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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 509/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004
ZPO § 138
ZPO § 308
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 3
ArbGG § 64 Abs. 2 b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 509/05

Entscheidung vom 25.10.2005

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26.04.2005 - 3 Ca 1974/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, Frau G. S. sei gegen ihren Willen und trotz Wehrens kurz vor Beginn des 2. Aktes der Vorstellung "Peer Gynt" am 07.02.2004 um 19.30 Uhr zum wiederholten Mal massiv von Herrn A. vor Zeugen belästigt worden.

2. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) dieses Urteils ein Ordnungsgeld von 2.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 2 Wochen angedroht.

3. Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber dem Intendanten des Theaters T. die unter vorstehender Ziffer 1 genannte Behauptung nicht weiter aufrecht zu erhalten.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 537,44 € zu zahlen.

5.Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Trier entstanden sind, die allein der Kläger trägt.

7. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien, die beide Mitglieder des Ballettensembles des Theaters T. sind, streiten um Unterlassung und Widerruf von Tatsachenbehauptungen und um einen Schadensersatzanspruch für eine Dolmetscherentschädigung.

Der Beklagte hat am 09.02.2004 in seiner Eigenschaft als Ballettleiter und Choreograph ein von mehreren Personen, darunter auch vom Beklagten, unterzeichnetes Schriftstück ("Meldung") verfasst, das er an einen bestimmten Personenkreis, darunter auch den Intendanten des Stadttheaters T., weitergeleitet hat. In diesem Schreiben bezichtigt er den Kläger, die Balletttänzerin S. zwei Tage zuvor vor Beginn des zweiten Aktes der Vorstellung "Peer Gynt" zum wiederholten Male massiv körperlich belästigt zu haben.

Der Kläger hält diese Behauptung für unwahr und hat vom Beklagten vergeblich eine Unterlassungs- und Widerrufserklärung gefordert.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger den Beklagten zunächst in Anspruch genommen, die Behauptungen im Schreiben vom 09.02.2004 zukünftig zu unterlassen und sie gegenüber dem Intendanten des Stadttheaters zu widerrufen. Der Kläger hat mehrere eidesstattliche Versicherungen der Balletttänzerin S. zur Akte gereicht, die er unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin der russischen Sprache erstellt hat mit der Begründung, die aus Usbekistan stammende Tänzerin S. spreche nur wenige Sätze Deutsch, so dass er nur mittels einer Dolmetscherin die eidesstattlichen Versicherungen habe anfertigen können.

Nach Zustellung der Klageschrift hat der Beklagte im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 18.06.2004 seine im Schreiben vom 09.02.2004 festgehaltenen Beobachtungen dargelegt und insoweit seine Beobachtungen, die er in der Meldung vom 09.02.2004 zusammengefasst hat, substantiiert.

Die Klage war zunächst beim Landgericht Trier erhoben, das das Verfahren wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

Der Kläger hat vorgetragen:

Es stimme nicht, dass er seine Kollegin S. in der vom Beklagten geschilderten Weise körperlich belästigt oder betatscht habe. Er habe kurz vor Beginn des zweiten Aktes Frau S. leicht umarmt, sie etwas an sich gezogen, kollegial gescherzt, so wie dies im künstlerischen Bereich eines Ballettensembles im Umgang miteinander alltäglich und üblich sei. Der Beklagte sei daher verpflichtet, die aufgestellten unwahren beleidigenden Tatsachenbehauptungen zu unterlassen und diese gegenüber dem Intendanten zu widerrufen. Der Beklagte sei des Weiteren verpflichtet, die in der Klageerwiderung aufgestellten weiteren unwahren Tatsachenbehauptungen zu unterlassen.

