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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 2 TaBV 21/04
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG
Vorschriften:
BetrVG § 50 | |
BetrVG § 50 Abs. 1 Satz 1 | |
BetrVG § 80 Abs. 2 | |
BetrVG § 87 Abs. 1 | |
BetrVG § 99 | |
BetrVG § 100 | |
ZPO § 139 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 | |
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2 |
Aktenzeichen: 2 TaBV 21/04
Verkündet am: 18.01.2005
Tenor:
1) Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 4. Febr. 2004 - 4 BV 2020/03 - wird zurückgewiesen.
2) Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nicht gegeben, weil die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.
Der Antragsteller ist der Betriebsrat der Mainzer Filiale der Arbeitgeberin, die ihren Unternehmenssitz in A-Stadt (Oberpfalz) hat und bundesweit etwa 480 Filialen betreibt, in denen vornehmlich Autozubehörartikel angeboten aber auch direkt an und in PkwŽs montiert werden. In der zweiten Jahreshälfte waren in der Mainzer Filiale etwa 10 kaufmännische Angestellte und 12 Werkstattmitarbeiter beschäftigt.
Die Arbeitgeberin lässt durch ein Fremdunternehmen bundesweit in ihren Filialen durch so genannte "MysteryShopper" als Testkäufer getarnt "Service-Checks zur Untersuchung der Kundenfreundlichkeit" ihrer Filialen durchführen. Hierbei wird durch den Einsatz der Testpersonen, die als "normale" Kunden auftreten, eine Verkaufssituation simuliert. Die Testkäufer, die sich als solche zunächst nicht zu erkennen geben, notieren anschließend in einem umfangreichen Fragebogen ihre Beobachtungen und Einschätzungen der ihnen gegenüber getretenen Verkaufspersonen.
Solche Testkäufer wurden auch in der Mainzer Filiale eingesetzt. Anhand des Inhalts der ausgefüllten Fragebögen ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass die Arbeitgeberin u.a. auch Abmahnungen gegenüber den überprüften Verkaufspersonen ausgesprochen hat.
Bei der Einführung der Fragebögen wurde der örtliche Betriebsrat nicht beteiligt.
Im vorliegenden Verfahren ist der Betriebsrat der Filiale Mainz der Auffassung, dass die Verwendung der von den Testkäufern benutzten Fragebögen aufgrund mehrerer gesetzlichen Regelungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig sei. Die Arbeitgeberin sei darüber hinaus verpflichtet, ihm nach § 80 Abs. 2 BetrVG die kompletten Verträge mit dem Fremdunternehmen zur Einsichtnahme vorzulegen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz so genannter Testkäufer im Mainzer Betrieb der Beklagten (Rheinallee) gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstößt.
2. festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz von Fragebogen bzw. Formularen für die Testkäufer gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstößt.
3. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bzw. ohne Durchführung des Verfahrens nach § 100 BetrVG Arbeitnehmer im Betrieb zu beschäftigen bzw. einzustellen, deren Aufgabe darin besteht, ansonsten im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren.
4. die Arbeitgeberin zu verurteilen, dem Betriebsrat die Verträge vorzulegen, die Grundlage für den Einsatz der Testkaufbeauftragten sind.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie bestreitet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, weil nach ihrer Auffassung davon auszugehen sei, dass es sich bei den Beurteilungen der Testkäufer um eine Überwachung der Arbeitsleistung und nicht um eine Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer zur Einhaltung der Ordnung des Betriebes handele. Nicht das Verhalten der Mitarbeiter, sondern die Verbesserung der Beratungsqualität stehe im Vordergrund beim Testkauf. Den Antrag zu 4. habe sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht freiwillig erfüllt.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 04.02.2004, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen, teilweise weil es sie für unzulässig und teilweise für unbegründet erachtet hat. Zur Begründung hat es angegeben, dass nach der Rechtsprechung des BAG der Einsatz von Testkäufern nicht mitbestimmungspflichtig sei. Den Antrag zu 4. habe die Arbeitgeberin erfüllt.
