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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.03.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 1400/03
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 242
KSchG § 1
ZPO § 313 III
ArbGG § 65 II c
ArbGG § 69 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 1400/03

Verkündet am: 05.03.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 24.07.03 - Aktz.: 6 Ca 263/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine ordentliche Kündigung, die die Beklagte am 20.02.03 zum 08.03.03 ausgesprochen hat.

Er war seit 18.11.02 aufgrund schriftlichen Anstellungsvertrages vom 31.10.02 bei der Beklagten als Umzugsakquisiteur gegen eine Monatsvergütung von zuletzt 2.401,81 € beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war befristet bis 31.10.2003.

Am 09.01.2003 hatte der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich einen Kreuzbandriss zuzog, der zu seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 28.02.03 und darüber hinaus führte. Der Kläger hat während seiner Arbeitsunfähigkeit Leistungen für die Beklagte in ungeklärtem Umfang erbracht. So hat er während seiner Arbeitsunfähigkeit am 19.02. und 20.02.2002 zwei Umzugsverträge abgeliefert.

Am 20.02.2003 begab er sich in stationäre Behandlung, die bis zum 28.02.03 andauerte. Am 21.02. fand eine Operation wegen des Kreuzbandrisses statt. Davon hatte der Kläger die Beklagte am 19.02.02 in Kenntnis gesetzt. Der Beklagten war allerdings schon früher bekannt, dass sich der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles einer Operation unterziehen musste.

Der Kläger hält die Kündigung für treuwidrig, da sie erst ausgesprochen worden sei, als die Beklagte von der bevorstehenden Operation erfahren habe. Die Beklagte habe trotz seiner seit 09.01.2003 bestehenden Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitskraft ausgenutzt um dann unmittelbar vor der Operation die Kündigung auszusprechen.

Fehlleistungen seien ihm nicht vorzuwerfen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20.02.2003 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

3. Die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu den bisherigen Bedingungen als Umzugsakquisiteur über den 08.03.03 hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Teil-Urteil vom 24.07.2003 hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern entsprechend dem Antrag des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.

Durch "End-Urteil" vom 29.05.2003 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses und zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Dieses End-Urteil ist Gegenstand des unter dem Aktenzeichen 3 Sa 1402/03 geführten Berufungsverfahrens.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69, II ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Beklagte hat ihre gem. § 65, II c ArbGG an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zulässige Rechtsmittel zeitigt auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts entspricht nach Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht der Rechtslage und war deshalb auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kündigung der Beklagten hat entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet.

Dies folgt aus den nachstehend gem. § 313, III ZPO in kurzer Zusammenfassung wiedergegebenen Erwägungen:

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate; die Kündigung war deshalb von den Beschränkungen des Kündigungsschutzgesetzes befreit. In diesem Stadium des Arbeitsverhältnisses kann eine Kündigung grundsätzlich nur dann unwirksam sein, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, sittenwidrig ist oder gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt. Ansonsten gilt für die Arbeitgeberseite während

der sechsmonatigen Wartezeit der Grundsatz der Kündigungsfreitheit (vgl. KR-Etzel, 6. Aufl., Rz. 123 zu § 1 KSchG). Für einen Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen ist hier nichts ersichtlich; aus § 134 BGB kann deshalb die Unwirksamkeit der Kündigung nicht abgeleitet werden. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt auch nicht die Annahme, die Kündigung sei sittenwidrig und damit gem. § 138 BGB unwirksam.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, kann der Sittenwidrigkeit einer während der gesetzlichen Wartezeit erklärten ordentlichen Kündigung nur in besonders krassen Fällen angenommen werden (KR-Etzel, a.a.O., § 1 Rz. 126; Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. Rz. 192 m.w.N.). Für einen solchen Ausnahmetatbestand ist hier nichts ersichtlich.

2. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts verstößt die Kündigung aber auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Auch eine Kündigung, die die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt, ist unwirksam. Ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 242 BGB scheidet aber aus, wenn es allein um die Sozialwidrigkeit einer Kündigung geht. Die Vorschrift des § 242 BGB hat deshalb neben § 1 KSchG nur einen beschränkten Anwendungsbereich. Eine Kündigung kann nur dann wegen Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB nichtig sein, wenn sie aus anderen Gründen, die durch § 1 KSchG nicht erfasst sind, die Gebote von Treu und Glauben verletzt und deshalb nicht mehr vom Recht gebilligt werden kann (vgl. BAG, 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 - EZA Nr. 2 zu § 242 BGB 2002 Kündigung). Die Anwendung des § 242 BGB darf nicht dazu führen, dass der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt wird (vgl. Busemann/Schäfer, a.a.O., RZ 195 m.w.N.).

Hier nimmt der Kläger an, dass die Kündigung wegen seiner stationären Behandlung und daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Dies aber wäre ein Grund zur personenbedingten Kündigung, der durch § 1, II KSchG erfasst ist. Nach dieser Bestimmung ist im Einzelfall auch die Kündigung wegen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit zulässig. Die Grenzen der krankheitsbedingten Kündigung hat die Rechtsprechung in einer umfangreichen Judikatur entwickelt. Daneben besteht grundsätzlich kein Raum mehr, durch Krankheit motivierte Kündigungen aus dem Gesichtspunkt des § 242 BGB für unwirksam zu erklären.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Kündigung zur Unzeit ausgesprochen hätte. Die bloße "Unzeit" einer Kündigung führt allein noch nicht zu deren Unwirksamkeit (Busemann/Schäfer, a.a.O. RZ 196 m.w.N.). Anders kann es sich verhalten, wenn der Arbeitgeber absichtlich oder aufgrund einer auf Missachtung der persönlichen Belange des Arbeitnehmers beruhende Gedankenlosigkeit einen Kündigungszeitpunkt wählt, der den Arbeitnehmer besonders beeinträchtigt (BAG, 05.04.2001 - 2 AZR 185/2000 - EZA Nr. 3 zu § 242 BGB, Kündigung). In dem der Entscheidung vom BAG vom 05.04.2001 (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber einer ebenfalls arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin gekündigt, kurz nachdem ihr Lebensgefährte an Krebs verstorben war. Gleichwohl war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Kündigung rechtlich nicht zu beanstanden, da das Gesetz keinen Sonderkündigungsschutz wegen des Todes eines nahen Angehörigen kenne.

In einer vergleichbaren Situation befand sich der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung nicht. Ihm stand zwar eine Operation bevor. Diese war jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie den Kläger hätte in eine Lebenskrise führen müssen, auf die die Beklagte in erhöhten Maße hätte Rücksicht nehmen müssen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Operation der Anlass für die Kündigung gewesen wäre. Unstreitig hatte die Beklagte schon kurz nach dem Arbeitsunfall vom 09.01. Kenntnis davon, dass der Kläger sich einer Operation würde unterziehen müssen. Dass sie gleichwohl über einen Monat mit dem Ausspruch der Kündigung zuwartete, spricht dafür, dass dies nicht der Grund für ihre Kündigung gewesen sein kann. Auch die Tatsache, dass der Operation eine lediglich ca. einwöchige stationäre Behandlung folgte, deutet nicht darauf hin, dass darin der Grund für die Kündigung zu suchen wäre. Unabhängig davon wäre es jedoch auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den totalen Ausfall des Klägers, deren Arbeitsleistung sie zuvor auch während seiner Arbeitsunfähigkeit anscheinend in Anspruch nehmen konnte, zum Anlass der Kündigung genommen hätte. Dies folgt aus dem Grundsatz der Kündigungsfreiheit, der nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen durch den Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt wird.

Ein solcher Ausnahmefall läge aber selbst dann nicht vor, wenn die ca. einwöchige stationäre Behandlung des Klägers nach längerer Arbeitsunfähigkeit die Beklagte zum Ausspruch der Kündigung bewogen hätte.

Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung erweist sich nach allem als wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet. Die Feststellungsklage des Klägers war deshalb unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.

II.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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