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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.05.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 23/05
Rechtsgebiete: TVK, FV, ArbGG, BGB, BUrlG, BAT, ArbZG


Vorschriften:

TVK § 15
TVK § 16
TVK § 16 Abs. 1
TVK § 36 Abs. 4
FV § 3 Abs. 3
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. a
BGB § 362 Abs. 1
BUrlG § 9
BAT § 17 Abs. 5
ArbZG § 11 Abs. 3
ArbZG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 23/05

Verkündet am: 03.05.2005

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 19.10.2004 3 Ca 1623/04 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2) Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Nachgewährung von arbeitsfreien Tagen. Der Kläger steht als Violinist bei der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Diensten des beklagten Landes. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Kulturorchester kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung.

Das beklagte Land hat mit der Deutschen Orchestervereinigung für den Landesbetrieb Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, L., am 07.07.2000 eine Flexibilisierungsvereinbarung (Bl. 13 bis 15 d.A.) abgeschlossen. Diese enthält eine Reihe unterschiedlicher Bestimmungen zu § 15 TVK, der die Arbeitszeit der Musiker regelt. Diese Flexibilisierungsvereinbarung (im Folgenden: FV) sieht etwa vor, dass der Ausgleichszeitraum für die Gewährung von freien Diensten bei gleichzeitiger Erhöhung der wöchentlichen Dienste auf 23 Wochen ausgedehnt wird. § 3 Abs. 3 der FV enthält folgende Regelung:

"Als Ausgleich für die Möglichkeit der Inanspruchnahme nach den Absätzen 1 und 4 erhält das Orchester sieben freie Tage pro Spielzeit, die im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand möglichst zusammenhängend zu disponieren sind; die Festlegung der freien Tage soll am Ende der vorangehenden Spielzeit und muß spätestens 8 Wochen vor den freien Tagen erfolgen."

Das zuständige Gremium der Staatsphilharmonie hat entschieden, dass für die vorangegangene Spielzeit der Ausgleichszeitraum von § 3 Abs. 3 FV in die Zeit vom 30.03. bis zum 12.04.2004 gelegt wird. Während dieser Zeit war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 21.04.2004 beantragte er, ihm die sieben freien Tage nachzugewähren. Da die Beklagte dieses Ansinnen ablehnte, verfolgt er es im vorliegenden Verfahren weiter.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe seine Leistung auf größere Flexibilisierung im Laufe der Spielzeit erbracht. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihm auch die Gegenleistung zu gewähren. Diese habe er wegen seiner Erkrankung nicht in Anspruch nehmen können. Die Gewährung der freien Tage seien mit Urlaubstagen vergleichbar, da die einzelnen Musiker aufgrund der erweiternden Regelungen der FV einer höheren arbeitsmäßigen Belastung ausgesetzt seien. Beim Abschluss der FV hätten die Vertragsschließenden nicht an den Krankheitsfall gedacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm die sieben zusätzlichen freien Tage aus der Spielzeit 2003/2004 (i.S. § 3 Abs. 3 Flexibilisierungsvereinbarung für den Landesbetrieb Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in der Spielzeit 2003/2004) zu gewähren,

hilfsweise

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn an sieben Tagen in der Spielzeit 2003/2004 unwiderruflich unter Befreiung von der Erreichbarkeitspflicht, von der Arbeitspflicht freizustellen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 und 2:

Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die ihm in der Spielzeit 2003/2004 zustehenden sieben zusätzlichen freien Tage im Sinne § 3 Abs. 3 Flexibilisierungsvereinbarung, die er aufgrund einer Erkrankung vom 30.03.2004 bis 12.04.2004 nicht in Anspruch nehmen konnte, nachträglich zu gewähren.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält aus Rechtsgründen die Klage für unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.10.2004, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Anspruch aus § 3 Abs. 3 FV durch die gewährten freien Tage erfüllt. Der Ausgleich durch sieben freie Tage führe nicht zu einer Erhöhung des Urlaubsanspruchs des betreffenden Arbeitnehmers. Die FV enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass die sieben arbeitsfreien Tage im Krankheitsfalle des Musikers nachzugewähren seien. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 57 des Urteils Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in gleicher Weise begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage fehlerhaft beurteilt. Es liege für den Krankheitsfall eine unbewusste Regelungslücke in der FV vor, an die die Tarifvertragsparteien beim Abschluss nicht gedacht haben. Die Lücke sei dahingehend zu schließen, dass dem Kläger ausgehend vom Zweck der zusätzlichen sieben Arbeitstage diese nachzugewähren seien, weil er diese aufgrund seiner Krankheit nicht habe nehmen können.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihm die sieben zusätzlichen freien Tage aus der Spielzeit 2003/2004 (i.S. § 3 Abs. 3 Flexibilisierungsvereinbarung für den Landesbetrieb Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in der Spielzeit 2003/2004) zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Tarifvertragsparteien hätten sich als Ausgleichsleistung auf zusätzliche freie Dienste und gerade nicht auf Urlaubstage verständigt.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die kraft Zulassung durch das Arbeitsgericht nach § 64 Abs. 2 lit. a ArbGG statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt in gleicher Weise begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch für die Spielzeit 2003/2004 nicht mehr zusteht, da er durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.

Als Mitglied des Orchesters der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen unterfällt der Kläger kraft Verbandszugehörigkeit sowohl den Regelungen des TVK als auch der FV. Auch für ihn gilt somit, dass er als Ausgleich für die Inanspruchnahme durch die erweiternden Regelungen der FV zusätzlich sieben freie Tage pro Spielzeit erhält. Unstreitig hatte vorliegend die Beklagte mit Zustimmung des Orchestervorstandes diese freien Tage am Ende der vorangegangenen Spielzeit rechtzeitig in den Zeitraum vom 30.03. bis zum 12.04., in dem der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, festgelegt gehabt. Als der Kläger "klimaanlagenbedingt" krank geschrieben wurde, war ihm der Ausgleichszeitraum schon im Vorfeld lange bekannt gewesen. Mit der Gewährung dieser sieben freien Tage hat das beklagte Land hat seine Pflicht aus § 3 Abs. 3 FV erfüllt, in dem es auch den Kläger unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit befreit hat.

Ob der Arbeitgeber die geschuldeten Ausgleichstage gewährt hat, lässt sich grundsätzlich nur nach dem Inhalt des Dienstplans beantworten. Dieser sieht vor, dass das Orchester dazu zählt nicht nur das Orchester als solches, sondern auch die einzelnen Orchestermitglieder unter Beachtung von zeitlichen Vorgaben an sieben freien Tagen der Spielzeit von der Arbeitsleistung freizustellen ist. Diese Verpflichtung hat der Arbeitgeber erfüllt, zu einer weitergehenden Leistung verpflichtet ihn die FV nicht. Nach dem Wortlaut dieser FV, die den Charakter eines Haustarifvertrages hat, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet sicher zu stellen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer die ihm gewährte Freistellung von der Arbeit zu seiner persönlichen Entspannung auch nutzen kann. Die tarifliche Regelung verfolgt vielmehr das Ziel, dass die Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, den ein zuständiges Gremium festlegen muss, von der Arbeitsleistung freigestellt werden müssen, weil sie sich zuvor zusätzlichen Belastungen aufgrund der weitergehenden Flexibilisierung dieser FV ausgesetzt sahen. Zwar konnte der Kläger die ihm eingeräumte Freizeit wegen seiner Krankmeldung nicht praktisch nutzen; aus der FV ist aber nicht ersichtlich, dass der beklagte Arbeitgeber dieses Nutzungsrisiko tragen muss. § 9 BUrlG und § 36 Abs. 4 TVK sind Ausnahmeregelungen für den Fall des Erholungsurlaubs; als Spezialregelungen für den dort genannten Tatbestand finden sie für die Ausgleichstage weder unmittelbare noch analoge Anwendung. Nach dem Wortsinn bedeutet die Gewährung von sieben freien Tagen pro Spielzeit die Freistellung des Arbeitnehmers von einer bestehenden Arbeitspflicht. Dies geschieht durch eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers mit Zustimmung des Orchestervorstandes gegenüber dem Arbeitnehmer, in dem der Arbeitgeber auf sein vertragliches Recht auf Leistung der versprochenen Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die entsprechende Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers zum Erlöschen bringt. Die Bekanntgabe des Dienstplans hatte zum Inhalt die Erklärung des beklagten Landes an den Kläger, dass es ihm in dem aus dem Dienstplan ersichtlichen Umfang Arbeitsbefreiung erteilt. Die Arbeitsfreistellung wurde mit der Bekanntgabe des Dienstplanes an den Kläger wirksam. Damit hatte das beklagte Land den tariflichen Anspruch des Klägers auf Arbeitsbefreiung als Ausgleich für die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Rahmen der weitergehenden Regelungen der FV erfüllt. Dass der Kläger später arbeitsunfähig krank wurde und deshalb an den Tagen, für die er von der Arbeitspflicht freigestellt worden war, ohnehin nicht arbeiten konnte, ändert hieran nichts. § 3 Abs. 3 FV verlangt mit der Verpflichtung, dass das einzelne Orchestermitglied sieben freie Tage pro Spielzeit erhält, nur die Entbindung des jeweiligen Arbeitnehmers von seiner vertraglichen Arbeitspflicht, nicht aber darüber hinaus die Verschaffung einer zu Erholungszwecken nutzbaren arbeitsfreien Zeit.

