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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 2 TaBV 25/05
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG, ZPO, KSchG, StGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BetrVG § 2 Abs. 1
BetrVG § 66 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 6
BetrVG § 87 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 103
BetrVG § 103 Abs. 2
BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1
ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1
KSchG § 15
KSchG § 15 Abs. 1
StGB § 303
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 TaBV 25/05

Entscheidung vom 12.07.2005

Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.03.2005 - 2 BV 86/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer von der antragstellenden Arbeitgeberin beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds C..

Die Arbeitgeberin, die in ihrer Produktionsstätte A-Stadt über 600 Arbeitnehmer beschäftigt, unterhält dort auch eine Abteilung "Technische Dienste", die von dem Mitarbeiter K. geleitet wird. Ein Bestandteil dieses Bereiches ist die Elektroabteilung, der der Elektromeister O. vorsteht und in der etwa 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Ein Teil der "Technischen Dienste" ist auch der Bereich "Kälte/Klimatechnik", für den seit 1997 der gelernte Elektromeister C. als einziger Arbeitnehmer verantwortlich ist. C. ist Mitglied des Betriebsrates, 38 Jahre alt, ledig und bei der Arbeitgeberin seit 1992 beschäftigt und war zunächst bis zum Jahre 1997 in der Elektroabteilung eingesetzt.

Auf dem Betriebsgelände ist an der Ecke 4 Durchfahrt 4/2 seit vielen Jahren eine Kamera zur Objektbewachung installiert, für deren Betrieb die Zustimmung des Betriebsrates nicht vorliegt. Diese Kamera war Mitte 2004 nicht mehr in Betrieb, weil sie durch eine neue Videoüberwachungsanlage ersetzt werden sollte.

Am 20.07.2004 erschien der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende L. bei dem Leiter der Elektroabteilung O. in dessen Büro und beschwerte sich darüber, dass diese Kamera angeblich noch in Betrieb sei und die Zustimmung des Betriebsrates hierfür nicht vorliege. O. verwies darauf, dass für die Demontage der Kamera keine Eile bestehe, weil sie nicht mehr in Betrieb sei. Beim nächsten Reparatureinsatz der Außenbeleuchtung werde die Kamera abgebaut, da der gesamte Bereich durch eine neu zu installierende Kamera erfasst werde. Zumindest zu Beginn dieses Gespräches war auch das Betriebsratsmitglied C. dabei. In diesem zeitlichen Zusammenhang begab sich C. mit einem Kraftfahrzeug aus der Elektrowerkstatt, das mit einer Hebebühne versehen war, zur Kameraanlage und trennte mit einer Zange das zur Kamera führende Stromkabel durch. Dies führte zu einem Kurzschluss in der gesamten Anlage, bei der zumindest das gesamte Werkdatenerfassungssystem ausgefallen ist. Mitarbeiter der Elektroabteilung suchten nach der Fehlerursache, die sie erst nach einiger Zeit in dem durchgetrennten Elektrokabel ausfindig machen konnten. Ob bei dieser Suchaktion auch Mitarbeiter einer damals im Betrieb anwesenden Fremdfirma B. eingesetzt waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Nachdem C. als der Verursacher der Beschädigung ausfindig gemacht worden war, unterrichtete O. den Leiter der Technischen Dienste K. von dem Vorfall und der Person, die das Kabel durchtrennt hatte. Es kam zunächst zu einer heftigen Diskussion zwischen den Herren C. und O. wegen des durchgetrennten Kabels. Anschließend entschuldigte sich C. bei O. wegen seines Verhaltens. Sowohl für Herrn O. als auch für Herrn K. war nach der Entschuldigung der Vorfall erledigt.

Erstmals am 06.12.2004 erfuhr der Leiter der Abteilung "Personal und Recht", der für Kündigungen bei der Arbeitgeberin zuständig ist, von dem Elektromeister O. von den Geschehnissen vom 20.07.2004. Am 09.12.2004 fand eine Anhörung des Betriebsratsmitgliedes C. statt, bei der dieser zugab, das Kabel durchtrennt zu haben.

