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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.08.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 163/05
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 163/05

Entscheidung vom 23.08.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 08.12.204 - 4 Ca 676/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten vorliegend um die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem Jahre 1992 als Fliesenleger beschäftigt. Anfang August 2004 waren bei der Beklagten mindestens 7,5 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.08.2004 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Im Laufe des vorliegenden Verfahrens haben sich die Parteien durch Teil-Vergleich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch diese Kündigung nicht vor dem 31.10.2004 verständigt.

Der Kläger hält die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt, weil es hierfür keine dringenden betrieblichen Gründe gebe. Auch sei die Kündigung unwirksam, weil die Beklagte eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen habe. Der bei der Beklagten beschäftigte Mitarbeiter A. R. sei erheblich jünger und wesentlich kürzer als er beschäftigt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 09.08.2004 beendet worden sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aufgrund eines Umsatzrückganges sei der Betrieb nicht mehr rentabel und die Gewinn- und Verlustsituation habe sich ab dem Jahre 2000 bis zum Kündigungszeitpunkt permanent verschlechtert. Zeitweise habe sie wegen fehlender Kreditgewährung die Löhne nicht pünktlich bezahlen können. Ohne Einsatz eines Privatvermögens durch die Gesellschafter sei der Betrieb nicht fortführbar. Sie habe daher den Entschluss gefasst, die Lohnkosten zu senken und dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter zu kündigen. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl zu beanstanden. Bei dem vom Kläger genannten Mitarbeiter A.R. handele es sich um den Sohn des Geschäftsführers. Dieser sei wegen seiner Fähigkeiten und Leistungen für den Betrieb von existenzieller Bedeutung.

Das Arbeitgericht hat durch Urteil vom 08.12.2004, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, die Beklagte habe vorliegend nicht ausreichend dargetan, welche Arbeitsplätze in welchem Umfang aufgrund des mitgeteilten geschäftlichen Umfangs betroffen seien. Es fehlten konkrete Angaben, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirke und dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entstanden sei. Insbesondere fehlten auch Angaben, wie die Beklagte aufgrund der genannten Gründe den Betrieb umorganisiert habe. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 4 - 6 dieses Urteils Bezug genommen.

Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Nach ihrer Auffassung seien die dargelegten Kündigungsgründe ausreichend. Die verbliebene Arbeitsmenge könne von drei Fliesenlegern bewältigt werden ohne dass Überstunden anfielen. Nähere Angaben könne sie hierzu nicht machen. Zur Vermeidung einer Insolvenz habe sie Kosten sparen müssen, so dass sie sich entschlossen habe, einem ihrer fünf Fliesenleger und dem einzigen Baufachwerker zu kündigen. Über die Sozialauswahl könne sich der Kläger schon deshalb nicht beschweren, weil er in einem Telefonat, das er unmittelbar vor der Kündigung mit der Ehefrau des Geschäftsführers geführt habe, sich mit der Kündigung einverstanden erklärt habe. In diesem Telefonat hatte sich der Kläger wegen der nicht erfolgten pünktlichen Lohnzahlung beschwert und unter Fristsetzung arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall der Nichtzahlung angedroht. Als ihm bedeutet worden sei, er könne ja kündigen, wenn es ihm nicht passe, habe er erklärt, er kündige nicht, dann solle ihm die Beklagte kündigen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung sei das arbeitsgerichtliche Urteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe seien nicht nur unsubstantiiert, er bestreite auch die in diesem Zusammenhang von der Beklagten gemachten Angaben mit Nichtwissen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben, weil die von der Beklagten im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Kündigungsgründe die streitgegenständliche Kündigung nicht rechtfertigen können. Dies hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt; auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird daher gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes ausdrücklich Bezug genommen.

Im Hinblick auf den Verlauf des Berufungsverfahrens sind folgende ergänzende Entscheidungsgründe angezeigt:

Die Beklagte stützt die Kündigung vorliegend auf außerbetriebliche Gründe, auf einen Umsatzrückgang und auf eine eingetretene Unrentabilität des Betriebes. Aufgrund der geschilderten Gründe sei sie verpflichtet, die Lohnkosten zu senken.