Zur Anfertigung der eidesstattlichen Versicherungen und zur Aufhellung der Umstände, wie es zur Unterschrift der Zeugin S. unter die vom Beklagten verfasste Meldung vom 09.02.2004 gekommen ist, habe er mehrfach eine Dolmetscherin hinzugezogen, für die er Dolmetscherkosten in einer Gesamthöhe von 537,44 Euro habe aufwenden müssen. Diese müsse ihm der Beklagte als Schadensersatz ersetzen.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagte hat es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten im Wiederholungsfall bis 2 Jahren, Ordnungshaft für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten:

a) "Frau G. S. wurde gegen ihren Willen und trotz Wehrens kurz vor Beginn des zweiten Aktes der Vorstellung "Peer Gynt" am 07.02.2004, 19:30 Uhr, zum wiederholten Mal massiv körperlich von Herrn A. belästigt. Dies geschah vor Zeugen."

b) "Daraufhin erzählte sie (Frau S.), dass der Kläger (Herr A.) noch am gleichen Abend ein zweites Mal kurz vor ihrem Soloauftritt "Wiegenlied" von hinten auf sie zukam und sie mit den Händen am Gesäß und an den Brüsten betatschte."

c) "Sie (Frau S.) hat überdies geäußert, dass diese Art von Belästigungen schon Monate zurückgehen, wobei sie bei der Schilderung Tränen in den Augen gehabt hat. Diese Vorgehensweise des Klägers (Herrn A.) sei in der letzten Zeit sogar noch schlimmer geworden, die Zeugin (Frau S.) würde sich so sehr schämen. Sie habe dem Kläger (Herrn A.) keinen Grund für diese Verhaltensweise gegeben."

2. Der Beklagte hat die gemäß Klageantrag zu Ziffer 1. a) genannte Behauptung zu widerrufen und den Widerruf in Form einer schriftlichen Mitteilung dem Intendanten des Theaters Trier bekannt zu geben.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 537,44 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Die von ihm in der Meldung vom 09.02.2004 aufgestellten Behauptungen seien zutreffend. Der Kläger habe die Kollegin S. kurz vor Beginn des 2. Aktes der Vorstellung "Peer Gynt" an sich gezogen und sie an Schultern, Armen und Taille betatscht. Diese habe sich mit ausgestreckten Armen zur Wehr gesetzt und versucht, den körperlichen Berührungen des Klägers zu entfliehen. Derartige körperliche Annäherungen habe der Kläger schon zum wiederholten Male bei der Kollegin vorgenommen. Dies habe im Übrigen Frau S. am 09.02. in einem Gespräch in seinem Büro ausdrücklich bestätigt. Sie habe angegeben, der Kläger habe sie auch an diesem Abend von hinten mit den Händen am Gesäß und an den Brüsten betatscht. Diese ständigen Belästigungen des Klägers störten sie sehr und kränkten sie.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26.04.2005, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, nach Vernehmung von Zeugen der Klage in allen Punkten stattgegeben. Unter Ziffer 3 des Tenors hat es den Beklagten verurteilt, sämtliche unter der Ziffer 1 des Urteils genannten Behauptungen gegenüber dem Intendanten des Stadttheaters Trier zu widerrufen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger die Zeugin nicht belästigt habe und diese sich auch nicht über sexuelle Belästigungen bei dem Beklagten in dem Gespräch vom 09.02.2004 beschwert habe. Die Zeugin habe lediglich glaubhaft bekundet, dass ihr die Aufmerksamkeiten des Klägers ihr gegenüber unangenehm seien. Auch sei der Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 823 Abs. 1 BGB die Dolmetscherkosten zu erstatten. Diese Dolmetscherkosten seien erforderlich gewesen, um mit der Zeugin die notwendigen Gespräche zu führen und zur Vorbereitung dieser Gespräche die entsprechenden Dokumente und Schriftsätze zu übersetzen. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 8 - 11 dieses Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in gleicher Weise begründet.