Am 13.12.2004 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds C.. Im Anhörungsschreiben vom 13.12.2004 (Bl. 5-8 d.A.), auf dessen Inhalt im Einzelnen hiermit Bezug genommen wird, teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat u.a. mit, die Fehlerursache sowie die Beseitigung der Störung des von Herrn C. verursachten Schadens hätten interne Personalkosten für die Störungssuche für insgesamt einen ganzen Manntag und Kosten der extern hinzugezogenen Fachfirma B. in Höhe von mehr als 500,-- Euro verursacht. Nachdem der Betriebsrat keine Stellungnahme zu diesem Schreiben abgegeben hatte, reichte die Arbeitgeberin am 20.12.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz das vorliegende Verfahren ein, mit dem es die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds C. ersetzt verlangt. Die Arbeitgeberin hatte in der Antragsschrift zunächst vorgetragen, die beiden Mitarbeiter der Firma B., die sich insgesamt zwei Tage damals im Betrieb aufhielten, seien für einen ganzen Tag zur Fehlersuche hinzugezogen worden. Später hat sie ihren Sachvortrag dahingehend korrigiert, dass die beiden Mitarbeiter rund 1 bis 1 1/2 Stunden zur Fehlersuche hinzugezogen worden waren.

Nach Auffassung der Arbeitgeberin sei ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglied C. aufgrund dessen Sabotageaktes nicht weiter zumutbar. C. habe vorsätzlich und zielgerichtet ihr Eigentum zerstört und damit eine vorsätzliche Sachbeschädigung begangen. In der Diskussion vom 20.07.2004 habe der Leiter der Elektroabteilung O. nicht erwähnt, dass die Elektroanlage zur Kamera spannungsfrei sei, sondern lediglich davon gesprochen, dass deren Signale nicht mehr verarbeitet werden. Durch den von C. verursachten Kurzschluss in der Stromanlage sei auch die gesamte elektrisch betriebene Torsteuerung im Bereich des Gebäudes 4 nebst dem Werkdatenerfassungssystem ausgefallen. Es liege auch kein Verstoß gegen die Zweiwochenfrist von § 626 Abs. 2 BGB vor, da der allein kündigungsberechtigte Leiter Personal und Recht, Herr D., erst am 06.12.2004 von dem Vorfall erfahren habe.

Die Arbeitgeber hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds C. zu ersetzen.

Der Betriebsrat und das am Verfahren beteiligte Betriebsratsmitglied C. haben jeweils beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Übereinstimmend haben sie bestritten, dass C. vorsätzlich und in Schädigungsabsicht das Kabel durchtrennen wollte. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende L. und Herr O. hätten sich heftig darüber gestritten, ob die Kamera noch in Betrieb sei. Der Elektromeister O. habe erklärt, die Kamera sei weder in Betrieb noch habe sie eine Stromversorgung. Das zu diesem Gespräch hinzukommende Betriebsratsmitglied C. habe sodann seinem Betriebsratskollegen L. beweisen wollen, dass O. die Wahrheit sage und habe deshalb die ohnehin völlig wertlose Kameraanlage außer Betrieb gesetzt. Zudem habe die Arbeitgeberin trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs.1 Ziff.6 BetrVG die Kamera in Gebrauch genommen und auch benutzt. Die Arbeitgeberin habe schließlich die Zweiwochenfrist von § 626 Abs.2 BGB versäumt, weil die beiden Vorgesetzten O. und K. mehrfach erklärt haben, die Angelegenheit sei erledigt, nachdem sich C. gegenüber O. entschuldigt habe. Schließlich sei auch der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil ihm zu Unrecht mitgeteilt worden sei, die beiden im Betrieb anwesenden Mitarbeiter der Firma B. seien für einen Tag für die Fehlersuche hinzugezogen worden; auch sei im Anhörungsschreiben unerwähnt geblieben, dass für die beiden Vorgesetzten O. und K. die Angelegenheit erledigt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 04.03.2005, auf dessen Sachverhaltsschilderung hiermit zur Darstellung der Sach- und Rechtslage im Einzelnen Bezug genommen wird, den Antrag zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, die Anhörung des Betriebsrates sei fehlerhaft gewesen, weil die Arbeitgeberin diesem eine weit überzogene Schadenshöhe hinsichtlich der Kosten der hinzugezogenen externen Fachfirma B. mitgeteilt habe. Da die Schadenshöhe ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Interessenabwägung sei, liege insoweit eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung vor.

