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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 841/05
Rechtsgebiete: LuftVG, BGB, ArbGG, ZPO, TVG


Vorschriften:

LuftVG § 31 b Abs. 1 Satz 2
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 analog
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
ZPO § 926
ZPO § 936
TVG § 4 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 841/05

Entscheidung vom 23.02.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern O - vom 01.09.2005 - Az.: 11 Ga 9/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten, untersagt wird, Streiks und Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 02.08.2005 durchgesetzt werden soll.

2. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision kann nicht zugelassen werden.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagte im Betrieb der Verfügungsklägerin zum Zwecke des Abschlusses von Tarifverträgen für die Fluglotsen Streikmaßnahmen durchführen darf.

Die Verfügungsklägerin betreibt den Flughafen C Die Fluglinie W hat einen Anteil von etwa 69% des Umsatzes aus Flughafengebühren und Entgelten. Derzeit verhandelt W mit der Verfügungsklägerin über die Stationierung weiterer Flugzeuge. Die Verfügungsklägerin beschäftigt ca. 285 Arbeitnehmer, davon etwa 13,5 Fluglotsen und 3 Flugsicherungstechniker, die zu ca. 75 % bei dem Verfügungsbeklagten - Gewerkschaft der R (im Folgenden GdF) - organisiert sind.

Die Flugsicherung Deutschland wurde 1992 privatisiert. Sie wird von der bundeseigenen Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) mit Sitz in V wahrgenommen. Diese betreibt den Fluglotsendienst an allen Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet. Sie beschäftigt ca. 5.150 Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden. Die Fluglotsen mit ca. 1800 Mitarbeitern stellen die größte Berufsgruppe. Etwa 1.000 Ingenieure und Techniker sind mit der Planung, Realisierung und dem Betreiben der für die Flugsicherung notwendigen technischen Systeme befasst. Im Luftfahrtbundesamt sind in der Abteilung Flugsicherung noch 128 Arbeitnehmer beschäftigt. Außerhalb der von der DSF betreuten Flughäfen gibt es an etwa 15 Regionalflughäfen ca. 200 im Bereich der Flugsicherung beschäftigte Mitarbeiter. Sie sind Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften oder den Betreibergesellschaften der Regionalflughäfen und nach § 31 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vom Bundesministerium für Verkehr mit Flugsicherungsaufgaben individuell beauftragt worden.

Nachdem zunächst bei der Verfügungsklägerin tarifvertragliche Regelungen lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme galten, kam es im November 2000 zum Abschluss mehrerer Haustarifverträge mit der Q und der ÖTV. Derzeit gelten ein Manteltarifvertrag, ein Entgeltrahmentarifvertrag, ein Tarifvertrag über eine leistungsbezogene Bezahlung, ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung, ein Öffnungstarifvertrag zur Entgeltumwandlung, ein Überleitungstarifvertrag sowie ein sogenannter Feuerwehrtarifvertrag mit einer Sonderregelung für die Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin, die hauptberuflich im operativen feuerwehrtechnischen Dienst tätig sind.

Am 12.08.2005 schlossen die Gewerkschaft V und die Verfügungsklägerin ein Entgeltabkommen für alle Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin und wegen gesetzlicher Änderungen im Arbeitszeitgesetz einen Feuerwehrtarifvertrag.

Mit der Q und später mit V waren der Verband deutscher Flugleiter (VDF) und der Verband deutscher Flugsicherungstechniker und Ingenieure (FTI) zunächst durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Die Mitglieder des VDF und des FTI, waren aufgrund der Vereinbarung zugleich Einzelmitglieder der Q und später V. Sie erhielten tarif- und betriebspolitische Betreuung und entsandten Mitglieder in Tarif- und Verhandlungskommissionen. Im Anschluss an eine ordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages durch den VDF zum 31.10.2003 kündigte V diesen im Herbst 2002 außerordentlich. Im Februar 2003 wurde die Gewerkschaft der Q als nichtsrechtsfähiger Verein gegründet. Nachdem es über die Frage der Wirksamkeit dieser Gründung Streit gegeben hatte, fand eine Neugründung als Gewerkschaft der Q e.V. - des Verfügungsbeklagten - statt, die am 15.09.2003 im Register des Amtsgerichts U am T eingetragen worden ist.

Nach § 4 der Satzung des Verfügungsbeklagten in derFassung vom 07.03.2004 umfasst sein Organisationsbereich alle mit der Durchführung der Flugsicherung befassten Unternehmen und Betriebe, sowie alle Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Eintragung des GdF Mitglied des VDF oder des FTI waren sowie auch die GdF und ihre Einrichtungen.

