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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 11 TaBV 43/05
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 75 Abs. 1
BetrVG § 75 Abs. 2
BetrVG § 77 Abs. 4
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 S. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 533
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 TaBV 43/05

Entscheidung vom 29.06.2006

Tenor:

1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, anlässlich von Krankenkontrollen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niederlassung B. A-Stadt, Betrieb A-Stadt, in deren Wohnungen Fragen zu Art, Ursache, Dauer und sonstigen jeweiligen Einzelheiten der Erkrankungen zu stellen, sowie Gespräche mit den Betroffenen darüber zu führen, solange der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 € angedroht.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (im Folgenden Betriebsrat) mitzubestimmen hat, wenn die Antragsgegnerin (im Folgenden Arbeitgeberin) Krankenkontrollbesuche durchführt.

Der Antragsteller ist der aus 17 Mitgliedern bestehende, für den Betrieb A-Stadt der Niederlassung B. A-Stadt der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) gewählte Betriebsrat. Im Betrieb A-Stadt sind 1.516 Mitarbeiter (einschließlich Beamte) beschäftigt.

Am 30.12.2004 statteten zwei Mitarbeiter der Arbeitgeberin in deren Auftrag der Arbeitnehmerin Brigitte W einen Krankenkontrollbesuch ab. In der Niederlassung war bekannt, dass Frau W einen privaten Umzug durchführte. Da sie sich am 28.12.2004 krankgemeldet hatte, hegte die Arbeitgeberin Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung und veranlasste deshalb den Kontrollbesuch. Die Mitarbeiterin wurde nicht zu Hause angetroffen.

Am 07.01.2005 führten zwei Mitarbeiter der Arbeitgeberin im Auftrag des Abteilungsleiters Auslieferung, Herrn V, bei drei erkrankten Arbeitnehmern (Bernhard U, Jürgen T und Ralf S) einen "fürsorglichen" Krankenbesuch durch. Die drei Arbeitnehmer werden beim demselben Zustellstützpunkt eingesetzt und meldeten sich am selben Tag krank. Sie litten jeweils an einer Magen-Darm-Infektion.

Der Betriebsrat wurde vor Durchführung der Kontrollbesuche nicht beteiligt, sondern lediglich per E-Mail informiert.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die von der Arbeitgeberin durchgeführten Krankenkontrollen seien nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Darüber hinaus führten die Mitarbeiter bei den Krankenkontrollbesuchen mit den betroffenen Arbeitnehmern auch Krankengespräche, die nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mitbestimmungspflichtig seien. Es liege auch ein kollektiver Tatbestand vor. Die Arbeitgeberin habe die drei Arbeitnehmer am 07.01.2005 zu Hause aufsuchen lassen, weil diese sich am gleichen Tag krankgemeldet hätten und sie - die Arbeitgeberin - deshalb vermutet habe, die jeweilige Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht gewesen.

Damit habe die Arbeitgeberin generalisierende, abstrakte Kriterien aufgestellt, um eine Auswahl derjenigen Personen zu treffen, die durch Krankenbesuche kontrolliert werden sollen. Sie nehme damit auf das Ordnungsverhalten Einfluss. Im Übrigen beeinträchtige der Besuch der Mitarbeiter in deren Privatwohnung deren Privatsphäre und stelle einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte dar. Auf die Arbeitnehmer werde dadurch ein starker Druck ausgeübt, dem sie sich in der Regel nicht entziehen könnten. Wann und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer überhaupt zu Hause aufgesucht werden dürfe, könne zwischen den Betriebpartnern ohne Weiteres durch eine generelle Regelung, beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung, festgelegt werden.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Krankenkontrollen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niederlassung B. A-Stadt, Betrieb A-Stadt, in deren Wohnungen durchzuführen, solange er seine Zustimmung nicht erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Antrag zu 1) sei als Globalantrag anzusehen und als unbegründet abzuweisen, weil ein Mitbestimmungsrecht nicht für jeden denkbaren Krankenkontrollbesuch bejaht werden könne.

Sie habe die drei krankgeschriebenen Mitarbeiter am 07.01.2005 aus "fürsorglichen" Gründen zu Hause aufsuchen lassen. Der Abteilungsleiter habe in Erfahrung bringen wollen, ob betriebliche Gründe für die Erkrankung ursächlich sein könnten. Zu demselben Zweck sei auch die Arbeitnehmerin Brigitte W am 30.12.2004 besucht worden.

