Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 982/03
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 9 Abs. 2
KSchG § 10
BGB § 613 a Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ZPO § 529 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 520 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 982/03

Verkündet am: 16.12.2003

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.04.2003 - 8 Ca 4260/01 - abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 30.11.2001 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.04.2002 aufgelöst hat.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt, die erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu .

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der im Jahre 1966 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.01.1988 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Abonnementverwaltung beschäftigt. Er bezog zuletzt Vergütung nach der Tarifgruppe IV mit einer monatlichen Vergütung von rund 4.650,00 DM im November 2001. Nach dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 13.07.1988 (Bl. 184, 185 d. A.) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass er im Angestelltenverhältnis bei ihr beschäftigt werde.

Nach dem Besuch der Hauptschule hat der Kläger eine Ausbildung als Gärtner absolviert. Er bildete sich dann durch einen einjährigen Besuch an einer technischen Fachoberschule im Land- und Gartenbau weiter, bis er dann ab dem 01.01.1988 bei der Beklagten eingetreten ist. Seit seiner Tätigkeit bei der Beklagten hat sich der Kläger in zahlreichen Kursen, insbesondere an der Volkshochschule weitergebildet, speziell im Bereich Lohnbuchhaltung und in PC-Schulungen. In diesem Zusammenhang absolvierte der Kläger erfolgreich eine Ausbildung zum Industriefachwirt in der Zeit vom 02.11.1993 bis zum 31.10.1995 bei der IHK Koblenz. Desweiteren nahm der Kläger an insgesamt 6 Schulungen im PC-Bereich teil. Bei seinen unterschiedlich verrichteten Tätigkeiten bei der Beklagten hatte der Kläger jeweils unterschiedliche PC-Kenntnisse anzuwenden. So war der Kläger z. B. auch Mitglied im Projektteam SAP-Einführung und hat in diesem Zusammenhang zumindest an einer mehrtägigen Schulung in Wien teilgenommen.

Ab dem 01.04.2001 wurde der Kläger dann in den Bereich Abonnementverwaltung umgesetzt.

Die Beklagte hat beschlossen, diesen Bereich, in dem insgesamt 19 Arbeitnehmer eingesetzt waren, ab Januar 2002 schrittweise zu schließen. Die komplette Schließung war bis zum 30.04.2002 abgeschlossen.

Die Beklagte hat 17 Arbeitnehmern der Abonnementverwaltung im Hinblick auf die ins Auge gefasste Schließung dieser Abteilung das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen gekündigt; unter diesen Arbeitnehmern befindet sich auch der Kläger. Die in diesem Zusammenhang ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen betrafen ausschließlich Mitarbeiter dieser Abonnementverwaltung. Unter den nicht gekündigten Arbeitnehmern befinden sich unter anderem die in anderen Bereichen eingesetzten Mitarbeiterinnen Frau A. und Frau K. sowie Herr Z. und Herr W.. Diese Mitarbeiter haben - im Gegensatz zum Kläger - jeweils den Beruf eines Verlagskaufmanns erlernt. Frau A. war im Kündigungszeitpunkt des Klägers 11 Jahre im Betrieb und 30 Jahre alt, Frau Kaiser war 40 Jahre alt, 10 Jahre im Betrieb, sie ist geschieden und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Herr Z. war im Kündigungszeitpunkt des Klägers rund 25 Jahre alt und drei Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Er ist verantwortlich für die Systemadministration SAP und beherrscht die Programmiersprache ABAP. Er ist der Unternehmenskoordinator zum externen Dienstleister im SAP-Bereich und der Netzwerkkoordinator im PC-Bereich. Herr W. ist rund 25 Jahre alt und zwei Jahre bei der Beklagten im Kündigungszeitpunkt des Klägers beschäftigt gewesen. Er ist eingesetzt auf der Geschäftsstelle der Beklagten im 15 km entfernten Neuwied in der Kundenberatung bei der Inseratschaltung. Hierbei ist es seine Aufgabe, Inserate, die durch Laufkundschaft aufgegeben werden, zu erstellen, wobei er die Kunden bei der Gestaltung eines möglichen Inserates berät und den gesamten Vorgang auch verwaltungsmäßig abwickelt. Darüber hinaus verkauft er Produkte der Beklagten aus dem rz-Shop sowie Tickets für unterschiedliche Veranstaltungen, die bei der Beklagten käuflich erworben werden können. Beim Ticketverkauf hat der jeweilige Mitarbeiter die Software CTS anzuwenden.

