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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 81/04
Rechtsgebiete: GVG, HGB


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 3
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
HGB § 84
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Ta 81/04

Verkündet am: 12.05.2004

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.02.2004 - 2 Ca 102/04 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor dieses Beschlusses - was hiermit klargestellt wird - richtig wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im vorliegenden Verfahren eröffnet ist.

1. Die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens werden den Beschwerdeführern als Gesamtschuldner auferlegt.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.117,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten vorliegend um Entgeltansprüche und hierbei vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Die Klägerin war bei den Beklagten, die eine Arztpraxis für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde betreiben, als praktizierende Fachärztin für diese medizinische Sparte tätig.

Einen schriftlichen Vertrag über diese Tätigkeit haben die Parteien nicht abgeschlossen. Nach der Behauptung der Klägerin haben die Parteien zu Beginn des Vertragsverhältnisses ein monatliches Gehalt in Höhe von 5.100,00 EUR brutto vereinbart; nach der Behauptung der Beklagten sei die Klägerin als Praxisvertretung tätig geworden und habe hierfür eine monatliche Vergütung von 4.500,00 EUR brutto erhalten sollen. Da sie eine Kassenarztpraxis betreiben, sei es aus kassenarzt- bzw. vertragsarztrechtlichen Gründen ausgeschlossen, dass die Klägerin als angestellte Ärztin in der Praxis habe tätig werden können.

Demgegenüber verweist die Klägerin darauf, dass sie während der Zeit ihrer Tätigkeit täglich von montags bis freitags während den festen Öffnungszeiten der Praxis eingesetzt gewesen sei und dort ihre Tätigkeit als Fachärztin wahrgenommen habe. Sie sei verpflichtet gewesen, zu den Öffnungszeiten der Praxis anwesend zu sein. Daneben habe sie - abwechselnd mit den anderen Ärzten der Praxis - den Wochenenddienst wahrgenommen; gleiches gelte für die Bereitschafts- und Notfalldienste. In den Dienstplänen sei sie als diensthabende Ärztin eingetragen gewesen.

Nachdem die Beklagten "die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts" gerügt haben, hat das Arbeitsgericht durch Beschluss der Kammer vom 26.02.2004 sich "für zuständig" erklärt.

Gegen diesen Beschluss haben die Beklagten form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und dabei darauf hingewiesen, dass nach den Vereinbarungen der Parteien nie Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung einbehalten worden seien.

Das Arbeitsgericht hat durch Kammerentscheidung vom 30.03.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Bei dem form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel der Beschwerdeführer handelt es sich um eine sofortige Beschwerde im Sinne von § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beschwerdeführer haben diese nicht etwa die "sachliche" Zuständigkeit gerügt, sondern die Rechtswegrüge im Sinne von § 17 a Abs. 3 GVG erhoben. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, das Arbeitsgericht sei für den vorliegenden Rechtsstreit nicht zuständig, weil zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Damit haben sie den eingeschlagenen Rechtsweg gerügt und nicht etwa die Eingangszuständigkeit des Arbeitsgerichts. Da auch der Tenor des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts insoweit vieldeutig ist, war eine Präzisierung geboten.

2. In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg; nach dem Sachvortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass zwischen ihnen für die Dauer der Beschäftigung der Beschwerdegegnerin ein Arbeitsverhältnis begründet worden war.

Die Beschwerdegegnerin macht vorliegend Forderungen geltend, die entweder auf zivilrechtliche oder auf arbeitsrechtliche Grundlagen gestützt werden können, die sich jedoch gegenseitig ausschließen (sog. aut-aut-Fall). Bei einem solchen Streitgegenstand muss das Gericht in seiner Rechtswegentscheidung prüfen, ob die Beschwerdegegnerin als Arbeitnehmerin oder wenigstens als arbeitnehmerähnliche Person für die Beschwerdeführer tätig war.