Sie habe im Rahmen ihres Direktionsrechts mithin lediglich anlassbezogene individuelle Personalgespräche führen wollen bzw. - soweit die Mitarbeiter zu Hause angetroffen worden seien - geführt, um die eigene Personaleinsatzplanung auf die Erkenntnisse zum weiteren Krankheitsverlauf stützen zu können. Es fehle an einem kollektiven Bezug. Auch ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG sei nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der erstinstanzlich zwischen den Beteiligten gewechselten und zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 06.06.2005, der dem Betriebsrat am 14.07.2005 zugestellt worden ist, die Anträge zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der zulässige Unterlassungsantrag sei zurückzuweisen. Es fehle an einem Verstoß gem. § 23 Abs. 3 BetrVG, da die durchgeführten Krankenkontrollbesuche in der hier zu beurteilenden Form bereits nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlägen.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe der Betriebsrat (nur) in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen, wobei die betriebliche Ordnung (nur) allgemeingültige, für die Arbeitnehmer oder für bestimmte Arbeitnehmergruppen verbindliche Verhaltensregeln zur Sicherung des ungestörten Arbeitsablaufs und des reibungslosen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb umfasse; auch soweit das Verhalten der Arbeitnehmer angesprochen werde, gehe es hierbei nur um das Verhalten in Bezug auf die betriebliche Ordnung.

Daher seien alle Maßnahmen des Arbeitgebers nicht mitbestimmungspflichtig, die zwar das Verhalten der Arbeitnehmer beträfen, aber keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung hätten. Dies sei etwa der Fall bei Anordnungen, die ein Verhalten der Arbeitnehmer zum Gegenstand hätten und die sich nur auf die Arbeitsleistung bezögen oder die in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber tangierten.

Bei den vorliegenden Krankenkontrollen, die - unstreitig - ohne Zuhilfenahme einer technischen Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfolgten, handele es sich nur um eine Überprüfung des (Leistungs-)Verhaltens der Arbeitnehmer und nicht um eine Überprüfung des Ordnungsverhaltens.

Sie hätten den Zweck gehabt, festzustellen, ob die in ihrer Privatwohnung unverhofft aufgesuchten Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt gewesen seien oder ob eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgeschoben gewesen sei, um sich privaten Dingen - z.B. im Fall von Frau W dem Umzug - zu widmen und auf diese Weise eine bezahlte Freistellung von der Arbeit zu erlangen.

Die Krankenkontrollbesuche enthielten keine Anordnung, die ein geordnetes Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer und damit ein reibungsloses Funktionieren des Betriebes gewährleisten solle. Sie hätten mit der betrieblichen Ordnung nichts zu tun. Der Arbeitnehmer, der infolge ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit dem Betrieb fernbleibe, nehme in dieser Zeit gerade nicht an der betrieblichen Ordnung teil. Das Krankheitsverhalten des jeweiligen Arbeitnehmers habe vielmehr einen Bezug zu seiner Arbeitsleistung und zwar dergestalt, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbringe.

Die Krankenkontrollen hätten den Zweck, unberechtigte Fehlzeiten, also das sog. Krankfeiern, aufzudecken. Sie dienten der Kontrolle der ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitspflicht. In den Fällen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vortäusche, liege eine schwere Vertragsverletzung vor, die den Arbeitgeber zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen könne. Im diesem Fall betreffe der Besuch daher zweifelsohne eine Leistungsstörung des Arbeitsverhältnisses. Aber auch soweit die Fehlzeiten tatsächlich auf Krankheiten beruhten, handelt es sich um eine Leistungsstörung, da die geschuldete Leistung durch einen Vertragspartner nicht erbracht werde, sei es auch infolge eines Umstandes, den dieser nicht zu vertreten habe.

Der Betriebsrat habe demgegenüber selbst nicht behauptet, dass die von der Arbeitgeberin beauftragten Krankenbesucher "formalisierte" Gespräche hätten führen sollen.

Hiergegen richtet sich die - per Fax - am 25.07.2005 eingegangene Beschwerde, die mit einem am - per Fax am 14.10.2005 - eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist, nachdem das Landesarbeitsgericht die Frist mit Beschluss vom 08.09.2005 bis zum 14.10.2005 verlängert hat.

Der Betriebsrat trägt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Antrag zu 1) auch begründet, da die durchgeführten Krankenkontrollbesuche dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterlägen.

Schon der vom Arbeitsgericht selbst angenommene Zweck der Besuche, das sog. "Krankfeiern" aufzudecken, betreffe das Ordnungsverhalten, da die Krankenbesuche nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer hätten, sondern auch auf den Rest der Belegschaft einwirkten, indem deutlich gemacht werde, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten stärker hinterfragt würden und eine Überprüfung stattfinde, ob ein Mitarbeiter tatsächlich erkrankt sei.

Ziel der Krankenkontrollbesuche sei es daher, die mit dem "Krankfeiern" verbundenen Störungen der betrieblichen Abläufe in Zukunft zu verhindern. Es gehe in erster Linie nicht darum, individuelle Fehlzeiten zu hinterfragen, sondern darum, den Betriebsfrieden zu wahren. Dies werde besonders deutlich durch den gleichzeitigen Besuch der drei gleichzeitig erkrankten Arbeitnehmer aus derselben Abteilung. Sein Mitbestimmungsrecht sei auch bei Maßnahmen, die nur mittelbar das Verhalten der Arbeitnehmer beeinflussen sollten, betroffen.

