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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 652/05
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 2 S. 3
BetrVG § 102 Abs. 2 S. 4
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO §§ 511 ff.
KSchG § 4
KSchG § 7
KSchG § 13 Abs. 1 S. 2
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 652/05

Entscheidung vom 10.11.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.06.2005 (Az.: 10 Ca 2366/04) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner am 24.08.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm von der Beklagten mit Schreiben vom 19.08.2004 erklärten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wird.

Der im August 1963 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist,ist im Betrieb der Beklagten, die in Koblenz eine Druckerei mit regelmäßig weit mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, seit dem 10.05.2002 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom selben Tag als Drucker zuletzt gegen ein monatliches Einkommen in Höhe von 3.300,00 EUR brutto tätig.

Im Kündigungsschreiben es heißt:

" Sehr geehrter Herr T. ...,

die ... Druckerei GmbH kündigt Ihnen das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.

Sie haben sich während einer Druckabnahme absolut ungebührlich gegenüber einer Kundin verhalten und anschließend in ihrem Beisein verbalisiert "ich schmeiß die dumme Sau raus".

Da ein ganz gravierender Vertrauensbruch gegeben ist, liegt eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung vor."

Anlass für die Kündigung ist das Verhalten des Klägers am 18.08.2004, insbesondere der zwischen den Parteien streitige Ablauf einer verbalen Auseinandersetzung des Klägers mit einer Kundin der Beklagten vom Fotofachverband "P.Ph." in G., die bei einer vom Kläger zu erledigenden Druckabstimmung anwesend war.

Mit Schreiben vom 19.08.2004 (Bl. 23 d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, hörte die Beklagten den in ihrem Betrieb bestehenden dreiköpfigen Betriebsrat zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung an. Mit Schreiben ebenfalls vom 19.08.2004 hat der Betriebsrat hierzu mit folgendem Wortlaut Stellung genommen:

"Betrifft: Stellungnahme

Sehr geehrter Herr ...,

der Betriebsratsvorsitzende wurde am 19. August 2004 von der Geschäftsleitung informiert, dass Herr Th. ... - aufgrund des Vorfalls bei einer Druckabnahme - gekündigt werden soll.

Der Betriebsrat nimmt die Kündigung zur Kenntnis. "

Der Kläger hat behauptet, es fehle an einem wichtigen Grund für die streitgegenständliche Kündigung. Die Vorwürfe würden bestritten. Zudem sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigungserklärung vom 19.08.2004 nicht aufgelöst wurde, und

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ordentliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 19.08.2004 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe sich am 18.08.2004 anlässlich einer von der Kundin vom Fotofachverband gewünschten, technisch möglichen und später auch umgesetzten Veränderung der Farbführung in der von ihm bedienten Druckmaschine in Gegenwart des Zeugen M. lautstark - auch für die Kundin vernehmlich und auf diese bezogen - geschrieen: "Ich schmeiße die dumme Sau gleich raus".

Die Kundin sei hierüber so erbost gewesen sei, dass sie sofort Kontakt mit dem Betriebsleiter und ihrem Geschäftsführer aufgenommen habe. Diese hätten sich sofort ausdrücklich entschuldigt und versucht, die Kundin zu beruhigen. Sie - die Beklagte - habe zudem deshalb noch am 19.08.2004 ein Entschuldigungsschreiben (Bl. 31 d. A.) an die Firma der Kundin richten müssen.

Der Betriebsrat, dem über seinen Vorsitzenden auch die Sozialdaten des Klägers bekannt gewesen seinen, habe im Schreiben vom 19.08.2004 abschließend zum Ausdruck gebracht, dass der Kündigung nicht widersprochen werde.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 03.02.2005 (Bl. 34 d.A.) bezüglich der Äußerungen des Klägers am 18.08.2004 durch Vernehmung des Zeugen M. sowie zur Stellungnahme des Betriebsrats vom 19.08.2004 durch Vernehmung des Zeugen Sch. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Terminprotokolls vom 23.06.2005 (Bl. 42 bis 49 d. A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.06.2005, das dem Kläger am 26.07.2005 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die zulässige Kündigungsschutzklage habe in der Sache keinen Erfolg. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 19.08.2004 erklärte Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung beendet, da ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vorliege.

