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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 701/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 614
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 628 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 10
KSchG § 13
KSchG § 13 Abs. 1 S. 3
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 15.10.2008 - 4 Ca 42/08 - teilweise abgeändert, - nämlich in der Kostenentscheidung und in der Ziffer 2. des Urteilstenors - 4 Ca 42/08 -, der insoweit wie folgt neu gefasst wird:

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 6.350,00 € brutto (Abfindung) zu zahlen. II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 7/10 und die Klägerin zu 3/10 zu tragen. IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.122,97 € festgesetzt. V. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die am 10.12.1966 geborene Klägerin ist in der Zeit vom 09.04.1997 bis zum 12.11.2007 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der außerordentlich-fristlos erklärten Eigenkündigung der Klägerin vom 12.11.2007, die der Beklagten an diesem Tag (12.11.2007) zugegangen ist (s. Bl. 17 d.A.). Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb im Zeitraum Oktober/November 2007 regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer (ca. 30 Arbeitnehmer). Vor dem 12.11.2007 belief sich das monatliche Bruttogehalt der Klägerin bei der Beklagten auf 1.800,00 EUR (dies entsprach zuletzt ungefähr einem monatlichen Nettogehalt in Höhe von ca. 1.197,00 EUR). Die Gehaltszahlungen waren spätestens am Ersten des Folgemonats fällig. Tatsächlich erfolgten die Nettogehalts-Zahlungen wie folgt (angegeben sind die Daten der jeweiligen Wertstellung):

- für Januar 2007:

am 05.03.2007 600,00 EUR

am 07.03.2007 599,27 EUR

- Februar 2007:

am 20.03.2007 600,00 EUR

am 30.03.2007 100,00 EUR

am 02.04.2007 449,27 EUR - März 2007:

am 11.04.2007 600,00 EUR

am 17.04.2007 599,27 EUR - April 2007:

am 07.05.2007 600,00 EUR

am 18.05.2007 599,57 EUR - Mai 2007:

am 18.06.2007 599,27 EUR

am 18.06.2007 600,00 EUR - Juni 2007:

am 16.07.2007 600,00 EUR

am 19.07.2007 599,27 EUR

- Juli 2007:

am 31.07.2007 600,00 EUR

am 07.08.2007 596,57 EUR - August 2007:

am 17.09.2007 600,00 EUR

am 11.10.2007 596,57 EUR - September 2007:

am 12.10.2007 1.196,57 EUR. Mit dem Schreiben vom 20.09.2007, der Beklagten am 24.09.2007 zugegangen (vgl. Bl. 16 d.A.), erteilte die Klägerin der Beklagten eine Abmahnung. Dort heißt es u.a.:

"... Die verspätete Auszahlung der Arbeitsvergütung stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch Sie als den Arbeitgeber dar. Ich bitte Sie, künftig die Arbeitsvergütung wie gesetzlich vorgesehen jeweils pünktlich am Ersten des auf den Abrechnungsmonat folgenden Tags zu entrichten. Sofern Sie weiterhin gegen Ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verstoßen sollten und auch künftig die Vergütung nicht fristgerecht gezahlt wird, muss ich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung meines Beschäftigungsverhältnisses in Erwägung ziehen".

Nachdem der Beklagten die außerordentlich-fristlose Eigenkündigung der Klägerin vom 12.11.2007 zugegangen war, überwies die Beklagte der Klägerin am 21.11.2007 das Nettogehalt für Oktober 2007. Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse beansprucht die Klägerin von der Beklagten als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB:

