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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 11 TaBV 58/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 85 Abs. 2
BetrVG § 102
BetrVG § 111
BetrVG § 112
BetrVG § 112 Abs. 1
BetrVG § 112 Abs. 2
BetrVG § 113 Abs. 3
BetrVG § 121
ZPO § 935
ZPO § 938 Abs. 2
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 89
ArbGG § 92 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 TaBV 58/06

Entscheidung vom 26.10.2006

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - 4 BVGa 7/06 - vom 24.08.06 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (folgend: Betriebsrat) ist der A. in A-Stadt. Er wurde aufgrund eines Tarifvertrages über die Betriebsratsstruktur vom 25.11.2002 gebildet. Er wurde für die an dem Tarifvertrag beteiligten Gesellschaften der W GmbH, der W V GmbH sowie der Antragsgegnerin (folgend: Arbeitgeberin), gebildet.

Die Arbeitgeberin informierte den Betriebsrat am 10.07.2006 darüber, dass man beabsichtige, den Betrieb der Arbeitgeberin zum 31.07.2006 zu schließen. In diesem Betrieb waren 19 Arbeitnehmer beschäftigt.

Am 14.07.2006 fanden Gespräche über einen Interessenausgleich zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin statt. Im Laufe dieser Verhandlungen äußerte der Betriebsrat den Wunsch, einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen zu dürfen, um mit ihm rechtliche Fragen erörtern zu können, insbesondere ob gegebenenfalls ein Betriebsübergang vorliegen könnte.

Die Arbeitgeberin genehmigte insofern ein Beratungsgespräch im Umfang von zwei Stunden.

Mit der Kostenübernahmebestätigung wurde dem Betriebsratsvorsitzenden am 14.07.2006 ein Vorschlag für einen Interessenausgleich übermittelt.

Zu weiteren Verhandlungen kam es nicht mehr. Der Arbeitgeber schlug insofern einen Verhandlungstermin in der 33. Kalenderwoche vor, wobei der Betriebsrat zuvor mitgeteilt hatte, dass er während dieser Woche unabkömmlich sei. Zu dem seitens des Betriebsrats in der Folgewoche vorgeschlagenen Verhandlungstermin kam es ebenfalls nicht.

Der Arbeitgeber erklärte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 18.08.2006, dass er die Verhandlungen über einen Interessenausgleich für gescheitert erachte.

In seiner Sitzung am 20.08.2006 beschloss auch der Betriebsrat, dass auch nach seiner Ansicht die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan gescheitert sind. Er beschloss, die Einigungsstelle anzurufen.

Mit Schreiben vom 18.08.2006 überreichte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat Anhörungsschreiben zu insgesamt neun Kündigungen gemäß § 102 BetrVG. Die Kündigungen wurden am 26.08.2006 ausgesprochen. Einer der verbleibenden zehn Mitarbeiter befindet sich in der Freistellungsphase seines Altersteilzeitvertrages. Mit den anderen neun Arbeitnehmern sind Aufhebungsverträge geschlossen worden. Derzeit finden im Rahmen der ablaufenden Kündigungsfristen noch Abwicklungsarbeiten bei der Arbeitgeberin statt. Werbend ist sie nicht mehr tätig.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei nur unzureichend über die geplante Betriebsänderung informiert worden. Insbesondere habe er keine Information darüber erhalten, ob es sich hier gegebenenfalls um einen Betriebsübergang auf ein anderes Unternehmen handeln könnte. Insofern lägen Anhaltspunkte vor.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

1. dem Arbeitgeber aufzugeben, ihn unverzüglich und umfassend über die geplante und teilweise schon durchgeführte Betriebsänderung zum 31.07.2006 unter Vorlage der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Unterlagen zu unterrichten und die geplante Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten.

2. Dem Arbeitgeber zu untersagen, im Rahmen der geplanten Betriebsschließung betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, bis die Verhandlungen über einen Interessenausgleich gemäß §§ 112 Abs. 1 und 2 BetrVG abgeschlossen oder gescheitert sind.

Hilfsweise:

Dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange der Betriebsrat über die geplante und teilweise schon durchgeführte Betriebsänderung zum 31.07.2006 unter Vorlage der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht unterrichtet und solange sie mit dem Betriebsrat nicht beraten ist.

Hierzu höchst hilfsweise:

Dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen und durchzuführen, solange die Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch nicht begonnen haben.