Diese von der Beklagten genannten außerbetrieblichen Ursachen sind geeignet, um eine Grundlage für eine unternehmerische Entscheidung zur Personalreduzierung zu dienen. Jedoch vermögen - worauf schon das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - sie allein eine Kündigung nicht zu rechtfertigen. Rückt nämlich die eigentliche Organisationsentscheidung (hier: Abbau des Arbeitsplatzes eines Fliesenlegers) in unmittelbare Nähe zum Kündigungsentschluss, lässt sich die Vermutung, dass die Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt ist, nicht allein aufrechterhalten. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. In seinem Urteil vom 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - hat das BAG nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass ein allgemeiner Beschluss, Personalkosten zu senken, für sich allein betrachtet, nicht den Anforderungen an eine wirksame Organisationsentscheidung genügt. Der Arbeitgeber müsse vielmehr seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit (Dauer) verdeutlichen, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Kündigung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden ist. Wenn der Arbeitgeber z. B. ohne Organisationsänderungen und ohne Auftragsrückgang lediglich zur Kostenersparnis Personal abbaut, kann er dies damit begründen, dass die anfallende Arbeit vom verbliebenen Personal miterledigt werden kann, wobei in diesem Zusammenhang anzugeben ist, welche Aufgaben von den verbliebenen einzelnen Mitarbeitern erledigt werden (KR-Etzel, 6. Aufl., § 1 KSchG, Rz 557). Das erkennende Gericht hat die Beklagte noch einmal ausdrücklich im Berufungsverfahren durch Beschluss vom 04.05.2005 darauf hingewiesen, dass vorliegend allein die Mitteilung von Umsatzzahlen nur bedingt aussagekräftig über einen Rückgang der Arbeitsmenge, also den Wegfall des Bedarfs des Arbeitnehmers sind. Der erfolgten Auflage, die Reduzierung der Arbeitsmenge darzulegen, ist die Beklagte trotz der zusätzlichen Kenntnis der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils - auch im weiteren Berufungsverfahren - nicht nachgekommen. Die Beklagte verrichtet nicht nur Fliesenlegerarbeiten, sondern verkauft auch Fliesen und verrichtet zusätzliche Arbeiten im Baunebengewerbe. Allein ein bloßer Umsatzrückgang des Gesamtgeschäftes ist daher für den Rückgang an Fliesenlegerarbeiten nicht zwingend. Wenngleich die Beklagte den Rückgang der Fliesenlegerarbeit vorliegend anhand eines Auftragsvergleiches angeblich nicht darzulegen vermochte, so hat sich im Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch herausgestellt, dass die Beklagte bei ihren Kunden nach der Anzahl der verlegten Quadratmeter von Fliesen abrechnet. Die Geschäftsentwicklung im Bereich der verlegten Quadratmeter von Fliesen und ein dadurch bedingter möglicher Rückgang am Bedarf für Arbeitskräfte hat die Beklagte jedoch während des gesamten Rechtsstreites und trotz ausdrücklicher Auflage durch das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar dargelegt. Auch hat die Beklagte nicht etwa behauptet, durch organisatorische Veränderungen einen rückgehenden Bedarf an Fliesenlegern herbeigeführt zu haben. Wenn also die Beklagte - wie geschehen - unter konkreter Darlegung ihrer immer schlechter werdenden Gewinn- und Verlustsituation in den Jahren 2000 bis zum Kündigungszeitpunkt die fehlende Unrentabilität des Betriebes geltend macht, so waren dies beachtliche Gesichtspunkte um mögliche organisatorische Veränderungen innerhalb des Betriebes vorzunehmen. Dazu ist es wohl nicht gekommen, zumindest bietet der Sachvortrag der Beklagten im gesamten Prozessverfahren hierfür keinerlei Anhaltspunkte.

Fehlt es schon an der Darlegung von konkreten betrieblichen Gründen, dann ist die Kündigung allein schon deshalb unwirksam. Auf die Frage, ob die Kündigung möglicherweise auch wegen fehlerhafter Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG unwirksam ist, kommt es damit nicht mehr an.

Der Kläger hat in einem mit der Ehefrau des Geschäftsführers unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung geführten Telefonat auch nicht auf das Recht zur Klageerhebung verzichtet. Ein genereller Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist vor Ausspruch der Kündigung ohnehin nicht möglich. Bei Wertung des gesamten Gesprächsverlaufs und -inhalts liegt zudem auch keine Verzichtserklärung aus Anlass der verspäteten Lohnzahlung vor.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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