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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 1012/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
BGB § 242
BGB § 273
BGB §§ 293 ff
BGB § 611
BGB § 615
BGB § 615 Satz 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 814
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 1012/04

Entscheidung vom 07.06.2005

Tenor:

1. Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -, verkündet am 25.11.2004 - 7 Ca 2826/03 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch um Annahmeverzugsansprüche des Klägers und um einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 15.10.2001 zunächst für die Dauer von 6 Monaten befristet und danach unbefristet als Baggerfahrer aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.04.2002 (Bl. 4 bis 7 d.A.) beschäftigt. Die Beklagte erwarb im Frühjahr/Frühsommer 2002 einen Bagger vom Typ 345 Cater Pilar. An diesen Bagger konnte ein Ausleger montiert werden, mit dem Abbrucharbeiten bis zu einer Arbeitshöhe von 26 Metern möglich waren. Die Beklagte setze den Kläger auf diesem Bagger ein. Diese Longfronteinrichtung ließ die Beklagte dann am 25.06.2003 von einer Fachfirma wieder abbauen.

Ab dem Monat August 2002 zahlte die Beklagte an den Kläger neben der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung zusätzlich einen Betrag von monatlich 500,-- Euro; über Grund und Anlass dieses Vergütungsbestandteils besteht zwischen den Parteien Streit. Die Beklagte erteilte dem Kläger zunächst eine Abrechnung für den Monat August 2002, in der Überstundenleistungen enthalten sind mit entsprechenden Überstundenzuschlägen. Im Folgemonat korrigierte sie diese Abrechnung dahingehend, dass die gezahlten Überstunden nebst Zuschlägen herausgerechnet wurden und dafür ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 500,-- Euro ausgewiesen ist, der als Longfrontbaggerzulage bezeichnet ist. In der Folgezeit zahlte die Beklagte jeweils diese Zulage und wies sie in den Gehaltsabrechnungen jeweils als "Zulage Longfrontbagger" aus.

Ab dem 29.09.2003 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, was er der Beklagten angezeigt hat. Mit Schreiben vom 01.10.2003 (Bl. 12 bis 15 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zahlung der Zulage für den Longfrontbagger sei seit Mai des Jahres 2003 nicht mehr gerechtfertigt, weil der Kläger seit dieser Zeit keinen Longfrontbagger mit einer entsprechenden Ausrüstung mehr bedient habe. Aus Versehen der Personalabteilung sei ihm diese Zulage jedoch weiter bezahlt worden. Dem Kläger stehe daher diese Zulage ab Mitte Mai 2003 nicht mehr zu, so dass er für die Dauer von viereinhalb Monaten diese Zulage zu Unrecht erhalten habe und diese bei seiner Septemberabrechnung in Abzug gebracht werde. Desgleichen stehe ihr für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch für Stellkosten eines Wohnwagens des Klägers auf ihrem Betriebsgelände zu; die Miet-, Strom-, Wasserbenutzungs- und anteiligen Müllgebührenkosten beliefen sich auf monatlich 50,-- Euro.

Die Beklagte zahlte von dem abgerechneten (vgl. Bl. 11 d.A.) Nettoverdienst des Klägers für den Monat September 2003 in Höhe von 2.630,01 Euro nichts an den Kläger aus, auch nicht die unpfändbaren Beträge, sondern rechnete mit den vorgenannten Gegenansprüchen auf und kam auf diese Weise auf einen überzahlten Betrag des Klägers in Höhe von 96,-- Euro.

Mit Klageschrift vom 20.10.2003 forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Septemberlohnes und wies darauf hin, dass der Beklagten keine Gegenansprüche zustünden. Zumindest sei diese verpflichtet, die unpfändbaren Beträge an ihn auszuzahlen, weil eine Aufrechnung nur im Bereich der pfändbaren Vergütungsbestandteile rechtlich zulässig sei. Auch im Gütetermin vom 04.12.2003 wies das Gericht auf die Unpfändbarkeitsbestimmungen hin. Es bestimmte Termin zur Kammerverhandlung auf den 01.07.2004. In der Folgezeit hat der Kläger mehrfach seine Klage erhöht und die Beklagte hat Hilfswiderklage erhoben.