Mit Schreiben vom 12.05.2003 hatte zunächst der nicht rechtsfähige Verein GdF erfolglos Tarifverhandlungen mit der Verfügungsklägerin für das Flugsicherungspersonal verlangt. Mit Schreiben vom 14.10.2003 begehrte der Verfügungsbeklagte erneut unter Hinweis auf einen von ihm skizzierten Themenkatalog die Aufnahme von Tarifverhandlungen für die am Flughafen O tätigen Lotsen. Er setzte eine Frist bis zum 29.10.2003 und wies darauf hin, dass die Verfügungsklägerin "ab diesem Zeitpunkt mit jederzeitigen Warnstreiks und - bei entsprechender Beschlussfassung - mit der Einleitung einer Urabstimmung rechnen muss".

Am 29.10.2003 hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten mit dem Ziel beantragt, diesem zu untersagen, Arbeitskampfmaßnahmen in ihrem Betrieb durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen vom 14.10.2003 durchgesetzt werden solle. Mit Urteil vom 07.11.2003 (Az.: 6 Ga 2003/03) hat das Arbeitsgericht S - Auswärtige Kammern M - dem Antrag entsprochen. Die hier gegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 22.06.2004 (Az.: 11 Sa 2096/03). Gegen diese Entscheidung hat die Verfügungsbeklagte Verfassungsbeschwerde eingereicht (1 BvR 1674/04).

Der Verfügungsbeklagte hatte auch die DFS aufgefordert, mit ihr in Tarifverhandlungen einzutreten. Das von der DFS auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen eingeleitete einstweilige Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht N mit Urteil vom 03.03.2004 (Az.: 5 Ga 1/04) abgewiesen und zugleich die Tariffähigkeit der Verfügungsklägerin bejaht. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht U (Az.: 9 SaGa 593/04) zurückgewiesen.

Am 19.11.2004 sind die Tarifverhandlungen zum Abschluss eines Haustarifvertrages mit der DFS mit Abschluss von 11 Tarifverträgen beendet.

Mit Beschluss vom 02.06.2005 (Az.: 3 BV 11/04) hat das Arbeitsgericht N zudem den Antrag der DFS, festzustellen, dass der Verfügungsbeklagte keine Gewerkschaft sei, zurückgewiesen. Unter dem 02.08.2005 hat der Verfügungsbeklagte mit der DFS einen Freistellungstarifvertrag abgeschlossen, der die DFS verpflichtet, den Bundesvorsitzenden, den Vorsitzenden Tarif/Recht zu jeweils 50% und die Tarifkommissionsmitglieder sowie die Übrigen Verbandsmitglieder der Verfügungsbeklagten zur Wahrnehmung von tariflichen und/oder verbandspolitischen Aufgaben unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freizustellen, was durch den Verfügungsbeklagten der DFS finanziell ausgeglichen wird.

Mit Schreiben vom 04.07.2005 und 02.08.2005 (Bl. 41 f. und 45 f. d.A.) forderte der Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin erneut zur Aufnahme von Tarifverhandlungen bis spätestens 22.08.2005 auf und drohte für den Fall der Nichtaufnahme die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen an.

Dies lehnte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 26.07.2005 (Bl. 43 f. d.A.) ab.

Die Verfügungsklägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, die (erneut) angekündigten Streikmaßnahmen seien rechtswidrig. Es bestehe ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog.

Es bestünden bereits erhebliche Bedenken hinsichtlich der Gewerkschaftseigenschaft des Verfügungsbeklagten. Etwaige Arbeitskampfmaßnahmen des Verfügungsbeklagten seien bereits deswegen rechtswidrig, weil die beliehenen Fluglotsen hoheitliche Aufgaben wahrnähmen und sich schon aus diesem Grund nicht an einem Streik beteiligen dürften.

Angesichts der bestehenden tariflichen Regelungen stehe zudem das Prinzip der Tarifeinheit gesonderten Tarifverhandlungen und damit Arbeitskampfmaßnahmen entgegen.

Ein Verfügungsgrund liege ebenfalls vor. Ohne einstweiligen Rechtsschutz sei sie den rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen schutzlos ausgesetzt. Die finanziellen Auswirkungen eines Arbeitskampfes gingen über den Verlust durch unmittelbar streikbedingte Flugausfälle hinaus.

Sie würden darüber hinaus den in den letzten Jahren mühsam beschrittenen Aufbauweg unter die Top 10 der deutschen Flughäfen durch Kundenverlust zerstören. Ein Streik hätte katastrophale Auswirkungen für den Flughafen.

W würde den Flughafen U/ O im Falle eines Streiks als Risiko im Rahmen ihrer derzeitigen und künftigen Strategie sehen und diesen Standort nicht aufrechterhalten mit der Folge der Gefährdung von ca. 69 % des Umsatzes.

Es würde für die Muttergesellschaft M jeglicher Anreiz entfallen, die auch in den nächsten Jahren zu erwartenden Verluste auszugleichen. Es wäre zu befürchten, dass der Unternehmensvertrag zum 31.12.2005 gekündigt würde mit der unmittelbaren Folge ihrer Zahlungsunfähigkeit.