Zudem liege entgegen der Annahme des Erstgerichts gerade kein reiner "Überwachungssachverhalt" vor. Zwar wiesen die Krankenkontrollbesuche auch das Element der Überwachung auf, überwiegend stellten sie aber sog. Krankengespräche dar, so dass unabhängig von den angesprochenen Fernzielen, die Mitbestimmungspflichtigkeit sich vorliegend aus der Art der Durchführung ergebe.

Nach den eigenen Angaben der Arbeitgeberin habe sie auch ermitteln wollen, ob die Arbeitsunfähigkeit auf betrieblichen Gründen beruhe. Bei der Mitwirkung an dieser Aufklärung erfüllten die Arbeitnehmer aber eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Dieser Bereich sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem sog. Ordnungsverhalten zuzurechnen.

Bei den Krankenkontrollbesuchen handele es sich auch um einen kollektiven Tatbestand. Dem Verhalten und dem Vortrag der Beteiligten zu 2) sei zu entnehmen, dass sie auch zukünftig gedenke, bei einem entsprechenden Verdacht Kontrollbesuche durchzuführen. Damit habe die Beteiligte zu 2) allgemeine Kriterien festgelegt, bei denen sie Krankenkontrollbesuche für erforderlich halte.

Letztlich sei auch der nicht unerhebliche Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu beachten, deren Schutz die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ebenfalls bezwecke.

Zu beachten sei im Übrigen auch die Rahmengesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Gesundheitsförderung, in der ausdrücklich Anlass sowie Art und Weise des Führens von Kranken- bzw. Vorsorgegesprächen geregelt sei.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass vorliegend sowohl das Arbeitsverhalten als auch das Ordnungsverhalten betroffen sei, komme es auf den Schwerpunkt an. Dieser liege hier auf der Regelung des Ordnungsverhaltens. Es gehe augenscheinlich nicht so sehr um den Besuch als solchen, sondern vielmehr darum, abzuklären, ob die Mitarbeiter überhaupt und ggf. woran und warum sie erkrankt seien.

Der Betriebsrat beantragt zuletzt,

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.06.2005 - Az.: 10 BV 24/05 - wird aufgehoben.

2. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Krankenkontrollen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niederlassung B. A-Stadt, Betrieb A-Stadt, in deren Wohnungen durchzuführen, solange er seine Zustimmung nicht erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist,

3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2. der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

Hilfsweise

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Krankenkontrollen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niederlassung B. A-Stadt, Betrieb A-Stadt, in deren Wohnungen Fragen zu Art, Ursache, Dauer und sonstigen jeweiligen Einzelheiten der Erkrankungen zu stellen, sowie Gespräche darüber zu führen, solange er seine Zustimmung nicht erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt zuletzt,

die Beschwerde sowie den hilfsweise gestellten Antrag aus dem Schriftsatz vom 02.03.2006 zurückzuweisen

Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bereits deswegen zurückzuweisen, weil er unzulässig sei. Jedenfalls sei er unbegründet, da das beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht bestehe.

Zutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass sich der begehrte Unterlassungsanspruch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebe, da die Krankenkontrollbesuche den Zweck hätten, das sog. "Krankfeiern" aufzudecken und damit der Kontrolle der individuellen Arbeitspflicht der Arbeitnehmer dienten. Demgegenüber seien die Krankenkontrollbesuche nicht im Hinblick auf ihr Interesse an einem störungsfreien Betriebsablauf erfolgt.

Zwar habe das Verhalten, dem die Krankenkontrollbesuche entgegenwirken sollten, auch immer irgendwie geartete Auswirkungen auf den Betriebsfrieden. Es sei aber spekulativ, dass die Krankenkontrollbesuche andere Arbeitnehmer in ihrem Verhalten beeinflusse. Im Übrigen könne solches auch nicht verhindert werden.

Die Fallgestaltung, die dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.1994 (- 1 ABR 22/94 -) zu Grunde liege, unterscheide sich bereits im Ausgangspunkt gravierend von der vorliegenden Fallgestaltung. Krankenkontrollbesuche in der hier in Rede stehenden Form fänden keineswegs in allen Fällen statt. Es gehe vielmehr um die Durchführung von Krankenkontrollbesuchen in den wenigen Fällen, in denen aufgrund kurzfristig eingetretener und unvorhergesehener Verdachtsmomente zu befürchten sei, dass eine unberechtigte Fehlzeit vorliege.

Zudem seien die Krankenkontrollbesuche nicht in einer generalisierenden und formalisierenden Art und Weise durchgeführt worden. Ein Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung bestehe mithin nicht.