Der Kläger war ab Ende September durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 18.03.2004 teilte er der Beklagten mit, er werde ab dem 26.04.2004 wieder arbeitsfähig sein, jedoch mache er von seinem Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung Gebrauch, weil die Beklagte sich zu Unrecht weigere, ihm die September-, Oktober- und restliche Novembervergütung auszuzahlen und zudem ohne Rücksicht auf Pfändungsschutzvorschriften mit Gegenansprüchen, die zudem völlig unbegründet seien, aufrechne. Tatsächlich war der Kläger in der Folgezeit noch bis zum 18.05.2003 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dann hat er bei zwei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet und hat dort folgende Verdienste erzielt:

 - Mai: 1.685,60 Euro brutto,
- Juni: 6.73,60 Euro brutto,
 und 1.834,25 Euro brutto;
- Juli:3.211,75 Euro brutto,
- August: 2.522,00 Euro brutto.

Der Kläger hat vorgetragen:

Der Beklagten stünden keine aufrechenbaren Gegenansprüche zu.

In den Gehaltsabrechnungen sei zwar ab September 2002 eine Longfrontbaggerzulage von monatlich 500,-- Euro ausgewiesen; tatsächlich habe es sich bei diesem Vergütungsbestandteil um eine Lohnerhöhung gehandelt. Im Juni 2002 habe er das Arbeitsverhältnis beenden wollen und habe bereits einen schriftlichen Arbeitsvertragsentwurf (Bl. 49 bis 53 d.A.) eines neuen Arbeitgebers, der Firma K. Abbruch GmbH, gehabt, weil er dort 500,-- Euro monatlich mehr erhalten hätte. Als er dies der Beklagten mitgeteilt habe, sei beabsichtigt gewesen, dass er vor dem Verlassen der Firma zuerst einen Nachfolger mit Vornamen L. einarbeite. Da dieser sich jedoch als untauglich erwiesen habe, habe der Geschäftsführer der Beklagten ihm erklärt, die Beklagte zahle ihm auch einen um 500,-- Euro höheren Lohn, falls er im Betrieb verbleibe. Damit sei er einverstanden gewesen. Diese Lohnerhöhung sei zunächst in der Augustabrechnung als Überstundenvergütung ausgewiesen worden. Da jedoch in der Abrechnung automatisch Überstundenzuschläge anfielen, sei die Abrechnung im Folgemonat dadurch korrigiert worden, dass darin sodann eine "Zulage Longfrontbagger" ausgewiesen worden sei. In den Folgemonaten habe die Beklagte ihm stets diese Zulage bezahlt ohne Rücksicht darauf, ob er gerade Abbrucharbeiten mit dem zusätzlich montierbaren Ausleger verrichtet habe oder nicht. Entsprechend der getroffenen Absprache habe ihm die Beklagte diese als Zulage bezeichnete Vergütungsbestandteil auch über den Monat Juni 2003 hinaus weiterbezahlt. Ein "Versehen" der Beklagten liege daher nicht vor. Erst nachdem er arbeitsunfähig erkrankt sei, habe sich die Beklagte dann "grober Methoden" bedient.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.177,99 Euro brutto und 300,-- Euro netto nebst jeweils 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2003 abzüglich am 31.05.2004 erzielten Zwischenverdienst in Höhe von 1.209,23 Euro netto und am 31.06.2004 erzielten weiteren Zwischenverdienst in Höhe von 1.700,38 Euro netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfswiderklagend hat sie beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie 1.656,13 Euro zu bezahlen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Sie bestreite, dass sie mit dem Kläger eine Lohnerhöhung von 500,-- Euro vereinbart habe. Die Zulage sei ihm für die Bedienung des Longfrontbaggers gewährt worden. Aus Versehen der Personalabteilung sei diese Zulage dem Kläger auch über den Monat Mai 2003 hinaus bezahlt worden, obwohl er seitdem den Bagger mit der die Arbeit erschwerenden Zusatzeinrichtung nicht mehr bedient habe. Der Kläger sei daher verpflichtet, den überzahlten Vergütungsbestandteil an sie zurückzuzahlen. Der Kläger könne sich nicht auf die gesetzlichen Unpfändbarkeitsbestimmungen berufen, da er verpflichtet sei, den überzahlten Betrag sofort wieder zurückzuzahlen. Außerdem stünden ihr vereinbarungsgemäß Stellplatzkosten für den Wohnwagen des Klägers zu. Mit den beiden Gegenansprüchen erkläre sie die Aufrechnung. Pfändbar vom Septemberlohn des Klägers seien 471,50 Euro; hilfsweise erhebe sie wegen des überschießenden Betrages Widerklage