Nach Auffassung des Beklagten könne das arbeitsgerichtliche Urteil keinen Bestand haben. Seine Behauptung sei zutreffend, dass der Kläger in der geschilderten Weise am 07.02.2004 die Zeugin S. bedrängt habe. Die Richtigkeit dieser Behauptung und die Unwahrheit der von der Zeugin vor dem Arbeitsgericht bekundeten Tatsachen ergebe sich auch daraus, dass der Kläger schon bei der Premierenfeier zur Aufführung "Peer Gynt" die Zeugin massiv körperlich belästigt habe (Beweis: Zeugin E.). Im Übrigen sei das arbeitsgerichtliche Urteil schon insoweit fehlerhaft, als es ihn zu Unterlassungen verurteilt habe, die er zu seiner Rechtsverteidigung im vorliegenden Verfahren vorgebracht habe. Eine Unterlassung solcher Tatsachenbehauptungen sei rechtlich nicht zulässig, weil er sich lediglich mit diesen Behauptungen gegen die ungerechtfertigte Klage zur Wehr gesetzt habe. Auch habe das Arbeitsgericht ihn zum Widerruf von solchen Tatsachenbehauptungen verurteilt, die noch nicht einmal der Kläger beantragt hatte.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit kein Verstoß des Arbeitsgerichts gegen § 308 ZPO im Urteil vorgenommen wurde.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, das die Sach- und Rechtslage zutreffend entschieden habe. Wenn der Beklagte die Zeugin S. als unglaubwürdig darstelle, so greife er die Glaubwürdigkeit der von ihm selbst benannten Zeugin an. Er habe auch einen Anspruch auf Unterlassung von unrichtigen Tatsachenbehauptungen, die im Prozess selbst aufgestellt werden. Soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zu etwas verurteilt hat, was von ihm, dem Kläger, gar nicht beantragt war, hätte der Beklagte die Möglichkeit der Urteilsberichtigung ins Auge fassen müssen, was er unterlassen habe.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin E.. Wegen des Beweisthemas wird auf den gerichtlichen Beschluss vom 13.09.2005 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 25.10.2005 verwiesen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthafte Berufung des Beklagten wurde form- und fristgerecht eingelegt und zum überwiegenden Teil in gleicher Weise begründet. Soweit sich der Beklagte im Berufungsverfahren gegen die Verurteilung zum Schadensersatz der Dolmetscherkosten zur Wehr setzt, ist seine Berufung unzulässig, weil er insoweit das Rechtsmittel entgegen § 520 Abs. 3 ZPO nicht begründet hat.

2.

Einen Anspruch auf Unterlassung oder von Widerruf von unrichtigen Tatsachenbehauptungen hat die Rechtsprechung in entsprechender Anwendung insbesondere der §§ 823, 1004 BGB im Wege der Rechtsfortbildung aufgestellt. Diese Ansprüche sind geeignet und notwendig zur Beseitigung der entstandenen Beeinträchtigung. Die vorbeugende Unterlassungsklage, die der Kläger mit seinem Klageantrag zu 1) geltend macht, dient über diese Fälle hinausgehend der Abwehr eines künftigen rechtswidrigen Eingriffes in alle durch das Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB geschützten Lebensgüter und Interessen (BGH NJW 1993, 1850). Voraussetzung hierfür ist ein objektiv widerrechtlicher Eingriff. Auf Verschulden des Täters oder das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kommt es genauso wenig an wie auf eine Interessenabwägung (vgl. BHG NJW 1997, 2513). Ein Unterlassungsanspruch besteht jedoch nicht uneingeschränkt. So wurde er von der Rechtsprechung etwa verneint gegen die Einreichung oder Verfolgung einer Strafanzeige (BGH NJW 1962, 245) oder gegen die Einreichung von Beschwerden oder sonstigen Eingaben wegen angeblicher Missstände bei den für ihre Beseitigung zuständigen Stellen. Ebenso besteht grundsätzlich kein Unterlassungsanspruch gegen das der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen einer Partei oder ihres Rechtsanwalts innerhalb eines Zivilprozesses bis zum Abschluss dieses Verfahrens (BGH NJW 1971, 284; BVerfG NJW 1991, 29).

Die für die vorbeugende Unterlassungsklage entwickelte rechtsähnliche Anwendung von § 1004 BGB zum Schutze gegen künftige unerlaubte Handlungen gibt dem Inhaber eines geschützten Rechtsgutes zudem die Möglichkeit, vom Störer Beseitigung der Beeinträchtigung zu verlangen. Besondere Bedeutung hat der Beseitigungsanspruch als Anspruch auf Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen, deren Fortwirkung eine dauernde Störung des Verletzers verursachen (BGH, Großer Zivilsenat, BGHE 34, 99; 128, 1).

