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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 11 Ta 50/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 887
ZPO § 887 Abs. 1
ZPO § 888
ZPO § 888 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 50/05

Entscheidung vom 10.05.2005

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 29.09.2004 (Az.: 5 Ca 1001/04) aufgehoben:

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 300 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war aufgrund eines vom 17.11.2003 bis zum 17.11.2004 befristeten Arbeitsvertrages bei dem Beklagten bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche und einem Stundenlohn von 8,50 € tätig. Während der Probezeit von sechs Wochen sollte die Kündigungsfrist zwei Wochen betragen, danach war die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart.

Mit Schreiben vom 01.03.2004 hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.03.2004 gekündigt. Hiergegen richtete sich die am 10.04.2004 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, mit der der Kläger das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2004 sowie die Zahlung von 3 x 1.105 € brutto, insgesamt 3.315 € brutto, nebst Zinsen für die Monate Januar bis März 2004 verlangt hat.

In dem gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 18.05.2004 hat sich der Beklagte als Schuldner u.a. verpflichtet, das Arbeitsverhältnis für die Monate Januar 2004 bis einschließlich 15. März 2004 mit einem Gesamtbruttolohn i.H.v. 2.062,50 € abzurechnen. Bei der Auszahlung an den Kläger sollte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Volksbank S.-S. sowie der Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt werden.

Unter dem 19.07.2004 beantragte der Kläger als Gläubiger gegen den Beklagten als Schuldner wegen der Nichterstellung der Lohnabrechnung für die Zeit von 01.01.2004 bis 15.03.2004 die Festsetzung eines Zwangsgeldes, hilfsweise die Anordnung von Zwangshaft, da dieser trotz Aufforderung vom 12.07.2004 seiner Verpflichtung zur Lohnabrechnung aus dem gerichtlichen Vergleich nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte und Schuldner hat eingewandt, den übergeleiteten Teil des Anspruchs habe er an die Bundesagentur für Arbeit abgeführt. Im Übrigen hätten sowohl die Prozessbevollmächtigten des Klägers, als auch der Gläubiger des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Zahlung von ihm verlangt. Da er eine Doppelzahlung vermeiden wolle, wisse er nicht, an wen er was überweisen solle. Das Arbeitgericht solle ihm dabei helfen.

Mit Beschluss vom 29.09.2004 (Bl. 36 d.A.) hat das Arbeitsgericht Koblenz den Schuldner (Beklagter) zu einem Zwangsgeld in Höhe von 1.500 €, ersatzweise 10 Tage Haft "verurteilt".

Es hat ausgeführt, die Verpflichtung zur Erteilung einer Lohnabrechnung stelle eine unvertretbare Handlung gemäß § 888 ZPO dar. Da die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen, sei der Antrag zulässig und begründet.

Der Beklagte und Schuldner habe in seiner Stellungnahme zwar mitgeteilt, dass er grundsätzlich bereit sei, seiner Verpflichtung nachzukommen, er aber nicht wisse, wie er sich konkret zu verhalten habe. Dem Schuldner bzw. Beklagten bleibe unbenommen, seiner Verpflichtung bis zur Vollstreckung nachzukommen.

Der Beschluss ist dem Beklagten am 07.10.2004 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich seine (sofortige) Beschwerde, die am 19.10.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangen ist.

Er trägt vor, wegen seiner finanziellen Situation sei er zurzeit nicht der Lage, den Zahlungsanspruch des Klägers zu erfüllen.

Der Kläger entgegnet, die Pflicht des Beklagten zur Erstellung der Lohnabrechnung(en) bestehe unabhängig von dessen Zahlungsmöglichkeiten. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb keine Lohnabrechnungen erstellt würden. Über die Zahlungsverpflichtungen könne sodann eine Einigung ggf. auch eine Ratenzahlungsvereinbarung erfolgen.

Mit Beschluss vom 03.02.2005 hat das Arbeitsgericht - was eine Auslegung des Tenors ergibt - der sofortigen Beschwerde unter Bezugnahme auf die Begründung im Beschluss vom 29.09.2004 nicht abgeholfen und darauf verwiesen, dass der Beklagte auch in der Folgezeit keine Erfüllung nachgewiesen habe.

Mit Eingang vom 24.02.2005 ist die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt worden.

Mit Verfügung vom 25.02./01.03.2005 wurden die Parteien vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Auffassung vertreten wird, Lohnabrechnungen seien nach § 887 ZPO und nicht nach § 888 ZPO zu vollstrecken.

Der Kläger behauptet, nach dem bisherigen Kenntnisstand müsse davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Firma des Beklagten um einen Kleinstbetrieb handele, der nicht über ordentliche und ausreichend geführte Unterlagen verfüge. Es sei daher davon auszugehen, dass es sich vorliegend um eine unvertretbare Handlung handele. Der Beklagte hat keine Stellung genommen.

II.

Die statthafte und form- und fristgerecht eingelegte (§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG i.V.m. §§ 793 Abs. 1, 569 ff. ZPO) sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Im Einzelnen gilt:

1. Gemäß § 888 Abs. 1 ZPO ist dann, wenn eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und sie ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten sei.

