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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.08.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 236/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 138
ZPO §§ 850 ff.
ZPO § 850c
ZPO § 850d Abs. 1 S. 2
ZPO § 850e Nr. 1
BGB § 394
BGB § 394 S. 1
BGB § 611 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 21.02.2007 - Az: 2 Ca 2707/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1733,63 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Beklagte hat den Lohn des Klägers so abgerechnet, wie dies aus der "Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge für Oktober 2006" vom 02.11.2006 (Bl. 4 d.A.) ersichtlich ist. Hierauf wird verwiesen. Dort wird u.a. angegeben,

- das Geburtsdatum des Klägers mit dem 31.01.1960,

- die Steuerklasse mit V,

- der Gesamt-Brutto-Betrag mit 1733,63 EUR,

- der Netto-Verdienst mit 857,19 EUR und

- die Position "Ausfall Lkw" mit 1694,75 EUR.

Soweit für das vorliegende Berufungsverfahren - 3 Sa 236/07 - von Interesse beansprucht der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen). Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.05.2007 (Bl. 46 ff. und Bl. 90 ff. d.A.). Nach näherer Maßgabe des Urteilstenors (- 2 Ca 2707/06 -, Bl. 45 d.A.) wurde der Beklagte verurteilt, an den Kläger 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen) zu zahlen.

Gegen das am 13.03.2007 zugestellte Teil-Urteil vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - hat der Beklagte am 13.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 23.05.2007 - innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 13.06.2007, Bl. 139 d.A.) - mit dem Schriftsatz vom 23.05.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 23.05.2007 (Bl. 123 ff. d.A.) verwiesen.

Dort macht der Beklagte u.a. geltend, dass die von ihm vorgelegte Abrechnung die richterliche Würdigung widerlege, wonach die Aufrechnung deshalb ins Leere gehe, weil nicht klar sei, ob gegenüber dem Nettolohn oder Bruttolohn aufgerechnet werde. Die Positionierung des Schadensersatzanspruchs in der Abrechnung mache deutlich, dass es hier selbstverständlich um eine Aufrechnung gegenüber dem Nettolohn gehe.

Was die Frage der hinreichend substantiierten Darlegung seiner Gegenansprüche anbelangt, verweist der Beklagte auf seinen Vortrag im Rahmen der Klageerwiderung vom 29.01.2007. Da der in der Klageerwiderung enthaltene Sachvortrag vom Kläger nicht bestritten worden sei, wirke hier die Geständnisfunktion des § 138 ZPO. Weiter verweist der Beklagte auf seinen Schriftsatz vom 07.03.2007.

Dem Arbeitsgericht - so bringt der Beklagte weiter vor - sei auch im Hinblick auf die Anwendung des § 394 BGB nicht zu folgen. In der vorsätzlichen Arbeitsverweigerung des Klägers trete die Schädigungsabsicht zu Tage. Es werde natürlich klar, dass für nicht durchgeführte Transporte der Beklagte keine Rechnung stellen könne und insoweit auch keine Vergütung erlange, so dass hier von einer offenkundigen Schädigungsabsicht in Bezug auf den Arbeitgeber auszugehen sei.

Der Beklagte beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 04.06.2007 (Bl. 134 ff. d.A.), worauf verwiesen wird. Der Kläger verweist dort u.a. darauf, dass nicht einmal im Ansatz habe festgestellt werden können, wie sich die Forderungsbeträge des Beklagten tatsächlich errechneten.

Der Kläger tritt der rechtlichen Beurteilung des Arbeitsgerichts bei, dass nicht jede Vertragsverletzung dazu führe, dass ein Aufrechnungsanspruch wegen vorsätzlicher Schädigung auch innerhalb der Pfändungsfreigrenzen vorgenommen werden könne. Voraussetzung für eine solche Aufrechnungslage sei im Regelfall, dass sich das Handeln des Arbeitnehmers auch und gerade darauf beziehe, dem Arbeitgeber einen vorsätzlichen Schaden beizubringen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, - insbesondere auch auf den Tatbestand des den Parteien bekannten Schluss-Urteils vom 11.04.2007 - 2 Ca 2707/06 - dort S. 3 ff. = Bl. 99 ff. d.A.) - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens - 3 Sa 236/07 - ist die Klageforderung so wie sie in dem Teil-Urteil vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - in Höhe von 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen) ausgeurteilt wurde. Insoweit ist die Berufung an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II.

Da die Klage begründet ist, hat ihr das Arbeitsgericht zu Recht stattgegeben.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 1733,63 EUR brutto nebst den ausgeurteilten Zinsen zu zahlen. Dies ergibt sich hinsichtlich der Hauptforderung aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem diesbezüglichen Teil der Lohnabrechnung für Oktober 2006 (= Rubrik "Lohnart" pp.) und hinsichtlich des Zinsanspruches aus den Vorschriften, die bereits das Arbeitsgericht auf Seite 7 des Teil-Urteils zitiert hat.

