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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 28.12.2004
Aktenzeichen: 11 Ta 270/04
Rechtsgebiete: RpflG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

RpflG § 11
RpflG § 11 Abs. 1
ArbGG § 46 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 172 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 172 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 221 Abs. 1
ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2
ZPO § 569
ZPO § 571 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 571 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 270/04

Entscheidung vom 28.12.2004

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.09.2004 - 7 Ca 485/00 - aufgehoben.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat mit Beschluss vom 08.09.2004 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 29.06.2000 wegen unterlassener Mitwirkung bei der Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im so genannten PKH-Nachprüfungsverfahren aufgehoben. Dieser Beschluss wurde dem Kläger persönlich am 11.09.2004 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Eine Ausfertigung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.09.2004 mit Anschreiben vom selben Tage (in Kopie Bl. 31 d. PKH-Akte) formlos übersandt.

Mit dem Bemerken, dass ihm der Beschluss am 13.09.2004 "zugestellt" worden sei, hat der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 12.10.2004 - beim Arbeitsgericht per Telefax am selben Tage eingegangen - sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf die beigefügte Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwiesen und angegeben, dieser verfüge über kein Einkommen und werde von seinen Angehörigen unterstützt.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 24.11.2004, auf den Bezug genommen wird, nicht abgeholfen, da es das Rechtsmittel für verspätet erachtete.

Der Kläger ist der Auffassung, dass das Rechtsmittel fristwahrend eingelegt worden sei. Unter Verweis auf das in Kopie beigefügte Anschreiben des Arbeitsgerichts Koblenz, das den Eingangsstempel vom 13.09.2004 trägt, macht er geltend, bei der Übersendung der Ausfertigung sei nicht erkennbar geworden, dass es sich um eine solche zur bloßen Kenntnisnahme gehandelt habe.

II.

Die nach § 11 RpflG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 127 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist - da dem Kläger von Amts wegen gemäß §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war - zulässig, sie ist aber unbegründet.

1.

Nach § 11 Abs. 1 RpflG findet gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die Beschwerde nach den allgemeinen Vorschriften Anwendung. Damit kommen auch die Regelungen des § 569 ZPO zum Tragen. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht (§ 569 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO) durch Einreichung einer Beschwerdeschrift (§ 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO) einzulegen.

a) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses. Da der Aufhebungsbeschluss vom 09.09.2004 dem Kläger am 11.09.2004 zugestellt worden ist, begann die Beschwerdefrist am 12.09.2004 um 0.00 Uhr (§ 221 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am 11.10.2004 um 24.00 Uhr (§ 221 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).

Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist ist nicht die formlose Zuleitung des PKH-Aufhebungsbeschlusses an den Prozessbevollmächtigten am 13.09.2004, sondern die förmliche Zustellung an den Kläger selbst unter dem 11.09.2004. Dies entspricht der inzwischen ganz herrschenden obergerichtlichen Rechtssprechung (eingehend etwa: LAG Hamm 03.09.2004 - 4 Ta 575/04 - juris).

Im PKH-Nachprüfungsverfahren besteht keine Pflicht, den beigeordneten Rechtsanwalt vor der Aufhebung der PKH-Bewilligung einzubeziehen. Die erteilte Prozessvollmacht wirkt kraft Gesetzes nur bis zum Abschluss des Erkenntnisverfahrens, § 172 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO. Zu diesem gehört das PKH-Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO nicht mehr (LAG Hamm 03.09.2004 aaO; LAG Düsseldorf 28.07.1988 LAGE ZPO § 120 Nr. 4; OLG München 18.08.1992 FamRZ 1993, 580). Die Abwicklung der Prozesskostenhilfe ist nur noch eine Verwaltungssache und nicht mehr Erkenntnisverfahren. Der beigeordnete Rechtsanwalt mag zwar im anschließenden Beschwerdeverfahren wieder tätig werden, jedoch schafft dies für das Gericht nicht die Pflicht, ihm vorauseilend bereits im Vorfeld einzubinden (LAG Hamm LAG-Report 2003, 371; LAG Düsseldorf 11.11.2002 LAG-Report 2003 124; a.A. wohl: LAG Baden-Württemberg 02.07.2002 LAG-Report 2003, 123; LAG Niedersachsen 22.03.1999 LAGE ZPO § 120 Nr. 34).

