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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 7/07
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IX, BGB, KSchG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
SGB IX § 85
BGB § 134
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 519
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 7/07

Entscheidung vom 19.04.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 12.10.2006 - Az: 11 Ca 970/96 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen ist.

Der am 20.07.1947 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 28.11.1991 als Automobilverkäufer zuletzt gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.117,00 € beschäftigt. Im Jahr 1994 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. Seit dem 18.10.2004 ist der Kläger ohne Unterbrechung arbeitsunfähig erkrankt. Per Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung - Zweigstelle des Landesamtes beim Amt für soziale Angelegenheiten - vom 09.05.2006 wurde auf den Widerspruch des Klägers vom 11.11.2005 gegen den Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten K. vom 25.10.2005 der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger mit insgesamt 50 bewertet. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2006 wird verwiesen (vgl. Bl. 12 bis 15 d. A.).

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

Die Parteien führten bereits mehrere Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -. Eine verhaltensbedingte Kündigung, die Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - unter dem AZ: 5 Ca 3413/01 war, nahm die Beklagte vor Durchführung des zweiten Gütetermins zurück. Ein Abmahnungsentfernungsprozess vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - (AZ: 11 Ca 598/05) endete per Vergleich, wonach die ursprüngliche Abmahnung aus der Personalakte entfernt wurde und durch eine neue Abmahnung ersetzt wurde, die befristet in der Personalakte verbleiben konnte. Des Weiteren stritten die Parteien vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - über Provisionsansprüche des Klägers (AZ: 11 Ca 1062/05). Insoweit haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen und den Rechtsstreit im Übrigen nicht fortgeführt. Ferner haben die Parteien einen Rechtsstreit über die zur Verfügung Stellung eines Firmen-PkwŽs geführt.

Mit Schreiben vom 26.04.2006, dem Kläger am 27.04.2006 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2006. Die Kündigung erfolgte aus krankheitsbedingten Gründen.

Gegen diese Kündigung richtete sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht am 19.05.2006 eingegangenen Klage, die auch einen Auflösungsantrag beinhaltete.

Die Beklagte erklärte sodann im Schriftsatz vom 31.05.2006 die "Rücknahme" der Kündigung. Unter dem 07.09.2006 hat die Beklagte nach Einholung der Zustimmung durch das Integrationsamt eine weitere Kündigung zum 30.06.2007 ausgesprochen.

Von einer wiederholten Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 12.10.2006 (dort Seite 4 bis 7 = Bl. 67 bis 70 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch das Schreiben - bzw. die Kündigung der Beklagten vom 26.04.2006 nicht aufgelöst worden ist;

2. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber einen Betrag in Höhe von 21.000,- € nicht unterschreiten soll, aufzulösen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.10.2006 der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 26.04.2006 stattgegeben und im Übrigen den Auflösungsantrag des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dahingestellt bleiben könne, ob die Kündigung gemäß § 85 SGB IX i. V. m. § 134 BGB unwirksame Kündigung auch sozialwidrig sei, weil die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht festgestellt werden könne. Diese Unzumutbarkeit könne sich einmal aus den Umständen der Kündigung selbst ergeben, aber auch aus Umständen, die nach Ausspruch der Kündigung lägen. Umstände im Zusammenhang mit der Kündigungserklärung selbst behaupte der Kläger nicht. Umstände, die nach Ausspruch der Kündigung liegen würden und die die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Soweit der Kläger behaupte, von der Beklagten in den letzten Jahren nicht korrekt behandelt worden zu sein, würden diese Umstände vor Ausspruch der Kündigung liegen und aus diesem Grunde nicht berücksichtigt werden können. Soweit der Kläger befürchte, in Zukunft unkorrekt behandelt zu werden, bestünde kein innerer Zusammenhang mit der Kündigung oder dem Kündigungsschutzverfahren. Insoweit begründe der Kläger diese Befürchtungen unter Verweis auf in der Vergangenheit liegenden Vorfälle und nicht mit der Kündigung oder mit diesem Rechtsstreit im Zusammenhang stehenden Umständen. Soweit die Beklagte erneut eine ordentliche Kündigung ausgesprochen habe, handele es sich nicht um eine Trotz-Kündigung, da diese erfolgt sei vor dem Hintergrund, dass die streitgegenständliche Kündigung mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes aus formellen Gründen unwirksam sei. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger seit dem 18.10.2004 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei und dieser selbst davon ausgehe, dass ihm die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit bei der Beklagten aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein werde, sei eine erneute krankheitsbedingte Kündigung nicht mutwillig. Soweit dem Kläger aufgrund seiner körperlichen Gebrechen die Tätigkeit bei der Beklagten nicht möglich sei, könne auch dies keinen Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG darstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 8 ff. d. Urteils vom 12.10.2006 (= Bl. 71 ff. d. A.) verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 04.12.2006 zugestellt. Der Kläger hat am 04.01.2007 Berufung eingelegt und am 05.03.2007 sein Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.03.2007 verlängert worden ist.

