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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 102/07
Rechtsgebiete: GKG, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 3 Abs. 2
BGB § 305 Abs. 1
BGB § 306 Abs. 1
BGB § 306 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 78 S. 1
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
ZPO §§ 567 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 102/07

Entscheidung vom 24.04.2007

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.02.2007 sowie 02.04.2007 teilweise abgeändert und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zur Verfolgung eines Klageantrags in Höhe von 897,10 € (366,70 € für 35,43 Überstunden sowie 530,40 € Fahrtgeld) gewährt.

2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen, wobei festgesetzt wird, dass die nach Nr. 8614 des Kostenverzeichnis Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zu zahlende Gebühr auf die Hälfte ermäßigt wird.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Rahmen der beabsichtigten Zahlungsklage um Restlohnansprüche der Antragsstellerin.

Die Antragsstellerin war bei der Antragsgegnerin, die eine Schreinerei betreibt, auf Grundlage schriftlichen Arbeitsvertrages vom 06.08.2005 seit dem 02.05.2005 als Schreinergesellin beschäftigt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages wurde als Vergütung ein Stundenlohn in Höhe von 10,35 € brutto vereinbart und zusätzlich ein Fahrtgeld in Höhe von 169,-- € gewährt. Die Arbeitszeit sollte sich gemäß § 5 des Arbeitsvertrages nach der betriebsüblichen bzw. vereinbarten Zeit richten und werktäglich im Schnitt 5 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen betragen. § 8 des Arbeitsvertrages enthält eine Ausschlussklausel, die wie folgt lautet:

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt.

Auf den gesamten Inhalt des Arbeitsvertrages wird Bezug genommen (vgl. Bl.45-47 d.A.). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31.10.2006 beendet.

Während die Antragsgegnerin bis einschließlich März 2006 ein monatliches Fahrtgeld über 169,-- € brutto erhielt unabhängig von Krankheits- oder Urlaubstagen, zahlte die Antragsgegnerin ab April 2006 ein Fahrtgeld nur noch für die Arbeitstage, an denen die Antragsstellerin tatsächlich anwesend gewesen ist. Dies führte dazu, dass für den Zeitraum April bis Oktober 2006 auf das monatliche Fahrtgeld von monatlich 169,-- € nur noch Teilbeträge gezahlt worden sind und insgesamt 530,40 € offen sind.

Zur Erfassung der Arbeitszeit setzt die Antragsgegnerin eine elektronische Zeiterfassung mit einem so genannten elektronischen Datenlogger ein. Dabei geben die Mitarbeiter die Anfangs- und Endzeiten per Chip ein und stechen die Pausen ab. Die so erfassten Anfangs- und Endzeiten werden dann von der Antragsgegnerin in eine Excel-Tabelle eingelesen und dienen als Grundlage für die erfolgten Abrechnungen. Auf dieser Grundlage wird auch für jeden Mitarbeiter ein so genanntes Mitarbeiterkonto geführt.

Die Antragsstellerin gibt für die Jahre 2005 und 2006 die Summe der an den jeweiligen Arbeitstagen geleisteten "Überstunden" an und macht neben dem nicht gezahlten Fahrtgeld in Höhe von 530,40 € brutto einen Überstundenabgeltungsanspruch für 85 Überstunden á 10,35 €, mithin weitere 879,75 € brutto geltend. Das Fahrtgeld habe pauschal und unabhängig davon, ob sie zur Arbeitsstelle fahre oder nicht gezahlt werden sollen. Zu dieser Zahlung habe sich der Geschäftsführer der Antragsgegnerin verpflichtet, weil die Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe des Stundenlohns gehabt hätten und die Differenz annähernd über ein Fahrtgeld hätte ausgeglichen werden sollen. Bei der Leistung handele es sich nicht um eine freiwillige Leistung und im Übrigen sei die Ausschlussklausel in § 8 des Arbeitsvertrages wegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Nach Vortrag der Antragsgegnerin soll das auf Grundlage der elektronischen Zeiterfassung geführte Mitarbeiterkonto zum Ausscheidungstermin im Oktober 2006 noch einen Bestand von 35,43 Stunden haben. Wegen eines groben Fehlers der Antragstellerin sei ihr ein zusätzlicher Aufwand in Höhe von mehr als 60 Stunden entstanden. Die Hälfte dieser Stundenzahl sei als Schadenswiedergutmachung einbehalten und abgezogen worden. Weitere Mehrarbeitsstunden seien nicht abzugelten. Die Vereinbarung, dass die Antragsstellerin für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Betrag in Höhe von 169,-- € erhalte, beinhalte aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nur die tatsächlichen Fahrten. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses sei der Antragsstellerin der volle Betrag fehlerhaft ausgezahlt worden, ohne dass auf die tatsächlichen Fahrten Bezug genommen worden sei. Im März/April 2006 sei dann der Antragsstellerin mitgeteilt worden, dass eine fehlerhafte Auszahlung vorgelegen hätte und zukünftig die Zahlung ordnungsgemäß entsprechend den vereinbarten tatsächlichen Fahrten ausgezahlt werde. Die Antragsstellerin habe dies zwar nicht akzeptiert, jedoch nichts weiteres veranlasst und erst mit Ausscheiden einen vermeintlichen Anspruch geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat zunächst mit Beschluss vom 28.02.2007 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt. Hiergegen richtet sich die Antragsstellerin nach Zustellung des Beschlusses am 05.03.2007 mit der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Das Arbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin per Beschluss vom 02.04.2007 Prozesskostenhilfe für einen Streitwert von 366,70 € (für 35,43 Überstunden) bewilligt und Rechtsanwalt F. beigeordnet und im Übrigen der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinsichtlich der unstreitigen 35,43 Überstunden hinreichend Aussicht auf Erfolg biete, da insoweit zu einem aufrechenbaren Gegenanspruch der Antragsgegnerin nicht ausreichend vorgetragen worden sei. Für darüber hinausgehende Überstunden fehle es sowohl an hinreichendem Sachvortrag zu Lage und Anordnung als auch an einem Beweisantritt. Letztlich gelte dies auch hinsichtlich des Fahrtgeldanspruchs.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 78 S. 1 ArbGG, §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 ff ZPO an sich statthafte und insgesamt zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden und hat in der Sache auch teilweise Erfolg.