Nach der Vernehmung des Zeugen M. stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 18.08.2004 bezogen auf die Kundin der Beklagten - und zwar so laut, dass diese dies gehört habe - geschrieen habe, dass dann, wenn nicht sogleich der Betriebsleiter geholt werde, er - der Kläger - "die dumme Sau rausschmeiße". Der Kläger habe es zudem nicht bei dieser äußerst ungebührlichen Äußerung bewenden lassen, sondern sich nach der auch in diesem Punkt glaubhaften Zeugenaussage jedenfalls dem Zeugen gegenüber, wenn auch nach dessen Eindruck außerhalb der Hörweite der Kundin, weiterhin stark im Ton vergriffen, indem er die Kundin als "dumme F ... (es folgt ein außerordentlich ordinärer Begriff für das weibliche Geschlechtsorgan)" bezeichnet habe.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen führe auch die stets vorzunehmende Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis. Dem Lebensalter, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Unterhaltsverpflichtung des Klägers komme kein nachhaltig für den Kläger wirkender Ausschlag zu. Der Kläger habe ohne jede auch nur annähernd plausible Erklärung die Kundin grob beleidigt.

Dadurch habe er nicht nur ein Mindestmaß der notwendigen Verbundenheit mit dem Betrieb der Beklagten vermissen lassen, sondern erkennbar auch die Kundenbeziehungen der Beklagten zumindest gefährdet.

Die Beklagte habe auch den Betriebsrat nach Maßgabe des § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört.

Die Mitteilung der Sozialdaten des Klägers sei entbehrlich gewesen, da die Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden zur Überzeugung der Kammer ergeben habe, dass diese ihm bereits vor dem 19.08.2004 bekannt gewesen seien. Zudem sei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass der Betriebsrat in seinem Schreiben vom 19.08.2004 eine abschließende Stellungnahme abgegeben habe.

Hiergegen richtet sich die am 04.08.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangene Berufung, die mit einem am 10.08.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist.

Der Kläger trägt vor, es solle zu Gunsten der Beklagten von einer wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen M. ausgegangen werden, obwohl hieran nach seiner Meinung schon deswegen Zweifel bestünden, weil selbst dann, wenn er die behaupteten Äußerungen gemacht hätte, diese wegen der Maschinengeräusche für die Kundin nicht vernehmbar gewesen seien.

Zudem komme nach seiner Auffassung eine Kündigung wegen beleidigender Äußerungen gegenüber einer betriebsfremden Personen nicht in Betracht. Jedenfalls fehle es an einer vorherigen Abmahnung, da es sich allenfalls um eine einmalige Entgleisung handele.

Schließlich bleibe er bei seiner Meinung, dass der Betriebsrat deswegen nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, weil die Beklagte die Kündigung ausgesprochen habe, bevor die Anhörungsfrist abgelaufen gewesen sei.

Bereits die vom Zeugen Sch. geschilderte zeitliche Abfolge spreche gegen eine abschließende Äußerung des Betriebsrats, zumal der Betriebsrat ihn - den Kläger - nicht angehört habe. Zudem enthalte das Betriebsratsschreiben vom 19.08.2004 auch inhaltlich keine abschließende Stellungnahme.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.06.2005 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.08.2004 nicht aufgelöst wurde.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.08.2004 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, das Arbeitsgericht sei zu Recht und mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitgegenständliche Kündigung wegen des Vorliegens wichtiger Gründe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet habe.

Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Kläger angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Auffassung komme könne, es sei von einer positiven Prognose für sein zukünftiges Verhalten auszugehen. Tatsächlich stelle der Kläger für sie ein ihr in der Zukunft nicht zumutbares Risiko dar.

Es handele sich auch nicht um eine einmalige Entgleisung; vielmehr sei der Kläger für seine aggressiven Ausbrüche bereits bekannt gewesen. Auch insoweit könne auf die Aussage des Zeugen M. verwiesen werden.