Der Kläger trägt zweitinstanzlich unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages vor,

die Annahme des Arbeitsgerichts, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest nicht unzumutbar sei, sei rechtsfehlerhaft. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG müsse im Besonderen im Lichte des Artikels 2 Abs. 1 GG gesehen werden. Es sei unter Beweisanbietung dargetan, dass die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kausal auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen gewesen sei. Das Verhalten der Beklagten habe psychosomatische Störungen bei ihm hervorgerufen. Die ausgesprochene Kündigung sei das Ziel einer langen und beschwerlichen Arbeitszeit ab 2004, einhergehend mit Mobbing, Repressalien und ständig neuen Leistungsanforderungen seitens der Beklagten gewesen. Insoweit ergebe sich, dass die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit der Kündigung bzw. mit dem Kündigungsschutzprozess stehe. Hierfür sei Beweis angeboten worden durch Vernehmung der Zeugin E. A. und Beweis durch Sachverständigengutachten. Aufgrund der dargetanen Erkenntnisse hinsichtlich der Störungen und Verhaltensweisen einhergehend mit einem medizinisch-psychologischen Gutachten hätte sich ergeben, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen allein auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen seien.

Der Sachverhalt des Mobbings sei dargetan. Das Arbeitsgericht hätte zumindest eine erforderliche negative Zukunftsprognose konstatieren müssen, nämlich ob eine Wiederholungsgefahr bestünde oder ob durch die belastenden Auswirkungen der in der Vergangenheit abgeschlossenen Vertragsverletzungen seitens der Beklagten die Grundlage für die Fortführung der Vertragsbeziehung irreparabel gestört sei oder nicht. Bislang habe sich die Rechtssprechung nicht grundlegend mit der Frage befasst, inwieweit kündigungsrechtliche Auswirkungen von Mobbinghandlungen in Bezug auf die einschlägige Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG bestünden. Es sei nicht einsichtig, warum im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses die Unzumutbarkeit bejaht werde, etwa wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Laufe des Kündigungsschutzprozesses beleidige, nicht jedoch, wenn durch die an den Tag gelegten Verhaltensweisen über einen langen Zeitraum dazu führten, dass psychosomatische Auswüchse gesundheits- bzw. lebensgefährdente Symptome hervorbringe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied, vom 12.10.2006, AZ: 11 Ca 970/06, zugestellt am 04.12.2006, die Beklagte zu verurteilen, eine Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber einen Betrag in Höhe von 21.000,- € nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und bestreitet die Behauptung, den Kläger in irgend einer Weise "gemobbt" zu haben, insbesondere dazu beigetragen zu haben, dass der Kläger erkrankt sei. Soweit der Kläger erreichen wolle, dass § 9 KSchG einen eigenständigen Kündigungsgrund hergebe, sei dies von der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gewünscht und außerdem systemwidrig.

Bezüglich des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 19.04.2007 verwiesen. Die Verfahrensakten des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - mit den Aktenzeichen 5 Ca 3413/01, 11 Ca 598/05 und 11 Ca 1062/05 wurden zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. d. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Soweit das Urteil vom 12.10.2006 mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen worden ist, hat es in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Der Antrag des Klägers in der Berufungsbegründungsschrift vom 05.03.2007, wonach die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts vom 12.10.2006 verurteilt werden soll, eine Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber einen Betrag in Höhe von 21.000,- € nicht unterschreiten sollte, zu zahlen ist dahin auszulegen, dass der Kläger die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen die geltend gemachte Abfindung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG begehrt. Für diese Auslegung spricht sowohl der Antrag zu 2. im erstinstanzlichen Verfahren als auch das Vorbringen des Klägers und Berufungsklägers zur Begründung seiner Berufung.

2.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Auflösungsantrag zurückgewiesen.

Gemäß § 9 Abs. 1 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn das Gericht feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist und dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist.

a.

Soweit die Kündigung vom 26.04.2006 bereits im Hinblick auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes wegen § 85 SGB IX i. V. m. § 134 BGB unwirksam ist, steht dies einem Auflösungsantrag grundsätzlich nicht entgegen, wenn die notwendige Voraussetzung der Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG erfüllt ist. Somit kann der Auflösungsantrag auch gestellt werden, wenn die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam ist (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Aufl., D RZ. 1866).

b.

Die Sozialwidrigkeit der Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG hat das Arbeitsgericht bereits dahingestellt bleiben lassen, weil es die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht als erfüllt ansieht. Dem wird im Ergebnis zugestimmt.

