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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 11.04.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 88/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 626
ZPO § 149
ZPO § 252
ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
ArbGG § 9 Abs. 1
ArbGG § 56
ArbGG § 61 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 88/07

Entscheidung vom 11.04.2007

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 21.02.2007 aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Beklagte richtet sich mit der vorliegenden Beschwerde gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, den Rechtsstreit bis zum Abschluss eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens auszusetzen.

Gegenstand des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits ist die am 09.01.2007 beim Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - eingereichte Kündigungsschutzklage. Der Kläger, seit dem 01.08.1998 als technischer Angestellter im Unternehmen der Beklagten beschäftigt gegen 5.500,00 Euro brutto pro Monat, hat mit Schreiben vom 27.12.2006 eine fristlose Kündigung der Beklagten erhalten. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig ca. fünfzig Arbeitnehmer.

Zur Begründung der Kündigung führt die Beklagte an, bereits am frühen Nachmittag des 15.12.2006 habe der Kläger der Auszubildenden B. Schläge angedroht, als diese den Kläger gebeten habe, ein Tor geschlossen zu halten. Der Kläger habe ihren freien Mitarbeiter F. verbal angegriffen und ihn mit den Worten bedroht, er schlage ihm auf die Fresse, er schlage ihn tot. Der daraufhin erschienene Prokurist D. sei sodann vom Kläger beschimpft und beleidigt worden. Der Kläger habe ihn angeschrien, er werde ihm auf die Fresse schlagen, er werde ihn totschlagen. Dabei habe der Kläger ausgeholt, um den Prokuristen D. zu schlagen. Der Schlag sei jedoch durch den Sohn des Klägers abgewendet worden. Danach habe der Kläger gemeinsam mit seinem Sohn auf den am Boden liegenden hilflosen, bewusstlosen Arbeitnehmer K. eingetreten und eingeschlagen und dabei geschrien, "das Schwein bringe ich um", er mache ihn fertig und er breche ihm alle Knochen.

Der Kläger bestreitet die Vorwürfe.

Wegen der Vorfälle anlässlich der Weihnachtsfeier bei der Beklagten sind Strafverfahren anhängig. Das polizeiliche Ermittlungsverfahren der Polizei Koblenz wegen der Schlägerei mit dem Arbeitnehmer K., wird unter dem Aktenzeichen 076027/15122006/1817 geführt.

Per Beschluss vom 21.02.2007 wurde der Rechtsstreit ausgesetzt bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses polizeilichen Ermittlungsverfahrens. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angeführt, dass der Inhalt des Ermittlungsverfahrens insoweit erheblich sei, da der hiesige Kündigungsgrund (Schlägerei des Klägers mit dem Zeugen K. anlässlich der Weihnachtsfeier 2006 bei der Beklagten) Gegenstand des vorbezeichneten Ermittlungsverfahrens sei. Der Vorteil einer gründlichen Klärung des streitgegenständlichen Sachverhaltes im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz im Strafverfahren überwiege den Nachteil der eventuell eintretenden Verzögerung einer Entscheidung im hiesigen Prozess.

Gegen diesen, ihr am 09.03.2007 zugegangenen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 21.03.2007 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Sie trägt zu deren Begründung vor,

dass der Kläger auf den Zeugen K. eingeschlagen habe, sei nur ein Aspekt, der die fristlose Kündigung begründe. Die fristlose Kündigung sei aber auch bereits vor dem Hintergrund begründet, dass der Kläger den Lehrling B. bedroht habe und darüber hinaus seine Vorgesetzten, die Herren F. und D. beleidigt und bedroht habe und dies sogar mit dem Tode. Insbesondere habe der Kläger bereits ausgeholt, um den Prokuristen D. zu schlagen. Dies sei bereits ausreichend, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Es komme somit letztlich nicht alleine auf das Verhalten des Klägers im Hinblick auf den Zeugen K. an, da die fristlose Kündigung bereits aufgrund der vorgenannten Sachverhalte gerechtfertigt sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.03.2007 der Beschwerde nicht abgeholfen und der Beklagten insoweit zugestimmt, dass die im Beschwerdeschriftsatz erhobenen Vorwürfe ungeachtet der Frage der behaupteten Schlägerei mit dem Zeugen K. grundsätzlich an sich geeignet sein könnten, einen Grund im Sinne von § 626 BGB darzustellen. Gleichwohl habe die Beklagte die Kündigung "insbesondere" damit begründet, dass der Kläger den Zeugen K. schwer verletzt habe mit dem Ziel, ihn "nicht gar umzubringen". Vor diesem Hintergrund lasse sich der Aussetzungsbeschluss nicht als ermessensfehlerhaft bewerten. Dessen ungeachtet sei der Umstand, der Gegenstand des Ermittlungsverfahren sei, in der seitens des Gerichts vorzunehmenden, abschließenden Interessenabwägung entscheidungserheblich, so dass die Aussetzung gemäß § 149 ZPO weiterhin geboten erscheine.