Die erforderliche Interessenabwägung spreche für den Erlass einer Unterlassungsverfügung. Ihr Interesse an der Verhinderung von Arbeitskampfmaßnahmen sei höher zu bewerten als das Interesse des Verfügungsbeklagten an deren Durchführung.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

dem Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten zu untersagen, Arbeitskampfmaßnahmen in ihrem Betrieb durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 02.08.2005 durchgesetzt werden soll.

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte hat unter Darstellung seiner Organisation, seiner Mitgliederzahl und finanziellen Ausstattung sowie unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass es angesichts seiner zu bejahenden Gewerkschaftseigenschaft an einem Unterlassungsanspruch fehle.

Sie erfülle alle Anforderungen an die Tariffähigkeit.

Es fehle bereits ein Verfügungsanspruch. Dieser könne nur dann angenommen werden, wenn der von ihr angedrohte Arbeitskampf einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin darstellen würde. Dies sei indes nicht der Fall.

Die Erzwingung eines Tarifvertrages, der zu einer Tarifpluralität in einem Betrieb führe sei nicht unverhältnismäßig.

Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung dürfe dann nicht ergehen, wenn Zweifel an der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes verblieben.

Des Weiteren fehle es an einem Verfügungsgrund. Bei einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage seien die Anforderungen an den Verfügungsgrund erhöht.

Auch die vorzunehmende Interessenabwägung spreche gegen den Erlass der begehrten Untersagungsverfügung. Ein Verfügungsgrund sei auch deshalb zu verneinen, weil erfahrungsgemäß in der Flugsicherung zur Durchsetzung der Tarifforderung keine wochenlangen Erzwingungsstreiks erforderlich seien. Es würden nach Ankündigung verschiedene An- und Abflugsektoren für den Luftverkehr gesperrt und dann die Flugverbindungen etwa im vorliegenden Fall nach U/M. oder andere Flughäfen umgeleitet, was auch bei Verkehrsstörungen wie Nebel vorkomme und in der Luftverkehrsindustrie nicht ungewöhnlich sei.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Antragsschriftsatz vom 22.08.2005 sowie die Antragserwiderung vom 29.08.2005 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.09.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, dem Antrag stattgegeben.

Und dies im Wesentlich wie folgt begründet:

Bei dem Verfügungsbeklagten handele es sich zwar um eine Gewerkschaft, der Verfügungsanspruch sei aber dennoch geben, weil die angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen einen Verstoß gegen den das Arbeitskampfrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellten, da die vom Verfügungsbeklagte angestrebten Regelungen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit nicht zur Geltung kämen. Die Kammer folge insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Gerade in Eilverfahren, in denen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht herbeigeführt werden könne, liege es im Interesse des Vertrauensschutzes nahe, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abzuweichen.

Die vom Verfügungsbeklagten angedrohten Arbeitskampfmaßnahmen wegen eines Tarifvertrages, der den für ihn allgemein vorgesehenen Zweck der normativen Regelung der von ihm erfassten Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nicht, sondern nur unter gewissen, vom Verfügungsbeklagten nicht beeinflussbaren Umständen erzielen würde, stünden außer Verhältnis zum Kampfziel.

Es könne daher dahinstehen, ob es der Verfügungsbeklagten ohnehin verwehrt gewesen sei, nach Rechtskraft des Urteils vom 22.06.2004 im Verfahren 11 Sa 2069/03 erneut mit Arbeitskampfmaßnahmen drohen zu dürfen.

Gegen dieses ihm am 27.09.2005 zugestellte Urteil wendet sich der Verfügungsbeklagte mit seiner am 17.10.2005 eingegangenen und am 18.11.2004 begründeten Berufung.

Der Verfügungsbeklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ein Verfügungsgrund sei zu verneinen, da der Grundsatz der Tarifeinheit auf Fälle sog. Tarifpluralität im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit keine Anwendung finden könne, insbesondere dann nicht, wenn es um die Geltung von Haustarifverträgen zweier konkurrierender Gewerkschaften gehe.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe daher zu Recht vielfältige Kritik geerntet.

Das Arbeitsgericht habe es an der notwendigen Interessenabwägung fehlen lassen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.Januar 2004 sowie die Schriftsätze vom 14. und 26. Mai 2004 Bezug genommen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts S - Auswärtige Kammern O - abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisenmit der Maßgabe, dass der Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung wie folgt neu gefasst wird:

Dem Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten untersagt, Streiks und Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 02.08.2005 durchgesetzt werden soll.

Die Verfügungsklägerin hält unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Wiederholung und Vertiefung ihres dahingehenden Vorbringens an ihrer Auffassung fest, bei dem Verfügungsbeklagten handele es sich nicht um eine Gewerkschaft. Nicht zuletzt seien die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen im Hinblick auf die bei ihr zu erwartenden Schäden zu untersagen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren wird auf ihren Berufungserwiderungsschriftsatz vom 20.02.2004 sowie den Schriftsatz vom 24.05.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Die Berufung ist somit insgesamt zulässig.

