im Rahmen einer Interessenabwägung im Hinblick auf seine lange Betriebszugehörigkeit und seine Unterhaltsverpflichtung als unwirksam anzusehen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.02.06 nicht beendet wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 22.02.2005 und vom 04.10.2005 ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

sie habe als Ersatz für den Kläger Leasingkräfte einstellen müssen. Im Jahre 2004 benötigte sie die Leasingkräfte für 472,5 Stunden, im Jahre 2005 für 592,5 Stunden und im Jahre 2006 für 362,5 Stunden. Insgesamt habe sie für die Leasingkräfte über 33.000,00 Euro aufwenden müssen. Der Gesamtaufwand inklusive der Entgeltfortzahlungskosten aufgrund der Fehlzeiten des Klägers habe sich auf 58.659,96 Euro errechnet. Aufgrund der Fehlzeiten des Klägers seien auch immer wieder Arbeitnehmer aus dem Urlaub oder aus Freischichten zurückgeholt worden. Dies habe das Betriebsklima gestört. Arbeitnehmer würden eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehnen. Die Kündigung sei sowohl aus personenbedingten als auch aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Sie habe entsprechend der Betriebsvereinbarung lange Zeit zugewartet, ob der Kläger seine Alkoholerkrankung in den Griff bekommen würde und entsprechend der Betriebsvereinbarung unterstützende Maßnahmen getätigt. Diese seien alle erfolglos gewesen. Die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertige sich daraus, dass der Kläger trotz der Abmahnung vom 04.10.2005 erneut einen Meldeverstoß Anfang 2005 begangen hatte.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf ihre eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll des Kammertermins beim Arbeitsgericht verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 01.06.2006 hat es ausgeführt, dass die personenbedingte Kündigung bereits deswegen unwirksam sei, da der Betriebsrat nicht ausreichend informiert worden sei. Ein verhaltesbedingter Kündigungsgrund liege deswegen nicht vor, da dem Kläger sein Fehlverhalten, sich am 21.01.2006 zur Frühschicht nicht krankgemeldet zu haben, ihm nicht vorzuwerfen sei. Unstreitig sei, dass der Kläger in diesem Zeitraum erneut alkoholbedingt arbeitsunfähig und erkrankt gewesen sei, weswegen er auch in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Abmahnungen seien zu Recht ergangen, weswegen insoweit die Klage abzuweisen gewesen wäre.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Beklagtenvertreter am 10.07.2006 und dem Klägervertreter am 07.07.2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2006, beim Landesarbeitsgericht am 27.07.2006 eingegangen, hat die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt. Sie hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 11.09.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie trägt zweitinstanzlich vor,

die betrieblichen Beeinträchtigungen aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers würden sich zum einen daraus ergeben, dass der Kläger im Laufe des Jahres 2004 und 2005 während der Arbeit durch seine schlechte Arbeitsleistung und Konzentrationsschwäche aufgefallen sei. Der Kläger habe verschiedene einfache Aufgaben, wie z.B. Kontrollgänge an den Produktionsanlagen nicht zufriedenstellend ausgeführt. Bei Arbeiten auf dem mit reduzierter Geschwindigkeit laufenden Auffangband sei der Kläger unsicher gewesen. Kollegen hätten den Kläger überwachen müssen und Teile seiner Arbeiten übernehmen müssen. Gleiches gelte für Arbeiten, die dem Kläger am sogenannten Tuftstuhl übertragen worden seien. In der Nachtschicht vom 16.02.2005 auf den 17.02.2005 hätten Kollegen eingreifen müssen, da der Kläger sowohl die Produktion als auch sich selbst gefährdete, als Randstreifen in eine laufende Anlage nicht richtig eingezogen wurden. Deswegen hätten dem Kläger nur noch einfachste Arbeiten zugewiesen werden können. Die Schichtgruppe des Klägers habe deswegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt. Weitere Störungen im betrieblichen Ablauf seien dadurch entstanden, dass der Kläger häufig kurzfristig erkrankte. Um die Mindestbesetzung sicherzustellen, mussten andere Kollegen aus dem Urlaub oder der Freischicht zurückgerufen werden. So musste ein Kollege am 24.12.2005 um 5.00 Uhr aus dem Urlaub zurückgerufen werden. Gleiches gilt für den 25.12.2005 und den 31.12.2005 sowie den 01.01.2006. Dadurch sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere habe der Betriebsrat Vorkenntnisse gehabt, da jeweils ein Betriebsratsmitglied an den zahlreichen Personalgesprächen mit dem Kläger im Laufe der letzten zwei Jahre teilgenommen habe. Der Betriebsrat habe auch jeweils eine Kopie der Gesprächsnotiz bzw. der Abmahnung erhalten. Es bestehe eine enge Zusammenarbeit zwischen der Personalleiterin und dem Betriebsrat. Der Betriebsrat sei daher über aktuelle Vorfälle im Betrieb jeweils informiert worden. Der Betriebsrat sei auch durch Vorlage der Arbeitsblätter darüber informiert worden, wann beim Kläger im Einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten vorlagen und dass der Kläger teilweise durch Leiharbeitnehmer ersetzt werden musste.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.06.2006 mit dem Aktenzeichen 2 Ca 278/06 dahingehend abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor,