Es sei ausdrücklich nicht bezweckt gewesen, mit den Krankenkontrollbesuchen die Durchführung von Krankengesprächen hinsichtlich Art, Ursache, Dauer und sonstiger Einzelheiten der Erkrankungen eines Mitarbeiters zu verbinden. Solche Krankengespräche würden regelmäßig erst nach der Genesung eines Mitarbeiters durch ihre Führungskräfte unter Beteiligung des Betriebsrats geführt. Bei den Krankenkontrollbesuchen habe es sich nur um individuelle Personalgespräche gehandelt, die auch nicht öffentlich gemacht worden seien.

Unzutreffend sei, dass sie im ersten Anhörungstermin angegeben habe, "dass ggf. durch die hier in Rede stehenden Krankenkontrollen auch ein Krankengespräch vorweg genommen werde bzw. ein nachträgliches Krankengespräch im Betrieb überflüssig werden könne".

Das Arbeitsgericht gehe zu Recht davon aus, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer vorliege.

Die Rahmenbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Gesundheitsförderung vom 27.05./07.06.2002 werde in der Niederlassung A-Stadt nicht angewendet. Eine örtliche Betriebsvereinbarung zu diesem Thema bestehe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten und zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

II.

1. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.06.2005 ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 1, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG). Die den nicht eingeschränkten Hauptantrag betreffende Beschwerde ist mithin zwar zulässig (hierzu unter a).

Sie ist aber nicht begründet (hierzu unter b). Das Arbeitsgericht hat diesen Unterlassungsantrag zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen, weil der antragstellende Betriebsrat bei "reinen" Krankenkontrollbesuchen kein generelles Mitbestimmungsrecht hat.

Im Einzelnen:

a) Der bereits erstinstanzlich gestellte Unterlassungsantrag, mit dem der Arbeitgeberin unter Androhung eines Ordnungsgeldes aufgegeben werden soll, jegliche Krankenkontrollbesuche bei den Privatadressen der betroffenen Mitarbeiter zu unterlassen, ist - wovon das Arbeitsgericht richtigerweise ausgegangen ist - zulässig. Der Antrag ist insbesondere ausreichend bestimmt. Unterlassen werden soll jeglicher Kontrollbesuch, dem der Betriebsrat nicht zugestimmt hat bzw. bei dem dessen Zustimmung nicht ersetzt wurde.

Ob dem antragstellenden Betriebsrat ein so weitgehender Unterlassungsanspruch zusteht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage der Begründetheit.

Das Rechtschutzinteresse für diesen Antrag ergibt sich - auch hierin ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen - bereits daraus, dass der Arbeitgeber sich weigert, die aus Sicht des Betriebsrats mitbestimmungspflichtige Maßnahme zu unterlassen.

b) Der mithin zulässige Unterlassungsantrag ist indes nicht begründet, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

aa) Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nur dann die Unterlassung eines Verhaltens verlangen, wenn in diesem Verhalten ein Verstoß gegen dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflicht zu sehen ist, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.

Im vorliegenden Fall fehlt es an einem solchen Verstoß, da der Betriebsrat bei den hier streitgegenständlichen, lediglich überwachenden, Krankenkontrollbesuchen kein Mitbestimmungsrecht hat.

(1) Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Gegenstand der Mitbestimmung ist danach die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Mitbestimmungsfrei sind hingegen solche Maßnahmen des Arbeitgebers, die ein Verhalten des Arbeitnehmers betreffen, das keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung hat; sei es, dass es sich nur auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezieht oder in sonstiger Weise lediglich das Verhalten des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber betrifft (vgl. BAG Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 26/90 -, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, m.w.N.).

Solche Anordnungen regeln das Verhalten des Arbeitnehmers bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung, also sein Arbeits- und Leistungsverhalten, nicht aber sein das Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb berührendes Ordnungsverhalten (st. Rspr. BAG; vgl. BAG Urt. v. 18.11.1999 - 2 AZR 743/98 - EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; BAG Beschl. v. 11.06.2002 - 1 ABR 46/01 - AP Nr. 38 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, jeweils m.w.N.).

Bei den hier in Rede stehenden bloßen (Sicht-)Kontrollen, die vorliegend unstreitig ohne Zuhilfenahme einer technischen Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfolgten, handelt es sich - auch nach Überzeugung der Berufungskammer - (lediglich) um eine Überprüfung des (Leistungs-)Verhaltens der Arbeitnehmer und nicht um die Kontrolle ihres Ordnungsverhaltens.

Das Bundesarbeitsgericht, dem die Kammer folgt, hat in seinem Beschluss vom 26.03.1991 (- 1 ABR 26/90 -, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung), den das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang zu Recht angeführten hat, für den ähnlich gelagerten Fall der Überwachung von Arbeitnehmern durch einen vom Arbeitgeber angestellten Privatdetektiv ausgeführt, dass die (bloße) Überwachung der Arbeitnehmer keinen Bezug zu deren sog. Ordnungsverhalten hat, sondern ausschließlich ihr Arbeitsverhalten betrifft. Mit dem Einsatz von Detektiven werde bereits kein Verhalten der Arbeitnehmer geregelt, ihnen werde kein bestimmtes Verhalten aufgegeben. Zweck des Einsatzes von Detektiven wie jeder Überwachung sei lediglich die Feststellung, ob die Arbeitnehmer sich bei ihrer Arbeitsleistung gemäß ihren Vertragspflichten verhielten. Dies gelte im Übrigen gleichgültig davon, ob die Beobachtung durch Detektive, durch Vorgesetzte oder durch sonstige Mitarbeiter des Arbeitgebers erfolge (BAG a.a.O.).