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen Verfügungsanspruch und den Verfügungsgrund bejaht.

1. Die Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere genügt jedenfalls der in der Berufungsinstanz präzisierte Antrag den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren gilt das Bestimmtheitserfordernis aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag muss also die konkrete Verletzungshandlung, deren künftige Begehung verboten werden soll, so genau bezeichnen, dass der Antragsgegner sich erschöpfend verteidigen kann und der Antrag rechtskraft- und vollstreckungsfähig ist (LAG Hamm 31.05.2000 - 18 Sa 858/00 - ). Diesen Anforderungen wird jedenfalls der in der Berufungsinstanz präzisierte Antrag gerecht.

Die Verfügungsklägerin begehrt nunmehr konkret die Untersagung von Streiks und Warnstreiks durch den Verfügungsbeklagten in ihrem Betrieb, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 02.08.2005 durchgesetzt werden soll. Ein solcher Antrag ist ausreichend bestimmt (LAG Köln Beschluss vom 12.12.2005 (2 Ta 457/05).

2. Der Antrag ist auch begründet. Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung der angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen, den sie im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen kann.

a) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Arbeitskampf wird ganz überwiegend als grundsätzlich zulässig angesehen. Die Verfassungsgarantie aus Art. 9 Abs. 3 GG steht nicht entgegen, da sie nur für rechtmäßige Arbeitskämpfe gilt (Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2.Auflage, Rz. 766).

Da es sich in der Regel um eine Unterlassungsverfügung handelt, ist Voraussetzung ein Unterlassungsanspruch, der sich insbesondere aus der tarifvertraglichen Friedenspflicht oder aus §§ 1004, 823 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergeben kann.

In jedem Falle ist die Darlegung und Glaubhaftmachung der Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme bzw. des Arbeitskampfes erforderlich. Es bedarf nicht der offenkundigen Rechtswidrigkeit (Grunsky, aaO; G/M/M-G/P, ArbGG, 4. Auflage, § 62 Rz. 91; LAG Hamm Urt, vom 08.08.1985 - 8 Sa 1498/95 - NZA 1985 743, 744). Weiterhin setzt der Verfügungsgrund voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Abwehr wesentlicher Nachteile notwendig ist, was nicht nur bejaht werden kann, wenn eine Notlage oder Existenzgewährdung zu befürchten ist (Walker, ZfA 1995, 185, 202 f.; LAG Hamm aaO und 31.05.2000 - 18 Sa 858/00 - juris Rz 58). Schließlich hat eine umfassende abschließende Interessenabwägung zu erfolgen (vgl. nur Schäfer, Der einstweilige Rechtsschutz im Arbeitsrecht, Rz. 262 ff.).

b) Es besteht ein Anspruch der Verfügungsklägerin aus § 1004, 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung des beabsichtigten Arbeitskampfes. Dieser wäre nicht rechtmäßig und deshalb ein rechtswidriger Eingriff in das Recht der Verfügungsklägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Urt. vom 22.06.2004 - 11 Sa 2069/03 -; LAG Rheinland-Pfalz Urt. vom 05.03.1986 - 1 Ta 50/86 - NZA 1986, 264, 265).

aa) Trotz der ausführlichen Argumentation des Verfügungsbeklagten und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2004 (Az.: 1 ABR 51/03 ) schließt sich die erkennende Kammer der Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 22.06.2004 an.

Dabei kann dahin stehen, ob der in dem dortigen Urteil vertretenen Auffassung, die Rechtswidrigkeit des Streiks ergebe sich bereits daraus, dass der Verfügungsbeklagte nicht als Gewerkschaft angesehen werden könne, insbesondere angesichts des vorgenannten Urteils des Bundesarbeitsgerichts weiterhin gefolgt werden kann.

bb)Jedenfalls stellt der angedrohte Streik einen Verstoß gegen den das Arbeitskampfrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Denn die von dem Verfügungsbeklagten angestrebten Regelungen kämen nach Überzeugung der Kammer nach dem Grundsatz der Tarifeinheit nicht zur Geltung.

Im Einzelnen:

(1) Das LAG Rheinland-Pfalz geht in seiner Entscheidung vom 22.06.2004 (a.a.O.) davon aus, dass durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten zum einem Fall von Tarifpluralität käme. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