II.

Der gemäß §§ 567 Abs. 1 Ziff. 1, 252 ZPO statthaften und gemäß § 569 Abs. 1, 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde war stattzugeben.

1.

Gemäß § 149 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Aussetzung steht im Ermessen des im Verfahren zur Entscheidung berufenen Gerichts. Die Ermessensentscheidung hat sich am Gesetzeszweck zu orientieren, der dahin geht, durch das Abwarten des Ausgangs eines Strafverfahrens die unter Umständen besseren Erkenntnismöglichkeiten im Strafverfahren nutzbar zu machen und sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (vgl. Zöller-Greger, ZPO 25. Auflage § 149 Rz. 1). Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Gericht die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn abwägen. Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung nur auf Verfahrens- oder Ermessensfehler überprüfen. Wenn nicht beide Parteien ihr Einverständnis erklärt haben, muss die Ermessensausübung anhand der Begründung des Beschlusses nachprüfbar sein (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Rz. 2).

2.

Gemessen an diesen Grundsätzen war die Entscheidung des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - aufzuheben.

Der seitens des Arbeitsgerichts vorgenommenen Ermessensentscheidung konnte bereits nicht entnommen werden, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren der gemäß §§ 9 Abs. 1, 56 ArbGG geltende Beschleunigungsgrundsatz, der insbesondere durch § 61 a ArbGG in Kündigungsverfahren gilt, angemessen beachtet worden ist. Gemäß § 61 a Abs. 1 ArbGG sind Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften vorrangig zu erledigen. Dies liegt im Interesse beider Parteien und ist für die Arbeitgeberseite, insbesondere im Hinblick auf das Annahmeverzugsrisiko, beachtenswert.

In Anbetracht der seitens der Beklagten angeführten Gründe, die zum Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 25.12.2006 geführt haben sollen, hat das Arbeitsgericht selbst festgestellt, dass die Vorwürfe ungeachtet der Ermittlungen im Zusammenhang mit der behaupteten Schlägerei mit dem Zeugen K., grundsätzlich geeignet sein können, einen Grund im Sinne des § 626 BGB darzustellen. Letztlich wird jedoch nicht ausgeschlossen werden können, dass diese Gründe auch im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung eine fristlose Kündigung rechtfertigen können, ohne dass es auf die behauptete Schlägerei mit dem Zeugen K. ankommen muss.

Darüber hinaus ist auch nicht ein Überwiegen des Vorteils einer Klärung des streitgegenständlichen Sachverhaltes durch die Strafbehörde gegenüber dem Nachteil einer Verfahrensverzögerung in diesem konkreten Einzelfall erkennbar. Vorliegend dürfte aufgrund der Sachlage und der Beweisangebote, die ausschließlich durch die Beklagte erfolgt sind, eine Aufklärung des Sachverhaltes ohne größeren Aufwand möglich sein. Insgesamt hat die Beklagte vier Zeugen für ihre Behauptungen benannt, wobei die Beweisangebote Zeuge G., D. und F. den Kündigungsvorwurf der Schlägerei mit dem Arbeitnehmer K. betreffen und sich die Beweisangebote Zeugin B., Zeuge F. sowie D. jeweils auf die ebenfalls zur Kündigung herangezogenen Sachverhalte beziehen.

Im Hinblick auf diese Umstände erscheint der Kündigungssachverhalt nicht so unübersichtlich, dass das Arbeitsgericht nicht selbst in der Lage wäre, eine sichere und in der Sache zutreffende Entscheidung zu treffen, so dass auch nicht erkennbar ist, welche besseren Erkenntnismöglichkeiten im Strafverfahren für das vorliegende arbeitsgerichtliche Verfahren nutzbar gemacht werden können.

Mithin ist im Hinblick auf die besondere Beschleunigungs- und Prozessförderungspflicht im arbeitsgerichtlichen, insbesondere in Kündigungsschutzverfahren, das arbeitsgerichtliche Verfahren vorrangig zu betreiben. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten war daher der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten Teil der Prozesskosten und gegebenenfalls bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 252 Rz. 3).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne der §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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