es bleibe dabei, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Aus dem Vortrag der Beklagten sei nicht erkennbar, zu welchem Zeitpunkt konkret welche Mitglieder des Betriebsrats welche Informationen erhalten hätten, insbesondere welche Arbeitsblätter wann wem vorgelegt worden sein sollen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 02.01.2006 verwiesen. Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigung für unwirksam erachtet.

1.

Auf das Arbeitsverhältnis findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da der Kläger länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt ist und die Beklagte mehr als zehn Arbeitnehmer ständig beschäftigt, §§ 1, 23 KSchG.

Findet das Kündigungsschutzgesetz auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, ist die Kündigung eines Arbeitnehmers nur dann sozial gerechtfertigt, wenn entweder ein verhaltensbedingter, personenbedingter oder betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt.

Die Beklagte beruft sich vorliegend auf einen verhaltens- und einen personenbedingten Kündigungsgrund. Bezüglich des Verhaltens macht sie geltend, der Kläger habe wiederholt gegen seine Meldepflichten bei Erkrankungen verstoßen, als personenbedingten Kündigungsgrund stützt sie sich auf die unstreitige Alkoholerkrankung des Klägers.

a) Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im Kündigungsschutzgesetz nicht definiert.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 24.06.2004, EZA § 1 KSchG, verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65) ist eine Arbeitgeberkündigung dann sozial gerechtfertigt, wenn

- ein in der Regel schuldhaftes Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist;

- dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkung hat;

- in der Regel zumindest eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;

- danach weiteres, einschlägiges, schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und

- eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkung des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt (vgl. DLW, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht D Rz. 1256).

Auch die Verletzung der Pflicht gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen und ihre voraussichtliche Dauer nach seinem subjektiven Kenntnisstand, kann ein Grund für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung sein (DLW, a.a.O., D Rz 293). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer bei Fortsetzung einer Erkrankung über den ursprünglich mitgeteilten Krankheitszeitraum hinaus, dem Arbeitgeber nicht unverzüglich die Fortsetzung der Erkrankung mitteilt.

b) Eine personenbedingte Kündigung wegen krankheitsbedingter Ursachen ist dann sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn aufgrund

- objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss (negative Gesundheitsprognose).

- die entstandenen prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigungen der Interessen des Arbeitgebers führen

- und sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt (vgl. BAG 07.01.2002, EZA § 1 KSchG, Krankheit, Nr. 50; DLW a.a.O. D Rz. 1106).

Eine erhebliche Beeinträchtigung der unternehmerischen oder betrieblichen Interessen des Arbeitgebers liegt dann vor, wenn die häufige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu nicht vermeidbaren Störungen des Betriebsablaufs führt, zum Beispiel zu Maschinenstillständen, Produktionsausfall, Materialverlust, Überstunden, um den Produktionsausfall zu verhindern oder sonstige, mit zusätzlichen Kosten verbundene Maßnahmen zur Überbrückung; des Produktionsausfalls verursacht werden (DLW, a.a.O. D Rz. 1127). Zur Darlegung dieser erheblichen Betriebsablaufstörungen bei einer Kündigung wegen Krankheit ist erforderlich, dass der Arbeitgeber im Einzelnen vorträgt, in welcher Weise er den Ausfall bisher überwunden hat und warum die bisherigen Maßnahmen nicht fortgesetzt werden können. Werden im Betrieb abwesende Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer ersetzt, ist darzulegen, warum der gekündigte Arbeitnehmer nicht oder nicht mehr ersetzt werden kann.

Außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungen genügen bereits zur Darlegung erheblicher betrieblicher Interessen (BAG, 16.02.1989, EZA § 1 KSchG Nr. 25). Erheblich ist die wirtschaftliche Belastung allein durch die Entgeltfortzahlungskosten dann, wenn für den erkrankten Arbeitnehmer jährlich Lohnfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu keinen weiteren Betriebsablaufstörungen führen und der Arbeitgeber keine Personalreserve vorhält (BAG 29.07.1993, EZA § 1 KSchG, Krankheit, Nr. 40).