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 25.11.2004 verkündetes Urteil, auf dessen Tatbestand zur nähren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, einen Teil der Vergütungsansprüche des Klägers zugesprochen und die Zahlungsklage hinsichtlich Vergütungsansprüche des Klägers von Mai bis August abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe nicht wirksam von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Gegenansprüche der Beklagten, mit denen sie die Aufrechnung bzw. auf die sie ihre Hilfswiderklage gestützt habe, stünden dieser nicht zu. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 7 bis 11 dieses Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien jeweils form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Nach Auffassung des Klägers habe das Arbeitsgericht zu Unrecht ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung verneint. Die Beklagte habe mit völlig unberechtigten Gegenansprüchen aufgerechnet. Der Anspruch auf Stellplatzkosten sei frei erfunden, zudem habe er sich mit der Beklagten auf eine Lohnerhöhung von 500,-- Euro vertraglich verständigt. Unverständlich sei zudem, wie die Beklagte ab Mitte Mai aufrechnen wolle, nachdem die Zusatzeinrichtung erst am 25.06.2003 abgebaut worden sei.

Die Beklagte sei mehrfach auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung gegen unpfändbare Beträge hingewiesen worden und habe sich trotzdem nie normgerecht verhalten. Selbst im Berufungsverfahren mache sie ihre angeblichen Gegenansprüche nur im Wege einer Hilfswiderklage geltend. Zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhaltes sei er zumindest auf die Auszahlung der unpfändbaren Beträge angewiesen.

Zahlungsansprüche für die Monate Mai und Juli mache er nicht geltend, weil er in diesen Monaten einen höheren Zwischenverdienst erzielt habe. In den Monaten Juni und August sei der Zwischenverdienst jedoch niedriger gewesen, als die ihm gegenüber der Beklagten unter Annahmeverzugsgesichtspunkten zustehenden Vergütungsansprüche von monatlich 3.080,60 Euro brutto. Im Monat Juni seien anderweitig erzielte Nettoansprüche in einer Gesamthöhe von 1.700,38 Euro netto und im Monat August in Höhe von 1.832,53 Euro netto abzuziehen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte weitergehend zu verurteilen, an ihn 6.146,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2003 abzüglich am 30.06.2004 erzielten Zwischenverdienst in Höhe 1.700,38 Euro netto und am 31.08.2004 erzielten weiterer Zwischenverdienst in Höhe von 1.832,53 Euro netto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und beantragt darüber hinausgehend,

die Klage insgesamt abzuweisen,

hilfsweise,

den Kläger zu verurteilen, an sie 2.250,-- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszins seit Zustellung der Hilfswiderklage vom 15.12.2003 zu bezahlen.