3.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Klage nur teilweise begründet. Zwar kann der Kläger vom Beklagten nicht generell Unterlassung oder gar den Widerruf von solchen Tatsachenbehauptungen verlangen, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Ballettleiter und Choreograph im Rahmen seines allgemeinen Pflichtenkreises aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber zu erfüllen hat. Wenn der Beklagte etwa zukünftig der Auffassung ist, der Kläger habe sich gegenüber seiner Kollegin S., einem Mitglied des Ballettensemble, dem der Kläger ebenfalls angehört, in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise unangemessen verhalten, so ist es seine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, rechtswidrige Eingriffe gegenüber Arbeitnehmern, die unter seiner Obhut stehen, zu verhindern. Der Kläger begehrt jedoch keine uneingeschränkte zukünftige Vorfälle einschließende Unterlassung, sondern begrenzt sein Rechtsbegehren auf geschehene Ereignisse kurz vor Beginn des 2. Aktes der Vorstellung vom 07.02.2004, um 19.30 Uhr. Allein der Umstand, dass der Beklagte gegenüber dem Intendanten des Theaters unter dem 09.02.2004 eine Meldung getätigt hat über das nach Ansicht des Beklagten zu beanstandende Verhalten, berechtigt den Kläger noch nicht, deshalb Unterlassung zu verlangen. Allerdings ist der Inhalt dieser Meldung im Streitfalle inhaltlich fehlerhaft und geeignet, den Kläger in seiner Ehre zu verletzen, denn der Beklagte hat gegenüber dem Verteilerkreis dieser Meldung (Ordnungsausschuss, Intendanz, Verwaltung, Personalrat) behauptet, der Kläger habe seine Kollegin S. "zum wiederholten Mal massiv körperlich belästigt". Diese Behauptung und die vom Beklagten aufgestellte Bewertung ist aufgrund des Ergebnisses der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen. Nach der Vernehmung der Zeugin S. steht nicht fest, dass der Kläger "zum wiederholten Mal" und "massiv körperlich" die Zeugin belästigt haben soll. Weder der vom Arbeitsgericht vernommene Zeuge Sch. noch die Zeugin S. haben einen Tatbestand geschildert, der diese Bewertung durch den Beklagten rechtfertigen könnte. Die Zeugin schilderte zwar, dass ihr die Aufmerksamkeiten des Klägers unangenehm waren. Es stimme aber nicht, dass der Kläger sie etwa in einer Weise körperlich berührt habe, die für die Zeugin nicht mehr hinnehmbar war. Die gleiche Verhaltensweise hat auch die Zeugin E. vor dem Berufungsgericht bestätigt. Auch diese Zeugin gab an, dass der Kläger Frau S. im Anschluss an die Premiere der Aufführung "Peer Gynth" im Foyer des Theaters T. im Dezember 2003 umarmt hat und sie ebenfalls an der Taille und an der Schulter angefasst hat. Auch diese körperlichen Berührungen waren der Zeugin S. derart unangenehm, dass sie sich mit einem empörten Gesichtsausdruck mit ihren Händen von den Händen des Klägers befreit hat. Irgendeine nähere körperliche Hinwendung des Klägers etwa im Bereich von Brust und Po hat jedoch nicht stattgefunden. Nach der Bekundung der Zeugin E. empfand die Zeugin die Abwehrreaktion der Zeugin S. für unangemessen. An diesem Abend waren auf der Premierenfeier im Foyer alle nach der Veranstaltung versammelten Personen froh gelaunt, man habe sich allgemein umarmt und auch geküsst. Insbesondere den dort erschienenen Künstlern schenkten die dort versammelten Personen eine besondere Aufmerksamkeit. Wenn in diesem Zusammenhang der Kläger die Zeugin S. an sich gedrückt und an der Schulter und an der Taille angefasst hat, so hat es sich hierbei um kein zu beanstandendes Verhalten des Klägers gehandelt, weil solche Verhaltensweisen insbesondere im Künstlerkreis im Anschluss an eine Premierenaufführung nicht unüblich sind.