Der darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber muss bei Darlegung der betrieblichen Ablaufstörungen die aufgetretenen Störungen nach Ort, Verlauf und Auswirkung konkret schildern. Schlagwortartige Umschreibungen genügen nicht. Er hat im Einzelnen darzulegen, wann er welche Betriebsablaufstörungen wie überbrückt hat (DLW, a.a.O. D, Rz. 1189).

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte keinen Kündigungsgrund substantiiert vorgetragen.

a) Eine verhaltensbedingte Kündigung scheidet deswegen aus, da, selbst zugunsten der Beklagten unterstellt, die Abmahnung vom 04.10.2005 sei ordnungsgemäß und rechtmäßig erfolgt, kein weiteres einschlägiges, dem Kläger vorwerfbares Fehlverhalten ersichtlich ist.

Der Kläger hat zwar am 21.01.2006 die Beklagte nicht über den Fortbestand seiner Erkrankung informiert. Es ist zwischen den Parteien allerdings unstreitig, dass der Kläger an diesem Tag aufgrund seiner Alkoholerkrankung einen neuen "Absturz" erlitten hatte und in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Meldeverstoß war daher als unverschuldet anzusehen.

Selbst wenn man jedoch anderer Auffassung sein würde, wäre bezüglich dieses Verhaltensverstoßes alleine die Kündigung jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung als unwirksam anzusehen. Es hätte sich um den zweiten einschlägigen Vorfall innerhalb einer zweiundzwanzigjährigen Betriebszugehörigkeit gehandelt. Insofern hätten die Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, nicht zuletzt im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtungen, die Interessen der Beklagten an der Beendigung desselben überwogen.

b) Auf eine personenbedingte Kündigung wegen der Alkoholerkrankung des Klägers kann sich die Beklagte nicht stützen.

Zunächst ist ihr allerdings darin Recht zu geben, dass im vorliegenden Fall von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen ist. Dem Kläger ist es weder bis zum Ausspruch der Kündigung noch bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung gelungen, seine Alkoholerkrankung in den Griff zu bekommen. Er ist nicht nur nach seiner ersten Langzeittherapie rückfällig geworden, sondern wie er im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht eingeräumt hat, auch nach der zweiten Langzeittherapie im Sommer 2006. Aufgrund der Art dieser Suchterkrankung ist davon auszugehen, dass eine hohe Rückfallgefahr besteht, wenn ein Erkrankter nach einer zunächst erfolgreichen Entziehungskur wieder rückfällig geworden ist (BAG, 09.04.1987, EZA § 1 KSchG, Krankheit, Nr. 18; 17.06.1999, EZA § 1 KSchG, Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4).

Die zweite Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung, nämlich die Darlegung erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen, konnte die Beklagte im vorliegenden Verfahren allerdings nicht substantiiert darlegen.

Soweit sie sich auf Entgeltfortzahlungskosten stützt, ist festzustellen, dass diese lediglich im Jahre 2004 für einen längeren Zeitraum als sechs Wochen aufgebracht werden mussten. In den Jahren 2005 und 2006 leistete die Beklagte lediglich für dreiundzwanzig bzw. dreizehn Tage Entgeltfortzahlung bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

Soweit die Beklagte sich auf weitere Kosten wegen Überbrückung der Fehlzeiten des Klägers durch Leiharbeitnehmer beruft, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Sie hat nicht im Einzelnen dargelegt, an welchen Tagen in den genannten Jahren bzw. für welche Zeiträume der Erkrankung des Klägers sie welche Leiharbeitnehmer beschäftigen musste und welche Kosten ihr hierdurch entstanden sind. Sie hat lediglich pauschal ausgeführt, sie habe als Ersatz für den Kläger Leiharbeitnehmer im Jahre 2004 in einem Umfang von insgesamt 472,5 Stunden, im Jahre 2005 in einem Umfang von 592,5 Stunden und im Jahre 2006 in einem Umfang von 382,5 Stunden einsetzen müssen. Dieser Vortrag ist allerdings unsubstantiiert und im Einzelnen weder für den Kläger noch für das Gericht nachprüfbar.

Der Vortrag kann auch in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend sein.

