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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.06.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 899/01
Rechtsgebiete: MTV, SGB V, SGB III, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

MTV § 2
MTV § 16 III
MTV § 16 Ziff. 2
SGB V § 47
SGB V § 47 I S. 3
SGB III § 185 I
ZPO § 91
ZPO § 313 III
ArbGG § 72 II Ziff. 1
1. Nach § 16 Ziff. 2 des MTV Nr. 9 zwischen dem Arbeitgeberverband Energie Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft ÖTV steht einem Beschäftigten nach mindestens einjähriger Beschäftigungszeit nach Ablauf von 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeldzuschuss zu, der sich aus dem Unterschied zwischen den Brutto-Geldleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Nettobetrag der für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlten, regelmäßigen Vergütung einschließlich der laufenden Sozialleistungen bestimmt.

2. Der Begriff des Nettobetrages im Sinne dieser Bestimmung ist nicht deckungsgleich mit demjenigen des Nettoentgelts, wie er in ħ 47, I S.3 SGB V, 185, I SGB III definiert wird; damit ist für den Begriff des Nettoarbeitsentgelts eine terminologische Fixierung durch den Gesetzgeber erfolgt, die grundsätzlich bei der Tarifauslegung zu berücksichtigen ist.

3. Der Begriff des Nettobetrags im Sinne des § 16 Ziff. 2 MTV ist jedoch mit dem terminologisch fixierten Begriff des Nettoarbeitsentgelts nicht gleichzusetzen. Bei freiwillig versicherten Arbeitnehmern ergibt sich der Nettobetrag aus den Bezügen, gemindert um die gesetzlichen Abzüge, sowie um die Arbeitnehmerbeiträge zur freiwilligen Krankenversicherung. Letztere zählen zwar nicht zu den gesetzlichen Abgaben; nach Sinn und Zweck des Tarifvertrages müssen sie jedoch bei der Ermittlung des Nettobetrages berücksichtigt werden. Über diese Auslegung erhalten freiwillig Versicherte und Pflichtversicherte einen Krankengeldzuschuss, der zusammen mit dem jeweiligen Krankengeld der Krankenkasse eine einheitliche Höhe erreicht. Der Zuschuss für die freiwillig Versicherten ist danach zwar geringer als derjenige für die Pflichtversicherten; daraus ergibt sich jedoch kein Nachteil für die freiwillig versicherten Arbeitnehmer, da sie ein höheres Krankengeld erhalten.


Tenor:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Aktz. 9 Ca 206/01 - vom 03.05.01 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung eines tariflichen Krankengeldzuschusses in Höhe von 3.185,00 DM in Anspruch. Er ist langjährig bei der Beklagten beschäftigt und zuletzt als Sachbearbeiter in der Abteilung Stromverkauf/Sonderkunden gegen ein Monatsgehalt von 7.080,00 DM beschäftigt. Er ist arbeitsunfähig seit dem 22.09.2000. Der Entgeltfortzahlungsanspruch endete am 02.11.2000. Ab 03.11.2000 erhält der Kläger Krankengeld.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf § 16 Ziff. 2 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrages Nr. 9 zwischen dem Arbeitgeberverband Energie Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft ÖTV. Diese Bestimmung lautet:

"§ 16 Fortzahlung des Arbeitsentgeltes

Krankengeldzuschuss bei Arbeitsunfähigkeit 2.

Nach einer mindestens einjährigen Beschäftigungszeit erhalten Beschäftigte nach Ablauf von sechs Wochen einen Krankengeldzuschuss; dieser ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen den Brutto-Geldleistungen des Sozialversicherungsträgers oder der Versorgungsbehörde und dem Nettobetrag der für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlten regelmäßigen Vergütung einschließlich der laufenden Sozialleistungen.

3.

Der Krankengeldzuschuss nach Ziff. 2 wird gezahlt für dieselbe Krankheit innerhalb von zwölf Monaten bei einer Dienstzeit (gerechnet bis zum Ende der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit).