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertritt, die zusätzlichen freien Tage seien die Gegenleistung für die als Leistung zu qualifizierende größere Flexibilität, so kommen solche allgemeine schuldrechtlichen Aspekte vorliegend nicht zur Anwendung, weil die vorliegende Rechtsfrage nur durch Auslegung der Tarifvorschrift selbst beantwortet werden kann. Soweit der Kläger darüber hinaus der Auffassung ist, die nach § 3 Abs. 3 FV zu gewährenden zusätzlichen sieben freien Arbeitstage seien rechtlich wie Urlaubstage zu qualifizieren, findet auch diese Rechtsauffassung im maßgeblichen Wortlaut des Tarifvertrages keine Stütze. Der Kläger liest hier zuerst ein Kriterium in den Tarifwortlaut hinein, das darin nicht enthalten ist, um es dann anschließend wieder herauslesen zu können.

Im Übrigen hat sich die Rechtsprechung bereits mit ähnlichen tariflichen Regelungen auseinandergesetzt, ohne dass diese Entscheidungen im Sinne des Klägers herangezogen werden können. So hat das BAG etwa in seinem Urteil vom 04.09.1985 7 AZR 531/82 (AP Nr. 13 zu § 17 BAT) entschieden, dass der in § 17 Abs. 5 BAT vorgesehene Überstundenausgleich durch bezahlte Arbeitsbefreiung grundsätzlich auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Angestellten möglich ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zeiten der Arbeitsbefreiung schon vor dessen Erkrankung bekannt gegeben hatte. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte somit der betreffende Angestellte im Vorfeld durch Erbringung von Überstunden eine konkrete zusätzliche Arbeitsleistung tatsächlich erbracht gehabt, ohne dass eine spätere Erkrankung des Angestellten in der vorher festgelegten Zeit der Arbeitsbefreiung eine Nachgewährung zur Folge gehabt hätte.

Das LAG Düsseldorf hat durch Urteil vom 13.10.2004 4 (5) Sa 1121/04 (ZTR 2005, 191) entschieden, dass einem Orchestermitglied ein Ersatzruhetag gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG auch an einem ohnehin arbeitsfreien Sonntag oder arbeitsfreien sonstigen Werktag gewährt werden kann. § 16 TVK enthalte keine abweichende Regelung i.S.v. § 12 Abs. 1 ArbZG. Ein Arbeitnehmer, der sonntags arbeitet, soll wenigstens an einem arbeitsfreien Tag in der Woche von seiner Arbeitsleistung befreit werden. Demnach kommt als Ersatzruhetag jeder Werktag, also auch ein ohnehin dienstplanmäßig arbeitsfreier Tag in Betracht; eine bezahlte Freistellung gerade an einem dienstplanmäßigen Beschäftigungstag könne somit nicht verlangt werden. Auch das LAG Düsseldorf stellt somit strikt auf den Tarifwortlaut von § 16 Abs. 1 TVK ab.

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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