Nach ihrer Auffassung habe das Arbeitsgericht aus zutreffenden Gründen ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers an der Arbeitsleistung verneint. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes sei im Streitfalle unangemessen gewesen. Wenn der Kläger Ende Mai 2004 wieder arbeitsfähig gewesen wäre, wäre ihm ein Abwarten auf den Verfahrensausgang im nahen Kammertermin vom 01.07.2004 zumutbar gewesen. Darüber hinaus stehe die Höhe der vom Kläger eingeklagten Forderung außer Verhältnis zu den Lohnansprüchen, für die er ein Zurückbehaltungsrecht geltend mache.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stehe der Beklagten jedoch ein aufrechenbarer Gegenanspruch wegen Überzahlung der Longfrontbaggerzulage zu, da der Kläger diesen Bagger ab Mitte Mai nicht mehr bedient habe und der Zusatzarm zudem am 25.06.2003 völlig abgebaut worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

weil der von der Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemachte Gegenanspruch nicht bestehe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien sind nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft. Sie wurden - insbesondere soweit sie zuletzt noch von der Beklagten weiter verfolgt wird - jeweils form- und fristgerecht eingelegt und in gleicher Weise begründet. Beide Hauptberufungen der Parteien erweisen sich auch sonst als zulässig.

In der Sache sind jedoch beide Rechtsmittel nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers an seiner Arbeitsleistung ab dem 27.05.2003 vorliegend verneint. Gegenansprüche der Beklagten aus Rückzahlung der Longfrontbaggerzulage stehen dieser nicht zu, mit der Folge, dass weder ihre Aufrechnung noch ihre Hilfswiderklage begründet ist.

Zur Berufung des Klägers:

Dem Kläger stehen für die Monate Juni und August 2004 keine Lohnansprüche gegenüber der Beklagten zu, weil er trotz des bestehenden Arbeitsverhältnisses in dieser Zeit nicht bei der Beklagten seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachgekommen ist, so dass Ansprüche aus § 611 BGB ausscheiden. Dem Kläger steht auch kein Anspruch nach §§ 615, 293 ff, 273 BGB zu, weil die Beklagte sich in diesen beiden Monaten nicht in Annahmeverzug befunden hat, da dem Kläger kein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung in diesen beiden Monaten zugestanden hat. Unabhängig davon wäre die Klage insoweit auch nur in Höhe von 436,33 Euro brutto begründet, da die Anrechnung des erworbenen Zwischenverdienstes vom Kläger fehlerhaft berechnet worden ist.

Unstreitig hat der Kläger nach seiner Genesung ab dem 19.05.2003 bei der Beklagten seine arbeitsvertraglich geschuldete Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllt. Wie schon das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil ist auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass dem Kläger bei Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles zum damaligen Zeitpunkt kein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nach § 273 BGB zustand. Das Arbeitsgericht hat die hierfür geltenden Grundsätze unter II. seines Urteils zutreffend dargestellt. Das Berufungsgericht folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes von der erneuten Darstellung dieser Gründe ab.

Ergänzend sei hierzu auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:

Dem Arbeitnehmer kann ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zustehen, wenn der Arbeitgeber mit der Vergütungszahlung in Verzug gerät. Ausgeschlossen ist diese Einrede, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig geringfügig ist, nur eine kurzfristige Verzögerung eintritt, dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden entsteht oder der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist (Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 10. Aufl., § 50 Rz 7). Es mag vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Lohnrückstand im Streitfalle noch als verhältnismäßig geringfügig anzusehen ist, wenngleich diese Frage nur schwerlich bejaht werden kann. Nach der von der Beklagten erstellten Lohnabrechnung des Klägers für den Monat September 2003 (vgl. Bl. 11 d.A.), die dieser als richtig anerkannt hat, stand dem Kläger für diesen Monat ein Nettoverdienst von 2.630,01 Euro zu. Diesen Betrag hat die Beklagte unter Hinweis auf Gegenansprüche nicht ausbezahlt, auch nicht die unpfändbaren Ansprüche. Zwar hat sich der Kläger mit seinem Schreiben vom 18.03.2004 (Bl. 66 d.A.) auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen, er hat in diesem Schreiben jedoch nicht - worauf schon das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend hingewiesen hat - wenigstens die Auszahlung der unpfändbaren Beträge verlangt. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die anwaltlich vertretene Beklagte über die wahre Rechtslage genau informiert war und dass sie insbesondere nicht berechtigt war, unter Missachtung der gesetzlichen Unpfändbarkeitsbestimmungen den gesamten Monatslohn zurückzubehalten. Gegen die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts spricht jedoch, dass im Zeitpunkt der Nichtaufnahme der Arbeit durch den Kläger der Kammertermin rund fünf Wochen später angestanden hat, so dass damals zu erwarten stand, dass der Kläger in naher Zukunft einen vollstreckbaren Titel auf Auszahlung der unpfändbaren Beträge erlangt hätte. Sofern der Kläger - worauf er sich im Berufungsverfahren berufen hat - sich wegen der völligen Einbehaltung des gesamten Septemberlohnes in einer finanziellen Notlage befunden haben sollte, hätte er bei dieser Sachlage auch die Möglichkeit gehabt, im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte vorzugehen. Gegen die Wirksamkeit eines Zurückbehaltungsrechtes spricht im Streitfalle auch, dass der Kläger nicht etwa seine Arbeitsleistung nur zeitweilig zurückgehalten hat, sondern auf Dauer. Nach seiner langen Erkrankung bis zum 18.05.2003 hat er in der Folgezeit der Beklagten nie mehr seine Arbeitsleistung angeboten. Die Beklagte hat sich im Streitfalle jedoch nur auf Gegenansprüche berufen in einer ungefähren Gesamthöhe von dem Nettoverdienst des Klägers für den Monat September 2003. Von daher musste der Kläger nicht befürchten, seine Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass die Beklagte ihm die nach § 611 BGB entstehende Vergütung für die Folgemonate auch nicht auszahlen würde.

