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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 900/06
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 900/06

Entscheidung vom 10.05.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2006 - 2 Ca 1013/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtsmäßigkeit einer Arbeitgeberkündigung.

Seit 22.08.1995 war der Kläger bei der Fa. C., C-Straße in C-Stadt als Techniker beschäftigt. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt 2.300,--€.

Die Parteien schlossen einen Arbeitsvertrag, wonach zwischen ihnen ab 01.04.2006 ein Arbeitsverhältnis begann. Vereinbart wurde eine sechsmonatige Probezeit sowie eine Befristung bis zum 31.03.2007. In § 3 des Arbeitsvertrages heißt es, dass sich das Arbeitverhältnis auf eine Tätigkeit in C-Stadt und A-Stadt bezieht und sich der Arbeitgeber vorbehält, den Kläger auch in allen Betriebssitzen der C-GmbH einzusetzen.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23.06.2006 das Arbeitsverhältnis zum 07.07.2006. Die Kündigung wurde durch Frau V. unterschrieben. Die Beklagte teilte unter dem 08.09.2006 mit, sie sei bereit, hinsichtlich der Kündigungsfrist die Tätigkeit des Klägers bei der Fa. C.. als Vordienstzeit anzuerkennen. Das Arbeitsverhältnis ende daher zum 31.10.2006.

Der Kläger hat mit am 07.07.2006 beim Arbeitsgericht Trier eingegangener Klage geltend gemacht, das Kündigungsschutzgesetz fände Anwendung, weil die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftige. Die Fa. C.. sei am 01.04.2006 von der Beklagten übernommen worden. Frau V. sei nicht zur Kündigung berechtigt gewesen. Das Sanitätshaus Wittlich GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer U., U-Straße 123, 12345 U-Stadt sei tatsächlicher Arbeitgeber, weil die Beklagte nur zum Schein und zum Zwecke der Umgehung des Kündigungsschutzes zwischengeschaltet worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23.06.2006 nicht zum 07.07.2006 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat einen Betriebsübergang bestritten, sie habe lediglich Waren der Fa. C.. übernommen, die Betriebsstätte sei verlagert, die Organisationsstruktur geändert worden. Die Fa. C. habe vor dem 01.04.2006 nur drei Mitarbeiter beschäftigt. Sie selbst beschäftige mit dem Kläger fünf Arbeitnehmer wovon nach dem 01.01.2004 eingestellt worden seien.

Auf Grund des Gesellschaftsvertrages seien beide Gesellschafter sowohl Herr T. als auch Frau V. alleinvertretungsberechtigt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2006 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung fristgerecht erfolgt sei, weil die Beklagte dem Kläger die entsprechende Kündigungsfrist bis 31.10.2006 zugestanden habe.

Auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Der Kläger habe lediglich pauschal behauptet, die Beklagte beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer, ohne anzugeben, welche die sein sollten und in welchem zeitlichen Umfang sie regelmäßig beschäftigt seien. Der Kläger habe auch nicht substantiiert vorgetragen, dass zwischen der Beklagten und der Arztpraxis Dr. T. oder zwischen der Beklagten und dem C-GmbH ein gemeinsamer Betrieb bestehe. Die Einsetzbarkeit des Klägers auch in A-Stadt und in allen Betriebssitzen der C-GmbH seien zwar Anhaltspunkte. Der Kläger hätte darüber hinaus unter genauer Schilderung der Arbeits- und Entscheidungsabläufe im Einzelnen darlegen müssen, in wie weit im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einheitlicher Leitungsmacht arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt würden.

Die Kündigung sei wirksam durch Frau V. ausgesprochen, weil nach dessen vorgelegtem Gesellschaftsvertrag diese einzelvertretungsberechtigt sei. Da nicht ersichtlich sei, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgte, habe die Frage eines Betriebsübergangs offen bleiben können.