Bis zu drei Jahren für die Dauer von dreizehn Wochen.

Von mehr als drei Jahren für die Dauer von sechsundzwanzig Wochen."

Der Kläger erhält ein Krankengeld von DM 146,84. Den Krankengeldzuschuss nach § 16, II MTV errechnet die Beklagte mit 0,48 DM pro Tag, während der Kläger der Auffassung ist, ihm stehe ein Krankengeldzuschuss in Höhe von 17,98 DM täglich zu.

Die Differenzen der Parteien bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses beruhen darauf, dass die Beklagte den Nettobetrag der für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlten, regelmäßigen Vergütung gem. § 16, II MTV dadurch ermittelt, dass sie das Bruttoverdienst des Klägers um die gesetzlichen Abzüge sowie um den Arbeitnehmerbeitrag des Klägers zur Krankenversicherung kürzt. Der Kläger ist bei der DAK freiwillig versichert; die Beklagte gewährt einen Zuschuss zu den Kosten der freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 445,05 DM und zur freiwilligen Pflegeversicherung in Höhe von 54,83 DM.

Der Kläger wendet sich dagegen, dass bei der Ermittlung seines Nettoentgelts sein Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt wird.

Er hat vorgetragen:

Der Tarifvertrag sehe nicht vor, dass die Beklagte ihm einen fiktiven Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung bei der Ermittlung des Bruttoentgelts zurechne. Die Auffassung der Beklagtenwürde dazu führen, dass freiwillig Versicherte in der Regel niemals in den Genuss des Krankengeldzuschusses kommen könnten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.185,00 DM brutto zu zahlen mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank nach dem Diskontsatz - Überleitungsgesetz aus DM 1.276,58 brutto seit dem 24.01.2001 bis zum 02.05.2001, sowie aus den 3.185,00 DM brutto seit dem 03.05.2001.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt sich auf den Standpunkt, zwischen dem gesetzlichen Netto- und dem maßgeblichen Netto sei zu unterscheiden. Es sei der tatsächlich vom Arbeitnehmer getragene, eigene Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen, um die Gleichbehandlung mit den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern sicherzustellen. Die Tarifpartner hätten bei der Bestimmung des § 2 MTV das unterschiedlich hohe Krankengeld vom Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Arbeitnehmer berücksichtigt, das auf dem geringeren gesetzlichen Netto der Pflichtversicherten beruhe, und hätten deshalb eine Regelung treffen wollen, nach der sich auch bei den gesetzlich krankenversicherten Mitarbeitern ein Zuschuss ergäbe, während dieser bei den freiwillig Versicherten entweder entfalle oder nur in geringfügiger Höhe anfalle.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 03.05.2001, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, für Recht erkannt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.185,00 DM brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz der EZB aus dem Diskontsatz - Überleitungsgesetz aus 1.276,58 DM vom 24.01.01 bis 02.05.01 sowie aus DM 3.185,00 brutto ab dem 03.05.01 zu zahlen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.185,00 DM festgesetzt.

4.

Die Berufung wird zugelassen.

Gegen dieses ihr am 05.07.01 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie am 31.07.2001 eingelegt und am 31.08.01 begründet hat.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Der Begriff des Nettobetrags im Sinne des § 16 Ziff. 2 des MTV sei nicht mit dem Begriff des Nettoarbeitsentgeltes gleichzusetzen. Das Wort "Nettobetrag" enthalte keinen gebräuchlichen Gesetzesbegriff. Letzteres treffe nur auf das Wort "Nettoarbeitsentgelt" zu. Der Begriff des "Nettobetrages" im Sinne der Tarifvorschriften sei von ihr zutreffend angewandt worden. Sie verfahre wie andere Energieversorgungsunternehmen seit Jahren nach der nunmehr angegriffenen Verrechnungsmethode. Die Vorschrift des § 16 MTV wolle für den Krankheitsfall lediglich den Bestandsschutz der Arbeitnehmer sichern, nicht dagegen eine Besserstellung erreichen. Die Auffassung des Klägers würde jedoch zu einer Privilegierung des kranken gegenüber den gesunden Arbeitnehmer führen.