Die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 ZPO ist mithin allein der Partei selbst zuzustellen (LAG Düsseldorf 11.11.2002 LAG-Report 2003, 124). Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich bereits im PKH-Nachprüfungsverfahren der vormalige Prozessbevollmächtigte für die PKH-Partei gemeldet und für sie Erklärungen abgegeben hat (LAG Hamm 03.09.20045 aaO). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen.

b) Mithin ist die Beschwerde des Klägers verspätet eingelegt worden. Jedoch gilt sie als fristgerecht eingelegt, weil dem Kläger Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren war. Denn weder den Kläger noch seinen Prozessbevollmächtigten trifft ein dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden.

Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist ausweislich des in Kopie zur Akte gereichten Anschreibens vom 10.09.2004 der Aufhebungsbeschluss mit dem Hinweis "[...] anliegend erhalten Sie den Beschluss vom 09.09.2004." übermittelt worden. Das dies lediglich "formlos" geschehen ist, hat diesen nicht zur Rückfrage beim Arbeitsgericht veranlassen müssen, ob eventuell dem Kläger die gerichtliche Entscheidung bereits zuvor oder gleichzeitig "förmlich" zugestellt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vielmehr mangels eines entsprechenden gegenteiligen Hinweises davon ausgehen dürfen, dass ihm der PKH-Aufhebungsbeschluss vom 09.09.2004 zum Zwecke der Prüfung der Einlegung der in der Rechtsmittelbelehrung genannten sofortigen Beschwerde zugeleitet worden ist. Infolge dieser fehlerhaften Zuleitung hat er die Beschwerdefrist falsch berechnet. Zur Vermeidung der Verspätungssituation hätte das Arbeitsgericht mitteilen müssen, der Beschluss sei zur gleichen Zeit zum Zwecke der Zustellung an die Partei herausgegeben worden oder nachträglich das Zustellungsdatum mitteilen müssen. Das der Prozessbevollmächtigte des Klägers rechtzeitig für diesen die sofortige Beschwerde hat einlegen wollen, erhellt sich aus dem Umstand, dass die Beschwerdeschrift per Telefax an das Arbeitsgericht geleitet worden ist und das Datum des Erhalts des Beschlusses ausdrücklich im ersten Satz genannt wird. Da die versäumte Prozesshandlung mit Beschwerdeschrift vom 05.01.2004 per Telefax innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt worden ist, war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne Antrag zur gewähren, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO (LAG Hamm 03.09.2004 aaO Rz 15).

2.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar ist die Aufhebung der PKH-Bewilligung wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers auf der Grundlage der dem Arbeitsgericht vorliegenden Tatsachen nicht zu beanstanden, § 124 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO. Gemäß § 124 Nr. 2 ZPO kann die Aufhebung der Prozesskostenhilfe erfolgen, wenn der PKH-Empfänger es an der nach § 120 Abs. 4 ZPO erforderlichen Mitwirkungspflicht fehlen lässt. Wenn der PKH-Empfänger auch auf eine Mahnung in angemessener Zeit nicht reagiert und die angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck nicht einreicht, ist eine Aufhebung der PKH-Bewilligung gerechtfertigt. Diese Voraussetzungen lagen vorliegend vor.

Da im Rahmen des PKH-Nachprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzte Fristen aber keine Ausschlussfristen sind, kann die sofortige Beschwerde nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Die Beschwerdeinstanz ist danach eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz. Folglich ist es für die Beurteilung der Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung im Beschwerdeverfahren unerheblich, ob die bedürftige Partei im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Fristversäumung verschuldet hat. Abgesehen von § 571 Abs. 3 ZPO muss ein verspätetes Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht entschuldigt werden (BAG 18.11.2003 - 5 AZR 46/03 - NZA 2004, 1062).

Nachdem der Kläger vorliegend eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die belegt, dass diese sich nicht verbessert haben, zur Akte gereicht hat, war demgemäß der zunächst zu Recht ergangene Beschluss des Arbeitsgerichts vom 09.09.2004 aufzuheben, womit die ursprüngliche Prozesskostenhilfebewilligung vom 29.06.2000 wiederhergestellt wird.

Ende der Entscheidung

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