Nach der Bekundung des Klägers, die auch von der Zeugin S. bestätigt worden ist, beugte er sich am 07.02. zu Beginn des 2. Aktes über die Klägerin, drückte seinen Körper an sie und bekundete hierbei "hörst Du wie mein Herz schlägt". Dies mag eine besonders intensive Form der Zuneigung des Klägers gegenüber der attraktiven Kollegin gewesen sein, die diese persönlich als unangenehm empfunden haben mag. Sie rechtfertigt aber nicht den Inhalt der Meldung des Beklagten an den Verteilerkreis, der Kläger habe die Zeugin zum wiederholten Male "massiv" körperlich belästigt. Letzteres ist aber die Kernaussage und die eigentliche Kritik am Inhalt der vom Beklagten verfertigten Meldung vom 09.02.2004. Das erkennende Gericht hat erwogen, dem Unterlassungsantrag zu 1. a) nur teilweise stattzugeben, weil darin dem Kläger die Verbreitung der Behauptung untersagt werden soll, "Frau S. sei gegen ihren Willen und trotz Wehrens" vom Kläger körperlich berührt worden. Diese Aussage des Beklagten ist zutreffend. Sowohl die Zeugin S. als auch die Zeugin E. haben bei ihrer Zeugenvernehmung bekundet, dass der Zeugin S. die körperlichen Annährungen durch den Kläger unangenehm waren. Die gesamte Aussage des Beklagten kann jedoch nicht in sich aufgespalten und atomisiert werden in zutreffende und unzutreffende einzelne Tatsachenbehauptungen, sondern muss als Gesamtheit gesehen werden. In ihrem Gesamtzusammenhang ist festzustellen, dass es dem Beklagten nicht gelungen ist, Tatsachen zu beweisen, die den Schluss zu lassen, dass der Kläger die Kollegin S. "massiv körperlich belästigt" haben soll. Eine derart übertriebene Behauptung des Beklagten braucht der Kläger nicht hinzunehmen, auch nicht im Rahmen eines nur eingeschränkt bestehenden Unterlassungsanspruches im Zusammenhang mit der Erstattung der Meldung durch den Beklagten vom 09.02.2004.

4.

Der Kläger kann vom Beklagten nicht den uneingeschränkten Widerruf der vorgenannten Tatsachenbehauptung verlangen. Ein Anspruch auf Widerruf einer ehrenkränkenden Behauptung setzt die positive Feststellung ihrer Unwahrheit voraus (BVerfG NJW 2004, 355). Durch die Verbreitung der übertriebenen Tatsachenbehauptung des Beklagten ist der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Zur Abwehr dieser Rechtsverletzung steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Widerruf der Äußerungen zu. Hat der Beklagte diese Äußerung jedoch in einer allgemeinen Wahrnehmung berechtigter Interessen getätigt, weil es seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Verpflichtung ist, unangemessene körperliche Annäherungen unter Arbeitskollegen zu verhindern und derartige Missstände aufzudecken, dann entspricht es ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2004, 355), dass die Grenzen zulässiger Tatsachenbehauptungen erst dann überschritten sind, wenn die Äußerung bewusst unwahr ist oder ihre Unwahrheit ohne weiteres auf der Hand liegt. Ein Anspruch auf Widerruf einer ehrenkränkenden Behauptung kommt auch dann nicht in Frage, wenn zwar die Unwahrheit nicht positiv feststeht, andererseits aber die Beweisaufnahme doch Anhaltspunkte dafür ergeben hat, dass die Behauptungen zutreffend sein können (vgl. hierzu Palandt, Einführung vor § 823 BGB Rz 27 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze war vorliegend der Beklagte hinsichtlich des Unterlassungsanspruches zu Ziffer 1 a) nur eingeschränkt zum Widerruf zu verurteilen. Es war die Verpflichtung des Beklagten, die Zeugin S. vor körperlichen Annäherungen des Klägers zu bewahren, wenn die Zeugin diese nicht gewünscht hat. Schon von daher kam vorliegend nur ein eingeschränkter Widerruf des Beklagten in Frage. Im Übrigen hat auch die Beweisaufnahme durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass der Kläger sich zumindest in einer Art und Weise der Zeugin mehrfach genähert hat, dass dieser diese Annäherungen unangenehm waren. Dies hat sowohl die Zeugin S. selbst als auch die Zeugin E. bestätigt. Die Kammer kann nicht ausschließen, dass das Abwehrverhalten der Zeugin S. nicht nur auf körperlichen Hinwendungen anlässlich zwei ganz konkreter Vorfälle geschehen ist, sondern der Kläger des Öfteren den körperlichen Kontakt mit der Zeugin gesucht hat, obwohl keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass dies in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise geschehen ist. Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme kommt nur ein eingeschränkter Widerruf in Betracht mit dem Inhalt, dass der Beklagte die Behauptungen nicht weiter aufrecht erhalten kann (vgl. BVerfG, a.a.O.).