Auch die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden. Es sei bereits falsch, dass ihre schriftliche Anhörung und die Stellungnahme des Betriebsrats nahezu zeitgleich erfolgt seien. Tatsächlich sei - was der Zeuge Sch. ebenfalls bestätigt habe - die Stellungnahme des Betriebsrates erst nach der persönlichen Beratung aller Betriebsratsmitglieder erfolgt. Darüber hinaus habe der Zeuge auch bestätigt, dass nach der Üblichkeit in ihrem Betrieb, die Mitteilung der "Kenntnisnahme" als abschließende Stellungnahme des Betriebsrates zu verstehen gewesen sei.

Ergänzend sei anzumerken, dass die vormals bestehende Geschäftsbeziehung von der Kundin nicht mehr in vollem Umfang aufrechterhalten werde, obwohl sich ihr Geschäftsführer auch persönlich bei der Kundin für das Fehlverhalten des Klägers entschuldigt habe.

Zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten und zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 511 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

B. Die Berufung des Klägers hat in der Sache indes keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die gemäß den §§ 4, 7, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG zulässige und rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Die arbeitgeberseitige Kündigung vom 19.08.2004 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung beendet.

Im Einzelnen:

I. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht bereits wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung unwirksam (§ 102 BetrVG). Hiervon geht das Arbeitsgericht zutreffend aus. Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Auch eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung führt zu ihrer Unwirksamkeit. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen (§ 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG).

Vorliegend ist die Betriebsratsanhörung nicht deswegen zu beanstanden, weil die Beklagte schon am 19.08.2004 und damit vor Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG die Kündigung erklärt hat. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben und der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles hat der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung eine abschließende Stellungnahme abgegeben.

1. Eine Kündigung ist betriebsverfassungsrechtlich in jedem Fall zulässig, wenn sie erst erfolgt, nachdem die gesetzlichen Überlegungs- und Stellungnahmefristen des Betriebsrates verstrichen sind, und zwar gleichgültig, ob und wie der Betriebsrat innerhalb dieser Frist reagiert hat.

Der Arbeitgeber kann aber auch - wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeht - schon vor dem Ablauf der Äußerungsfirst des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG kündigen, wenn eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates vorliegt und für ihn das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist.

Ob das der Fall ist, muss der dem Arbeitgeber gegenüber abgegebenen Erklärung entnommen werden.

Hierzu ist grundsätzlich der eindeutige Wille des Betriebsrates, die Angelegenheit als abgeschlossen anzusehen, erforderlich (BAG Urteil vom 12.03.1987, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 71). Erklärt der Betriebsrat dies nicht ausdrücklich, so ist der Inhalt seiner Stellungnahme durch Auslegung zur ermitteln. Gerade bei einer Äußerung des Betriebsrates - wie sie hier vorliegt -, "er nehme die Kündigungsabsicht zur Kenntnis", kann dies je nach den Gepflogenheiten des Betriebsrates entweder als nicht abschließende Eingangsbestätigung oder aber als abschließende Stellungnahme auszulegen sein. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles, wobei es maßgeblich auf die bisherige Übung des Betriebsrates ankommt (vgl. u.a. Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner, KSchR, 5. Aufl., § 102 Rn. 153 m.w.N.).

Nach Vernehmung des Zeugen Sch. ist das Arbeitsgericht im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätzen beanstandungsfrei zu der Feststellung gelangt, dass nach der im Betrieb der Beklagten bestehenden Üblichkeit, die Formulierung im Schreiben vom 19.08.2004 "der Betriebsrat nimmt die Kündigung zur Kenntnis" im vorliegenden Fall eine abschließende Stellungnahme darstellt. Der Zeuge hat insoweit nach Überzeugung des Arbeitsgerichts glaubhaft bekundet, dass diese Formulierung nach dem üblichen Ablauf bei Betriebsratsanhörungen beinhaltet, dass Betriebsrat der Kündigung nicht widerspricht, sondern ihr zustimmt; es also zu keiner weiteren Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung kommt. Hiergegen hat der Kläger auch keine durchgreifenden Einwendungen erhoben.