(2) Diese Rechtsprechungsgrundsätze gelten nach Überzeugung des Gerichts auch für den vorliegenden Fall. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Überwachung der Arbeitnehmer anlässlich ihrer tatsächlichen Arbeitsleistung erfolgte, während es hier um eine Kontrolle des Verhaltens anlässlich einer angezeigten Arbeitsunfähigkeit handelt. Auch mit den Krankenkontrollbesuchen wird bereits kein Verhalten der Arbeitnehmer geregelt. Es handelt sich gleichsam um zwei Seiten einer Medaille:

Genauso wie ein Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, wenn er während seiner Arbeit Straftaten gegen den Arbeitgeber begeht oder seine Arbeitsleistung nicht oder schlecht erbringt, verletzt auch derjenige Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten, der zwar tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist, sich aber genesungswidrig verhält, oder gar derjenige Arbeitnehmer, der sich krankschreiben lässt, obwohl er gar nicht arbeitsunfähig erkrankt ist.

In beiden Fällen handelt es sich um eine vergleichbare Fragestellung danach, ob die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbracht oder - quasi als Kehrseite - die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung in berechtigter Weise verweigert wurde.

Soweit daher die im Rahmen des Hauptantrags in Rede stehenden Krankenkontrollbesuche durch Mitarbeiter der Arbeitgeberin "nur" dem Zweck dienen, durch eine bloße (Sicht-)Kontrolle festzustellen, ob die unverhofft aufgesuchten Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt waren oder eine Erkrankung nur vorgeschoben haben bzw. ob diese sich genesungswidrig verhalten, hat eine solche Überwachung keinen Bezug zum sogenannten Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Solche Krankenkontrollbesuche enthalten keine Anordnung, die ein geordnetes Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer und damit ein reibungsloses Funktionieren des Betriebes gewährleisten soll. Das (bloße) Krankheitsverhalten des Arbeitnehmers hat vielmehr lediglich einen Bezug zu seiner Arbeitsleistung und zwar vor dem Hintergrund, dass infolge einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit, die Arbeitsleistung nicht erbracht wurde. Ein solcher "reiner" Krankenkontrollbesuch hat mit der betrieblichen Ordnung nichts zu tun. Er dient der Kontrolle der ordnungsgemäßen Arbeitspflicht. Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht, so liegt eine schwere Vertragsverletzung vor, die den Arbeitgeber zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen kann. Der Besuch betrifft eine Leistungsstörung des Arbeitsverhältnisses. Aber auch soweit die Fehlzeiten tatsächlich auf Krankheiten beruhen, handelt es sich - wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeht - um eine Leistungsstörung, da die geschuldete Leistung durch einen Vertragspartner nicht erbracht wird, sei es auch infolge eines Umstandes, den dieser nicht zu vertreten hat.

(3) Soweit der antragstellende Betriebsrat der Meinung ist, im vorliegenden Fall ergebe sich der Bezug zur betrieblichen Ordnung aus einer "Fernwirkung" der Krankenkontrollbesuche, da diese mittelbar auf die Verhaltensweisen der übrigen Arbeitnehmer einwirkten, ergibt sich nach Überzeugung der Kammer nichts anderes.

Die Arbeitgeberin hat dies bestritten, ohne dass der Betriebsrat hierzu konkret vorgetragen hat, und zudem unbestritten vorgetragen, dass jedenfalls sie diese Krankenkontrollbesuche nicht öffentlich gemacht hat.

Selbst wenn man aber zugunsten des Betriebsrats davon ausgeht, Arbeitnehmer würden in Kenntnis der Tatsache, dass sie im Falle einer Arbeitsunfähigkeit bei einem entsprechenden Verdacht überwacht werden, genesungswidriges Verhalten und erst Recht die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit vermeiden, führt dies nicht dazu, dass eine entsprechende Überprüfung der Arbeitnehmer während einer Erkrankung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (vgl. BAG Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 26/90 -, a.a.O.; LAG Baden Württemberg Beschl. v. 05.03.1991 - 14 TaBV 15/90 -; LAG Frankfurt Beschl. v. 24.03.1992 - 4 TaBV 137/91 -, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rn. 156; Hess/Schlochauer/Glaubnitz, BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rn. 114; Raab, NZA 1993, 193 ff.).