Die Verfügungsklägerin ist als jeweilige Tarifvertragspartei schon an die mit V geschlossenen Tarifverträge und wäre sodann auch an die mit dem Verfügungsbeklagten geschlossenen Tarifverträge gebunden. Diese Tarifverträge hätten - was jetzt schon erkennbar und entscheidend ist - einen sich überschneidenden Geltungsbereich, da die im Betrieb der Verfügungsklägerin geltenden Tarifverträge nach ihrem Geltungsbereich alle Arbeitnehmer und alle Arbeitnehmerinnen der Verfügungsklägerin, also auch die in der Flugsicherung Tätigen, für die ja der Verfügungsbeklagte Abschlüsse erzielen will, erfassen (vgl. zum Begriff der Tarifpluralität BAG Urt. vom 05.09.1990 - 4 AZR 459/90 - NZA 1991, 202, 203, Schliemann, Sonderbeilage zu NZA Heft 24/00, 24, 25 f). Die Fälle der Tarifpluralität löst das Bundesarbeitsgericht nach den gleichen Grundsätzen wie diejenigen der sogenannten Tarifkonkurrenz, die vorliegt, wenn für ein Arbeitsverhältnis die Individualnormen konkurrierender Tarifverträge unmittelbar und zwingend gelten, sei es auf Grund von Tarifgebundenheit oder Kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung (vgl. BAG aaO; Schliemann aaO). Es kommt nur der "speziellere" Tarifvertrag zur Anwendung.

Diese Rechtsprechung hat - was die Kammer nicht verkennt - zahlreiche Kritik im Schrifttum und auch in der Rechtsprechung erfahren (vgl. aus der letzten Zeit etwa Hessisches LAG 02.05.2003 - 9 Sa Ga638/03 - BB 2003,1229, 1231; Rieble, BB 2003,1227, 2228; die Nachweise bei Schliemann aaO, Fußnote 101), die der Verfügungsbeklagte nahezu vollständig vorträgt. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Ansicht unter Hinweis auf die Gebote der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit verteidigt und die Auffassung vertreten, die Koalitionsfreiheit sei nicht berührt. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge, die von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden seien, in einem Betrieb nebeneinander führe zu praktischen, kaum lösbaren Schwierigkeiten. Allein die betriebseinheitliche Anwendung des branchenspezifischen Tarifvertrages unter Anknüpfung an die Tarifbindung des Arbeitgebers sei geeignet, derartige Schwierigkeiten zu vermeiden. Wollte man auch auf die Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer abstellen, setzte dies eine rechtlich nicht begründbare und tatsächlich nicht durchsetzbare Pflicht zu deren Offenbarung voraus. Hinzu kämen die Schwierigkeiten durch Wechsel in der Gewerkschaftszugehörigkeit (BAG Urteile vom 05.09.1990, a.a.O., S. 204; 20.03.1991, a.a.O., S. 738 f; 26.01.1994 - 10 AZR 611/92 - NZA 1994, 1038, 1040 f; 04.12.2002 - 10 AZR 113/02 - a.a.O.). Das Bundesarbeitgericht sieht die Einschränkungen der einzelnen Koalitionen und ihrer Mitglieder als gerechtfertigt an, um die Tarifautonomie als Institution zu sichern.

Auch die erkennende Kammer folgt dieser Rechtsprechung; gerade im Eilverfahren, in dem eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht erreicht werden kann, liegt es im Interesse des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nahe, von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht abzuweichen. (vgl. Walker ZfA 1995, 185, 194; G/M/M-G/P, ArbGG, 4. A., § 62 ArbGG).

(2) Etwas anderes folgt nach Überzeugung der Kammer auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht in anderen - mit dem vorliegenden - nicht vergleichbaren Fällen, die der Verfügungsbeklagte im Einzelnen benannt hat, das Nebeneinander von verschiedenen Tarifverträge angenommen hat. Diesen Entscheidungen lagen jeweils völlig unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, ohne dass das Bundesarbeitsgericht seine grundsätzliche Rechtsprechung zur Tarifeinheit aufgegeben hat.

Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten auch nicht aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 14.12.2004 (- 1 ABR 51/03 -AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).

Dort ging es nicht - wie hier - um die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zu klärende Frage, ob angedrohte Streikmaßnahmen in einem Betrieb mit bestehendem Haustarifvertrag, der alle Arbeitnehmer des Betriebs umfasst, im Hinblick auf den Grundsatz der Tarifeinheit als nicht rechtmäßig anzusehen sind, sondern um die zwischen zwei Gewerkschaften im Vorfeld streitige Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifeinheit grundsätzlich der Bildung von (Sparten-)Gewerkschaften entgegensteht. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht - zutreffend - ausgeführt, dass der Grundsatz der Tarifeinheit dem Nebeneinander mehrerer konkurrierender Gewerkschaften nicht entgegensteht, sondern vielmehr Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt. Dementsprechend sei es einer Koalition unbenommen, sich um den Abschluss eines spezielleren, einen konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrag zu bemühen.

Damit hat das Bundesarbeitsgericht indes seine grundsätzliche Rechtsprechung zur Tarifeinheit gerade nicht aufgeben. Vielmehr verweist es an dieser Stelle (und zwar ohne Einschränkungen) ausdrücklich erneut auf sein Urteil vom 20.03.1991 (a.a.O.) und stellt schließlich "nur" klar, dass Tarifpluralität nicht dadurch vermieden werden könne, dass einer konkurrierenden Arbeitnehmervereinigung die Gewerkschaftseigenschaft abgesprochen werde.