1. Für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem Antrag zu 2) wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft des Geschäftsführers, Herrn U, bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich keinen Antrag gestellt. Das Arbeitsgericht hat Anhörungstermin auf den 24.08.2006 bestimmt und die Einlassungs- und Ladungsfristen abgekürzt. Die Antragsschrift ist vom Arbeitsgericht an eine Telefaxnummer übersendet worden, die seitens des Betriebsrats als eine Telefaxnummer der Arbeitgeberin bezeichnet worden ist. Zum Anhörungstermin ist die Arbeitgeberin nicht erschienen. Laut Postzustellungsurkunde (Bl. 52 a d.A.) ist der Arbeitgeberin eine gerichtliche Ladung zum Termin am 24.08.2006 erst am 25.08.2006 zugegangen, wobei in der Ladung ein falscher Geschäftsführer bezeichnet war.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 24.08.2006 den Hauptanträgen des Betriebsrats stattgegeben.

In den Gründen hat es ausgeführt, dass dem Betriebsrat ein Unterrichtungs- und Beratungsanspruch gemäß § 111 BetrVG zustehe. Eine umfassende Unterrichtung habe bislang nicht stattgefunden. Auch sei es noch nicht zu einer Beratung gekommen. Ein Verfügungsgrund und ein Verfügungsanspruch bestehe. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts komme es nicht auf den Meinungsstreit in der Rechtsprechung und in der Literatur an, ob überhaupt grundsätzlich ein materieller Unterlassungsanspruch eines Betriebsrats hinsichtlich einer durchzuführenden Betriebsänderung nach § 111 BetrVG bestehe, solange nicht sein Informations- und Beratungsrecht gewahrt sei. Die Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der §§ 111 ff BetrVG ergebe sich unmittelbar aus den Bestimmungen in den Verfahrensordnungen nach §§ 85 Abs. 2 BetrVG, 935, 938 Abs. 2 ZPO.

Bezüglich der weiteren Begründung wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts verwiesen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist der Arbeitgeberin am 28.08.2006 zugestellt worden. Mit am 28.09.2006 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz hat die Arbeitgeberin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.

Sie trägt vor:

Sie habe den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausreichend informiert und seine Rechte nach § 111 BetrVG gewahrt. Im Übrigen sei aus Rechtsgründen ein Unterlassungsanspruch eines Betriebsrats, der im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden könnte, gegen die Durchführung einer Betriebsänderung vor Erfüllung der Informations- und Beratungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der §§ 111 ff BetrVG abzulehnen. Jedenfalls ergebe sich aus dem Umstand, dass der Betriebsrat selbst die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs für gescheitert erklärt habe, dass sein Informations- und Beratungsrecht nicht mehr bestehe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 24.08.2006 - Aktenzeichen - 4 BVGa 7/06 - aufzuheben,

2. den Antrag des Betriebsrats vom 23.08.2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hilfsweise

dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange der Betriebsrat über die geplante und teilweise schon durchgeführte Betriebsänderung zum 31.07.2006 unter Vorlage der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht unterrichtet und solange sie mit dem Betriebsrat nicht beraten ist.

Höchst hilfsweise,

dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen und durchzuführen, solange die Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch nicht begonnen haben.

Weiterhin beantragt der Betriebsrat,

das Gericht möge ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 234 EG-Vertrag beim Europäischen Gerichtshof einleiten.

Er trägt vor,

das Arbeitsgericht Ludwigshafen habe zutreffend und mit zutreffender Begründung die einstweilige Verfügung erlassen. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Massenentlassungsrichtlinie 98/05/EG, dort Artikel 2. Zur Klärung der diesbezüglichen Vereinbarkeit mit den §§ 111, 112 BetrVG müsse das Landesarbeitsgericht auch ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 234 EG-Vertrag beim Europäischen Gerichtshof einleiten.

Bezüglich der weiteren Ausführungen der Verfahrensbeteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II.

Auf die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin war der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben, da zumindest im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ein Anspruch des Betriebsrats auf Information und Beratung gemäß § 111 BetrVG nicht mehr bestand.

1.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 89, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet. Jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war der Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Wahrung seiner Rechte aus den §§ 111, 112 BetrVG nicht mehr zulässig. Ihm fehlt insofern das Rechtsschutzbedürfnis.

Bei der Notwendigkeit des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die jederzeit von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. vor § 253 Randziffer 9, 18). Abzustellen ist insofern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Liegt das Rechtsschutzinteresse nicht vor, ist ein Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Hat sich die Hauptsache zwischen dem Beschluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz und der Entscheidung über ein eingelegtes Rechtsmittel erledigt, fehlt der Weiterverfolgung des ursprünglichen Antrags das Rechtsschutzinteresse (LAG Hamm, 09.01.1985 - 12 TaBV 80/84 -). In diesem Fall hat der Antragsteller seinen Antrag für erledigt zu erklären. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrags tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Im Beschlussverfahren kommt es dabei auf die ursprüngliche Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags nicht an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.04.2006 - 5 TaBV 2/06).