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet die Zahlungsklage nicht nur bezüglich eines Teilbetrages über 366,70 € für 35,43 Arbeitsstunden, sondern auch für das eingeklagte Fahrtgeld in Höhe von 530,40 € brutto.

Hinreichende Erfolgsaussicht für Rechtsverfolgung oder -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Die Anforderungen an die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden, denn § 114 ZPO verlangt nur hinreichende Erfolgsaussicht (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 114 Rz. 19 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragsstellerin zur Darlegung ihres Anspruchs auf Fahrtgeld , insbesondere unter Berücksichtigung der Einwände der Antragsgegnerin. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers für die Aufwendungen, die ihm durch die Fahrt zwischen Wohnungs- und Arbeitsstätte entstehen, aufzukommen. Dennoch kann der Arbeitgeber sich arbeitsvertraglich verpflichten, dem Arbeitnehmer hierzu einen finanziellen Zuschuss pauschaliert zu leisten und zwar auch unabhängig von dem Umfang der tatsächlichen Aufwendungen. Insoweit handelt es sich um Arbeitseinkommen. Ob die Pauschale auch dann zu zahlen ist, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt, hängt von der Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ab. Weder der Wortlaut in der arbeitsvertraglichen Regelung über das Fahrtgeld noch seitens der Antragsgegnerin behauptete, gesetzliche Vorschriften setzen zwingend voraus, dass nur die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers ersetzt werden können. Für einen Anspruch der Antragsstellerin auf ein monatliches Fahrtgeld unabhängig von tatsächlichen Fahrten spricht auch die vom Mai 2005 bis März 2006 andauernde Praxis der Antragsgegnerin, der Antragstellerin monatlich ungekürztes Fahrtgeld über 169,-- € zu zahlen.

Ohne einer abschließenden Bewertung dieser Umstände vorzugreifen, wird jedenfalls eine hinreichende Erfolgsaussicht bezüglich dieses Anspruchs nicht ausgeschlossen werden können.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, war auch Prozesskostenhilfe für die unstreitig seitens der Antragsstellerin erbrachten 35,43 Arbeitsstunden, die die Antragsgegnerin noch nicht vergütet hat, zu gewähren. Soweit die Antragsgegnerin gegen diesen Anspruch einwendet, aufgrund eines groben Fehlers, den die Antragsstellerin verursacht habe, sei ein zusätzlicher Aufwand in Höhe von mehr als 60 Stunden bei ihr als Schaden entstanden und dabei auf ein Schreiben an die Antragsstellerin vom 13.11.2006 verweist, ist dieser Anspruch nicht annähernd schlüssig dargetan worden.

Mithin ist ein weiterer Anspruch der Antragsstellerin in Höhe von 366,70 € (35,43 Stunden x 10,35 € brutto) von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfasst.

Darüber hinausgehende Ansprüche der Antragsstellerin auf Zahlung noch nicht abgegoltener Arbeitsstunden, sind dagegen nicht feststellbar. Die Antragsstellerin trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, an welchen Tagen sie zu welchen Zeiten welche Arbeiten verrichtet haben will. Die Antragsstellerin hat insoweit nur dargelegt, an welchen Tagen sie in welchem Umfang so genannte "Überstunden" gemacht haben will. Dem gegenüber stehen die Auflistungen der Antragsgegnerin mittels elektronischer Zeiterfassung im Zeitraum Mai 2005 bis Oktober 2006, aus denen sich Beginn und Arbeitsende pro Arbeitstag entnehmen lassen. Unter Berücksichtigung dieser Darstellung ist der Vortrag der Antragsstellerin betreffend nicht bezahlter Arbeitsstunden in den Jahren 2005 und 2006 unschlüssig und zudem nicht unter Beweis gestellt worden.

Etwaige Ansprüche der Antragsstellerin sind auch nicht gemäß § 8 des Arbeitsvertrages verfallen. Soweit § 8 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden müssen, andernfalls sie verwirkt seien, ist diese Ausschlussklausel unwirksam. Unstreitig handelt es sich hierbei um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. § 8 des Arbeitsvertrages ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da eine Frist für die erstmalige Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis von weniger als drei Monaten unangemessen kurz ist und den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (vgl. BAG Urteil vom 28.09.2005 - 5 AZR 52/05-). Das Bundesarbeitsgericht sieht in dieser Entscheidung eine Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit mit den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Des Weiteren werden dadurch wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Ausschlussklausel ist aufgrund der unangemessen kurzen Frist insgesamt unwirksam, insbesondere findet eine geltungserhaltende Reduktion nicht statt. Die Klausel fällt somit bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen ersatzlos weg, § 306 Abs. 1 und 2 BGB (vgl. BAG, a.a.O.).

Nach alledem konnte der sofortigen Beschwerde nur teilweise stattgegeben werden. Im Hinblick auf das teilweise Obsiegen der Antragstellerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist die nach Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zu zahlende Gebühr, dort Nr. 8614 des Kostenverzeichnis, um die Hälfte zu ermäßigen.

Die Entscheidung ist unanfechtbar. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht, §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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