Demgegenüber ist gemäß § 887 Abs. 1 ZPO dann, wenn der Schuldner, der die Verpflichtung eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, nicht erfüllt, der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

2. Nach der herrschenden Meinung ist die Erstellung einer Lohnabrechnung regelmäßig nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig; vielmehr können Lohnabrechnungen - jedenfalls bei vorhandenen Lohnunterlagen -in aller Regel von jedem sachkundigen Dritten, etwa einem Steuerberater, erstellt werden (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.08.1996 - 6 Ta 127/96 -, BB 1998, 1695 (Ls. 1) mit Hinweis auf LAG Köln, Beschluss vom 22.11.1990 - 12 (11) Ta 247/90 -,MDR 1991, 650; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.07.2001 - 4 Ta 98/01 - m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 887 Rz. 3; a.A. LAG Hamburg, Beschluss vom 29.01.1996 - 1 Ta 14/95 -, NZA-RR 1996, 422).

a) Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.08.1996 (- 6 Ta 127/96 -, BB 1998, 1695 (Ls.), der die Kammer folgt, kann daher die Verpflichtung, eine Lohnabrechnung erteilen zu müssen, nicht durch Zwangsgeld- bzw. Zwangshaftandrohungerzwungen werden, weil dies nicht zu den derart erzwingbaren unvertretbaren Handlungen i.S.v. § 888 ZPO gehört. Eine Zwangsvollstreckung nach dieser Vorschrift kann nur dann erfolgen, wenn die Erstellung der Lohnabrechnung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Da der Schuldner für derartige Abrechnungen sachkundige Dritte (z.B. Steuerberater usw.) beauftragen kann, darf nach § 888 Abs. 1 ZPO nur dann vorgegangen werden, wenn keine abrechnungsrelevanten Unterlagen mehr vorhanden sind, die eine Abrechnung durch Dritte zulassen. Ansonsten muss der Glaübiger nach § 887 ZPO vorgehen.

b) Nach dem entsprechenden Hinweis der Kammer gemäß § 139 ZPO hierzu hat der Kläger zwar vorgetragen, bei der Firma des Beklagten handele es sich um einen Kleinstbetrieb, der wohl nicht über ordentliche und ausreichend geführte Unterlagen verfüge. Daher sei von einer unvertretbaren Handlung auszugehen.

Dies reicht indes nicht aus.

Das Vorbringen erschöpft sich lediglich in Vermutungen. Zudem hat der Kläger in seiner Klageschrift selbst noch ausgeführt, dass der Beklagte für den Monat Januar 2004 eine Teilabrechnung vorgenommen hat, was dafür spricht, dass Unterlagen vorhanden sind.

c) Im Übrigen ist im Hinblick auf den Inhalt des Vergleichs, wonach der Beklagte sich verpflichtet hat, für den Zeitraum vom 01.01 bis 15.03.2004 einen Gesamtbruttolohnanspruch in Höhe von 2.062,50 € noch auf Folgendes hinzuweisen:

Da sich die Höhe des im Vergleich vereinbarten Betrages (dieser entspricht nicht den Arbeitstagen im genannten Zeitraum und ist nicht einmal durch den Stundenlohn von 8,50 € teilbar) nicht erschließt, bedarf es einer Auslegung:

aa) Entweder ist der Vergleich so auszulegen, dass die Lohnabrechnung für die genannten Monate anteilsmäßig zu erstellen ist, d.h. pro vollem Monat ein Bruttobetrag i.H.v. 825 € bzw. für den März 2004 ein Betrag i.H.v. 412,50 € zugrunde zu legen ist.

In diesem Fall stünde der jeweilige Bruttobetrag fest. Da dem Kläger zudem seine Lohnsteuerklasse bekannt sein dürfte, bedarf es mithin zur Lohnabrechnung nicht der Mitarbeit des Beklagten. Vielmehr könnte auf entspechende Tabellen bzw. Berechnungsprogramme zurückgegriffen werden. Die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO wäre ohne Weiters möglich.

bb) Wäre der Vergleich aber nicht im Sinne einer anteilsmäßigen Verpflichtung zu verstehen, bestünden durchgreifende Bedenken an der Vollstreckungsfähigkeit des Titels.

Einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat ein Titel nur, wenn der Schuldner etwas leisten muss und diese Leistung selbst nach Art und Dauer bestimmt ist. Was ein Schuldner zu leisten oder zu dulden hat, muss aus dem Titel erkennbar sein (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 19.07.2001 - 4 Ta 98/01 -, m.w.N.).

Die hier vorliegende Verpflichtung, für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 15.03.2004 insgesamt einen Gesamtbruttobetrag abzurechnen, lässt indes weder den Rechtsgrund der Zahlung (tatsächliche Arbeitsleistung, Annahmeverzugslohn, Urlaubsabgeltung u.a.m.) erkennen, noch ist aus dem Titel ersichtlich, welcher Betrag für welchen Monat gezahlt werden soll.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert folgt daraus, dass das Gericht gem. § 3 ZPO pro Monat einen Wert von 100 € angenommen hat (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 07.03.2002 - 7 Ta 77/02 -).

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 48, 78 ArbGG) bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung ist mithin kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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