Zudem ist im vorliegenden Fall insbesondere zu beachten, dass auch eine solche Fernwirkung ersichtlich - wie oben bereits dargelegt - ebenfalls nur das Leistungsverhalten, nicht aber das Ordnungsverhalten betroffen hätte.

(4) Auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.1994 ( - 1 ABR 22/94 - AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes) zum Führen "formalisierter" Krankengespräche im Übrigen lässt sich - entgegen der Ansicht des Betriebsrates - für die hier allein streitgegenständlichen "reinen" Krankenkontrollbesuche kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG herleiten.

Wie bereits dargetan ist Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb. Dieses fordert ein aufeinander abgestimmtes Verhalten. Dazu dienen verbindliche Verhaltensregeln sowie unterschiedliche Maßnahmen, die geeignet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen und zu koordinieren.

Das Bundesarbeitsgericht hat in dem dort entschiedenen Fall - zu Recht - eine Mitbestimmungspflichtigkeit unabhängig von etwa verfolgten Fernzielen deswegen angenommen, weil es sich eben nicht nur - wie dies hier Streitgegenstand des Hauptantrags ist - um eine bloße Überwachungsmaßnahme, sondern um Krankengespräche handelte, deren Regelungsgegenstand nicht (nur) das "Krankheitsverhalten", sondern das Verhalten der Arbeitnehmer bei der Führung des Krankengesprächs selbst war. Letzteres gehöre aber nicht unmittelbar zur Erbringung der Arbeitsleistung.

Da nach alledem der Betriebsrat bei den hier in Rede stehenden Krankenkontrollbesuchen kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat und ein Mitbestimmungsrecht des BetrVG nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG schon deswegen ausscheidet, weil unstreitig keine Überwachung mit technischen Einrichtungen erfolgt(e), kann der Betriebsrat auch nicht verlangen, dass der Arbeitgeber solche Maßnahmen unterlässt, bis er - der Betriebsrat - diesen zustimmt bzw. die Zustimmung ersetzt wurde.

Andere Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, aus denen sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergeben kann, sind nicht ersichtlich.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht soweit der Betriebsrat geltend macht, durch die Hausbesuche werde die Privatsphäre und damit das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer in erheblichem Maße verletzt.

Es liegt insbesondere auch kein Verstoß gegen § 75 Abs. 2 BetrVG vor. Dieser Rechtsansicht trägt der vom Betriebsrat verfolgte Unterlassungsantrag keine Rechnung. Mit diesem Antrag erstrebt der Betriebsrat lediglich die Beachtung seiner vermeintlichen Mitbestimmungsrechte bei der Durchführung von Krankenkontrollbesuchen. Die Arbeitgeberin soll solche Besuche (nur) dann unterlassen, wenn der Betriebsrat diesen nicht zuvor zugestimmt hat.

Darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Arbeitgeberin unabhängig von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats berechtigt ist, in den Privatwohnungen ihrer Mitarbeiter Krankenkontrollbesuche abzustatten, hat die Kammer im vorliegenden Verfahren mithin nicht zu entscheiden. Wären die Krankenkontrollbesuche überhaupt oder unter bestimmten Voraussetzungen nach § 75 Abs. 1 BetrVG unzulässig, könnten diese auch mit einer Zustimmung des Betriebsrats nicht zulässig werden (BAG Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 26/90 -, a.a.O.).

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob § 75 Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat überhaupt einen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber dahingehend gewährt, dass dieser alle Handlungen und Maßnahmen unterlässt, durch die die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer beeinträchtigt wird.

2. Demgegenüber erweist sich der gestellte Hilfsantrag, mit dem der Betriebsrat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Krankenkontrollen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niederlassung B. A-Stadt, Betrieb A-Stadt, in deren Wohnungen Fragen zu Art, Ursache, Dauer und sonstigen jeweiligen Einzelheiten der Erkrankungen zu stellen, sowie Gespräche darüber zu führen, solange er seine Zustimmung nicht erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist, als zulässig und begründet.

a) Der Antrag ist zulässig. Es kann dahinstehen, ob es sich insoweit gegenüber dem erstinstanzlich gestellten Antrag ohnehin lediglich um eine Antragseinschränkung handelt, die auch in der Beschwerdeinstanz ohne weiteres zulässig ist (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO) oder ob es sich um eine Antragsänderung handelt. Auch im letzteren Fall bestehen an der Zulässigkeit keine Bedenken, da gemäß §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO eine Klage-/Antragsänderung dann zulässig ist, wenn - wie hier - das Gericht dies für sachdienlich erachtet (§ 533 Nr. 1 ZPO) und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungs-/Beschwerdegericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Beschwerde/Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Überdies hat die Arbeitgeberin durch ihre rügelose Einlassung konkludent in eine evt. Antragsänderung eingewilligt (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 533, 267 ZPO).