Der Kläger hält die ihm gegenüber mit Schreiben vom 30.11.2001 zum 30.04.2002 ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Kündigung für unwirksam. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe den Bereich Abonnementverwaltung im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf ein anderes Unternehmen übertragen, zumindest sei eine Kündigung sozial nicht gerechtfertigt, weil es hierfür keine ausreichenden Gründe gebe, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf damals offenen und innerbetrieblich ausgeschriebenen Stellen für ihn bestanden habe; zumindest sei die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Dies ergebe sich allein schon daraus, dass die Beklagte ausschließlich Mitarbeiter der Abonnementverwaltung gekündigt habe ohne Rücksicht auf die Verhältnisse im gesamten Betrieb. Er sei mit den Mitarbeitern A., Z., K. und W. vergleichbar und habe deutlich ungünstigere Sozialdaten als diese Mitarbeiter. Soweit diese eine Lehre als Verlagskaufmann absolviert hätten, benötigten sie die dabei erworbenen Kenntnisse bei ihrer derzeitigen Verrichtung nicht. Seine Ausbildung als Industriefachwirt sei im Übrigen höherwertiger als diejenige eines Verlagskaufmanns. Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Ausbildung sei eine kaufmännische Ausbildung oder die Verrichtung von "gleichwertigen" Tätigkeiten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2001 zum 30.04.2002 nicht aufgelöst wurde.

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sozialplanabfindung in Höhe von DM 39.038,41 (19.960,02 €) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Nach Auffassung der Beklagten sei die Kündigung aus dringenden betrieblichen Bedürfnissen sozial gerechtfertigt, weil sie sich entschlossen habe, die Abonnementverwaltung vollständig aufzugeben. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen, weil es einen solchen im Kündigungszeitpunkt nicht gegeben habe. Es lägen auch keine Fehler in der Sozialauswahl vor. Der Kläger sei mit den von ihm benannten Mitarbeitern nicht vergleichbar, weil er nicht über die gleichen Fachkenntnisse verfüge, wie die von ihm benannten Mitarbeiter, die alle eine Ausbildung als Verlagskaufmann absolviert hätten. Die Ausbildung des Klägers als Industriefachwirt sei branchenfremd. Die vom Kläger hierbei erworbenen Kenntnisse benötige er bei seiner Arbeit bei ihr nicht. Auf der Geschäftsstelle in Neuwied könne der Kläger allein schon deshalb nicht eingesetzt werden, weil sie, die Beklagte, eine Versetzung des Klägers von Koblenz nach Neuwied nicht nach ihrem Direktionsrecht vornehmen könne. Der Arbeitsort des Klägers habe sich auf Koblenz konkretisiert. Außerdem beherrsche der Kläger nicht das dort verwendete Anzeigensystem Viva und die Software CTS zum Ticketverkauf.

Zumindest sei das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen, da der Kläger im vorliegenden Verfahren zahlreiche falsche Behauptungen aufgestellt habe; so habe der Kläger ein persönliches Profil von sich gezeichnet, das keinen Bezug mehr zur betrieblichen Realität habe. Im Rahmen der vom Kläger gerügten Sozialauswahl habe er zahlreiche unwahre Behauptungen aufgestellt. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis mit dem Kläger derart gestört, dass eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Er bestreitet das Vorliegen von Gründen für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses, zumal die Beklagte keinerlei substantiierte Behauptungen für das von ihr ihm zugewiesene "Lügengebäude" vorgebracht habe.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15.04.2003, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts liege im Streitfalle kein Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 BGB vor. Die streitgegenständliche Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Auch läge keine fehlerhafte Sozialauswahl vor, weil der Kläger mit den von ihm benannten Mitarbeitern im Sinne einer Austauschbarkeit nicht vergleichbar sei. Nach dem nicht näher substantiierten Sachvortrag des Klägers sei nicht davon auszugehen, dass er die Tätigkeiten der von ihm benannten Mitarbeiter ohne tiefere Einarbeitung ausüben könne. Eine solche sei der Beklagten im Rahmen einer Sozialauswahl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zumutbar.

Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 12 bis 26 dieses Urteils, das dem Kläger am 08.07.2003 zugestellt worden ist, Bezug genommen.

Der Kläger hat hiergegen mit einem am 29.07.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 08.10.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Begründungsfrist bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden war.

