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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 07.07.2005
Aktenzeichen: 11 Ta 145/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 51 Abs. 1
ArbGG § 51 Abs. 1 S. 2
ZPO § 141 Abs. 2
ZPO § 141 Abs. 3
ZPO § 141 Abs. 3 S. 1
ZPO § 141 Abs. 3 S. 2
ZPO § 380 Abs. 3
ZPO § 567
ZPO § 569
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 145/05

Entscheidung vom 07.07.2005

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.05.2005 (Az. 2 Ca 1170/05) wird kostenfällig zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit seiner am 11.04.2005 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine ordentliche Kündigung vom 22.03.2005, die die Beklagte aus betrieblichen Gründen ausgesprochen hat.

Zum Gütetermin am 18.05.2005 hat der Vorsitzende das persönliche Erscheinen der Parteien zur Sachverhaltsaufklärung und Führung von Vergleichsgesprächen angeordnet. Die Ladung ist der Beklagten unter dem 19.04.2005 zugestellt worden.

Im Gütetermin am 18.05.2005 ist die Geschäftsführerin der Beklagten ohne sich vorher zu entschuldigen nicht erschienen. Ausweislich des Protokolls (Bl. 23 d. A.) hatte der Beklagtenvertreter keine Information zum Nichterscheinen der Geschäftsführerin der Beklagten. Das Gericht hat sich die Auferlegung eines Ordnungsgeldes vorbehalten und für den Kammertermin erneut das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.05.2005 hat das Arbeitsgericht durch den Vorsitzenden gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR verhängt, weil diese trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens und einer entsprechenden Ladung zum Termin vom 18.05.2005 unentschuldigt nicht erschienen und eine Entschuldigung auch nicht im Laufe des 18.05.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist.

Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter dem 24.05.2005 zugestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 01.06.2005 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangene Beschwerde vom 31.05.2005 mit der die Beklagte beantragt, das auferlegte Ordnungsgeld aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, auch wenn zum Termin am 18.05.2005 das persönliche Erscheinen angeordnet gewesen und die Geschäftsführerin nicht erschienen sei, sei nach ihrer Auffassung ein Ordnungsgeld nicht verwirkt.

Abgesehen davon, dass ihre Geschäftsführerin am 18.05.2005 wegen anderweitiger Termine verhindert gewesen sei, habe ihr Prozessbevollmächtigter wegen der am 11.05.2005 bei derselben Kammer durchgeführten Güteverhandlung im Verfahren Az. 2 Ca 1154/05 davon ausgehen können, dass das persönliche Erscheinen der Beklagten entbehrlich sei. In dem dortigen Verfahren sei es um den gleichen Sachverhalt wie vorliegend, nämlich um die Schließung des Fuhrparks und daraus resultierender Kündigungen der LKW-Fahrer gegangen. Bereits in diesem Termin sei ihr Prozessvertreter über den Sachverhalt voll umfänglich informiert gewesen, was gleichermaßen für den Prozessvertreter des vorliegenden Verfahrens gelte. Die Prozessvertreter seien daher in der Lage gewesen, die relevanten Informationen zu geben und auf etwaige Nachfragen zu antworten.

Zudem habe ihr Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass wegen der wirtschaftlich angespannten Situation keine Vergleichsmöglichkeit bestehe, so dass ohnehin ein Kammertermin erforderlich gewesen sei.

Mit Beschluss vom 07.06.2005 hat das Arbeitsgericht Koblenz der sofortigen Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss vom 19.05.2005 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei ein Ordnungsgeld zu Recht auferlegt worden, weil diese trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens und entsprechender Ladung unentschuldigt nicht erschienen sei.

Soweit in der Beschwerdeschrift vorgetragen werde, dass die Geschäftsführerin der Beklagten wegen anderweitiger Termine verhindert gewesen sei, handele es sich mangels Substantiierung um einen pauschalen, nicht nachvollziehbaren Vortrag, mit welchem ein Entschuldigungsgrund nicht hinreichend dargetan worden sei.

Das persönliche Erscheinen der Beklagten sei zur Sachverhaltsaufklärung auch nicht entbehrlich gewesen, da beklagtenseits im Termin vom 18.05.2005 die Aufklärung des Tatbestandes nicht vollständig möglich gewesen sei.

So habe der Klägervertreter zur Begründung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes einen Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Beklagten und der Firma Geschwister M. GmbH & Co. KG behauptet und dazu vorgetragen, dass es für beide Firmen ein gemeinsames Büro gebe; zu diesem Vortrag habe der Beklagtenvertreter keine Information gehabt.