Zur Zulässigkeit im Übrigen wird zur Meidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen unter II. 1. a. der Gründe verwiesen.

b) Der hier in Rede stehende Unterlassungsantrag ist auch begründet.

aa) Dies folgt im vorliegenden Fall nach Überzeugung der Kammer bereits aus der von dem Betriebsrat vorgelegten "Rahmengesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Gesundheitsförderung" vom 27.05./07.06.2002, in der ausdrücklich Anlass sowie Art und Weise des Führens von Kranken- bzw. Vorsorgegesprächen, und zwar unter ausdrücklicher Beteiligung des Betriebsrats, geregelt ist (§§ 2, 6 RahmengesamtBV).

Führt die Arbeitgeberin anlässlich der Krankenkontrollbesuche dennoch entgegen den Regelungen dieser (Gesamt-)Betriebsvereinbarung Krankengespräche mit den am Wohnort aufgesuchten Arbeitnehmern durch oder beabsichtigt sie solches, was nur deswegen nicht zustande kommt, weil der Arbeitnehmer tatsächlich nicht angetroffen wird, liegt ein (beabsichtigter) Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vor, die den hier in Rede stehenden Unterlassungsantrag rechtfertigt.

(1) Die Kammer verkennt nicht, dass die Arbeitgeberin (vgl. Schriftsatz vom 01.03.2006, dort S. 2) behauptet hat, diese Rahmengesamtbetriebsvereinbarung werde im Bereich der Niederlassung B. A-Stadt nicht angewandt, eine örtliche Betriebsvereinbarung zum Thema "Krankheitsstand" bestehe in der Niederlassung A-Stadt nicht. Im Hinblick darauf, dass Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend gelten, hat die Arbeitgeberin mithin bereits nicht konkret dargetan, dass und weshalb die in Rede stehende Betriebsvereinbarung trotz deren § 2 für ihren Bereich nicht gegolten habe. Allein der Vortrag, man habe sie nicht angewandt, reicht insoweit nicht aus.

Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin im Anhörungstermin am 11.05.2006 (vgl. Bl. 149 d.A.) selbst eingeräumt, dass sehr wohl auch in der Niederlassung A-Stadt Krankengespräche, wie sie in der Gesamtrahmenbetriebsvereinbarung geregelt sind, geführt würden. Sie sei sich allerdings nicht sicher, ob die genannte Betriebsvereinbarung zwischenzeitlich gekündigt worden sei.

Auch mit diesen Angaben hat die Arbeitgeberin indes weder ausreichend bestritten, dass die genannte Betriebsvereinbarung doch Anwendung findet, noch ausreichend vorgetragen, dass diese (wann, durch wen ?) gekündigt worden sei.

(2) Soweit die Arbeitgeberin auf den Auflagenbeschluss im Anhörungstermin vom 19.01.2006 bestreitet, sie habe dort geäußert, dass ggf. anlässlich der Krankenkontrollbesuche auch ein Krankengespräch vorweg genommen bzw. ein nachträgliches Krankengespräch im Betrieb überflüssig werden könne, ist darauf zu verweisen, dass der Auflagenbeschluss direkt im Anschluss an den Anhörungstermin basierend auf der übereinstimmenden Erinnerung aller Kammermitglieder erfolgte.

Aber selbst dann, wenn durch Gespräche anlässlich der Krankenkontrollbesuche die betrieblichen Krankengespräche nicht überflüssig würden, stellt es einen (beabsichtigten) Verstoß dar, wenn ein Arbeitnehmer in seiner Privatwohnung überraschend von Mitarbeitern der Beklagten nicht nur aufgesucht wird, sondern zudem ohne die Beteiligung des Betriebsrats auch zu Art, Ursache, Dauer und sonstigen Einzelheiten der jeweiligen Erkrankung befragt wird. Dies folgt bereits daraus, dass der aufgesuchte Arbeitnehmer Gefahr läuft, bereits bei dem für ihn überraschenden Gespräch in seiner Wohnung unüberlegt Angaben zu machen, die er dann in dem "offiziellen" Krankengespräch schwerlich revidieren kann.

Zwar hat die Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz behauptet, es sei nicht bezweckt gewesen, mit den Krankenkontrollbesuchen auch die Durchführung von Krankengesprächen zu verbinden. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist indes nicht frei von Widersprüchen.

So hat die Arbeitgeberin bereits erstinstanzlich vorgetragen, sie habe im Rahmen ihres Direktionsrechts lediglich anlassbezogene individuelle Personalgespräche führen wollen bzw. - soweit die Mitarbeiter zu Hause angetroffen worden seien - geführt, um die eigene Personaleinsatzplanung auf die Erkenntnisse zum weiteren Krankheitsverlauf stützen zu können. Auch in der Beschwerdeinstanz hat sie noch dargelegt, bei den Krankenkontrollbesuchen habe es sich nur um individuelle Personalgespräche gehandelt, die auch nicht öffentlich gemacht worden seien.