An den Auflösungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind geringere Anforderungen zu stellen, wie an den wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezieht sich bei der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB lediglich auf den Zeitraum der Kündigungsfrist bzw. auf die Zeit bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und § 626 BGB schützt auch den Arbeitgeber vor einer unberechtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers. Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG geregelte Auflösungsmöglichkeit dient demgegenüber allein dem Schutz des Arbeitnehmers vor einer Weiterarbeit unter unzuträglichen Arbeitsbedingungen. Der im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses soll nur solange aufrecht erhalten werden, als dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist. Mithin bezieht sich das Merkmal der Unzumutbarkeit anders als bei § 626 BGB nicht auf einen zeitlich begrenzten Zeitraum, sondern auf die gesamte zukünftige Dauer des Arbeitsverhältnisses (vgl. KR-Spilger, 8. Auflage, § 9 KSchG, Rd-Ziffer 39). Gleichwohl ist die Unzumutbarkeit des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht gleichzusetzen mit Sozialwidrigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG oder Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB, so dass die Unwirksamkeit der Kündigung nicht gleichsam die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bedingt. So begründet allein der Umstand, dass ein Kündigungsschutzprozess geführt worden ist, für den Arbeitnehmer grundsätzlich noch nicht die Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (KR-Spilger, a. a. O., Rd-Ziffer 45). Der Arbeitnehmer hat somit kein Wahlrecht, ob er bei festgestellter Unwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis fortsetzen oder gegen eine Abfindung ausscheiden will. Die Unzumutbarkeit muss sich vielmehr aus weiteren Umständen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang zu der vom Arbeitgeber erklärten sozialwidrigen Kündigung stehen oder die im Laufe des Kündigungsrechtsstreits entstanden sind (vgl. KR-Spilger, a. a. O.).

Soweit der Kläger zur Begründung des Auflösungsantrages auf behauptete Umstände abstellt, die sich vor der Kündigung vom 26.04.2006 ereignet haben sollen, steht dem dieser zeitliche Umstand grundsätzlich nicht entgegen soweit nur ein innerer Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitgebers besteht. Dieser wäre aber nur dann anzunehmen, wenn entweder die Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen im Zusammenhang mit einem dem Arbeitgeber vorwerfbaren Verhalten steht oder wenn Umstände in Betracht kommen, die den Schluss nahe legen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Falle der Rückkehr in den Betrieb benachteiligen oder sonst wie unkorrekt behandeln wird (vgl. KR-Spilger, § 9 KSchG Rd-Ziffer 41). Der Kläger behauptet, die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sei kausal auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen, da dies bei ihm psychosomatische Störungen hervorgerufen hätte. Soweit der Kläger sodann darauf abstellt, dass die Kündigung vom 26.04.2006 das Ziel einer langen und beschwerlichen Arbeitszeit des Klägers ab 2004 sei, einhergehend mit Mobbing, Repressalien und ständigen neuen Leistungsanforderungen seitens der Beklagten, ist dieses Vorbringen weder schlüssig noch im Hinblick auf die bereits seit Oktober 2004 bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers belegt.

Unter Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte zu verstehen. Erforderlich sind aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen, nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall ein von der Rechtsordnung missbilligendes Ziel verfolgen und in ihrer Gesundheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre, den Körper oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Es setzt ein systematisches Vorgehen voraus, das im Rahmen einer klaren Täter-Opfer-Konstellation zur Verletzung eines Rechtsguts des Betroffenen führt (LAG Rheinland-Pfalz, Urt.v. 20.06.2006 - 2 Sa 67/06).

Der Kläger behauptet zwar eine gegen ihn seit Ausspruch der ersten Kündigung in 2001 gestartete Mobbingstrategie, die sich in den zahlreichen Prozessen äußere. Dem Vorbringen des Klägers hierzu lassen sich jedoch keine Umstände entnehmen, aus denen der Eindruck gewonnen werden kann, sein Arbeitgeber provoziere durch bewusst vertragswidriges oder sogar treuwidriges Verhalten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien. So hat die Beklagte noch vor Durchführung des zweiten Gütetermins die Kündigung aus 2001 im Verfahren des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - mit dem AZ: 5 Ca 3413/01 zurückgenommen. Aus den Vergleichen vor dem Arbeitsgericht in den Verfahren auf Entfernung einer Abmahnung sowie wegen Provisionsansprüche des Klägers wird deutlich, dass beide Parteien gegenseitig nachgegeben haben, so dass nicht angenommen werden kann, dass eine Partei offensichtlich im Recht bzw. Unrecht gewesen ist. Eine Willkürlichkeit im Verhalten des Arbeitgebers, welches die Verfahren des Klägers gegen diesen provoziert haben soll, hat der Kläger jedenfalls nicht dargestellt.