(3) Im vorliegenden Fall geht es indes um etwas anderes, nämlich um die Frage, ob in einem auf Unterlassung von angedrohten Streikmaßnahmen gerichteten einstweiligen Verfügungsverfahren im Rahmen der Rechts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung, auch die Erreichbarkeit des von der Gewerkschaft in Ausübung ihrer Rechte aus Art. 9 Abs.3 GG mit den Arbeitskampfmaßnahmen verfolgten Ziel des Abschlusses eines (Sparten-)Tarifvertrages mit normativer Wirkung, anhand der vom Bundesarbeitsgericht - wie oben dargelegt - noch weiter vertretenen Rechtsprechung zur Tarifeinheit überprüft werden kann.

Letzteres ist auch nach Auffassung der erkennenden Kammer zu bejahen.

Streikmaßnahmen, die zwar geeignet sind, beim Arbeitgeber - und in diesem Fall im Hinblick auf die Daseinsvorsorge auch für Dritte - zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen zu führen, bei denen aber im Hinblick auf die - bereits feststehenden - sonstigen Umstände des Einzelfalles die Erreichbarkeit des Arbeitskampfziels mehr als fraglich erscheint, erweisen sich als unverhältnis- und rechtswidrig.

Dabei ist bei der Rechtsfrage, ob das Arbeitskampfziel erreicht werden kann, neben den gesetzlichen Regelungen auch die einschlägige Rechtsprechung, mithin auch diejenige zur Tarifeinheit heranzuziehen.

Im Einzelnen:

(a) Wie das Landesarbeitsgericht bereits in seinem Urteil vom 22.09.2004 ausgeführt hat, löst das Bundesarbeitsgericht die Fälle der Tarifpluralität nach den gleichen Grundsätzen wie diejenigen der sog. Tarifkonkurrenz. Es kommt nur der "speziellere" Tarifvertrag zur Anwendung.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ist damit aber nicht derjenige gemeint, der den engeren persönlichen Geltungsbereich hat, sondern darunter wird derjenige verstanden, der dem Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am Nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am Besten gerecht wird (LAG Rheinland-Pfalz Urt. vom 22.06.2004,a.a.O.; BAG Urt. vom 04.12.2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urt. vom 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - NZA 1991, 736, 739). Dies kann insbesondere auch der Tarifvertrag sein, der die Mehrheit der Arbeitnehmer erfasst (BAG 05.09.1990, a.a.O; Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn 77).

Der vom Verfügungsbeklagten angestrebte, nur für die in der Flugsicherung Tätigen geltende Tarifvertrag, der vorliegend nur etwa 15 von ca. 285 bei der Verfügungsklägerin beschäftigten Arbeitnehmer erfassen würde, ist daher im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht spezieller als derjenige, der für die Fluglotsen und die übrigen ca. 250 Arbeitnehmer gilt (Rolfs/Clemens NZA 2003 410, 414; Buchner a.a.O. S. 2124). Entscheidend ist, dass ein Tarifvertrag geeignet ist, eine tarifliche Ordnung für den Betrieb insgesamt zur Verfügung zu stellen (Buchner a.a.O. S. 2124).

Die erkennende Kammer teilt ausdrücklich die Auffassung des Landesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 22.06.2004, wonach im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles nach dem Prinzip der Tarifeinheit auch bei einem Tarifabschluss zwischen den Prozessparteien die bisher schon angewandten Tarifverträge heranzuziehen wären. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch soweit und obwohl es zur Folge hätte, dass Arbeitnehmer ihren eigenen Tarifschutz oder auch den Schutz eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages verlieren, ohne dass ihnen die Wirkungen des Tarifvertrages, dem Vorrang zugesprochen wird, zugute kommt, was das Bundesarbeitsgericht im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit hinnimmt (BAG Urteile vom 05.09.1990, a.a.O., S. 204; 26.01.1994, a.a.O. S. 1041).

(b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auf die ständige Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, wonach im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsgebot nur Arbeitskämpfe zulässig sind, die zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfzieles geeignet, erforderlich und nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen. (BAG Urt. vom 13.07.1993 - 1 AZR 676/92 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 127).

Dementsprechend verstößt ein Streik mit dem Ziel, einen Tarifvertrag zu schließen bzw. über dessen Abschluss zu verhandeln, der dann gar nicht zur Anwendung kommt, ebenfalls gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot (Buchner aaO S. 2126; Rolfs/ Clemens aaO; Rieble aaO S. 1228; Löwisch/ Rieble, Zulässigkeit von Arbeitskämpfen, AR-Blattei SD 170.2 Rn 44).