5.

Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger die Unterlassung von Behauptungen begehrt, die der Beklagte in Wahrnehmung seiner berechtigten rechtlichen Interessen im vorliegenden Klageverfahren aufgestellt hat. Es wäre mit der rechtstaatlichen Ordnung unvereinbar, wenn der Beklagte im jetzigen Rechtsstreit verurteilt werden könnte, Erklärungen zu unterlassen, die er im anhängigen Verfahren unter Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte und Pflichten zu einer substantiierten Einlassung zum Rechtsstreit abgegeben hat. Eine Partei darf nicht gehindert werden, das von ihr für erheblich Gehaltene demjenigen Richter vorzutragen, der nach der Gerichtsverfassung für diesen Rechtsstreit zuständig ist. Solche Behauptungen müssen mit Blick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtswahrung geeignet und erforderlich erscheinen sowie der Rechtsgüter- und Pflichtenlage angemessen sein (BVerfG NJW 1991, 29; BGH NJW 1971, 284). Wenn der Beklagte in Wahrnehmung dieser Interessen im vorliegenden Rechtsstreit in der Klageerwiderung sich zu den Behauptungen des Klägers substantiiert einlässt, so ist dieses Prozessverhalten unmittelbar sachbezogen und nicht nur geeignet, seine rechtlichen Interessen wahrzunehmen, sondern im Hinblick auf seine Einlassungspflichten aus § 138 ZPO geradezu geboten.

6.

Das arbeitsgerichtliche Urteil war von Amts wegen aufzuheben, soweit es den Beklagten zu etwas verurteilt hat, das noch nicht einmal der Kläger beantragt hatte. Dieser hatte lediglich den Widerruf der Behauptung verlangt, er habe die Zeugin S. zum wiederholten Male massiv vor Zeugen belästigt. Die weitergehenden Behauptungen, die der Beklagte erst im vorliegenden Prozessverfahren aufgestellt hat und deren Unterlassung der Kläger auch gefordert hat, sollte er nach seinem Antrag zu 2. aus dem Schriftsatz vom 24.08.2004, den der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht gestellt hat, gerade nicht widerrufen. Trotzdem hat das Arbeitsgericht den Beklagten hierzu verurteilt, was ein Verstoß gegen § 308 ZPO darstellt.

7.

Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt hat, an den Kläger Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers der russischen Sprache in Höhe von 537,44 Euro zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat auf den Seiten 10 (2. Hälfte) und 11 (1. Hälfte) seines Urteils insoweit eingehend begründet, weshalb der Beklagte zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet sein soll, obwohl der Hauptteil der Kosten durch die Anfertigung von eidesstattlichen Versicherungen angefallen sind, die im vorliegenden Hauptsacheverfahren keine tauglichen Beweismittel darstellen. Wenn das Arbeitsgericht meint, der Beklagte sei zum Ersatz dieser Kosten trotzdem verpflichtet, dann wäre der Berufungsführer verpflichtet, sich mit diesen Ausführungen des Arbeitsgerichts in der Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO auseinander zu setzen, weil zur Ordnungsgemäßheit der Berufungsbegründung eine argumentative Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen grundsätzlich geboten ist.

Ist in einer Klage im Wege objektiver Klagehäufung über mehrere Ansprüche entschieden, dann muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich mit jedem Einzelanspruch auseinander setzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (BAG NZA 1998, 45; Schwab, Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Diss. 2004, S. 229, 235). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Anspruch in seinem Bestehen von einem anderen (ordnungsgemäß begründeten) Anspruch unmittelbar abhängt (vgl. Einzelfälle bei Schwab, a.a.O., S. 238 - 242). Hiervon ist beim Ersatz der Dolmetscherkosten vorliegend nicht auszugehen, weil dieser Anspruch nicht steht und fällt mit der Frage, dass ein Unterlassungs- und Widerrufsanspruch des Klägers im Einzelfall unbegründet sein soll.

Nach alledem war unter teilweiser Aufhebung von Amts wegen und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Berufung im Übrigen mit der Kostenfolge aus §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 12 a Abs. 1S. 3 ArbGG (vgl. hierzu BAG v. 01.11.2004 - 3 AZB 10/04) zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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