Gegen diesen am 30.03.2005 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit einem am 27.04.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeschrift (vgl. Bl. 28 d.A.) auf deren näheren Inhalt hiermit Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat als "Antragsteller" bezeichnet, sich selbst als "Antragsgegnerin" und den Beteiligten C. nicht aufgeführt. Mit der am 02.05.2005 eingegangenen Beschwerdebegründungsschrift hat die Arbeitgeberin die Fehlbezeichnungen korrigiert und die Angaben hinsichtlich des Beteiligten zu 3) nachgeliefert.

Nach Auffassung der Arbeitgeberin sei die Betriebsratsanhörung nicht fehlerhaft gewesen. Dem Betriebsrat sei der wesentliche Sachverhalt zur beabsichtigten Kündigung des Betriebsratsmitglieds umfassend mitgeteilt worden. Ein versehentlich zu hoch genannter Schaden sei für das Anhörungsverfahren nicht maßgeblich, weil der Betriebsrat der Schadenshöhe keine Bedeutung beigemessen habe, wie sich aus der verweigerten Zustimmung ergebe.

Die Arbeitgeberin wiederholt im Beschwerdeverfahren ihren erstinstanzlichen Antrag.

Sowohl der Betriebsrat als auch der Beteiligte C. beantragen übereinstimmend, jedoch jeder für sich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten sie für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

In der Antragsschrift sei der Betriebsrat zu Unrecht als Antragsteller genannt und das beteiligte Betriebsratsmitglied C. nicht aufgeführt gewesen.

Entgegen den Angaben der Arbeitgeberin sei die Schadenshöhe von maßgeblicher Bedeutung, wie sowohl ihren Angaben im Anhörungsverfahren als auch im vorliegenden erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen sei.

Die Beschwerde sei auch deshalb unzulässig, weil sie nur unzureichend begründet worden sei, da sie zum eigentlichen Kündigungssachverhalt keine Stellungnahme enthalte.

Der Beteiligte C. hat im Beschwerdeverfahren bestritten, dass es durch das Durchtrennen des Kabels zu einer Funktionsstörung der Werktore gekommen sei. Sein entgegenstehender erstinstanzlicher Sachvortrag beruhe auf einer fehlerhaften Informationserteilung.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Beschwerdegericht waren sowohl auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet.

1. Nach §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 i.V.m. § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss der angefochtene Beschluss so bestimmt bezeichnet sein, dass sich das angerufene Gericht über dessen Identität Gewissheit verschaffen kann. Sowohl Gericht als auch die Gegenseite müssen zweifelsfrei erkennen können, welche Entscheidung angefochten wird und wer das Rechtsmittel für welche Partei einlegt. Sowohl die Identität des Rechtsmittelklägers als auch der angefochtenen Entscheidung müssen innerhalb der Einmonatsfrist zur Einlegung der Beschwerde zweifelsfrei feststellbar sein. Ob dies der Fall ist, entscheiden die Umstände des Einzelfalles (vgl. im Einzelnen: Schwab, Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 2004, S. 151 - 155). Nach diesen Grundsätzen hat die Beschwerdeschrift nicht gegen die vorgenannten Bestimmungen verstoßen. Im Beschwerdeschriftsatz vom 21.04.2005 war der erstinstanzliche Beschluss nach Aktenzeichen, Gericht und Datum einwandfrei angeführt. Dass darin ein falsches Zustellungsdatum genannt wurde, ist unschädlich, weil es insoweit allein auf die objektiven Umstände der Einhaltung der Einmonatsfrist ankommt. Der Beschwerdeschrift war auch eindeutig zu entnehmen, dass der Arbeitgeberverband die Beschwerde für die Arbeitgeberin einlegen will. Die Beschwerdeschrift enthielt lediglich die fehlerhafte Bezeichnung, dass im vorliegenden Verfahren der Betriebsrat Antragsteller und die Arbeitgeberin Antragsgegnerin sei. Die Parteirollen wurde somit vorliegend vertauscht. Damit blieb aber die entscheidende Frage nicht ungeklärt, wer das Rechtsmittel für wen eingelegt hat. Dass in der Rechtsmittelschrift auch das kraft Gesetzes (vgl. § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG) zu beteiligende Betriebsratsmitglied nicht enthalten war, ist insoweit unschädlich, da dieser Arbeitnehmer lediglich die Stellung eines weiteren Beteiligten hat, ihm also ausreichend rechtliches Gehör gewährt werden muss. In erster Linie sind jedoch die Arbeitgeberin und der Betriebsrat die aktiven Verfahrensbeteiligten auch im Rahmen von § 103 BetrVG. So ist es etwa unschädlich, wenn sich das Betriebsratsmitglied - was es im vorliegenden Verfahren allerdings nicht getan hat - an dem Verfahren nach § 103 BetrVG nicht beteiligt. In der bereits am 02.05.2005 eingegangenen Beschwerdebegründungsschrift ist dann das beteiligte Betriebsratsmitglied C. mit ladungsfähiger Anschrift und seiner Verfahrensbevollmächtigten angegeben und es wurde im Weiteren an dem Verfahren beteiligt und hat hiervon durch einen eigenen Verfahrensbevollmächtigten auch Gebraucht gemacht.

