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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 226/05
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 611 a
BGB § 611 a Abs. 1 Satz 3
BGB § 611 a Abs. 3
BGB § 611 b
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 226/05

Entscheidung vom 28.06.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 16.11.2004 - 5 Ca 798/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Entschädigungsleistung wegen einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung.

Der Beklagte, der ein Autohaus mit zehn Mitarbeitern betreibt, veröffentlichte am 21.02.2004 in der S. Zeitung eine Stellenanzeige, in der er eine Assistentin der Geschäftsleitung/Automobilverkäuferin suchte. Zur näheren Darstellung wird auf die Stellenanzeige (Bl. 6 d.A.) im Einzelnen Bezug genommen.

Der Kläger, ein gelernter Kaufmann in der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft, bewarb sich mit Schreiben vom 25.02.2004 vergeblich auf diese Stelle; der Beklagte hat ihm mit Schreiben vom 05.03.2004 die Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt.

Mit Schreiben vom 31.03.2004 forderte der Kläger von dem Beklagten Schadensersatz gemäß § 611 a BGB mit dem Hinweis, es habe sich um eine geschlechtsbezogene Stellenanzeige gehandelt, so dass er als abgelehnter Bewerber einen Entschädigungsanspruch verlangen könne. Nachdem der Beklagte dieses Verlangen zurückgewiesen hatte, hat der Kläger am 07.04.2004 das vorliegende Klageverfahren eingeleitet.

Der Kläger hat vorgetragen:

Der Beklagte habe ihn in der Stellenanzeige geschlechtsbezogen benachteiligt. Aufgrund seiner Vorbildung sei er für die Assistentenstelle geeignet gewesen. Es stehe ihm daher zumindest eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern zu, wobei für die Position ein Entgelt von 3.000,-- € pro Monat branchenüblich sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.000,-- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.04.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er leugnet, den Kläger wegen seines Geschlechtes benachteiligt zu haben. Der Fehler in der Stellenausschreibung habe eine Arbeitsplatzbesetzung erst vorbereitet, sei aber selbst noch keine diskriminierende Maßnahme. Tatsächlich habe er auch einen männlichen Bewerber eingestellt, da dieser unter den insgesamt 68 Bewerbungen aufgrund seiner einschlägigen Ausbildung und seiner langjährigen Erfahrung in der Automobilbranche und seiner EDV-Kenntnisse hervorragend qualifiziert gewesen sei. Der eingestellte Bewerber S. H., der die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugmechanikerhandwerk absolviert hat, habe eine monatliche Vergütung von 2.400,-- € bezogen (Beweis: Arbeitsvertrag vom 05.03.2004, Bl. 34 - 38 d.A.).

Im Übrigen bezweifle er, dass sich der Kläger ernsthaft um die Stelle habe bewerben wollen. Tatsächlich dürfte es ihm um die Erschleichung von Schadensersatz gegangen sein, weil er als einziger der 68 Bewerber nicht ein Arbeitszeugnis seinen Bewerbungsunterlagen beigefügt hatte. Er, der Beklagte, sei zudem wegen der Stellenanzeige am 23.02.2004 abgemahnt worden und habe eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.11.2004, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, der Beklagte habe den Nachweis geführt, dass der eingestellte Bewerber S. H. für die ausgeschriebene Position hervorragend qualifiziert gewesen sei und dass der Beklagte trotz des Verstoßes zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung letztlich keine geschlechtsdiskriminierende Einstellung vorgenommen habe. Zur näheren Darstellung wir auf die Seiten 4 - 6 dieses Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und in seinem fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz geltend gemacht, das Arbeitsgericht habe die Anspruchsgrundlage von § 611 a Abs. 3 BGB übersehen, wonach eine Entschädigung auch dann zu zahlen sei, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Allein die geschlechtsdiskriminierende Stellenausschreibung verpflichte zum Schadensersatz. Im Übrigen sei auch er für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.200,-- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil; auch lägen die Voraussetzungen von § 611 a Abs. 3 BGB nicht vor. Diese Vorschrift betreffe Fälle, in denen der Bewerber zwar wegen seines Geschlechts nicht in die Auswahl für den Arbeitsplatz gelangt ist, aber die Stelle sowieso nicht erhalten hätte. Eine Geschlechtsdiskriminierung habe beim Kläger jedoch nicht vorgelegen, da ihm das Geschlecht der einzustellenden Person gleichgültig gewesen sei, was sich letztlich auch aus der Einstellung eines Mannes ergebe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches aus § 611 a Abs. 3 BGB auch in gleicher Weise begründet.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil dem Kläger kein Entschädigungsanspruch zusteht, da der Beklagte keine geschlechtsdiskriminierende Auswahl bei der Besetzung der ausgeschriebenen Position vorgenommen hat.