Entgegen der in der Berufungsinstanz geäußerten Meinung des Klägers folgt nach Überzeugung der Kammer auch kein anderes Ergebnis aus dem Umstand, dass der Zeuge auch bekundet hat, nach seiner Erinnerung sei dies die erste Anhörung wegen einer beabsichtigten fristlosen Kündigung während seiner Amtszeit als Betriebsratsvorsitzender gewesen.

Es sind bereits weder Anhaltspunkte ersichtlich, noch wurden solche vom Kläger vorgetragen, dass und weshalb bei einer außerordentliche Kündigung eine andere betriebliche Üblichkeit bestanden habe. Zudem hat die Beklagte hier hilfsweise auch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen.

Darüber hinaus spricht gerade auch der Inhalt des Betriebsratsschreibens vom 19.08.2004 entscheidend gegen die Annahme, es habe sich lediglich um eine nicht abschließende Eingangsbestätigung gehandelt. Dies ergibt sich deutlich bereits daraus, dass im Betreff des Schreibens ausdrücklich der Begriff "Stellungnahme", mithin der Hinweis auf eine inhaltlich relevante Äußerung i.S.d. § 102 BetrVG, verwandt wurde und weder im Betreff noch im übrigen Schreiben (nur) von einer Zugangs- oder Empfangsbestätigung die Rede ist.

2. Soweit der Kläger darüber hinaus in der Berufungsinstanz die Auffassung äußert, die vom Zeugen Sch. geschilderte zeitliche Abfolge spreche gegen eine abschließende Äußerung des Betriebsrats, rechtfertigt auch dies kein anderes Ergebnis.

Es ist zwar zutreffend, dass der Zeuge eine zeitliche Nähe zwischen dem Erhalt des Anhörungsschreibens (vor 8.00 Uhr) und dem Verfassen der Stellungnahme des Betriebsrats (gegen 8.00 Uhr) bekundet hat. Dies allein führt indes nicht zur Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung und damit zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Der Zeuge hat vielmehr auch ausgesagt, dass er, der Betriebsratsvorsitzende, persönlich den Betriebsrat wegen der beabsichtigten Kündigung des Klägers an diesem Tag kurzfristig "zusammengetrommelt" habe und der Betriebsrat erst dann die im Schreiben vom 19.08.2004 zum Ausdruck kommende Entscheidung getroffen und das Schreiben der Geschäftsleitung zugeleitet habe. Nach seiner Kenntnis sei die Kündigung dem Kläger erst danach zugegangen.

Die Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht und deren Ergebnis hat der Kläger in der Berufungsinstanz weder in formaler, noch in inhaltlicher Hinsicht in erheblicher Weise angegriffen. Seine lediglich pauschal geäußerte Meinung, es sei nicht von einer abschließenden Äußerung auszugehen, ist mithin nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.

3. Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deswegen unwirksam, weil der Betriebsrat den Kläger - unstreitig - nicht angehört hat. Nach § 102 Abs. 2 S. 4 BetrVG soll der Betriebsrat zwar, soweit dies erforderlich erscheint, den betroffenen Arbeitnehmer hören, indes hat eine - selbst pflichtwidrig - unterlassene Anhörung des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat keinen Einfluss auf die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahren (so bereits: BAG Urteil vom 02.04.1976, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 21).

Nach alledem lag nach den konkreten Umständen des Einzelfalles mit der schriftlichen Stellungnahme des Betriebsrats vom 19.08.2004 eine abschließende Stellungnahme i.S.v. § 102 BetrVG vor, so dass die Beklagte auch vor Ablauf der Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG die streitgegenständliche Kündigung aussprechen konnte.

II. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien auch mit sofortiger Wirkung beendet, da ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Hiervon geht das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zutreffend aus. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist zunächst danach zu fragen, ob der in Rede stehende Sachverhalt "an sich" einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann. Ist dies der Fall, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind (statt vieler: BAG Urteil vom 29.11.1983, AP Nr. 78 zu § 626 BGB).