1. Den Ersatz des Vergütungsausfalls der Klägerin in der Zeit vom 12.12.2007 bis zum 31.12.2007: EUR 1.080,00 brutto (abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes)

sowie

2. eine angemessene Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes entsprechend den §§ 9 und 10 KSchG: EUR 9.525,00 brutto. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 15.10.2008 - 4 Ca 42/08 - (dort S. 2 ff. = Bl. 60 ff. d.A.). Unter Abweisung der Klage im übrigen hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.080,00 EUR brutto abzüglich 482,03 EUR netto zu zahlen. Gegen das der Klägerin am 06.11.2008 und der Beklagten am 07.11.2008 zugestellte Urteil vom 15.10.2008 - 4 Ca 42/08 - hat die Klägerin am 25.11.2008 Berufung eingelegt und diese am 06.01.2009 mit dem Schriftsatz vom 06.01.2009 begründet. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist der Beklagten am 08.01.2009 zugestellt worden. Die Beklagte hat gegen das vorbezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts am 09.02.2009 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 09.02.2009 Anschlussberufung eingelegt und die Anschlussberufung gleichzeitig begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung der Klägerin wird auf deren Schriftsatz vom 06.01.2009 (Bl. 80 ff. d.A.) verwiesen. Zur Berufungsbegründung macht die Klägerin insbesondere geltend, dass das vom Arbeitsgericht zitierte Urteil des LAG Hamm vom 12.06.1984 spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 26.07.2001 - 8 AZR 739/00 - überholt sei. Das Arbeitsgericht setze sich (auch) mit der von ihm vertretenen Rechtsauffassung in diametralen Widerspruch zur Entscheidung des BAG vom 26.07.2007 - 8 AZR 796/06 -. Weiter führt die Klägerin dazu aus, dass es ihr aus mehreren Gründen gänzlich unzumutbar gewesen sei, nach Ausspruch der Abmahnung und nach erneuter Vertragsverletzung durch die Beklagte das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (s. dazu insbesondere S. 4 f. der Berufungsbegründung = Bl. 83 f. d.A.). Die Anschlussberufung der Beklagten beantwortet die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 12.09.2009 (Bl. 106 f. d.A.), worauf verwiesen wird. Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 15.10.2008 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte unter Aufrechterhaltung der Verurteilung zur Zahlung von 1.080,00 EUR brutto abzüglich 482,03 EUR netto verurteilt wird, an die Klägerin weitere 9525,00 EUR brutto zu zahlen,

und

2. die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

und

2. im Wege der Anschlussberufung unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 15.10.2008 - 4 Ca 42/08 - die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die Beklagte begründet im Schriftsatz vom 09.02.2009 ihre Anschlussberufung und beantwortet dort gleichzeitig die Berufung der Klägerin. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.02.2009 (Bl. 97 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Die Beklagte vertritt dort insbesondere die Auffassung, dass ein fristloser Kündigungsgrund der Klägerin nicht vorgelegen habe. Die Beklagte meint, dass es erforderlich gewesen wäre, dass vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin mindestens eine weitere Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sich die Abmahnung vom 20.09.2007 lediglich auf einen geringfügigen Zahlungsverzug der restlichen Vergütung für August 2007 bezogen habe. Hinsichtlich der Oktobervergütung (2007) sei sie, die Beklagte, im November 2007 lediglich mit wenigen Tagen in Zahlungsverzug gewesen. Nachdem mithin - so macht die Beklagte geltend - ein fristloser Kündigungsgrund nicht vorgelegen habe, würden damit auch erst recht nicht die Voraussetzungen für einen begründeten Auflösungsantrag gemäß den §§ 9, 10 und 13 KSchG vorliegen. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen. Entscheidungsgründe:

I. Sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Anschlussberufung der Beklagten sind an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung der Klägerin erweist sich auch als begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist dagegen unbegründet. II. Die Klage ist mit den beiden Zahlungsanträgen, die in das Berufungsverfahren gelangt sind, weitgehend begründet. Dies ergibt sich aus den §§ 626 Abs. 1 und 628 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 9 und 10 KSchG analog und den einschlägigen Rechtsgrundsätzen, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergeben. 1. Die Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz des durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ("Aufhebung des Dienstverhältnisses" im Sinne des § 628 Abs. 2 BGB) entstandenen Schadens deswegen verpflichtet, weil die außerordentlich-fristlose Eigenkündigung der Klägerin durch vertragswidriges Verhalten der Beklagten veranlasst wurde. a) Die Eigenkündigung der Klägerin vom 12.11.2007 war rechtswirksam, weil damals Tatsachen vorlagen, aufgrund derer der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte (§ 626 Abs. 1 BGB). Ein Lohnrückstand, wie er hier jeweils aufgetreten ist, kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies ist anerkanntes Recht und gilt jedenfalls dann, wenn der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug des Arbeitgebers mit der Lohnzahlung sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat. Entsprechendes kann gelten, wenn der Arbeitgeber wiederholt in Zahlungsverzug gerät. aa) Wie sich aus der diesbezüglichen Darstellung im unstreitigen Teil des Tatbestandes ergibt, befand sich die Beklagte z. Zt. des Kündigungsausspruchs (d.h. am 12.11.2007) in nicht unerheblicher Höhe in Lohnrückstand, - damals stand das Gehalt der Klägerin für Oktober 2007 noch in voller Höhe zur Zahlung offen. Auch ist die Beklagte während eines längeren Zeitraumes zuvor immer wieder mit den Gehaltszahlungen in Verzug geraten. Darüber, dass die Gehaltszahlungen für die Klägerin entsprechend der allgemeinen Vorschrift des § 614 BGB mit Ablauf des jeweiligen Monats bzw. am Ersten des Folgemonats fällig waren, haben die Parteien zu recht nicht gestritten. Die Zahlung der Vergütung stellt gemäß § 611 Abs. 1 BGB die Hauptpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis dar. Zwar ist der Arbeitnehmer in Bezug auf die von ihm geschuldeten Arbeitsleistungen vorleistungspflichtig, - wohingegen den Arbeitgeber in Bezug auf die Vergütungspflicht eine Vorleistungspflicht nicht trifft. Umso mehr ist vom Arbeitgeber aber zu erwarten, dass er der gemäß den §§ 611 Abs. 1 und 614 BGB zu erfüllenden Vergütungspflicht zu den jeweiligen Fälligkeits-Terminen pünktlich nachkommt. Diese Pflicht hat die Beklagte wiederholt und insoweit gewissermaßen "beharrlich" verletzt. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenkündigung war die Beklagte mit der Zahlung des vollen Nettogehaltes für Oktober 2007 deutlich mehr als eine Woche in Verzug. Dies machte - in Verbindung mit den früheren, wiederholt aufgetretenen Zahlungsverzögerungen - der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Aufgrund der eindeutig und unmissverständlich formulierten Abmahnung vom 20.09.2007 war die Beklagte hinreichend gewarnt. Im ersten Absatz, dort zweiter Satz ("Ungeachtet Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung ..."), beanstandet die Klägerin hinreichend deutlich, dass ihr (in der Vergangenheit) die ihr zustehende Arbeitsvergütung nicht pünktlich gezahlt worden ist. Zwar wird in der Abmahnung vom 20.09.2007 besonders beanstandet, dass auf die Arbeitsvergütung für August 2007 bis zum 20.09.2007 lediglich 600,00 EUR (am 17.09.2007) gezahlt worden seien und die Restsumme "bis heute noch offen" sei. Diese besondere Hervorhebung des noch offenstehenden Restgehalts für August 2007 bedeutet aber keineswegs, dass die Klägerin mit der Abmahnung vom 20.09.2007 die zuvor aufgetretenen Zahlungsverzögerungen nicht beanstanden wollte. Die Auslegung der Abmahnung gemäß den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB entsprechend ergibt vielmehr, dass mit der Abmahnung (gerade) auch Zahlungsverzögerungen in den Vormonaten beanstandet werden sollten. bb) (Auch) für die Beklagte gilt, dass einmal geschlossene Verträge unter Beachtung des geltenden Rechts (hier: §§ 611 und 614 BGB) einzuhalten sind. Es ist allgemein anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Aus diesem Grunde kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die - von ihr in den Schriftsätzen vom 13.05.2008 und vom 09.02.2009 erwähnten - "Finanzprobleme" und "zeitweisen Liquiditätsprobleme" berufen. Der erneute Zahlungsverzug der Beklagten bezüglich der Arbeitsvergütung für Oktober 2007 wiegt auch nach durchgeführter Abwägung der beiderseitigen Interessen derart schwer, dass er einen wichtigen Grund und eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 626 BGB für die Klägerin darstellte. b) Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB hat die Klägerin - wie sich aus dem unstreitigen Geschehensablauf ergibt - (ebenfalls) eingehalten. 