Eine ungerechtfertigte Privilegierung des freiwillig Krankenversicherten Beschäftigten wäre aber die Folge, wenn diesem der bei bestehender Versicherungspflicht an sich abzuziehende Arbeitnehmerbeitrag zur Krankenversicherung ausgezahlt bzw. bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses zu Lasten des Arbeitgebers berücksichtigt werde. Eine derartige Privilegierung der freiwillig krankenversicherten Beschäftigung sei durch die Tarifpartner nicht gewollt gewesen.

Die Beklagten beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt weiterhin unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die Auffassung, unter dem nach § 16 MTV maßgeblichen Nettoarbeitsentgelt sei entsprechend § 47 SGB V das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt zu verstehen, wobei nach allgemeiner Auffassung freiwillige Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge nicht unter die gesetzlichen Abzüge fielen.

Die Beklagte hat ihre Auffassung in der Berufungsbegründungsschrift vom 31.08.2001, (Bl. 51 ff d.A.) und ihrem Schriftsatz vom 27.11.2001 (Bl. 73 ff d.A.) näher begründet; auf diese Schriftsätze wird zur näheren Darstellung des Vorbringens der Berufungsklägerin Bezug genommen. Der Kläger hat die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz vom 09.11.2001 beantwortet; auf diesen Schriftsatz wird zur näheren Darstellung seines Vorbringens im Berufungsverfahren ebenfalls Bezug genommen.

Es wird weiter verwiesen auf die in der Sitzungsniederschrift vom 30.11.2001 protokollierten Anträge und Erklärungen der Parteien.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Beklagte hat ihre nach der Höhe der Beschwer an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zulässige Rechtsmittel zeitigt auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht der von ihm erhobene Anspruch nicht zu, so dass unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts die Klage abzuweisen war.

Dies ergibt sich aus den gem. § 313, III ZPO in kurzer Zusammenfassung wiedergegebenen Erwägungen:

1.

Nach § 16, II, III MTV hat der Kläger Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen den Bruttogeldleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Nettobetrag für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlten Entgeltgeltfortzahlung. Die Auslegung dieser Bestimmung durch die Beklagte entspricht Wortlaut und Sinn dieser Tarifbestimmung. Die Auslegung tarifvertraglicher Vereinbarungen hat den in ihnen objektivierten Willen der Tarifpartner zu ermitteln. Sie folgt den für die Gesetzesauslegung geltenden Regeln (vgl. BAG, 12.09.84 - 4 AZR 336/82 - EZA Nr. 14 zu § 1 TVG Auslegung; BAG 16.01.91 - 4 AZR 320/90 - EZA Nr. 90 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen; BAG 24.04.96 - 4 AZR 876/94 - NZA 1997, 50 ff; BAG 24.04.96 - 5 AZR 798/94 - EZA Nr. 1 zu § 47 SGB V).

Die Auslegung hat vom Wortlaut auszugehen und daraus unter Berücksichtigung der Stellung der tariflichen Regelung im Gesamtzusammenhang den wirklichen Willen der Tarifpartner zu ermitteln. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte ohne Bindung an einer Reihenfolge weitere Kriterien ergänzend hinzuziehen (BAG, 24.04.1996 - 4 AZR 876/94 -NZA 1997, 50 ff).

Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 16.01.91 - 4 AZR 320/90 - EZA Nr. 90 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Bei der Auslegung nach dem Wortsinn ist stets zu beachten, dass ein Begriff, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte Bedeutung hat, von den Tarifpartnern in aller Regel auch in diesem Sinne verwandt wird; der Begriff ist deshalb in dem Sinne zu verstehen, den er in der Rechtsterminologie erhalten hat (BAG, 24.04.1996 - 5 AZR 798/94 - EZA Nr. 1 zu § 47 SGB V).

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ergibt sich hier, dass die Beklagte den Nettobetrag im Sinne des § 16, II MTV korrekt ermittelt hat, indem sie ihn um den Anteil des Klägers zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung gekürzt hat.

