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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.05.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 88/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 II
ArbGG § 64 II c
BGB § 626 I
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 88/04

Verkündet am: 28.05.2004

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.12.03 - Az.: 4 Ca 1861/03 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der seit Mai 1988 als Bereichsleiter Fleisch bei der Beklagten in der Filiale in C-Stadt-B. beschäftigte Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine außerordentliche Kündigung vom 16.06.2003 sowie eine hilfsweise ausgesprochene, ordentliche Kündigung vom 23.06.03 zum 31.12.2003. Der Kläger ist dreiundvierzig Jahre alt, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

Die Beklagte begründete die Kündigung damit, dass ihr Verkaufsleiter G am 04.06.2003 anlässlich einer Prüfung verdorbene Ware in einer Verkaufstheke festgestellt und im Kühlhaus Ware mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) vorgefunden habe. Bei der verdorbenen Ware in der Frischfleischtheke handelte es sich fast ausschließlich um ursprünglich G-verpackte SB-Ware, die aus der G-Verpackung entnommen und als Frischware angeboten wurde. Bei einer weiteren Überprüfung der Mülltonne am 05.06.03 wurden Umverpackungen "Fleisch- G-" mit Kassenbons vom 03.06.2003 und einer Tageszeitung mit demselben Datum vorgefunden. Die Beklagte schließt daraus, dass die Umverpackungungen dieser im Einzelnen aufgeführten Waren am 03.06.2003 aufgepackt und das Fleisch als Frischfleisch angeboten wurde.

Bis Mitte Mai 2003 wurde in dem vom Kläger betreuten Markt ausschließlich Frischfleisch verkauft. In der Folge wurde die Frischfleischtheke verkleinert und durch eine Selbstbedienungstheke ersetzt. Die Selbstbedienungsfleischwaren wurden durch eine Firma G im Wesentlichen geliefert. In einer Dienstanweisung vom 31.03.2003 hatte die Beklagte grundsätzlich untersagt, Frischfleisch und Frischwurst aus G-Pack ausgepackt weiter in Verkehr zu bringen (vernichten). Von dieser Arbeitsanweisung will der Kläger keine Kenntnis erlangt haben. Unstreitig hat er für den 06.05.2003 keine Frischware bestellt. Nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er beachsichtigt, den Frischfleischbedarf aus der SB-Ware zu decken.

Der Kläger hält die außerordentliche wie auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Dass ihm bei der Umstellung des Betriebssystems ein Fehler unterlaufen sei, könne angesichts der langjährigen Beschäftigung und seiner sozialen Situation keinen Kündigungsgrund abgeben.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 16.06. zum 17.06. nicht beendet ist, sondern unverändert fortbesteht,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 16.06.2003 zum 17.06.2003, noch durch die fristgerechte Kündigung vom 23.06.2003 zum 31.12.2003 beendet ist, sondern unverändert fortbesteht.

3. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den seitherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 17.12.2003 die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiter verfolgt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weiter gehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69, II ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger hat seine nach § 64, II c an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zulässige Rechtsmittel zeitigt in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht schließt sich uneingeschränkt den Ausführungen des Arbeitsgerichts an, sieht deshalb gem. § 69,II ArbGG von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab und beschränkt sich auf die nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Das Arbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, das an sich geeignet ist, einen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626, I BGB abzugeben.

Es ist unstreitig, dass der Kläger die als SB-Ware, mit einem Haltbarkeitsdatum versehene Ware der Verpackung entnommen und als Frischware angeboten hat. Der Kläger hat eingeräumt, dass er auch in Zukunft den Frischfleischbedarf aus der SB-Ware habe decken wollen. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar, unabhängig davon, ob ihm die Anweisung vom 31.03.2003 bekannt war oder nicht. Bei der G-verpackten SB-Ware hatte der Kunde die Möglichkeit, deren Frische im Hinblick auf das MHD zu überprüfen. Diese Möglichkeit wurde ihm entzogen, indem der Kläger die Ware aus der Verpackung entnahm und als Frischware anbot.

2.

Aus den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Beklagten anlässlich der Müllsacküberprüfung am 05.06.2003 hat sich auch ergeben, dass der Kläger veranlasst oder zumindest geduldet hat, dass Ware mit abgelaufenen MHD als Frischfleisch angeboten wurde. Dies mag zu den am 04.06.2003 in der Verkaufstheke vorgefundenen Zuständen geführt haben. Für diese Zustände war der Kläger verantwortlich als zuständiger Bereichsleiter Fleisch und Metzgermeister. Er musste wissen, dass daraus erhebliche gesundheitliche Gefahren für die Konsumenten drohten; zugleich musste ihm klar sein, dass der Beklagten aus diesem Geschäftsgebaren erhebliche Schäden entstehen konnten.

Der Kläger hat auch keinen Grund dafür genannt, weshalb er nach langjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit sich zu solchen Manipulationen veranlasst sah. Es kann nur vermutet werden, dass er im Zugriff auf die SB-Ware die Möglichkeit sah, die sonst unvermeidlichen Verluste durch Verderb zu verhindern oder auf ein Minimum zurückzuführen. Dies kann ihn allerdings nicht entlasten, da er damit wohl kaum im Interesse der Beklagten gehandelt haben dürfte und dies auch nicht annehmen konnte.

Insgesamt stellt sich das Verhalten des Klägers als schwerwiegende Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen dar und ist damit an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

3.

Auch die gebotene Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht zutreffend vorgenommen. Der Beklagten drohten durch das Fehlverhalten des Klägers gravierende Schäden. Abgesehen davon, dass sie am 04.06.03 keinerlei Fleischware zum Verkauf zur Verfügung hatte, wäre bei einer Publizität der Vorfälle zu befürchten gewesen, dass sie wesentliche Teile ihrer Kundschaft für unabsehbare Zeit verloren hätte. Das Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt. Es ist erheblich angesichts seines Lebensalters und seiner Unterhaltsverpflichtungen, muss jedoch angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzung zurücktreten.

Auf das Erfordernis einer Abmahnung kann die Beklagte hier nicht verwiesen werden. Eine Abmahnung ist immer dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 10.02.99, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969; BAG 11.03.1999, AP Nr. 149 zu § 626 BGB). So liegt der Fall hier. Der Kläger konnte nicht erwarten, dass sein Arbeitgeber mit den von ihm vorgenommenen Manipulationen einverstanden sein würde.

4.

Der Beklagten war es auch nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Kündigungsfrist fortzusetzen. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sie für die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses ähnliche Vorkommnisse hätte vermeiden können. Nachdem im Kündigungsrecht geltenden Prognoseprinzip (vgl. näher dazu Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. 2002, RZ 342 ff) wäre es ihr von daher durchaus zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Dem steht hier jedoch ihre Verantwortung gegenüber ihrer Kundschaft entgegen. Das Vertrauen konnte sie sich nur erhalten, wenn sie sich von Fehlverhaltensweisen, wie sie dem Kläger anzulasten sind, durch die sofortige Trennung von dem Mitarbeiter distanzierte.

II.

Das Arbeitsgericht ist nach allem zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar, und dass sie deshalb zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung berechtigt war.

Die Kosten seiner deshalb erfolglosen Berufung hat gem. § 97 ZPO der Kläger zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revisions bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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