Das Urteil wurde dem Kläger am 17.11.2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 22.11.2006 Berufung eingelegt und seine Berufung mit am 17.01.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, bei Herrn T. handele es sich um einen Strohmann. Er selbst übe in dieser Gesellschaft keine andere Funktion oder Tätigkeit aus. Auch die zweite als Gesellschafterin benannte Frau V. habe für die Gesellschaft nur ihren Namen hergegeben, übe also tatsächlich keinerlei Tätigkeit, Funktion oder ähnliches aus. Tatsächlich betrieben werde die Beklagte von C-GmbH durch deren Geschäftsführer Herrn S.. Dieser regele sämtliche Angelegenheiten der zum Schein errichteten Beklagten. Sämtliche Leistungen würden gegenüber den Krankenkassen über die C-GmbH abgerechnet. Die Beklagte verfüge nicht über eigenes Personal zur Durchführung von Abrechnungen oder Buchführung. Dementsprechend habe auch die C-GmbH mit Schreiben vom 23.02.2006 nach dem Kläger den neuen Arbeitsvertrag mit dem Hinweis übersandt, dass aus betriebwirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Vorgaben die Arbeitsverträge den Arbeitsverträgen des C-GmbH anzupassen seien. Im Übrigen wurde der Arbeitsvertrag von Herrn B. unterschrieben. Es bestünden somit keine Zweifel daran, dass zwischen der Beklagten und der C-GmbH eine betriebliche Einheit bestehe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2006 wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23.06.2006 weder zum 07.07.2006 noch zum 31.10.2006 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Zuteilung der Steuernummer , einer Umsatzsteueridentifikationsnummer, Gewerbeanmeldung und weiterer Dokumente legt sie dar, dass die Beklagte keine Scheingesellschaft sei, sondern eine rechtlich selbständige Gesellschaft mit den bereits benannten Gesellschaftern. Unerheblich sei es, ob es möglich sei, ein Handelsgeschäft als BGB-Gesellschaft zu führen. Sie bestreite, dass die Beklagte ihre Abrechnung gegenüber der Krankenkasse über die C-GmbH abrechne. Sie verfüge vielmehr über ein eigenes Institutionskennzeichen und rechne dementsprechend unmittelbar mit den Krankenkassen ab. Sie habe auch einen Abrechnungsvertrag mit dem Abrechnungszentrum Dr. R-GmbH geschlossen. Richtig sei, dass die Beklagte nicht über eigenes Personal zur Durchführung der Buchführung verfüge. Diese werde extern durchgeführt. Dass Herr B. Verträge unterschrieben habe bzw. mit dem Kläger korrespondiert habe, beruhte darauf, dass er im Rahmen der Gründung und Geschäftsaufbaus mit derartigen Aufgaben betraut worden sei und zwar als Bevollmächtigter.

Die Beklagte bestreitet weiter das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 10.05.2007.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Im Ergebnis unter der Begründung zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechterheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei unter weiterer Bezugnahme auf das angefochtene Urteil gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf folgendes hinzuweisen:

Im Berufungsverfahren hat der Kläger lediglich seine Position weiter verfolgt, es handele sich bei der Beklagten um eine Scheingesellschaft bzw. die Beklagte betreibe mit der Fa. C-GmbH einen gemeinsamen Betrieb.

Auf Grund des vom Kläger schließlich nicht bestrittenen Vortrages kann von einer Scheingesellschaft nicht ausgegangen werden. Die Gesellschaft der Beklagten, unabhängig ob es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eine GmbH in Gründung oder eine sonstige Rechtsform handelt, ist ersichtlich Arbeitgeberin des Klägers. sie hat mit dem Kläger einen Vertrag abgeschlossen, die Gesellschafterin Frau V. hat die Kündigung gegenüber dem Kläger ausgesprochen. Die vorgelegten Dokumente zeigen, dass die Beklagte als selbständige Trägerin im Rechtsverkehr auftritt. Vom Bundeszentralamt für Steuern wurde ihr eine Umsatzsteueridentifikationsnummer zugewiesen. Sie hat für die Firma ein Gewerbe angemeldet, ihr wurde ein Institutionskennzeichen der Sammel- und Verteilungsstelle IK zugewiesen, sie hat mit dem Abrechnungszentrum Dr. R. einen Dienstleistungsauftrag über die Abrechnung und Einziehung von Forderungen abgeschlossen.