Nach § 16, II MTV schuldet die Beklagte die Differenz zwischen dem Bruttokrankengeld und dem Nettobetrag der Entgeltfortzahlung als Zuschuss. Der Bruttobetrag des Krankengeldes liegt unstreitig bei 146,84 DM kalendertäglich. Es besteht auch kein Streit zwischen den Parteien, dass auf der Basis dieses Bruttokrankengeldes der tarifliche Krankengeldzuschuss zu berechnen ist (vgl. dazu BAG, 24.04.1996 - 5 AZR 798/94 - EZA Nr. 1 zu § 47 SGB V). Dem Umstand, dass der Kläger von diesem Krankengeld Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abführen muss, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die entsprechenden Abgaben treffen seit dem 01.01.1984 auch die pflichtversicherten Arbeitnehmer.

2.

Was den Begriff des Nettobetrages im Sinne des § 16, II MTV angeht, ergibt die Auslegung nach dem Wortsinn kein eindeutiges Ergebnis. Zwar ist für den Begriff des Nettoarbeitsentgelts i.S.d. § 47, I S. 3 SGB V anerkannt, dass dieses das um die gesetzlichen Abzüge geminderte Arbeitsentgelt darstellt; es ist auch richtig, dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung nicht zu den gesetzlichen Abzügen zählt. § 185, I SGB III definiert das Nettoarbeitsentgelt als das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt. Damit dürfte wenigstens für den Begriff des Nettoarbeitsentgeltes eine terminologische Fixierung durch den Gesetzgeber erfolgt sein. Auch das BAG hat in seiner Entscheidung vom 24.04.1990 (3 AZR 259/88, EZA Nr. 3 zu § 1 BetrAVG - Zusatzversorgung -) den Begriff des Nettoarbeitsentgelts in diesem Sinne verstanden. Damit dürfte der Begriff des Nettoarbeitsentgeltes durch Gesetzgeber und Rechtsprechung in dem Sinne klargestellt sein, dass es sich dabei um das um die gesetzlichen Abzüge geminderte Arbeitsentgelt handelt.

Die Tarifpartner verwenden jedoch nicht den Begriff des Nettoarbeitsentgeltes, sondern beziehen sich auf einen "Nettobetrag". Ob dieser mit dem Nettoarbeitsentgelt gleichzusetzen ist, erscheint zumindest nicht zweifelsfrei. Einen ähnlichen Begriff verwendet § 3, I lit A Altersteilzeitgesetz; wenn dort von einem "Mindestnettobetrag" die Rede ist, ist damit gerade nicht das Nettoarbeitsentgelt des Arbeitnehmers gemeint. Dies könnte darauf hindeuten, dass auch der Gesetzgeber zwischen Nettoarbeitsentgelt und Nettobetrag unterscheidet.

Es kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Begriff des Nettobetrages, um einen Terminus technicus handelte, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte Bedeutung erlangt hat. Abgesehen davon, dass in den genannten Bestimmungen der Begriff des Nettoarbeitsentgelts jeweils nur für einen engen, abgeschlossenen Regelungskomplex festgelegt wird, zeigt auch der Blick auf die Bestimmung des Altersteilzeitgesetzes, dass Nettobetrag nicht unbedingt mit Nettoarbeitsentgelt gleichgesetzt werden kann.

3.

Auch im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff des Nettoentgelts nicht in festen Konturen verwandt. Unter netto wird häufig der Teil des Einkommens verstanden, der dem Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung steht. Nettolohn ist der Teil der Vergütung, den der Arbeitnehmer für seine Bedürfnisse verwenden kann. So gesehen kann im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus auch das um den Arbeitnehmerbeitrag zur freiwilligen Krankenversicherung geminderte Einkommen als Nettovergütung verstanden werden.