Im Übrigen ergebe sich aus dem Protokoll des am gleichen Terminstages verhandelten Parallelverfahrens (Az. 2 Ca 1179/05) gegen die Firma Geschwister M. GmbH & Co. KG, dass die Beklagtenvertretung über den Termin der behaupteten unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Stillegung des Fuhrparkes nicht informiert gewesen sei.

Innerhalb der vom Landesarbeitsgericht eingeräumten Stellungnahmefrist äußert die Beklagte die Meinung, auch das im Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.06.2005 angeführte Argument der nicht vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes rechtfertige die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht. Hätte nämlich ein Vertreter der Beklagten, der die Auflagen des persönlichen Erscheinens erfüllt hätte, hierzu ebenfalls keine genauen Angaben machen können, wäre auch kein Ordnungsgeld verhängt worden.

Da eine vergleichsweise Regelung ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre, wäre auch bei Anwesenheit der Geschäftsführerin der Beklagten kein anderes Ergebnis als die Bestimmung eines Kammertermins mit entsprechenden Schriftsatzauflagen eingetreten.

II.

Die gemäß § 51 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3 S. 1, 380 Abs. 3, 567, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht ein Ordnungsgeld gegen die persönlich geladene und unentschuldigt nicht erschienene Beklagte festgesetzt. Die Höhe des Ordnungsgeldes ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 ArbGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen der Parteien in jeder Lage des Rechtsstreits anordnen. Im Übrigen finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung.

Gemäß § 141 Abs. 2 ZPO ist dann, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wird, die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

Nach § 141 Abs. 3 ZPO kann dann, wenn die Partei im Termin ausbleibt, gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt ist.

Die Partei ist auf die Folge ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

a) Vorliegend hat das Arbeitsgericht - von der Beklagten nicht angegriffen - dargelegt, dass die Beklagte ordnungsgemäß, insbesondere auch unter Hinweis auf die Folgen ihres Ausbleibens geladen wurde. Zudem wurde der Zweck der Vorladung mitgeteilt, wobei die Angabe "zur Sachverhaltsaufklärung und Führung von Vergleichsgesprächen" ausreichend ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 141 Rz. 10).

b) Es ist auch unstreitig, dass die Geschäftsführerin der Beklagten ohne vorherige oder - bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses - nachträgliche Entschuldigung zum Gütetermin am 18.05.2005 nicht erschienen ist.

Nachdem mithin im Termin die formellen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes vorlagen, stand es im Ermessen des Gerichts von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.

Nach einer Auffassung sollte von dieser Möglichkeit nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 51 Rnr. 22, mit Hinweis auf LAG Berlin vom 17.11.1977, AP ZPO § 141 Nr. 2). Die Rechtfertigung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes liege nicht in der Tatsache der Missachtung des Gerichtes durch die Partei, die die entsprechende Anordnung nicht befolge, sondern allein darin, dass eine notwendige Förderung des Verfahrens wegen des Ausbleibens der Partei nicht erfolgen könne (LAG Niedersachen vom 07.08.2002, MDR 2002 1333; LAG Düsseldorf vom 01.08.1985, LAGE ArbGG 1979 § 51 Nr. 3).

Demgegenüber vertritt Greger (Zöller/Greger, a.a.O., § 141 Rnr. 12) die Auffassung, da die Anordnung des persönlichen Erscheinens dem Ziel diene, durch umfassende Sachverhaltsaufklärung möglichst rasch zu einer der Sach- und Rechtslage entsprechenden Entscheidung zu gelangen, sei die Sanktion nicht nur verfassungsgemäß (BVerfG NJW 98, 892), sondern seit Stärkung der materiellen Prozessleitung durch das ZPO-RG auch vermehrt und unabhängig davon einzusetzen, ob das Ausbleiben zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt habe. Auch nach dieser Auffassung ist das Ordnungsgeld aber keine reine Ungehorsamstrafe und daher nicht sinnvoll, wenn trotz Abwesenheit der Partei ein Vergleich zustande kommt, die Klage zurückgenommen wird oder wenn eine Partei ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt. Da es nicht um die Ahndung einer Missachtung geht, kann auch bei fahrlässigem Ausbleiben ein Ordnungsgeld verhängt werden.

c) Unter Beachtung beider Rechtsaufassungen hat das Arbeitsgericht Koblenz vorliegend ohne Überschreitung des dem Gericht zustehenden Ermessens das streitgegenständliche Ordnungsgeld zur Recht gegen die Beklagte verhängt.