Zwar würde ein Tarifvertrag zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten wirksam zustande kommen, er käme während des Bestehens eines im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung spezielleren Tarifvertrages nicht zur Anwendung, sondern würde verdrängt (BAG Urt. vom 20.03.1991, a.a.O., S. 739). Die Mitglieder des Verfügungsbeklagten kämen nicht in den Genuss der erstrebten Regelung. Anwendung fänden die Tarifvorschriften nur im Falle einer Änderung des Geltungsbereichs der bestehenden Haustarifverträge bei der Verfügungsklägerin in Form einer Herausnahme der Fluglotsen oder für die Dauer eines Zeitraums, in dem die bestehenden Haustarifverträge mit V nur noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG Geltung beanspruchen könnten. Für beides gibt es keine Anhaltspunkte. Es ginge also um einen Arbeitskampf wegen eines Tarifvertrages, der den für ihn allgemein vorgesehenen Zweck der normativen Regelung der von ihm erfassten Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nicht, sondern nur unter gewissen, von dem Verfügungsbeklagten nicht beeinflussbaren Umständen erzielen würde. Es steht deshalb das Mittel des Arbeitskampfes außer Verhältnis zum Kampfziel (Buchner, a.a.O.; Rolfs/ Clemens, a.a.O.; Rieble, a.a.O. S. 1228; Löwisch/ Rieble, a.a.O.).

(4) Hinzu kommt, dass dem Arbeitskampfrecht in Bereichen der Daseinsvorsorge zum Schutz anderer Rechte Beschränkungen auferlegt werden können. Ein völliger Ausschluss des Arbeitskampfsrechts für bestimmte Bereiche kann aber nicht als zulässig angesehen werden. Die durch einen Arbeitskampf beeinträchtigten Rechte Dritter sind vielmehr durch Notdienste und ähnliches zu wahren (vgl. nur Kissel, Arbeitskampfrecht, § 28 Rz. 26; Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 31 b Rn12).

Im vorliegenden Verfahren hat der Verfügungsbeklagte indes nicht dargetan, dass er Vereinbarungen über derartige Notdienste angeboten hat.

(5) Auch im vorliegenden Fall ist die für den Unterlassungsanspruch erforderliche so genannte Erstbegehungsgefahr (vgl. dazu Walker ZfA 1995, 185, 199) gegeben.

In dem Schreiben vom 02.08.2005 hat der Verfügungsbeklagte durch seinen Bundesvorstand mitgeteilt, dass die Verfügungsklägerin nach ergebnislosem Fristablauf jederzeit mit Warnstreiks und ggf. einer Urabstimmung, also mit Arbeitskampfmaßnahmen rechnen müsse. Es bestand deshalb die ernstliche Gefahr, dass der Verfügungsbeklagte ab diesem Zeitpunkt Arbeitsniederlegungen bei der Verfügungsklägerin veranlassen würde.

c) Der notwendige Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben.

Der Verfügungsklägerin, der nach dem Vorstehenden ein Unterlassungsanspruch zusteht, droht ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verlust dieses Anspruchs durch Zeitablauf.

Auch die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Verfügungsklägerin aus.

a) Da es sich bei einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung eines Streiks um eine sog. Befriedigungsverfügung handelt, die nicht nur eine vorläufige Sicherung bewirkt, sondern für die Dauer ihrer Geltung vollendete Tatsachen schafft, hat im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes eine abschließende Interessenabwägung stattzufinden (LAG Rheinland-Pfalz Urt. vom 22.06.2004, a.a.O., m.w.N.). Dabei kommt es nicht vorrangig auf die Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens auf Seiten der jeweiligen Antragsteller an, sondern in erster Linie ist der zu erwartende Ausgang eines Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Je wahrscheinlicher ein Obsiegen des Arbeitgebers in der Hauptsache ist, umso mehr gehen seine Interessen denjenigen der Gewerkschaft vor. Ist umgekehrt der geplante Streik aus Sicht des Gerichts offenkundig rechtmäßig, ist das Verfügungsgesuch zurückzuweisen werden, auch wenn das bestreikte Unternehmen besonders hart betroffen ist (Schäfer, a.a.O. S. 188). Erst bei nicht eindeutiger Sach- und Rechtslage kommt es auf die Schutzbedürftigkeit der Parteien an.

Nach diesen Grundsätzen ergibt sich ein Überwiegen der Interessen der Verfügungsklägerin, da ihr Obsiegen im Hauptsacheverfahren sehr wahrscheinlich ist.

Mangels besonderer Umstände vermögen die Interessen des Verfügungsbeklagten eine schutzwürdigere Position nicht zu begründen. Er hat sich auf den stets mit der Untersagung geplanter Streikmaßnahmen verbundenen Gesichtspunkt berufen, dass diese dann nicht unter den gegebenen zeitlichen, örtlichen und sonstigen Umständen durchgeführt werden können. Darüber hinausgehende Gesichtspunkte wie etwa eine besonders aufwändige Streikvorbereitung für eine große Anzahl von Mitgliedern ist hingegen nicht ersichtlich. Vielmehr gibt es nur eine sehr überschaubare Zahl von Arbeitnehmern, die für den Streik bei der Verfügungsklägerin in Betracht kommen.