Im zweitinstanzlichen Verfahren beruft sich der Kläger insbesondere auf Fehler bei der Sozialauswahl. Im Betrieb seien während seiner Kündigungsfrist noch Mitarbeiterinnen tätig gewesen, die nach den Behauptungen der Beklagten bereits zum 15.11.2001 bei ihr ausgeschieden seien. Entgegen den Behauptungen des Arbeitsgerichts hätten die Mitarbeiter A., Z., K. und W. in eine Sozialauswahl mit ihm einbezogen werden müssen, da er deren Tätigkeiten schon nach kurzer Einarbeitungszeit verrichten könne. Im Gegensatz zu diesen Mitarbeitern habe er im Laufe der Jahre eine qualifiziertere Weiter- und Berufsausbildung absolviert als diese Mitarbeiter.

Frau A. habe eine Lehre als Verlagskauffrau absolviert und sei danach wie er mehrere Jahre lang als Sachbearbeiterin in der Abonnementverwaltung tätig gewesen. Etwa im Jahre 2000 sei sie in den Bereich Vertriebsmarketing gewechselt. Vor diesem Wechsel habe sie keinerlei Kenntnisse im Bereich Vertriebsmarketing erworben gehabt. Auch die Tätigkeit der Frau K. als Personalsachbearbeiterin und Sekretärin der Geschäftsführung könne er aufgrund seiner Ausbildung ausüben. Er besitze die hierfür erforderlichen Englischkenntnisse. Den Mitarbeiter Z. habe er auf seinem jetzigen Arbeitsgebiet eingearbeitet, da er vorher dessen Position begleitet habe. Er bestreite, dass der Mitarbeiter W. während seiner Ausbildung zum Verlagskaufmann das Anzeigensystem Viva und die Ticketsoftware CTS kennen gelernt habe. Beide Systeme seien ein hausinternes Produkt und innerhalb kürzester Zeit zu erlernen.

Nach alledem liege eine fehlerhafte Sozialauswahl vor.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2001 nicht zum 30.04.2002 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt vorsorglich,

den in erster Instanz gestellten Auflösungsantrag.

Nach ihrer Auffassung sei die Berufung teilweise unzulässig, weil mit der Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten aber nur teilweise begründet worden sei. Die vom Kläger gerügten Fehler im Rahmen der Sozialauswahl seien nicht gegeben, da er mit den von ihm benannten Mitarbeitern nicht vergleichbar sei.

Der Kläger habe im Laufe des Prozessverfahrens eine Vielzahl von unwahren Behauptungen aufgestellt, um sich unberechtigte Vorteile zu verschaffen. Auf dieser Basis sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr gegeben, so dass das Arbeitsverhältnis zumindest hilfsweise aufzulösen sei.

Der Kläger wehrt sich nach wie vor gegen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses, weil es hierfür keine gerechtfertigten Gründe gebe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthafte Berufung wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das Rechtsmittel nicht wegen fehlender Begründung teilweise als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren nur noch seinen erstinstanzlich verfolgten Feststellungsantrag zu 1) geltend gemacht. In seinem Berufungsschriftsatz vom 29.07.2003 hat der Kläger lediglich gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, ohne den Umfang des Rechtsmittels zu konkretisieren. Die Anträge und deren Begründung wollte sich der Kläger ausdrücklich einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Der Gegenstand der Anfechtung ergibt sich somit aus der Berufungsschrift nicht. In der Berufungsbegründung hat dann der Kläger allein noch seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiter verfolgt, so dass Streitgegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens ausschließlich die soziale Rechtfertigung der Kündigung war. Nur insoweit hat der Kläger das erstinstanzliche Urteil angefochten. Nach den von ihm im Berufungsverfahren im Rahmen von § 520 Abs. 3 ZPO geltend gemachten Berufungsgründen soll die Beklagte eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen haben. Hierzu hat der Kläger im Berufungsverfahren vorgebracht, das Urteil des Arbeitsgerichts leide an fehlerhaften Tatsachenfeststellungen (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) und sei deshalb auch rechtsfehlerhaft (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Mit diesem Vorbringen liegt insgesamt eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbegründung vor.

II.

1.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren die Feststellungen im arbeitsgerichtlichen Urteil hinsichtlich eines fehlenden Teilbetriebsübergangs und der betrieblichen Gründe für die ordentliche Kündigung nicht weiter angegriffen. Das Arbeitsgericht hat zu diesen Rechtskomplexen umfassende und zutreffende Feststellungen in seinem Urteil vorgenommen, so dass für das Berufungsgericht im Rahmen seines Prüfungsumfangs nach § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO keinerlei Veranlassung besteht, insoweit die Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteils in Frage zu stellen. Dies hat im Übrigen der Kläger genauso gesehen, weil er sich im Berufungsverfahren insbesondere auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen hat.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war die Sozialauswahl im Falle des Klägers im Hinblick auf den weiter beschäftigten Arbeitnehmer Wirth fehlerhaft gewesen.