Gegen diesen Beschluss hat der Betriebsrat form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
Nach Auffassung des Betriebsrats habe sich das Arbeitsgericht mit der Rechtsprechung des BAG nicht hinreichend auseinandergesetzt. Es stimme nicht, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat vollständigen Einblick in die kompletten vertraglichen Unterlagen zwischen der Arbeitgeberin und dem Drittunternehmen gewährt habe. Erst wenn dies geschehen sei, könne endgültig Art und Umfang von einzelnen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates festgestellt werden.
Wenngleich Testkäufe nicht nur in der Filiale Mainz, sondern bundesweit in allen Filialen der Arbeitgeberin durchgeführt werden, sei vorliegend nicht die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates gegeben, sondern der örtliche Betriebsrat könne das vorliegende Verfahren auch betreiben. Darüber hinaus sei der Gesamtbetriebsrat über das anhängige Verfahren informiert und wartet dessen Ausgang ab, da der Gesamtbetriebsrat bisher von der Einleitung eines eigenen Beschlussverfahrens abgesehen habe. Die Rechtsprechung des BAG zur Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen örtlichem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat stimme weder mit dem Wortlaut, dem Gesetzeszweck oder der Entstehungsgeschichte des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG überein. Unabhängig davon bestehe vorliegend kein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche bzw. betriebsübergreifende Regelung. Hintergrund des vorliegenden Verfahrens sei, dass Mitarbeiter der Mainzer Filiale aufgrund des Inhalts der Fragebögen der Testkäufer auf individualrechtlicher Ebene Nachteile erleiden mussten. Sollte das Beschwerdegericht der Auffassung sein, dass kein Antragsrecht des örtlichen Betriebsrates bestehe, so rege dieser trotzdem an, dass das erkennende Gericht zur Herstellung der notwendigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit auf die Anträge in der Sache eingehe.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz vom 04.02.2004
1. festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz so genannter Testkäufer in der Filiale Mainz-Mombach gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstößt,
2. festzustellen, dass die Arbeitgeberin aufgrund der Durchführung personenidentifizierender Einkaufstests unter Verwendung personenidentifizierender Frageboten bzw. Formulare - u.a. mit den Fragebogenkennungen Service-Check A.T.U. 0801 c 2002 AA Service für den Handel GmbH; Service -Scheck A.T.U. 0603; Service-Check A.T.U.-Deutschland 1103 - durch Testkäufer in der Filiale Mainz-Mombach gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstößt,
3. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates bzw. ohne Durchführung des Verfahrens nach § 100 BetrVG Personen im Betrieb zu beschäftigen bzw. einzustellen, deren Aufgabe darin besteht, in der Filiale Mainz-Mombach beschäftigte Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren,
4. die Arbeitgeberin zu verurteilen, dem Betriebsrat sämtliche Verträge, Zusatzvereinbarungen, Absprachen und sonstige Unterlagen vorzulegen, die Grundlage für den Einsatz der Testkaufbeauftragten in der Filiale Mainz-Mombach sind.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, da nach ihrer Auffassung das Arbeitsgericht zumindest im Ergebnis die Sach- und Rechtslage zutreffend entschieden habe. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates verweise sie auf die Rechtslage.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der Anhörung der Beteiligten im Termin vom 07.12.2004 waren, Bezug genommen. Das Beschwerdegericht hat beiden Parteien im Anschluss an den Anhörungstermin Gelegenheit gegeben, zur Frage der Antragsbefugnis des örtlichen Betriebsrats Stellung zu nehmen, nachdem die Problematik der Abgrenzung zwischen örtlichem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat erstmals im Verhandlungstermin nach § 139 ZPO vom Gericht angesprochen worden ist. Auf die Schriftsätze der Beteiligten vom 20.12.2004 und vom 22.12.2004 wird hiermit verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und in gleicher Weise begründet.
In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet. Mit zutreffendem Ergebnis hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Die Unbegründetheit ergibt sich bereits daraus, dass im Streitfalle mögliche Mitbestimmungsrechte nicht dem örtlichen Betriebsrat der Filiale in Mainz, sondern dem Gesamtbetriebsrat zustehen. Unstreitig gibt es im Unternehmen einen Gesamtbetriebsrat neben zahlreichen örtlichen Betriebsräten in den einzelnen rund 480 Filialen der Arbeitgeberin, die bundesweit verteilt sind.