Die Rechtsprechung macht die Unterscheidung zwischen Arbeits- und freiem Dienstvertrag davon abhängig, ob derjenige, der die Dienste erbringt, von seinem Vertragspartner persönlich abhängig ist. Wann ein solches persönliches Abhängigkeitsverhältnis vorliegt, ergibt sich anhand eines Umkehrschlusses aus § 84 HGB. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die persönliche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn statt der freien Tätigkeitsbestimmung die Einbindung in die fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt. Je stärker die Weisungsbindung, um so eher ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen (ständige Rechtsprechung des BAG und BGH; vgl. zum Beispiel AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Weisungsgebundenheit hinsichtlich des Arbeitsortes, der Arbeitszeit und der Art der zu leistenden Arbeit.

Auf formale Kriterien, auf die die Parteien ihr Vertragsverhältnis stützen, kommt es bei der Abgrenzung zwischen einem freien Mitarbeiterverhältnis und einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht an. Allenfalls in Grenzfällen mag die vertragliche Vereinbarung der Parteien über die formale Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses letztlich ausschlaggebend für die Statusbeurteilung sein. Die Beschwerdeführer haben ihr Rechtsmittel gegen den angegriffenen arbeitsgerichtlichen Beschluss in erster Linie auf solche formale Kriterien gestützt, in dem sie geltend machen, die Parteien hätten nicht vereinbart, dass die Vergütung der Beschwerdegegnerin der Sozialversicherungspflicht unterliegen soll. Liegt von der tatsächlichen Vertragsgestaltung her ein Arbeitsverhältnis vor, dann wäre eine solche Vereinbarung ein Umgehungsgeschäft mit dem Ziel, die gesetzlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers nicht leisten zu müssen.

Die Beschwerdegegnerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie in den Betriebsablauf der von den Beschwerdeführern betriebenen HNO-Praxis eingegliedert war. Das Vertragsverhältnis dauerte rund vier Monate, ohne dass eine präzise Zeitdauer von Anfang an erkennbar war. Zumindest trugen die Beschwerdeführer hierzu nichts vor. Die Beschwerdegegnerin war in die bestehenden Dienstpläne als diensthabende Ärztin eingetragen und musste sich - wie die übrigen Arbeitnehmer auch - an die hierdurch vorgegebenen Arbeitszeiten halten. Durch die Einbindung in die Schichtpläne war die Beschwerdegegnerin praktisch in ihrem freien Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt, ggf. bestimmte Tätigkeiten nicht zu verrichten, weil sie etwa einer anderen beruflichen oder privaten Tätigkeit kurzfristig nachgehen wollte. Darüber hinaus war die Beschwerdegegnerin im Wechsel mit den anderen Ärzten der Praxis in den Wochenenddienst integriert und musste nach ihrem unbestritten gebliebenen Sachvortrag Rufbereitschaft für außerhalb der Sprechzeiten anfallende Dienste verrichten. Die Beschwerdegegnerin war darüber hinaus bei Wahrnehmung ihrer Tätigkeit verpflichtet, die ihr von den Beschwerdeführern zugeteilten Arbeiten anzunehmen und auszuführen.

Soweit die Beschwerdeführer ihr Vorbringen darauf stützen, aus kassenarzt- bzw. vertragsarztrechtlichen Gründen sei es ausgeschlossen gewesen, die Beschwerdegegnerin als angestellte Ärztin in der Praxis zu beschäftigen, mag dieser Aspekt das Verhältnis der Praxis zur Kassenärztlichenvereinigung betroffen haben, weil die Beschwerdeführer damit wohl vorbringen wollen, sie seien von dieser Vereinigung als Kassenarztpraxis anerkannt und zugelassen worden. Damit haben sie die Verantwortung gegenüber dieser Vereinigung zu tragen. Ob sie sich im Innenverhältnis bei der Wahrnehmung ihrer Dienste eines angestellten Arztes unter ihrer Verantwortung bedienen oder eines Arztes als freier Mitarbeiter, kann für die Beurteilung des Statutes der Beschwerdegegnerin nicht entscheidend sein. Hier kommt es auf das Vertragsverhältnis zwischen den Vertragsparteien, das sind die Beschwerdeführer einerseits und die Beschwerdegegnerin andererseits, an.

Nach alledem war ist vorliegend der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben, so dass das unbegründete Rechtsmittel der Beschwerdeführer mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdebestimmungsverfahren war in Höhe eines Drittels des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (vgl. BAG NZA 2000, 672; Arbeitsrechtslexikon-Schwab: Streitwert/Gegenstandswert II 2).

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht war wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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