Darüber hinaus darf es auch dem Arbeitgeber nicht verwehrt sein, seine eigenen Interessen sozialadäquat zu wahren und diese auch insbesondere verfahrensrechtlich durchzusetzen. Wenn somit die Beklagte zunächst eine Kündigung ausgesprochen hat, die sie später zurückgenommen hat oder eine Abmahnung formuliert oder vermeintliche Provisionsansprüche seines Arbeitnehmers nicht erfüllt oder dem Arbeitnehmer ein anderes Fahrzeug überlässt, als dieser wünscht, kann dies nur dann Folge einer sogenannten Mobbingstrategie sein, wenn der Arbeitgeber durch diese jeweiligen Einzelmaßnahmen eigene Interessen im nicht sozialadäquaten Maße wahrt. Zu der Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die auf ihn abgeschlossene Lebensversicherung nicht weiter bedient und eine Benachrichtigung des Klägers diesbezüglich unterlassen hat, hat sich die Beklagte nicht eingelassen, so dass dieser Vortrag unstreitig ist. Soweit sich die Beklagte durch dieses Tun vertragswidrig verhalten haben sollte, vermag diese Vertragswidrigkeit weder an sich noch im Zusammenhang mit den angesprochenen Verfahren die Behauptung des Mobbings zu begründen. Ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren des Klägers durch die Beklagte ist jedenfalls nicht auszumachen.

Soweit der Kläger behauptet hat, vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit habe er 60 Stunden und mehr gearbeitet, hat die Beklagte diese Behauptung bestritten. Selbst wenn der Kläger in diesem Umfang gearbeitet hätte, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, ob und aufgrund welcher Umstände die Beklagte hierfür verantwortlich ist.

Soweit der Kläger behauptet hat, sowohl sein Hausarzt als auch sein Internist und Kardiologe könnten Aussagen darüber machen, wie sich aufgrund des klägerseits behaupteten Verhaltens der Beklagten die stressbedingten Krankheitssymptome des Klägers entwickelt hätten und zu welchen Folgen dies führen würde, ist dieser Sachvortrag zum einen unsubstantiiert. Zum anderen würden diese Aussagen noch nichts darüber besagen, dass die Beklagte für etwaige durch Stresssituationen am Arbeitsplatz bedingte Krankheitssymptome verantwortlich ist. Insbesondere lässt sich seinem Vortrag auch nicht entnehmen, inwieweit bei einer Rückkehr in den Betrieb der Beklagten mit Mobbing zu rechnen wäre. Soweit der Kläger das Verhalten der Beklagten entsprechend wertet und eine Ursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten für seine Erkrankung ausmacht, ist vielmehr entscheidend, ob diese gesundheitliche Reaktion auf ein Verhalten des Beklagten zurückzuführen ist, welches das sozialadäquate Maß übersteigt oder ob sie aus der speziellen Befindlichkeit des Klägers folgt. Im letzteren Fall wären die psychosomatischen Beschwerden nicht der Beklagten zurechenbar. Insoweit wäre es Sache des Arbeitnehmers durch Arbeitnehmerkündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.

Nach Auffassung der Kammer spricht auch der Umstand, dass der Kläger bereits seit Oktober 2004 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt ist und somit seit circa 2 1/2 Jahren nicht mehr im Betrieb der Beklagten arbeitet gegen die nötige Feststellung, dass die Beklagte durch ihr vorwerfbares Verhalten die Krankheitssymptome beim Kläger in zurechenbarer Weise verursacht hat.

Schließlich hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die erneute ordentliche Kündigung vom 07.09.2006 zum 30.06.2007 nicht geeignet ist, einen Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Diese Kündigung ist im Hinblick auf die nicht eingeholte Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung vom 26.04.2006 erforderlich geworden. Es ist dem Arbeitgeber zuzubilligen, mit allen ihm zur Verfügung stehende Mittel eine aus seiner Sicht sozial gerechtfertigte Kündigung durchzusetzen (vgl. BAG, Urt. v. 27.03.2003, Az: 2 AZR 9/02). Diese dürfte auch - worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist - nicht willkürlich sein, da der Kläger bereits seit dem 18.10.2004 arbeitsunfähig erkrankt ist. Soweit sich der Kläger auf körperliche Beeinträchtigungen zur Begründung seines Auflösungsantrages beruft, sind diese der Beklagten ebenso wenig zurechenbar und können keinen Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG darstellen.

c.

Ohne dass eine ausdrückliche Feststellung erfolgen soll, ist anzumerken, dass die Kammer im Übrigen Bedenken daran hat, ob die grundsätzliche Voraussetzung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, die der Arbeitnehmer zu beweisen hat, im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegeben war. Dagegen könnte sprechen, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt 1 Jahr und 8 Monate ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist und aufgrund der Begründung seines Auflösungsantrages nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger weiterhin dauerhaft nicht seiner Arbeitsleistung bei der Beklagten wird erbringen können. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da es bereits an einem Auflösungsgrund fehlt.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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