Das Arbeitsgericht hat auf den Seiten 16 unter bb) bis Seite 17, Ende des 2. Absatzes, die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze für die Prüfung einer Sozialauswahl zutreffend dargelegt. Das Berufungsgericht folgt diesen vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht deshalb von der erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Im Hinblick auf den Verlauf des Berufungsverfahrens sind folgende ergänzende Rechtsausführungen angezeigt:

Ob ein Arbeitnehmer den tätigkeitsbezogenen Anforderungen des fortbestehenden Arbeitsplatzes gewachsen ist, ist durch einen Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil des fortbestehenden Arbeitsplatzes und dem Eignungsprofil des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers zu ermitteln. Danach setzt die Vergleichbarkeit voraus, dass der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion des anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann, was nicht nur bei identischen Tätigkeiten der Fall ist, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann (BAG AP-Nr. 22 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; KR-Etzel, 6. Auflage, § 1 KSchG Rz. 618; Stahlhacke/Preiss/Vossen, KSchG, 7. Auflage, Rz. 1084). In diesem Zusammenhang ist eine Austauschbarkeit nur anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers oder aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist (KR-Etzel, a.a.O. Rz. 620.) Eine Austauschbarkeit entfällt bei einer nicht unerheblichen Einarbeitungszeit. In diesem Zusammenhang ist ein rein arbeitsplatzbezogener "Routinevorsprung" nicht von Bedeutung. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers.

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte die Beklagte den Mitarbeiter Wirth vor dem Kläger entlassen müssen, weil der Kläger auf dessen Arbeitsplatz umgesetzt werden kann.

Zwar teilt das Berufungsgericht nicht die Auffassung des Klägers, dass die Mitarbeiter A., Z. und K. im Rahmen der Sozialauswahl vor ihm hätten entlassen werden müssen. Frau K. entfällt allein schon deshalb, weil sie über ungünstigere Sozialdaten verfügt als der Kläger. Der Mitarbeiter Z. verfügt über Kenntnisse und insbesondere Erfahrungen, die der Kläger nicht hat. Frau A. ist von den Sozialdaten her kaum weniger schützenswert als der Kläger. Sie ist nur unwesentlich jünger als der Kläger und im Kündigungszeitpunkt nicht deutlich kürzer beschäftigt gewesen. Angesichts dieser Umstände ist der Beklagten eine Einarbeitung des Klägers auf der Position Vertriebsmarketing-Werbeaktivitäten, unabhängig von den unterschiedlichen Ausbildungen des Klägers im Verhältnis zur Frau A., aufgrund der bestehenden Einarbeitung dieser Mitarbeiterin auf diesem Arbeitsplatz nicht zumutbar.

Demgegenüber ist die Austauschbarkeit des Klägers mit dem Mitarbeiter W. nach den dargestellten Grundsätzen zu bejahen. Im Kündigungszeitpunkt des Klägers war dieser 35 Jahre alt und nahezu 14 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Herr W. war demgegenüber 25 Jahre alt und wies eine Betriebszugehörigkeit von 2 Jahren auf.

Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert die Vergleichbarkeit nicht schon deshalb, weil Herr W. auf der Geschäftsstelle der Beklagten in Neuwied eingesetzt ist. Dieser Arbeitsort ist etwa 15 km vom Betriebssitz der Beklagten in Koblenz entfernt. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist dem Kläger nicht etwa eine Tätigkeit alleine und ausschließlich in Koblenz zugesagt. Allein der bisherige Einsatz des Klägers in Koblenz führte noch nicht zu einer Konkretisierung im Sinne einer vertraglichen Bindung der Beklagten auf einen alleinigen Arbeitsort Koblenz. Dadurch, dass der Kläger bisher nur in Koblenz eingesetzt war, konnte er nicht den vertraglichen Verpflichtungswillen der Beklagten erkennen, dass diese sich ihm gegenüber dahingehend binden wollte, dass er nur und ausschließlich noch in Koblenz eingesetzt werden kann, ohne in das Grundverhältnis der Parteien eingreifen zu können. Da die Beklagte unter anderem auch zumindest eine Geschäftsstelle in Neuwied hatte, musste der Kläger auch damit rechnen, dass er ggf. von der Beklagten auch an diesem Arbeitsort im Rahmen seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit eingesetzt wird. Nach dem Einstellungsschreiben der Beklagten an den Kläger vom 13.07.1988 (Bl. 184, 185 d. A.) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass er "im Angestelltenverhältnis in unserer Firma" beschäftigt wird. Die Beklage wollte sich durch diese weitgehende Formulierung u. a. gerade den Arbeitsort offen halten und jegliche nähere Bindung an bestimmte Arbeitsbedingungen ausschließen. Damit hätte die Beklagte auch die Möglichkeit gehabt, den Kläger nicht weiter in Koblenz, sondern kraft Direktonsrechts zukünftig in Neuwied einzusetzen.