Darauf, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten durch die am 11.05.2005 bei derselben Kammer durchgeführte Güteverhandlung davon ausgehen konnte, das persönliche Erscheinen der Geschäftsführerin der Beklagten sei entbehrlich, kommt es nicht an (Zöller/Greger, a.a.O., § 141 Rnr. 13 a.E.).

Auch der Umstand, dass ohnehin keine vergleichsweise Regelung in Betracht kam, steht der Anordnung eines Ordnungsgeldes nicht entgegen, da diese zu Recht auch zur weiteren und besseren Sachverhaltsaufklärung erfolgte.

Insoweit hat das Arbeitsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung - von der Beklagten nicht bestritten - ausgeführt, dass beklagtenseits im Termin vom 18.05.2005 die Aufklärung des Tatbestandes nicht vollständig möglich gewesen sei. So habe der Klägervertreter im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes einen Gemeinschafsbetrieb zwischen der Beklagen und der Firma Geschwister M. GmbH & Co. KG behauptet und dazu vorgetragen, dass es bzgl. beider Firmen ein gemeinsames Büro gebe. Zu diesem Vortrag habe der Beklagtenvertreter keine Information gehabt.

Die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes stellt indes gerade in einem Verfahren der vorliegenden Art einen ganz wesentlichen Punkt zur Sachverhaltsaufklärung dar, der nicht nur für eventuelle Vergleichsverhandlungen, sondern auch für die Frage der weiteren prozessleitenden Maßnahmen von herausragender Bedeutung ist.

Auch die Argumentation der Beklagten, gegen einen Vertreter, der die Auflagen des persönlichen Erscheinens erfüllt hätte, aber ebenfalls keine genauen Angaben hätte machen können, wäre kein Ordnungsgeld verhängt worden, überzeugt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass es bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens gerade darum geht, dass entweder die Partei selbst oder ein in tatsächlicher Hinsicht vollständig informierter Vertreter den Termin wahrnehmen soll, um eine Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen.

Ein Vertreter, der hierzu nicht in der Lage ist, erfüllt mithin die Voraussetzungen gerade nicht.

Die Beklagte behauptet im Übrigen selbst nicht, dass auch ihre Geschäftsführerin nicht in der Lage gewesen wäre, die Fragen des Gerichtes zu beantworten.

d) Die Anordnung des Ordnungsgeldes war auch nicht im Hinblick auf § 141 Abs. 3 S. 2 ungerechtfertigt.

Die persönlich geladene Partei kann einen Vertreter zur mündlichen Verhandlung entsenden, wenn dieser zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen und insbesondere auch zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt ist, § 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG i. V. m. § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Dabei muss der Vertreter selbst zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage sein. Grundsätzlich ist es daher erforderlich, dass er unmittelbar über eigene Sachkenntnisse verfügt. Dies schließt es in der Regel aus, dass der Prozessbevollmächtigte als der besondere Vertreter im Sinne des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO auftreten kann. Er wird nur dann als Vertreter entsandt werden können, wenn er außerhalb seiner Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter bereits eigene Kenntnisse über den Sachverhalt hatte. Der Vertreter muss über sämtliche Umstände des bisherigen Sach- und Streitstandes Auskunft erteilen können, sofern das Gericht sachbezogene Fragen stellt. Er muss in gleicher Weise Auskunft erteilen und Entscheidungen treffen können wie die Partei selbst (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 19.04.1985, LAGE ArbGG 1979 § 51 Nr. 2; Vonderau NZA 1991, 336, 338; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 51 Rz. 20 a.E.).

Vorliegend kann dahinstehen, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach den vorstehenden Grundsätzen, denen die Kammer folgt, überhaupt als besonderer Vertreter gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO in Betracht kam; jedenfalls konnte er die zur Aufklärung des Sachverhalts gebotene Frage des Arbeitsgerichts, ob ein Indiz für einen Gemeinschaftsbetrieb und damit ein Indiz für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vorliegt, nicht ausreichend beantworten.

2. Auch die Höhe des Ordnungsgeldes, das grundsätzlich von 5 bis 1.000 EUR betragen kann, ist vorliegend mit 200 EUR moderat gewählt und in keiner Weise zu beanstanden.

Entsprechendes wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 2 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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