Damit ist die rechtliche Existenz der Beklagten gewollt, sie kann nicht als Scheingesellschaft einer nicht näher bezeichneten dritten Person behandelt werden.

III.

Auch die Auffassung des Klägers, die Beklagte führe mit der B- GmbH einen gemeinsamen Betrieb, kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Ein gemeinsamer Betreib mehrerer Unternehmen liegt nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammen gefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die Beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf wesentliche Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken.

Notwendig ist eine Einheit der Organisationsstruktur zur Verfolgung zumindest eines arbeitstechnischen Zweckes. Diese einheitliche Organisationseinheit mit Leitungsapparat läst sich nicht feststellen. Kennzeichnend für eine Leistungsvereinbarung ist danach, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Einheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird. Dafür ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Dieser arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz ist vom Kläger auch nicht ansatzweise behauptet. Zwar streitet für ihn der Inhalt des Arbeitsvertrages, der aber vom Kläger unwidersprochen von der Beklagten damit erklärt wurde, dass hier ein Textbaustein aus Arbeitsverträgen mit der C-GmbH übernommen wurde.

Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit, die sich möglicherweise aus dem klägerischen Vortrag entnehmen lässt, genügt nicht. Funktionen des Arbeitgebers müssen institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Für das Bestehen einer Führungsvereinbarung können die gemeinsame Nutzung der technischen immateriellen Betriebsmitteln, die gemeinsame räumliche Unterbringung, die personelle technische und organisatorische Verknüpfung der Arbeitsabläufe, das Vorhandensein einer unternehmensübergreifenden Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke, insbesondere zur Wahrnehmung der sich aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergebenden Weisungsbefugnisse sprechen.

Derartige weit greifende Indizien liegen nicht vor. Die Beklagte hat ihre eigene Betriebsstätte in C-Stadt. Ein auf Grund der großen räumlichen Distanz zur C-GmbH in D-Stadt kann eine einheitliche Betriebsstätte nicht angenommen werden. Ein Unternehmens übergreifender Personaleinsatz wird nicht praktiziert, ist auch vom Kläger nicht behauptet, er war auf jeden Fall nicht charakteristisch für den normalen Betriebsablauf.

Betriebsmittel werden ebenfalls nicht gemeinsam benutzt.

Dass die Buchhaltung extern ausgelagert wurde, unter Umständen auch von der C-GmbH erledigt wurde, hierauf kam es entscheidungserheblich nicht an, bedeutet nicht, dass der Kern der Arbeitgeberfunktion in sozialen und personellen Angelegenheiten von der selben institutionellen Leitung ausgeübt wird.

Auch der Auftritt im Internet ist kein derartiges Indiz, weil er allenfalls eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit beschreibt.

Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.08.1971 - 2 AZR 233/70 - kann der Kläger sich schon deswegen nicht berufen, weil in der dort entschiedenen Sache ein Arbeitgeber, also ein einziges Unternehmen mehrere kleinere, aber einheitlich und zentral gelenkte Verkaufsstellen unterhielt. Im vorliegenden Fall ist aber gerade festzustellen, dass es kein zur Annahme einer Führungsvereinbarung notwendiger Zusammenschluss mehrerer Arbeitgeber zur Führung eines einheitlichen gemeinsamen Betriebes gibt, mithin ein einzelner Arbeitgeber keine mehrere zentral gelenkte Verkaufsstellen steuert.

Somit ist es für die Entscheidung Rechtsstreits auch nicht erheblich, in welcher Form die Geschäftsführer der C-GmbH, Herr B., sich an der Begründung und Gestaltung des Arbeitsverhältnisses beteiligt hat. Eine derartige Beteiligung beruht jedenfalls nicht auf einer Führungsvereinbarung zur Führung eines einheitlichen Betriebes durch mehrere Unternehmer.

Es steht somit fest, dass für die Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 KSchG nur auf die Beschäftigtenzahl im Betrieb der Beklagten abzustellen ist. Da der notwendige Schwellenwert nicht erreicht wird, kann die gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage des Klägers nicht erfolgreich sein.

Seine Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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