Die Beschwerde ich auch ausreichend begründet. Die Beschwerdebegründung muss sich nur mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils bzw. Beschlusses auseinandersetzen. Befasst sich das Arbeitsgericht dort nur mit der Betriebsratsanhörung, dann braucht sich die Begründung des Rechtsmittels auch nur damit zu befassen, was vorliegend geschehen ist (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, § 64 Rz 155).

2. In der Sache ist die Beschwerde unbegründet. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds C. konnte nach § 103 Abs. 2 BetrVG nicht ersetzt werden. Nach dieser Bestimmung bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB voraus, d.h., es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer die Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (hier fiktiven) Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG v. 10.02.1999, NZA 1999, 708; BAG v. 16.12.2004, BAGR 2005, 147).

a) Bei der beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes hat der Arbeitgeber den Betriebsrat von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter genauer Angabe der Kündigungsgründe in gleicher Weise wie nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmayer, BetrVG, 22. Aufl., § 103 Rz 33). Da - wie nachstehend zu zeigen ist - im Streitfalle die Höhe eines möglichen Schadens, den das Betriebsratsmitglied C. durch seinen Akt der Selbstjustiz angerichtet hat, von entscheidender Bedeutung ist, ist auch das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass vorliegend die Arbeitgeberin den Betriebsrat über diese Schadenshöhe fehlerhaft unterrichtet hat. Sie hat angegeben, zwei Mitarbeiter einer Fremdfirma seien einen ganzen Tag lang zusammen mit eigenen Mitarbeitern mit der Fehlerursache beschäftigt gewesen. Sie hat dem Betriebsrat noch eigens die Rechnung dieser Fremdfirma B. (vgl. Bl. 10 d.A.) vorgelegt. Danach waren am Dienstag, dem 20.07.2004 zwei Mitarbeiter dieser Elektrofirma für jeweils 8,25 Stunden im Betrieb anwesend, die Kosten in Höhe von 485,10 Euro plus 16 % Mehrwertsteuer, also insgesamt 562,71 Euro, in Rechnung gestellt hatten. Nach dem eigenen korrigierten Sachvortrag der Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren wurden diese beiden Fremdmitarbeiter allenfalls 1 bis 1,5 Stunden zur Schadensfeststellung hinzugezogen. Damit hat die Arbeitgeberin ihrem Betriebsrat einen weit überhöhten Schaden mitgeteilt, der im Anhörungsverfahren und im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nach dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Arbeitgeberin eine bedeutende Rolle gespielt hat. Soweit die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren sodann die Auffassung vertritt, die Schadenshöhe sei unmaßgeblich gewesen, weil es allein auf die Sabotagehandlung des Betriebsratsmitgliedes C. als maßgeblicher Kündigungsgrund ankomme, steht dies im Gegensatz zu ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag und der dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe. Selbst wenn man jedoch zu Gunsten der Arbeitgeberin die Schadenshöhe vorliegend außer Betracht lassen würde, etwa mit der von ihr angestellten Erwägung, der Betriebsrat hätte dann der außerordentlichen Kündigung erst recht nicht zugestimmt, dann kann diese Schadensposition in dieser Höhe bei der vorzunehmenden Subsumtion des Kündigungssachverhalts auch nicht mehr zu Gunsten der Arbeitgeberin herangezogen werden.