Es ist deshalb festzustellen, dass der Begriff des Nettobetrages, wie ihn die Tarifpartner verwandt haben, weder in der Rechtsterminologie noch im allgemeinen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat. Unter dem Begriff des Nettobetrages kann durchaus auch das verstanden werden, was die Beklagte in ihrer Vergleichsrechnung (Bl. 20 d.A.) als Überweisung bezeichnet, nämlich der Betrag, der dem Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung steht.

Ergibt sonach die Auslegung nach dem Wortsinn keine eindeutige Klärung, so bestätigt Sinn und Zweck der tariflichen Regelung die Auslegung der Beklagten.

4.

§ 16, II MTV soll dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Entgeltfortzahlung für einen nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten Zeitraum die bisherige Nettovergütung annähernd sichern. Dies gewährleistet die Berechnungsmethode des Krankengeldzuschusses durch die Beklagte. Nach ihr erhalten freiwillig Versicherte und Pflichtversicherte einen Krankengeldzuschuss, der zusammen mit dem jeweiligen Krankengeld der DAK eine einheitliche Höhe erreicht. Der Zuschuss für die freiwillig Versicherten ist danach zwar geringer als derjenige für die Pflichtversicherten; daraus ergibt sich jedoch kein Nachteil für die freiwillig versicherten Arbeitnehmer, da sie ein höheres Krankengeld erhalten. Krankengeld und Krankengeldzuschuss gewährleisten nach der unbestrittenen Berechnung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 02.04.2001 (Bl. 27 f d.A.), dass freiwillig versicherte und pflichtversicherte Mitarbeiter bei gleichem Verdienst auch im Krankheitsfall nach Ablauf der Entgeltfortzahlung eine der Entgeltfortzahlung entsprechende Vergütung erhalten.

Die Auffassung des Klägers würde demgegenüber dazu führen, dass durch den Krankengeldzuschuss sein Krankengeld auf einen Betrag aufgestockt würde, der ihm im Entgeltfortzahlungszeitraum nicht zustand. Dies entspricht nicht dem Sinn der tariflichen Regelung, die dem Arbeitnehmer lediglich für begrenzte Zeit das bisherige Nettoeinkommen sichern will.

5.

Für die von der Beklagten praktizierte Auslegung spricht auch der Umstand, dass sie zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, 16.01.91 - 4 AZR 320/90 - EZA Nr. 90 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Diese Auslegung gewährleistet, dass Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte im Krankheitsfall nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums durch den Krankengeldzuschuss in gleicher Weise gesichert werden; sie erhalten mit dem Zuschuss und dem Krankengeld die Vergütung, die sie im Entgeltfortzahlungszeitraum zu beanspruchen hatten. Der vom Kläger begehrte höhere Zuschusswürde ihn für den fraglichen Zeitraum besser stellen als einen pflichtversicherten Kollegen. Er würde auch eine Verdiensterhöhung gegenüber der im Entgeltfortzahlungszeitraum erzielten Vergütung bedeuten. Dies kann nicht Sinn der tariflichen Regelung sein. Diese zielt ersichtlich auf Sicherung des Nettoverdienstes, nicht aber auf deren Erhöhung im Krankheitszeitraum ab.

Der Kläger erhält nach der Berechnung der Beklagten, der er nicht widersprochen hat, während des für § 16, II MTV maßgeblichen Zeitraums durch Krankengeld und Krankengeldzuschuss die Vergütung, die er im Entgeltfortzahlungszeitraum zu beanspruchen hatte; damit ist Sinn und Zweck des § 16, II, III MTV erfüllt. Einen weitergehenden Zuschuss kann er nicht verlangen.

II.

Die Beklagte war nach allem berechtigt, bei der Ermittlung des Nettobetrages gem. § 16, II MTV den Arbeitnehmerbeitrag des Klägers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Die auf dieser Basis vorgenommene Berechnung des Krankengeldzuschusses hat der Kläger nicht angegriffen. Ein weitergehender Anspruch steht ihm nicht zu.

Die Klage war deshalb unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Die Kosten des Rechtsstreits hat gem. § 91 ZPO der Kläger zu tragen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache war gem. § 72, II Ziff. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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