Nach § 50 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Beide Voraussetzungen müssen nach ständiger Rechtsprechung des BAG kumulativ erfüllt sein (vgl. etwa BAG vom 14.12.1999, AP Nr. 104 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Der Begriff des "Nichtregelnkönnens" setzt nicht notwendig eine objektive Unmöglichkeit voraus. Ausreichend aber regelmäßig auch zu verlangen ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, der das erkennende Gericht folgt, dass ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht (vgl. etwa BAG vom 18.10.1994, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom 15.01.2002, NZA 2002, 988 ff). Ob ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung besteht, bestimmt sich nach dem Mitbestimmungstatbestand, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Vorliegend kommt als mögliches Mitbestimmungsrecht insbesondere § 87 Abs. 1 BetrVG in Betracht. Denkbar, wenn auch sehr ferne liegend, wäre auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Nach der eigenen Rechtsauffassung des Betriebsrates soll ihm ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Fragebögen zustehen. Die Regelung dieser Frage ist jedoch nicht nur im Hinblick auf die Verhältnisse in der Filiale Mainz zu beurteilen, sondern unternehmens- und bundesweit. Wie der antragstellende örtliche Betriebsrat selbst schildert und durch konkrete Beispiele belegt hat, wurden durch die gewonnenen Ergebnisse der Testkäufer nicht nur Arbeitnehmer der Filiale Mainz, sondern auch solche von anderen Filialen betroffen. Wären etwa die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Hinblick auf diesen Aspekt zu bejahen, dann kann der örtliche Betriebsrat nur die Interessen der Mainzer Mitarbeiter des Unternehmens vertreten, nicht jedoch diejenigen der anderen Filialen. Dies ist allein Aufgabe des Gesamtbetriebsrates. Sollten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der fraglichen Ausgestaltung des Testkaufs im Unternehmen der Arbeitgeberin bestehen, dann ist auch eine unternehmenseinheitliche Regelung im Umfang des bestehenden Mitbestimmungsrechts nicht nur zweckmäßig, sondern drängt sich geradezu auf. Es besteht keinerlei örtlicher Bezug zu irgendwelchen Besonderheiten der Filiale Mainz, sondern alle Arbeitnehmer des Unternehmens sind insoweit einheitlich betroffen und zu behandeln. Diese zwingende Notwendigkeit ist nur dann gewährleistet, wenn mit einer möglichen Regelung auf Unternehmensebene eine alle Arbeitnehmer gleichbehandelnde unternehmenseinheitliche Regelung in einer Betriebsvereinbarung, die notfalls über einen Spruch der Einigungsstelle zustande kommt, besteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Bejahung von Mitbestimmungsrechten.
Das erkennende Gericht ist vorliegend auch nicht an der hier vorgenommenen Feststellung gehindert, weil sich die Arbeitgeberin bis zum Termin zur Anhörung der Beteiligten vor dem Beschwerdegericht nicht selbst auf die Kompetenz des Gesamtbetriebsrates berufen hat. Nach ihrer Auffassung scheidet von vorneherein und generell ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus, so dass sich für sie die Frage überhaupt nicht gestellt hat, ob sie sich mit ihren zahlreichen örtlichen Betriebsräten auf Unternehmensebene überhaupt auf einen möglichen Regelungsbedarf einlassen muss. Es kann daher offen bleiben, wie der Rechtsstreit zu entscheiden wäre, wenn die Arbeitgeberin - aus welchen Gründen auch immer - eine unternehmenseinheitliche Regelung über mitbestimmte Rechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG gerade nicht wünschen, sondern Regelungen mit den örtlichen Betriebsräten vorziehen würde.
Scheiden mögliche Mitbestimmungsrechte des öffentlichen Betriebsrats aus den genannten Gründen aus, dann ist es dem Gericht verwehrt, auf Anregung des antragstellenden Betriebsrats quasi ein Rechtsgutachten über Mitbestimmungsrechte zu erstellen.
Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.
Ende der Entscheidung
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