b) Das Verhalten des Betriebsratsmitglieds C. am 20.07.2004 stellt einen wichtigen Grund zu einer außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Mit der Arbeitgeberin ist davon auszugehen, dass das Betriebsratsmitglied an diesem Tag eine vorsätzliche Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB begangen hat. Allerdings rechtfertigt diese Kündigung bei der vorzunehmenden Interessenabwägung bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - bei außer Achtlassung der Schadenshöhe durch die Hinzuziehung der beiden Mitarbeiter der im Betrieb anwesenden Fremdfirma - nicht die außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Arbeitgeberin die Zweiwochenfrist von § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat. Keine Bedenken an der Einhaltung dieser zweiwöchigen Frist bestehen vorliegend insoweit, als der kündigungsberechtigte Leiter der Abteilung Personal und Recht, Herr D., erst am 06.12.2004 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt hat. Nur Tatsachen, die dem Kündigungsberechtigten länger als zwei Wochen vor der Kündigung bekannt waren, gelten als verfristet nach § 626 Abs. 2 BGB. Die Zweiwochenfrist, die eine Ausschlussfrist ist, soll dem Kündigenden für seine Überlegung zur Verfügung stehen, ob er den ihm bekannt gewordenen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nehmen will. Diese Frist ist recht kurz bemessen, so dass der Begriff des Kündigungsberechtigten eng auszulegen ist. Nur wenn nach den Umständen des Einzelfalles die tatsächliche Stellung eines in dieser Funktion dem Arbeitgeber angenähernden Mitarbeiters im Betrieb erwarten lässt, dass er die eigentliche kündigungsberechtigte Person von seiner Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen unterrichtet, dann muss der Kündigungsberechtigte sich diese Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen (vgl. im Einzelnen BAG, AP Nr. 11 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Zwar ist dies bei dem Leiter des Elektrobereiches in der Abteilung Technische Dienste, Herrn O., eindeutig noch nicht der Fall. Ob allerdings auch der Bereichsleiter Technische Dienste, Herr K., dem Leiter der Abteilung Personal und Recht soweit angenähert ist, dass sich die Beklagte dessen Kenntnis zurechnen lassen muss, bedarf vorliegend keiner näheren Aufklärung, weil jedenfalls die Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB bei der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht erfüllt sind.

Zu Lasten des Betriebsratsmitgliedes C. spricht, dass er eine Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB vorgenommen hat. Er hat das Stromkabel, das zur Überwachungskamera geführt hat, willentlich und damit vorsätzlich durchgeschnitten und dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Zuleitung noch unter Strom steht und er dadurch einen Kurzschluss verursacht. Gerade als Elektromeister musste ihm dies klar gewesen sein. Hätte er nur die Funktionsweise der Kamera außer Kraft setzen wollen, dann hätte er nicht das Zuleitungskabel durchtrennen, sondern die Zuleitung aus der Kamera entfernen können und die dann freiliegenden Stromkabel fachmännisch mittels einer Schutzkappe abisolieren können. Soweit er im vorliegenden Verfahren und - erstaunlicherweise der Betriebsrat ihm auch noch folgend - sich damit herauszureden versucht, er habe seinem Betriebsratskollegen L. lediglich beweisen wollen, dass Herr O. die Wahrheit sagt, indem dieser erklärt haben soll, die Zuleitung sei spannungsfrei, so handelte es sich hierbei zur Überzeugung der Kammer um eine reine Schutzbehauptung. Abgesehen davon, dass die Arbeitgeberin diese Aussage des Herrn O. bestritten hat, hätte nichts näher gelegen, als dass das Betriebsratsmitglied C. dieses Ziel und Motiv anlässlich der Unterredung zwischen Herrn O. und Herrn L. bereits kundgetan hätte. Auch hätte es für den Elektromeister C. andere Mittel und Wege gegeben, um seine Einlassung im vorliegenden Verfahren zu realisieren, die Spannungsfreiheit der Zuleitung nachzuweisen. Mit der Arbeitgeberin ist daher davon auszugehen, dass das Betriebsratsmitglied C. einen willkürlichen Akt der Selbstjustiz vorgenommen hat, der eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung und damit ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Diese Handlungsweise war auch nicht durch die Betriebsratstätigkeit des Beteiligten C. gedeckt. Zu seinen Lasten ist auch zu berücksichtigten, dass er den angerichteten Schaden nicht etwa sofort wieder behoben hat und - er wollte doch angeblich nur beweisen, dass das Stromkabel spannungsfrei sei - noch nicht einmal die Elektroabteilung von der vorgenommenen Beschädigung zur Vermeidung einer längeren Fehlersuche unterrichtet hat. Als Elektromeister musste gerade er damit rechnen, dass der von ihm verursachte Kurzschluss weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen zur Folge haben kann. Er hätte klar vorhersehen können, dass die Elektroabteilung nicht unerhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um die Fehlerursache zu finden. Dabei konnte er auch erkennen, dass zumindest auf den ersten Blick niemand auf die Idee kam, dass ausgerechnet an offener Stelle eine Elektroleitung vorsätzlich durchtrennt worden war.