Bei Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist daher auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts des Klägers an seiner Arbeitsleistung im Streitfalle wegen Verstoßes gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) unwirksam war.

Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Zurückbehaltungsrechts wäre die Klage insoweit auch nur in Höhe von 436,33 Euro brutto begründet, weil sich der Kläger gemäß § 615 Satz 2 BGB einen anderweitig erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen muss. Der Kläger hat ab dem 19.05.2004 seine anderweitig erzielten Einkünfte mit den monatlichen Lohnansprüchen, die er bei der Beklagten erzielt hätte, verrechnet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG, AP Nr. 52 zu § 615 BGB; AP-Nr. 1 zu § 615 BGB Anrechnung), die freilich von Teilen der Literatur als fehlerhaft angesehen wird (vgl. Erfurter Kommentar-Preis, 5. Aufl., BGB § 615 Rz 96 m.w.N.), der aber das erkennende Gericht aus Gründen einheitlicher Rechtsanwendung folgt, ist der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzuges und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt anzurechnen, in dem der Arbeitnehmer seine Dienste anderweitig verwendet hat. Der Kläger beruft sich vorliegend auf Verdienstansprüche für den Monat Mai bis einschließlich August 2004. In diesem gesamten Zeitraum hat er nach seinen eigenen Angaben Gesamtansprüche in Höhe von 9.927,20 Euro brutto erzielt. Nach der Berechnung in seinem Schriftsatz vom 21.10.2004 hätten dem Kläger für diesen Zeitraum von der Beklagten Vergütungsansprüche in einer Gesamthöhe von 10.363,53 Euro brutto zugestanden, so dass die Klage ohnehin nur in Höhe des Differenzbetrages, also in Höhe von 436,33 Euro brutto, bei Anerkennung eines Zurückbehaltungsrechtes für die gesamte Zeit des Annahmeverzuges begründet gewesen wäre.

Zur Berufung der Beklagten:

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nur noch auf Gegenansprüche wegen Überzahlung der "Longfrontbaggerzulage" für die Zeit von Mitte Mai bis Ende September 2003 in einer Gesamthöhe von 2.250,-- Euro berufen. Ein derartiger Gegenanspruch auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungsbestandteilen ohne rechtliche Grundlage (§§ 812 ff BGB) besteht nicht.