Im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass die seitens der Arbeitgeberin geplante Betriebsänderung nach Ausspruch der neun Kündigungen am 26.08.2006 und den mit den übrigen Arbeitnehmern abgeschlossenen Aufhebungsverträgen seitens der Arbeitgeberin bereits durchgeführt worden ist. Beide Verfahrensbeteiligten erklärten übereinstimmend, dass aus ihrer Sicht die Betriebsänderung damit abgeschlossen sei.

Nach Hinweis des Vorsitzenden, dass damit das Rechtsschutzinteresse für das einstweilige Verfügungsverfahren nicht mehr gegeben sei, hat der Betriebsrat allerdings keinen weiteren Verfahrensantrag gestellt. Er verwies lediglich darauf, dass ein solches Rechtsschutzinteresse sich möglicherweise daraus ergeben könnte, dass einige der ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sein könnten, so dass es nochmals zur Umsetzung der geplanten Betriebsänderung zum Ausspruch weiterer Kündigungen kommen könnte.

Allein diese fiktive Möglichkeit, nämlich das zur Umsetzung der Betriebsänderung gegebenenfalls noch weitere Handlungen der Arbeitgeberin zu einem späteren Zeitpunkt nötig sein könnten, begründen jedoch kein Rechtsschutzinteresse zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung.

Derzeit liegt ein solches jedenfalls nicht vor, da weder die Arbeitgeberin plant, zur Durchsetzung der ursprünglich geplanten Betriebsänderung noch weitere Maßnahmen durchzuführen, noch ersichtlich ist, ob dies überhaupt eventuell irgendwann einmal notwendig sein könnte. Sollte dies in der Zukunft einmal der Fall sein, mag zu diesem Zeitpunkt wieder ein Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats für die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegeben sein, derzeit besteht dieses jedenfalls nicht, da keine weiteren Maßnahmen im Rahmen von Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG seitens der Arbeitgeberin geplant sind und auch der Betriebsrat solche derzeit nicht sieht.

Nach alledem war der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen aufzuheben und die Anträge des Betriebsrates zurückzuweisen. Aus diesem Grunde war auch der Antrag abzulehnen, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 234 EG-Tarifvertrag beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten.

3.

Auch wenn es für die Entscheidung nicht mehr darauf ankommt, seien die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der erkennenden Kammer der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen auch aus einem weiteren Grund aufzuheben war und die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen waren.

a)

Die Ansicht, die das Arbeitsgericht Ludwigshafen in seinem Beschluss vertreten hat, nämlich dass im Rahmen einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Wahrung seiner Beratungs- und Informationsrechte nach § 111 BetrVG anzuerkennen ist, ist bekanntermaßen in Literatur und Rechtsprechung umstritten (vgl. zu den unterschiedlichen Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte die Nachweise bei Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 10. Auflage, § 111 BetrVG, Randziffer 166, Fauser/Nacken, NZA 2006, 1136). Die Vertreter der Ansicht, die eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung ablehnen, stützen ihre Ansicht im Wesentlichen darauf, dass dem Betriebsrat kein materiellrechtlicher Anspruch auf Durchführung von Interessenausgleichsverhandlungen zustehe und im Betriebsverfassungsgesetz die Sanktionen für die Missachtung der Informations- und Beratungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 111 ff BetrVG abschließend in § 113 Abs. 3 BetrVG und § 121 BetrVG geregelt sein sollen. Den Unterlassungsanspruch lediglich auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 935, 938 ZPO zu stützen sei ebenfalls nicht möglich, da dadurch dem Betriebsrat im Eilverfahren mehr zugesprochen werden würde, als er in einem Hauptsacheverfahren erreichen könne (vgl. insofern auch LAG Rheinland-Pfalz, 24.11.2004 - 9 TaBV 29/04 -).