Die Aufgabe des Mitarbeiters W. in der Geschäftsstelle Neuwied war mehrschichtig. Er verkaufte die Produkte der Beklagten aus dem RZ-Shop nebst Tickets. Beim Ticketverkauf ist die hausinterne Software CTS anzuwenden. Nähere Einzelheiten über die Einarbeitung hierfür und welche besonderen Fähigkeiten bei der Softwareanwendung hierfür benötigt werden, hat die Beklagte nicht dargelegt. Berücksichtigt man die vielfältigen Erfahrungen des Klägers im EDV-Bereich bei seiner langjährigen Tätigkeit bei der Beklagten und seine im Laufe der Jahre erworbenen zusätzlichen Kenntnisse durch einschlägige Schulungen, so hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass er hierfür allenfalls eine ganz kurzfristige Einführung von nicht länger als 1 - 2 Stunden benötige, um dieses System anzuwenden. Vielschichtiger sind die Haupttätigkeiten des Herrn Wirth in der Kundenberatung bei der Inseratschaltung. Er berät die Laufkundschaft der Beklagten bei der Erstellung von Inseraten, etwa von Todesanzeigen oder bei dem Verkauf von Gegenständen hinsichtlich der Gestaltung der jeweiligen Annoncen. Zwar hat der Kläger eine derartige Tätigkeit bei der Beklagten noch nicht verrichtet. Allerdings ist das Berufungsgericht aufgrund des Verhandlungsverlaufs des Termins vom 16.12.2003 zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger nur eine Einarbeitung von allenfalls wenigen Tagen auf dieser Position bedarf. Die Beklagte wendet in diesem Zusammenhang ihr betriebseigenes Anzeigensystem Viva an. Weshalb der Kläger dieses spezielle know how sich nicht innerhalb von kurzer Zeit anwenden kann, ist nicht ersichtlich. Gerade die Inserate der Laufkundschaft zeichnen sich durch ein hohes Maß an inhaltlicher Gleichförmigkeit aus. Gibt etwa ein Kunde ein Inserat für den Verkauf eines PKW's oder eines sonstigen Gegenstandes auf, so bedarf es hierfür keiner besonderen Spezialkenntnisse. Ob ein solches Inserat mit einem Rahmen versehen wird, welche Größe es hat und welchen Preis die einzelnen Leistungen bedingen, kann nur als eine schnell erlernbare einfache Tätigkeit eingestuft werden. Vielschichtiger ist die Erstellung etwa von Todesanzeigen. Letztlich gibt es hierfür - wie sich im Termin vor dem Berufungsgericht herausgestellt hat - zahlreiche Musteranzeigen, die im Einzelnen mit dem Endverbraucher besprochen und inhaltlich festgelegt werden. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass es hierfür einer besonders intensiven Einarbeitung bedürfe.

Berücksichtigt man die erheblich deutlich schlechteren Sozialdaten des Klägers gegenüber dem Herrn W., dann ist der Beklagten in diesem Falle auch eine Einarbeitung von ein bis maximal drei Wochen im Verhältnis zum Kläger zumutbar. Einer derartigen Einarbeitungsdauer dürfte es jedoch im Falle des Klägers auf dem Arbeitsplatz des Herrn W. noch nicht einmal bedürfen. Zumindest haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hierfür keinerlei ernsthaften Anhaltspunkte ergeben.

Nach alledem war die Kündigung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial nicht gerechtfertigt.

2.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist wegen eines fehlenden ausreichenden fehlenden Auflösungsgrundes unbegründet.

Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei wird ein objektiver Zerrüttungstatbestand vorausgesetzt. Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine Sozialwidrigkeit der Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz - und kein Abfindungsgesetz. Deshalb sind an den Antrag des Arbeitgebers aufgrund des Wortlauts von § 9 KSchG strenge Anforderungen zu stellen (BAG, NZA 1988, 16 und seitdem ständige Rechtsprechung; zuletzt BAG, Urteil vom 07.03.2002 - 2 AZR 158/01, NZA 2003, 261). Allerdings war die Erwägung, dass es insbesondere während eines Kündigungsschutzprozesses zu zusätzlichen Spannungen zwischen den Parteien kommen kann, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen, für die Schaffung der gesetzlichen Regelungen mitbestimmend. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Obwohl der Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 2 KSchG eine gesetzlich angeordnete Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt entfaltet, hat das Gericht bei der Prüfung eines Auflösungsgrundes eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist. Bei einem Auflösungsantrag geht es um die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien.

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber kommen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung und seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Das prozessuale Verhalten des Arbeitnehmers, seines Prozessbevollmächtigten oder sonstiger Dritter, auf deren Verhalten der Arbeitnehmer Einfluss nehmen kann und sich von ihnen nicht distanziert, können ebenfalls als Auflösungsgrund in Betracht kommen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. In Betracht kommt dies vor allem für Rechtsausführungen zur Unwirksamkeit einer Kündigung. Solche Ausführungen können jedenfalls nicht ohne weiteres als Auflösungsgrund herangezogen werden, selbst wenn sie rechtlich und inhaltlich unzutreffend sind. Schließlich muss es einer Prozesspartei möglich sein, sich umfassend in einem Verfahren zur Wehr zu setzen. Nur wenn sie in diesem Zusammenhang ein Verhalten an den Tag legt, das nicht nur inhaltlich offensichtlich fehlerhaft, sondern auch schlicht nicht zu akzeptieren ist, kommt deswegen die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in Betracht.

Hieran scheitert es im vorliegenden Fall. Wenn der Kläger erstinstanzlich im Rahmen des von ihm dort noch angenommenen Teilbetriebsübergangs (§ 613 Abs. 1 BGB) die Behauptung aufgestellt hat, die Beklagte gehöre der Firma M.-R.Verlags GmbH oder die Beklagte habe die S.-C. GmbH gegründet, so mag dies inhaltlich unzutreffend sein. Dass ausgerechnet dem Kläger aber die genauen gesellschaftsrechtlichen Strukturen des Gesamtunternehmens ins Einzelne gehend bekannt sein sollen, ist trotz seiner jahrelangen Tätigkeit bei der Beklagten nicht einsehbar. Wenn die genannten Behauptungen des Klägers falsch sind, so möge dies die Beklagte bestreiten und ggf. die gesellschaftlichen Verflechtungen näher klarstellen. Diese Behauptungen des Klägers reichen noch nicht einmal auch nur im Ansatz aus, um deswegen ein Arbeitsverhältnis auflösen zu können. Gleiches gilt für den weiteren Auflösungsgrund der Beklagten, der Kläger habe erstinstanzlich die unzutreffende Behauptung aufgestellt, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes gestanden. Gerade zu einem Zeitpunkt, in dem ein Unternehmen wie die Beklagte Massenkündigungen ausspricht, sind Spekulationen innerhalb der Belegschaft über den Fortbestand des Betriebes an der Tagesordnung. Wenn solche dann in das Prozessverfahren hineingetragen werden, ist dieses Faktum nicht weiter verwunderlich. Auch der Umstand, dass der Kläger bei seinem Sachvortrag nicht berücksichtigt hat, dass mittlerweile die Position des Mitarbeiters Z. sich inhaltlich geändert hat und der Kläger zuvor in diesem Tätigkeitsbereich ebenfalls eingesetzt war oder sich der Kläger im Rahmen der vorzunehmenden Sozialauswahl mit Mitarbeitern verglichen hat, die objektiv in eine Sozialauswahl nicht einzubeziehen waren, sind reine interessengerechte Prozesserklärungen des Klägers. Es ist Aufgabe der Beklagten, solche in Abrede zu stellen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Dem Kläger aber jede Prozessbehauptung, die sich objektiv als unrichtig herausstellt vorzuwerfen und darauf einen Auflösungsantrag zu gründen, muss als eine krampfhafte Suche nach Auflösungsgründen eingestuft werden. Sie können eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses eindeutig nicht begründen.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat und es auch kein Grund gab, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Auflösung gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

Zurück