Damit hat die Arbeitgeberin aber gerade eingeräumt, dass anlässlich der Krankenkontrollbesuche tatsächlich aber auch Personalgespräche geführt wurden oder - je nach Situation - jedenfalls hätten durchgeführt werden sollen.

Dies entspricht auch der Lebenserfahrung. Wenn schon ein Arbeitnehmer durch einen Mitarbeiter des Arbeitgebers wegen einer bezweifelten Arbeitsunfähigkeit persönlich zu Hause aufgesucht, angetroffen und angesprochen wird, liegt es natürlich nahe, dass dieser Arbeitnehmer auch zu den Umständen seiner (angeblichen) Erkrankung befragt wird.

Nach alledem ist der mit dem Hilfsantrag begehrte Unterlassungsantrag bereits aus den vorstehenden Gründen zu bejahen.

bb) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich zudem im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer vollumfänglich folgt, auch aus einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Das Bundesarbeitsgericht ist in seiner Entscheidung vom 08.11.1994 (- 1 ABR 22/94 -, AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes) davon ausgegangen, dass die Führung formalisierter Krankengespräche zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes mit einer nach einer abstrakten Mehrzahl von Arbeitnehmern gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, da es dabei um das Verhalten der Arbeitnehmer in bezug auf die betriebliche Ordnung und nicht um das Verhalten bei der Arbeitsleistung selbst gehe. Die Mitbestimmungspflichtigkeit bei der Durchführung von Krankengesprächen könne sich auch aus der Art ihrer Durchführung und aus deren Regelungsgegenstand ergeben.

Ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den Arbeitgeber zu einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahmen sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und Arbeitsverhalten aus, so kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt.

Ziel der Arbeitgeberin war nach ihrem eigenen Vortrag eben nicht nur eine bloße Krankenkontrolle dergestalt, als das durch eine "passive" Überwachung bzw. Beobachtung festgestellt werden sollte, ob Anhaltspunkte für ein "Krankfeiern" vorliegen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin selbst schon erstinstanzlich behauptet, sie habe die Krankengespräche führen wollen bzw. geführt, um die eigenen Personaleinsatzplanungen auf die Erkenntnisse zum weiteren Krankheitsverlauf stützen zu können. Zudem habe der Abteilungsleiter durch die Befragungen auch in Erfahrung bringen wollen, ob betriebliche Gründe für die Erkrankungen ursächlich sein könnten. Ihre nunmehrige Behauptung, es sei ausdrücklich nicht beabsichtigt gewesen, mit den Krankenkontrollbesuchen Krankengespräche zu verbinden, ist daher bereits widersprüchlich. Zudem räumt die Arbeitgeberin auch in der Beschwerdeinstanz selbst ein, dass anlässlich der Krankenkontrollbesuche tatsächlich aber auch Personalgespräche geführt wurden oder jedenfalls hätten durchgeführt werden sollen.

Ziel der Maßnahme der Krankengespräche war mithin auch im vorliegenden Fall die Aufklärung der Gründe für die Fehlzeiten, insbesondere die Frage nach eventuellen betrieblichen Ursachen. Mit der Heranziehung zu solchen Krankengesprächen werden die Arbeitnehmer aufgefordert, an der Aufklärung mitzuwirken. Bei einer solchen Mitwirkung erfüllen die Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Dieser Bereich ist dem Ordnungsverhalten zuzurechnen (BAG, a.a.O.; LAG Rheinland-Pfalz Beschl v. 02.11.2005 - 9 TaBV 13/05 -). Es handelt sich auch um einen kollektiven Tatbestand, der einer generellen Regelung zugänglich ist und die Mitbestimmung des Betriebsrats erforderlich macht. Eine mitbestimmungsfreie Individualmaßnahme läge nur vor, wenn sie allein durch Umstände veranlasst wäre, die in der Person einzelner Arbeitnehmer begründet wären, ohne die übrige Belegschaft zu berühren (BAG Beschl. v. 08.11.1994 - 1 ABR 22/94 -, a.a.O.).

Vorliegend hatten die (beabsichtigten) Krankengespräche kollektiven Charakter, da sie die Arbeitnehmer, insbesondere auch die drei gleichzeitig erkrankten Mitarbeiter, nicht individuell, sondern aufgrund der Tatsache erfassten, dass alle unter solchen Umständen erkrankten, die - jedenfalls aus Sicht der Arbeitgeberin - geeignet waren, den Verdacht des "Krankfeierns" zu begründen. Es ging mithin um eine generelle Regelung gegenüber einer nach abstrakten Kriterien bestimmbaren Gruppe von Arbeitnehmern (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschl v. 02.11.2005 - 9 TaBV 13/05 -).

cc) Da der vorstehende Unterlassungsanspruch nach alledem begründet ist, war auch dem zulässigerweise mit dem Hauptantrag verbundene Antrag auf Androhung eines Ordnungsgelds in der von der Kammer als angemessen erachteten Höhe stattzugeben (§§ 87 Abs. 1, 85 Abs. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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