2. a) Soweit es um den Schadensumfang geht, ist zu beachten, dass der Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB auf die Gewährleistung des Erfüllungsinteresses für die Zeit bis zur ordentlichen und damit ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Der Kündigende soll so gestellt werden, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß fortgeführt und durch ordentliche Kündigung beendet worden. Daraus ergibt sich - wie insoweit auch vom Arbeitsgericht erkannt - die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Vergütung für die Zeit vom 12.12.2007 bis zum 31.12.2007 zu zahlen. b) Darüber hinaus steht der Klägerin - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - Schadensersatz auch in Form des geltend gemachten Abfindungsanspruches zu. Dabei ist die Abfindung auf den Betrag von 6.350,00 EUR zu begrenzen. Das weitergehende Abfindungsbegehren der Klägerin unterliegt der Klageabweisung. Die Zubilligung einer Abfindung ist deswegen gerechtfertigt, weil sich der Arbeitnehmer, der - wie hier die Klägerin - aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen das Arbeitsverhältnis löst, sich in die gleiche Lage wie der Arbeitnehmer begibt, der nach Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im deswegen geführten Kündigungsschutzprozess einen Auflösungsantrag gemäß den §§ 9 und 13 Abs. 1 S. 3 KSchG stellt und durch Gestaltungsrecht eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen unzumutbarer Fortsetzung desselben erreicht. Die Klägerin hat hier - veranlasst durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten - auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz verzichtet. Dieser Bestandsschutz stand der Klägerin im Hinblick auf die Betriebsgröße der Beklagten (bzw. die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer; vgl. § 23 Abs. 1 KSchG) unstreitig zu. Die Klägerin trifft hier neben der für die Dauer der Kündigungsfrist (teilweise) entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den sie einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Für die Bemessung dieses Ausgleiches ist auf die Abfindungsregelungen der §§ 9, 10 und 13 KSchG (analog) abzustellen. Die Lage des wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers selbst kündigenden Arbeitnehmers ist mit derjenigen des unberechtigt gekündigten Arbeitnehmers vergleichbar, der einen Auflösungsantrag nach § 9 oder § 13 KSchG gestellt hat. Dabei bestimmt das Gesetz in den §§ 9, 10 und 13 KSchG den Wert des Bestandsschutzes, wenn das Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, den Verlust des Bestandsschutzes als normative Schadensposition anzuerkennen, - wobei es für die Feststellung des Schadens nicht darauf ankommt, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung gezahlt worden wäre, sondern es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis gestanden hat. Unter Berücksichtigung aller wertrelevanten Umstände des vorliegenden Falles, - dazu gehört auch der Umstand, dass die Klägerin alsbald ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, in dessen Rahmen sie sich vergütungsmäßig nicht verschlechtert hat -, ist es hier einerseits erforderlich andererseits aber auch ausreichend, den Schadensersatz für den entgangenen Bestandsschutz in Höhe von ca. 2/3 des Abfindungsbetrages zu bemessen, der der Klägerin bei Anwendung der sogenannten "Faustformel" gemäß den §§ 9 und 10 KSchG zugestanden hätte (2/3 von 9.325,00 EUR = 6.350,00 EUR; vgl. zu dieser Faustformel: Schaub/Linck 12. Auflage Arbeitsrechts-Handbuch § 141 Rz 47 S. 1507). Nach dieser Faustformel hätte sich für die Klägerin im Hinblick auf die unstreitig bereits seit dem 09.04.1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und bei dem (ebenfalls unstreitigen) Monatsgehalt von 1.800,00 EUR brutto an sich eine Abfindung i.H.v. 9.525,00 EUR ergeben. 3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich die Unbegründetheit der Anschlussberufung. III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen selbständig bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 durch Beschwerde angefochten werden. Darauf werden die Parteien hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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