Im übrigen stehen dem Belange auf Seiten der Verfügungsklägerin gegenüber, die nicht als weniger schutzwürdig angesehen werden können.

Die von der Verfügungsklägerin zu ermöglichenden Beförderungsleistungen sind zeitgebunden und kaum nachholbar. Wer Termine wahrzunehmen hat oder eine Wochenendreise plant, hat an einem auch nur um einige Stunden verschobenen Flug kein Interesse mehr. Es ist grundsätzlich nicht möglich, etwa durch Mehrarbeit eingetretene Einbußen auszugleichen.

Das Personal der Flugsicherung hat für einen Flughafen eine ähnliche Schlüsselstellung wie Piloten für den Luftverkehr. In ihrer Funktion können sie kurzfristig nicht durch andere Arbeitnehmer ersetzt werden. Der Ausfall mindestens aber erhebliche Verspätungen von Flügen liegt auf der Hand. Indes hat bereits der Ausfall weniger Flüge nicht nur für eine Luftverkehrsgesellschaft, sondern auch für einen Flughafen erhebliche wirtschaftliche Folgen (vgl. bereits für Flugbegleiter BAG Urt. vom 14.12.1004 - 1 ABR 51/03 -). Dies gilt um so mehr wenn wie hier - was der Verfügungsbeklagte nicht bestritten hat - der Flughafen hauptsächlich von einem Hauptauftraggeber benutzt wird, von dessen Zufriedenheit die wirtschaftliche Existenz des Betriebs nachvollziehbar abhängt.

bb) Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht aus der vom Verfügungsbeklagten u.a. in Bezug genommenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 02.06.2004 (7 Sa 819/04). Zwar weist das dortige Gericht zutreffend darauf hin, dass einer Gewerkschaft nicht ohne weiteres zugemutet werden kann, auf eine von ihr angestrebte tarifliche Regelung über deren rechtliche Zulässigkeit noch keine höchstrichterlichen Erkenntnisse vorliegen und zu der auch von namhaften Rechtswissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen mit jeweils guten Gründen vertreten werden, allein deswegen von vornherein zu verzichten, weil die Gefahr besteht, dass die Gerichte später einen von ihrer Rechtsansicht abweichenden Rechtsstandpunkt einnehmen (BAG Urt. vom 10.12.2002 - 1 AZR 96/02 -AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

Zutreffend ist auch, dass eine Unterlassungsverfügung voraussetzt, dass die Rechtswidrigkeit des Streiks ohne rechtsfortbildende Überlegungen feststellbar ist (LAG Niedersachsen, a.a.O., m.w.N.).

Letzteres ist vorliegend indes der Fall, da die oben dargestellten Überlegungen auf der gefestigten und vom Bundesarbeitsgericht weiterhin vertretenen Rechtsprechung zur Tarifeinheit basieren.

Bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit darf von dem äußersten Mittel des Streiks nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn für die Zulässigkeit sehr beachtliche Gründe sprechen und des weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage anders nicht zu erreichen ist (BAG Urt. vom 10.12.2002 - 1 AZR 92/96 - a.a.O.).

Gerade letzteres ist vorliegend indes nicht der Fall.

Zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits war wie vielfach schon erwähnt, bereits in den Jahren 2003/2004 ein Rechtsstreit mit einer identischen Fragestellung anhängig. Die tatsächlichen Umstände, die dem Sach- und Streitstand zugrunde liegen, haben sich nicht bzw. nur äußerst unwesentlich geändert.

Das erste Verfügungsverfahren wurde bereits mit Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 22.06.2004 entschieden. Der Verfügungsbeklagte hat dagegen zwar Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er musste dabei aber wissen, dass hierdurch keine sehr zeitnahe Entscheidung herbeigeführt werden konnte. Von der darüber hinaus bereits nach dem erstinstanzlichen Erlass der einstweiligen Verfügung am 07.11.2003 bestehende Möglichkeit nach §§ 936, 926 ZPO vorzugehen und die Rechtsfrage ohne die Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einer Entscheidung - ggf. auch durch das Bundesarbeitsgericht - zuzuführen, hat der Verfügungsbeklagter keinen Gebrauch gemacht, sondern nahezu zwei Jahre zugewartet und dann aufgrund einer neuerlichen Streikandrohung ohne inhaltliche Änderung der Sachlage nunmehr eine zweite einstweilige Verfügung auf den Weg gebracht. Es ist davon auszugehen, dass während dieses Zeitraums, insbesondere im Hinblick darauf, dass bereits im ersten Verfügungsverfahren alle wesentliche Argumente ausgetauscht waren, auch eine Entscheidung zumindest des Landesarbeitsgerichts hätte herbei geführt werden können.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die Fluglotsen selbst Beliehene sind und (auch) dies der Rechtmäßigkeit des angedrohten Streiks entgegenstehen könnte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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