Die Vertreter, die einen Unterlassungsanspruch bejahen, stellen darauf ab, dass es sich bei den Beratungs- und Informationsrechten des Betriebsrates um selbständig einklagbare Ansprüche handele. Die von der Rechtsordnung vorgegebene Rechtsposition auf Beteiligung am Verfahren im Rahmen einer Betriebsänderung sei nur bei Bejahung einer Unterlassungsverfügung wirksam durchsetzbar. Die individualrechtlichen Ansprüche einzelner Arbeitnehmer nach § 113 Abs. 3 BetrVG seien hingegeben kein wirksames Mittel zur Sicherung der Ansprüche des Betriebsrats. Auch werde nicht unzulässig in die Freiheit der Unternehmerentscheidung eingegriffen, wenn dem Arbeitgeber untersagt werde, eine Betriebsänderung durchzuführen, bevor er seinen Verpflichtungen nach § 111 BetrVG nachgekommen sei. Dies sei selbst Ausfluss seiner eigenen Unternehmerentscheidung, diese gesetzlich vorgegebenen Rechte des Betriebsrats nicht zu wahren, sondern sich darüber hinwegzusetzen (vgl. Arbeitsgericht Kaiserslautern, 19.12.1996 - 7 BVGa 2493/096 -). Zudem spreche seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2002/13/EG am 23.03.2005 Vieles dafür, in deren Anwendungsbereich angesichts Artikel 4 Abs. 4 Lit.e im Wege der richtlinienkonformen Auslegung einen Unterlassungsanspruch anzuerkennen. Aus Artikel 8 Abs. 1 und 2 der genannten Richtlinie ergebe sich, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet seien, geeignete Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu schaffen, mit deren Hilfe die Erfüllung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden könne (vgl. Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 111 Randziffer 168).

b)

Nach Ansicht der erkennenden Kammer findet ein solches mögliches Recht des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung einer Betriebsänderung jedenfalls seine zeitliche Grenze, wenn das Verfahrensstadium, in dem der Arbeitgeber verpflichtet ist, nach § 111 BetrVG den Betriebsrat zu informieren und sich mit ihm zu beraten, seine Beendigung gefunden hat. Der Unterlassungsanspruch kann alleine dazu dienen, die eigenen Rechte des Betriebsrats auf Information und Beratung zu wahren. Dieses Verfahrensstadium findet aber seine Beendigung, wenn die Betriebspartner die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleiches für gescheitert erklärt haben und insofern sich dafür entschieden haben, die Einigungsstelle anzurufen (ebenso Richardi, a.a.O., § 111 Randziffer 168). Eine Verpflichtung eines Betriebspartners, die Einigungsstelle anzurufen, besteht nach § 112 BetrVG nicht. Auch ist ein Interessenausgleich im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens nach § 112 BetrVG nicht erzwingbar. Sobald dieses Verfahrensstadium, nämlich die Anrufung der Einigungsstelle erreicht worden ist, bestehen seitens des Arbeitgebers auch allenfalls noch Informations- und Beratungsrechte hinsichtlich der Einigungsstelle, nicht jedoch mehr gegenüber dem Betriebsrat.

Im vorliegenden Verfahren hat der Betriebsrat selbst vorgetragen, dass er, nachdem bereits der Arbeitgeber die Verhandlung am 18.08.2006 für gescheitert erklärt hat, durch Betriebsratsbeschluss vom 22.08.2006 ebenfalls die Verhandlungen über einen Interessenausgleich für gescheitert erklärt hat. In diesem Beschluss hat er sich auch dafür entschieden, die Einigungsstelle anzurufen. Das Verfahrensstadium, in dem die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen wäre, den Betriebsrat nach § 111 BetrVG ausreichend zu informieren, um mit ihm in Beratungen einzutreten, war damit beendet.

c)

Bezüglich des Antrags des Betriebsrats ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 234 EG-Vertrag beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, bestehen abgesehen von den unter Ziffer 1 genannten Gründen, grundsätzliche Bedenken.

Beim einstweiligen Verfügungsverfahren handelt es sich um ein Eilverfahren. Deswegen ist bereits im Arbeitsgerichtsgesetz in den §§ 72 Abs. 4, 92 Abs. 1 S. 3 geregelt, dass die dritte Instanz ausgeschlossen ist (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, § 85 Randziffer 75).

Erst recht widerspricht es einem Eilverfahren, dasselbe gegebenenfalls jahrelang auszusetzen, bis der EuGH sich mit der Materie befassen kann. Deswegen hat er auch bereits mehrfach entschieden, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich vorlagepflichtige Gerichte auf eine Vorlage verzichten können, wenn in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren eine erneute Prüfung möglich ist (EuGH Urteil vom 24.05.1977, RS 107 aus 76; 27.10.1982 RS 35/82; vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht, 10.04.2002 - 5 U 63/01 -). Es genügt zu einer einheitlichen Ausführung des Gemeinschaftsrechts, wenn im Hauptsacheverfahren eine vorlagepflichtige Rechtsfrage vorgelegt wird (Schwab/ Weth, Seite 2327 Randziffer 125; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Aufl. M Randziffer 165).

III.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, da eine Rechtsbeschwerde prozessual nicht zulässig ist, § 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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