Bei der Interessenabwägung spricht zu Gunsten des Beteiligten C., dass er bereits seit 1992 im Betrieb tätig ist und sich damit seine Betriebszugehörigkeit verfestigt hatte, was auch durch die Wahl in den Betriebsrat untermauert worden ist. Weiter spricht zu seinen Gunsten, dass es sich bei der Kamera unstreitig um eine Überwachungsanlage gehandelt hat, die nicht mehr in Funktion war, sondern durch eine Neuanlage ersetzt wurde. Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass letztlich die Arbeitgeberin selbst eine wesentliche Ursache dadurch gesetzt hat, dass sie eine Videoüberwachungsanlage betrieben hat, ohne Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG einer einvernehmlichen Klärung zuzuführen und gegebenenfalls eine entsprechende Regelung oder Betriebsvereinbarung abzuschließen. Gerade weil der Betriebsrat sich hier Mitbestimmungsrechte berühmt hat und dieses Verlangen auch keineswegs a priori unbegründet war (vgl. BAG v. 29.06.2004 - 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278), hätte es auch an der Arbeitgeberin gelegen, nach den Grundsätzen von §§ 2 Abs. 1, 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG insoweit eine Klärung herbeizuführen. Gerade weil diesem Verlangen des Betriebsrates die Arbeitgeberin nicht nachgekommen ist, kam es letztlich zu dem Akt der Selbstjustiz durch das Betriebsratsmitglied C..

Soweit sich die Arbeitgeberin im Streitfalle darauf beruft, sie müsse befürchten, dass das Betriebsratsmitglied C. bei einer Weiterbeschäftigung weitere einschlägige Sabotageakte betreibt, vermag sich die Kammer dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Immerhin hat der Beteiligte zu 3 das Unrecht seiner unüberlegten Handlungsweise selbst eingesehen und hat sich alsbald bei dem Leiter der Elektroabteilung und bei dem Leiter der Technischen Dienste für sein Handeln entschuldigt, so dass die von der Arbeitgeberin befürchtete Wiederholungsgefahr durch die vorherige Tat nicht indiziert ist. Auch hätte die Arbeitgeberin die Möglichkeit gehabt, das Betriebsratsmitglied wegen dessen einmaliger Entgleisung abzumahnen und ihm unmissverständlich die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Wiederholung einer entsprechenden Handlungsweise vor Augen zu führen.

Nach alledem überwiegen nach Auffassung der Kammer nicht die Interessen der Arbeitgeberin an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und an der Nichteinhaltung einer fiktiven Kündigungsfrist. Das Beschwerdegericht kann auch nicht die gesetzlichen Barrieren zum Schutze des Betriebsratsmitgliedes dadurch senken, dass es bei der vorzunehmenden Interessenabwägung geringere Anforderungen stellt als dies üblicherweise der Fall ist. Dies würde den Betriebsrat in seinem Amt benachteiligen, was rechtlich nicht zulässig ist. Das Beschwerdegericht will keinen Hehl daraus machen, dass es das Handeln des Betriebsratsmitglieds C. als derart schwerwiegend ansieht, dass es eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Allerdings lässt § 15 KSchG eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nicht zu, weil das Betriebsratsmitglied aus verhaltensbedingten Gründen nur außerordentlich kündbar ist.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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