Zwar steht fest, dass der Beklagte bei der ausgeschriebenen Stelle einer "Assistentin der Geschäftsleitung/Automobilverkäuferin" gegen § 611 b BGB verstoßen hat ohne dass bei der zu besetzenden Stelle eine bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit war (vgl. §§ 611 b, 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Liegt ein derartiger Verstoß vor, so wird nach § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB vermutet, dass der Beklagte den Kläger wegen des Geschlechts benachteiligt hat. Eine gegen § 611 b BGB verstoßende, d.h. geschlechtsspezifische Stellenausschreibung, kann als Indiz zur Begründung einer Geschlechterdiskriminierung herangezogen werden. Der Verstoß begründet grundsätzlich die Vermutung, dass ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts, unabhängig davon, ob noch andere Gründe für die Einstellungsentscheidung maßgeblich waren, wegen seines Geschlechts benachteiligt worden ist. Im Streitfalle war die Stellenausschreibung nur an Frauen gerichtet, im Text wurden mehrfach geschlechtsspezifische Formulierungen verwendet (Büro-/Industriekauffrau, Bankkauffrau).

In einem solchen Falle obliegt es dem Arbeitgeber, die Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen des Geschlechts zu entkräften (BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 - BAG vom 27.04.2000 - 8 AZR 295/99). Der Beklagte hat den Nachweis geführt, dass das Geschlecht des Klägers bei der Auswahlentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der Beklagte hat letztlich auf die ausgeschriebene Stelle keine Frau, sondern einen Mann eingestellt. Der Bewerber S. H. hat die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugmechanikerhandwerk absolviert, als Informations- und Telekommunikationssystem-Elektroniker mit zahlreichen Weiterbildungen auf dem EDV-Wesen und als technischer Betriebsleiter gearbeitet. Von daher verfügt Hehn über markante Eigenschaften für die ausgeschriebene Position eines Assistenten der Geschäftsleitung/Automobilverkäufers. Außer der geschlechtsdiskriminierenden Ausschreibung sind vorliegend keine weiteren Anhaltspunkte für eine Geschlechtsdiskriminierung ersichtlich. Der Beklagte hat nachgewiesen, dass er in seinem Betrieb insgesamt 6 Männer und 4 Frauen beschäftigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Beklagte darüber hinaus geltend gemacht, er habe die Stellenanzeige aus Unwissenheit und Gedankenlosigkeit formuliert und nur deshalb die weibliche Form bei der Ausschreibung benutzt, weil diese Stelle zuvor auch mit einer Frau besetzt war. Voraussetzung für eine angemessene Entschädigung nach § 611 a Abs. 3 BGB ist jedoch, dass eine geschlechtsspezifische Benachteiligung bei der Auswahl vorgenommen wurde, d.h. der Kläger schon wegen seines Geschlechtes überhaupt nicht in die Auswahl mit einbezogen worden ist. Hiervon kann im Streitfalle nicht ausgegangen werden.

Nach alledem war die unbegründete Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden, da die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Lösung des vorliegenden Falles herangezogen werden konnte.

Ende der Entscheidung

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