Wie schon das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil (Seite 8, 1. Absatz) zutreffend hingewiesen hat, ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass es sich bei diesem Vergütungsbestandteil tatsächlich um eine echte Zulage gehandelt hat, die von der Beklagten an den Kläger nur für die Dauer gezahlt wird, in der er einen Bagger mit einer Zusatzeinrichtung für Arbeiten auf hoher Arbeitshöhe verrichtet. Der Kläger hat ins Einzelne gehend substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen ihm ab August 2002 monatlich 500,-- Euro mehr gezahlt wurden. Danach hatte er beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen und zu einem anderen Arbeitgeber überzuwechseln. Er hatte bereits erstinstanzlich als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 16.03.2004 (Bl. 59 - 63 d.A.) einen Vertragsentwurf des neuen Arbeitgebers vorgelegt, der das Datum vom 26.07.2002 getragen hat. Er hat danach substantiiert vorgetragen, er habe zunächst einen Nachfolger mit Vornamen "Lothar" einarbeiten müssen. Da sich dieser jedoch als unfähig erwiesen habe, habe der Geschäftsführer ihn gebeten, sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten fortzuführen und er zahle ihm ebenfalls einen höheren Lohn von 500,-- Euro. Zwar ist dieser Betrag in der Gehaltsabrechnung des Klägers nicht als solcher Vergütungsbestandteil ausgewiesen worden, sondern er wurde dort als "Zulage Longfrontbagger" bezeichnet. Gegen die Zahlung einer Zulage spricht allerdings der unbestritten gebliebene Sachvortrag des Klägers, dass ihm zunächst im August 2002 dieser Vergütungsbestandteil als Überstundenvergütung ausbezahlt worden war. Weil dabei allerdings automatisch Zuschläge in dem Abrechnungssystem anfielen, wurde ihm im Folgemonat eine korrigierte Abrechnung erteilt, in der nunmehr von einer Longfrontbaggerzulage die Rede war. Bei diesem substantiierten Sachvortrag des Klägers wäre es die gesetzliche Verpflichtung der Beklagten gewesen, hierzu konkret Stellung zu nehmen und ihn nicht nur einfach zu bestreiten (vgl. § 138 Abs. 1 ZPO). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte im Übrigen zu diesem Sachvortrag des Klägers überhaupt keine Stellungnahme mehr abgegeben.

Gegen die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten spricht auch der Umstand, dass nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu dessen Überzeugung feststeht, dass der Kläger nicht stets mit dieser Zusatzeinrichtung gearbeitet hatte, sondern nur bei Abrissarbeiten in hoher Höhe und der Zusatzarm bei sonstigen Abrissarbeiten eher hinderlich war, so dass er dann abmontiert wurde. Trotzdem hat die Beklagte ihm diesen Vergütungsbestandteil die ganze Zeit über in voller Höhe weiter bezahlt.

Nach dem Sachvortrag der Beklagten käme als Anspruchsgrundlage für einen Herausgabeanspruch § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Die Beklagte hat an den Kläger jedoch unstreitig die Longfrontbaggerzulage auch über Mitte Mai 2003 hinaus weiterbezahlt bis zum September 2003 und dies, obwohl der Zusatzarm bereits am 25.06.2003 von einer Fachfirma auf Dauer abgebaut worden war. Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann gemäß § 814 BGB jedoch nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Selbst wenn also der Sachvortrag der Beklagten zutreffend wäre, dass es sich bei diesem Vergütungsbestandteil tatsächlich um eine Zulage für das Fahren und Bedienen eines Longfrontbaggers gehandelt haben sollte, dann stünde § 814 BGB einem Rückforderungsverlangen entgegen. Die bloße Behauptung der Beklagten, diese Zulage sei "aus Versehen" der Personalabteilung gezahlt worden, ist insoweit nicht plausibel. Von einem solchen Versehen mag möglicherweise noch bis zum Ende Juni 2003 ausgegangen werden, aber nicht mehr für die Zeit danach, nachdem der Zusatzarm komplett abmontiert war.

Nach alledem konnte die Beklagte weder in Höhe des pfändbaren Septemberlohns des Klägers in Höhe von 471,50 Euro aufrechnen, noch war ihre Hilfswiderklage insoweit begründet.

Damit waren die Berufungen beider Parteien gegen das zutreffende erstinstanzliche Urteil mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision gegen dieses Urteil konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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