1. Auch nach Überzeugung der Berufungskammer ist hier ein "an sich" geeigneter Kündigungsgrund in vorgenanntem Sinne gegeben.

a) Zu den "an sich" eine fristlose Kündigung rechtfertigenden Umständen zählt grundsätzlich auch die Beleidigung des Arbeitgebers, eines Vorgesetzen oder eines Arbeitskollegen durch den gekündigten Arbeitnehmer.

Dabei kommt es - wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeht - nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist (KR-Fischermeier, 6. Aufl., § 626 BGB Rn. 415, m.w.N.).

Grobe Beleidigungen, die nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen grundsätzlich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB dar (KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 484, m.w.N.).

Dem Arbeitsgericht ist auch darin uneingeschränkt beizupflichten, dass ein "an sich" zur Kündigung geeigneter wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB auch dann vorliegt, wenn - wie hier - ein Arbeitnehmer bei der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit einen Auftrageber bzw. einen Kunden grob beleidigt. Zwar steht insoweit nicht die Störung des Betriebsfriedens im Vordergrund. Die grobe Beleidigung eines Kunden gefährdet indes regelmäßig diese Kundenbeziehung und ist zudem geeignet, das Ansehen des Arbeitgebers herabzusetzen, da das Verhalten eines Mitarbeiters aus Sicht des Kunden regelmäßig diesem zugerechnet wird. Damit verletzt ein solches Gebahren eines Arbeitnehmers die ureigensten wirtschaftlichen Interessen seines Arbeitgebers, so gravierend, dass diesem die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers - je nach den Umständen des Einzelfalles - u.U. nicht zuzumuten ist.

b) Nach den aufgrund der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen M. getroffenen Feststellungen, die der Kläger in der Berufungsinstanz nicht zu erschüttern vermochte, ist das Arbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser der Beklagten mit seinem Verhalten am 18.08.2004 an sich einen Anlass zum Ausspruch der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung gegeben hat.

Der Kläger hat danach für die Mitarbeiterin einer Firma, mit der die Beklagte bereits seit Jahren in Geschäftsbeziehungen stand, hörbar und auf diese bezogen lautstark geschrieen, er - der Kläger - schmeiße die "dumme Sau" raus, wenn nicht sogleich der Betriebsleiter geholt werde.

Diese grob beleidigende Äußerung wiegt umso schwerer, weil sich weder aus der Aussage des Zeugen, noch nach dem Vortrag des Klägers irgendwelche nachvollziehbaren Gründe für dessen schwerwiegende Entgleisung ergeben. Vielmehr hat die betroffene Kundin lediglich von ihrem Recht als Auftraggeberin Gebrauch gemacht, Wünsche und Vorgaben für die Auftragsausführung zu äußern.

Noch erschwerend kommt hinzu, dass es der Kläger hierbei nicht hat bewenden lassen. Vielmehr hat er dem Zeugen gegenüber, wenn auch nach dessen Eindruck außerhalb der Hörweite der Kundin, diese als "dumme F ... (es folgt eine äußerst ordinäre Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan)" bezeichnet, was - gelinde ausgedrückt - an Geschmacklosigkeit und verächtlicher Gesinnung kaum mehr zu überbieten ist.

Der Kläger hat damit eine Unbeherrschtheit und ein geschäftsschädigendes Verhalten an den Tag gelegt, das von einem Arbeitgeber, der auf ein kundenfreundliches Verhalten und die besondere Pflege langfristiger Geschäftskontakte angewiesen ist, nicht hingenommen werden muss.

2. Entgegen der Meinung des Klägers erweist sich die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung auch nicht deswegen als unwirksam, weil - was unstreitig ist - der Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht abgemahnt wurde. Vielmehr war eine Abmahnung vorliegend nach Überzeugung der Kammer entbehrlich.

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedurfte es bei Vertragsverletzungen, die - wie hier - (auch) zu einer Störung im Vertrauensbereich führen, grundsätzlich keiner vorherigen Abmahnung (BAG Urteil vom 04.04.1974, EzA § 15 KSchG a.F. Nr. 1). Begründet wurde dies damit, dass Vertragsverletzungen im Vertrauensbereich die zwischen den Parteien erforderliche Vertrauensgrundlage durch die Verletzungen der Treuepflicht durch den Arbeitnehmer schwer beeinträchtigen.

b) Inzwischen vertritt das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 04.06.1997, EzA § 626 BGB Nr. 168) die Auffassung, dass auch bei Störungen im Vertrauensbereich vor Ausspruch der Kündigung dann eine Abmahnung erforderlich ist, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann.

Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist indes auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG Urteil vom 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 - AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969).

Letzteres ist nach Überzeugung der Kammer der Fall.

Die Meinung des Klägers, eine Abmahnung sei deswegen erforderlich gewesen, weil es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt habe, vermag nicht zu überzeugen.

Insoweit hat der Zeuge M. bekundet, dass die Kundin, die der Beklagten bereits lange bekannt gewesen sei, dem Kläger keinerlei Anlass für dessen "Ausbrüche" gegeben habe. Vielmehr seien nach seiner Einschätzung die Beleidigungen durch das cholerische Temperament des Klägers veranlasst gewesen. Diesen kenne man in der Firma als aufbrausende Persönlichkeit. Der Kläger, der selbst keinen nachvollziehbaren Anlass oder sonstige Entschuldigungsgründe geltend macht, hat mithin eine Kundin, mit der die Beklagte zudem seit Jahren in einer Geschäftsbeziehung stand, ohne Grund in grober Art und Weise beleidigt und damit zugleich die geschäftlichen Interessen seines Arbeitgebers gravierend beeinträchtigt. Ihm musste nicht nur die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres erkennbar sein, sondern er konnte bei der vorliegenden schweren Pflichtverletzungen auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sein Verhalten hinnehmen würde.

Nach alledem bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung.

III. Bei dieser Sachlage nimmt das Arbeitsgericht völlig zu Recht auch an, dass die stets vorzunehmende Interessenabwägung nicht zugunsten des Klägers ausgeht.

Im Rahmen der Interessenabwägung sind dabei neben den Sozialdaten des Klägers und dem Gewicht des "an sich" geeigneten Kündigungsgrundes insbesondere auch die folgenden Umstände zu berücksichtigen: betrieblicher oder branchenüblicher Umgangston, Bildungsgrad und psychischer Zustand des Arbeitnehmers, Gesprächssituation (z.B. Anwesenheit von Dritten, Ernsthaftigkeit der beleidigenden Äußerung, Provokation durch den Betroffenen) sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens (KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 485, m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen die Kammer folgt, geht das Arbeitsgericht zu Recht davon aus, dass weder der Unterhaltspflicht des Klägers, noch dem Lebensalter des im August 1963 geborenen Klägers und schon gar nicht der relativ kurzen Dauer seiner Betriebszugehörigkeit (seit dem 10.05.2002) ein nachhaltig für den Kläger wirkender Ausschlag zukommt. Nach der gebotenen Abwägung mit den übrigen zu berücksichtigenden Faktoren ist der Beklagten wegen des Fehlverhaltens des Klägers eine Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfirst am 30.09.2004 nicht zuzumuten.

Auch nach Überzeugung der Berufungskammer wiegt das grob beleidigende und völlig unangemessene Verhalten des Klägers am 18.08.2004 schwer, zumal sich weder aus dem beiderseitigen Parteivorbringen noch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine auch nur annähernd plausible Erklärung hierfür ergibt. Dadurch hat der Kläger erkennbar die Kundenbeziehungen der Beklagten gefährdet sowie deren unternehmerischen Belange und deren wirtschaftlichen Wert für die Beklagte in keiner Weise beachtet. Es fehlte mithin an der notwendigen Verbundenheit des Klägers mit der Beklagten.

Auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände ergibt sich nichts anderes; weder im Hinblick auf den betrieblichen oder den branchenüblichen Umgangston, noch im Hinblick auf den Bildungsgrad und den psychischen Zustand des Klägers oder die konkrete (Gesprächs-)situation sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens, ergeben sich Anhaltspunkte, die den Kläger zu entlasten vermögen.

Da das Arbeitsverhältnis nach alledem bereits durch die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung beendet wurde, erweist sich auch die gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung gerichtete Klage als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§ 72 ArbGG) war die Zulassung der Revision nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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