1. Hinsichtlich der Klageforderung sind die anspruchsbegründenden Tatsachen nach Grund und Höhe unstreitig. Geht man davon aus, dass die Beklagte die Aufrechnung - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - doch ordnungsgemäß erklärt hat (vgl. dazu BAG v. 25.09.2002 - 10 AZR 7/02 -), scheitert die Aufrechnung jedenfalls an § 394 S. 1 BGB. Bei der Klageforderung handelt es sich unstreitig um Arbeitseinkommen. Eine Forderung auf Arbeitseinkommen ist aber nur nach näherer Maßgabe der §§ 850 ff. ZPO der Pfändung und Aufrechnung unterworfen. Demgemäß kommt - wie sich aus der Berechnungsvorschrift des § 850e Nr. 1 ZPO ergibt - eine Aufrechnung gegenüber den Lohnbestandteilen, die als Lohnsteuer-/Solidaritätszuschlags-Beträge sowie als Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, von vorneherein nicht in Betracht. Hinsichtlich des verbleibenden Netto-Verdienstes in Höhe von 857,19 EUR kann vorliegend ebenfalls nicht mit Erfolg aufgerechnet werden, weil dieser Betrag - die Vergütung des Klägers wurde unstreitig monatlich abgerechnet - gemäß § 850c ZPO in Verbindung mit der Anlage zu dieser Vorschrift (Pfändungsfreigrenzentabelle) unpfändbar ist. Gegen die entsprechende tatsächliche Feststellung des Arbeitsgerichts richtet sich kein Berufungsangriff des Beklagten. Der Beklagte ist lediglich aus Rechtsgründen der Ansicht, er könne unabhängig von § 394 BGB und § 850c ZPO gegenüber der Netto-Vergütung des Klägers aufrechnen. In diesem Zusammenhang ist es allerdings anerkanntes Recht, dass der mit § 394 S. 1 BGB zu Gunsten des Arbeitnehmers gewollte Sozialschutz ausnahmsweise dann weichen kann, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber eine treuwidrige und vorsätzliche Nachteilszufügung verübt hat. Ob und inwieweit dies im konkreten Fall so ist, bestimmt sich freilich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles, - wobei das Gewicht des mit § 394 S. 1 BGB gewollten Sozialschutzes (- "primo vivere" -) und der Treueverstoß gegeneinander abzuwägen sind (vgl. dazu bereits BAG v. 31.03.1960 - 5 AZR 441/57 - BAGE 9, 137 ff.).

2. a) Sind hiernach die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, so ist dann auch darauf Bedacht zu nehmen, weshalb es im Einzelnen zu der Arbeitsniederlegung des Arbeitnehmers gekommen ist. Dazu hat der Beklagte selbst auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 29.01.2007 (= Bl. 15 d.A.) vorgetragen. Demgemäß hat der Kläger am 24.10.2006 auf dem Tourenplan schriftlich erklärt, dass er 200 m zwischen geparkten Autos habe hindurch fahren müssen und von der Polizei eine Anzeige bekommen habe, weil er ohne Einweisung durch einen Helfer rückwärts gefahren sei (s. dazu die Kopie "Tourenplan-A." Bl. 32 d.A.). Berücksichtigt man dies, so liegt es auf der Hand, dass es dem Kläger seinerzeit nicht um die Schädigung des Beklagten gegangen ist, sondern darum, nicht mehr länger einer von ihm als unzumutbar angesehenen Arbeitssituation ausgesetzt zu sein. Ausführungen dazu, dass es für den Kläger doch zumutbar gewesen sein könnte, ohne Einweiser mit dem 4-Achser-Kipper rückwärts und zwischen parkenden Fahrzeugen hindurch eine Strecke von 200 m zurückzulegen, hat der Beklagte nicht geleistet.

b) Unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände des vorliegenden Falles wiegt hiernach die Arbeitsniederlegung des Klägers nicht so schwer, dass es angezeigt wäre, den mit § 394 S. 1 BGB gewollten Sozialschutz zurücktreten zu lassen. Demgemäß greift die Aufrechnung des Beklagten weder in Höhe von 1733,63 EUR brutto noch in Höhe von 857,19 EUR netto durch. Darauf, dass die Klageforderung durch andere Erfüllungssorogate oder Erfüllungshandlungen ganz oder teilweise erfüllt wäre, hat sich der Beklagte hinreichend substantiiert nicht berufen. Dahingestellt bleiben kann, ob die Aufrechnung des Beklagten nicht jedenfalls auch an § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO analog (i.V.m. § 394 S. 1 BGB) scheitern würde.

III.

Die Kosten seiner hiernach erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte tragen. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbständig von ihm nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und nur unter den dort genannten Voraussetzungen durch Beschwerde angefochten werden kann. Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt/Postanschrift: 99113 Erfurt einzulegen. Derzeit findet gegen dieses Urteil die Revision nicht statt.

Ende der Entscheidung

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