Für die Fehlzeiten des Klägers im Jahr 2006, insgesamt 48 Tagen, will sie Leiharbeitnehmer beschäftigt haben in einem Umfang von 382,5 Stunden, was ihr Kosten in Höhe von 7.803,00 Euro verursacht haben soll.

Da die tägliche Arbeitzeit bei der Beklagten 7,5 Stunden beträgt, hat sie damit Leiharbeitnehmer für insgesamt 51 Tage beschäftigt, obwohl nach dem eigenen Vortrag lediglich 48 Tage zu überbrücken gewesen waren, die der Kläger arbeitsunfähig gefehlt hat. Dieser Vortrag passt nicht zusammen. Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass die Beklagte bei der Angabe der angeblichen Leiharbeitsstunden auch Leiharbeitnehmer hinzugezählt hat, die aufgrund anderer betrieblicher Bedürfnisse, z.B. Fehlzeiten anderer Arbeitnehmer oder auftretender Mehrarbeit, herangezogen worden sind.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wäre es im Einzelnen erforderlich gewesen, dass die Beklagte konkret und im Einzelnen darlegt, für welche Tage, an denen der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, sie konkret welche Leiharbeitnehmer herangezogen hatte.

Soweit sich die Beklagte auf weitere Betriebsablaufstörungen beruft, ist festzustellen, dass insofern ihre Ausführungen weitgehend sowohl vom Zeitpunkt her als auch von den konkreten Auswirkungen her unsubstantiiert sind.

So hat sie mehrfach in ihren Schriftsätzen vorgetragen, der Kläger habe aufgrund seiner Erkrankung seine Arbeitsleistungen nur schlecht erbracht. Aufgrund unkonzentrierter Arbeitsweisen seien Fehler aufgetreten. Diese Vorwürfe hat sie allerdings lediglich bezüglich eines einzelnen Falles am 17.02.2005 konkretisiert. Bezüglich dieses Tages hat sie konkret dargelegt, welche Fehler der Kläger bei seinen Arbeitstätigkeiten in der Nachtschicht getätigt hatte und welche Auswirkungen dies mit sich brachte. Für diesen Tag hat sie konkret Betriebsablaufstörungen aufgrund Schlechtleistungen des Klägers dargelegt. Für alle anderen angegebenen angeblichen Schlechtleistungen fehlt es allerdings an einem substantiierten Tatsachenvortrag.

Alleine die Darlegung eines einzigen Tages, an dem der Kläger Schlechtleistungen erbracht haben soll, genügt allerdings nicht für die Darlegung erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers.

Gleiches gilt, soweit die Beklagte vorgetragen hat, andere Arbeitnehmer hätten aus dem Urlaub zurückgerufen werden müssen oder hätten Überstunden leisten müssen, da der Kläger arbeitsunfähig erkrankte. Auch insofern fehlt es für die weit überwiegende Anzahl der Tage an einem substantiierten Tatsachenvortrag. Die Beklagte hat insofern lediglich für den Zeitraum 24.12. bis 01.01. für insgesamt fünf Tage im Einzelnen dargelegt, wie sie einen Arbeitsausfall des Klägers überbrückt hatte, wobei sie an vier Tagen zwei Arbeitnehmer jeweils aus dem Urlaub zurückrufen musste. Auch insofern genügen die Darlegungen dieser vier Tage nicht, um erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers substantiiert darzulegen.

c) Nach alledem musste nicht mehr darüber entschieden werden, ob im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung im vorliegenden Fall im Hinblick auf die zwanzigjährige beanstandungsfreie Arbeitszeit des Klägers und seine Unterhaltsverpflichtung auch aus diesem Grunde die Kündigung als unwirksam anzusehen gewesen wäre und ob die Beklagte ihren Betriebsrat ordnungsgemäß angehört hatte. Die Beklagte sei insofern lediglich darauf hingewiesen, dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bei einer krankheitsbedingten Kündigung nur dann vorliegt, wenn dem Betriebsrat neben der Darlegung der einzelnen Fehltage nach Datum und Umfang auch mitgeteilt wird, wie im Einzelnen an den entsprechenden Tagen das Fehlen des Arbeitnehmers aufgefangen wurde und welche betrieblichen Auswirkungen dies jeweils hatte. Insofern ist dann auch dem Gericht darzulegen, wie die Betriebsratsanhörung aussah. Sollten beim Betriebsrat bereits Kenntnisse aufgrund eigener Informationen bestehen, ist konkret darzulegen, welche Kenntnisse der Betriebsrat aufgrund welcher Vorgänge bereits hatte, so dass eine nochmalige Darlegung im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht notwendig war.

3.

Nach alledem war zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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