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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 22.04.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 55/08
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, TV JSV, GKG


Vorschriften:

ZPO §§ 114 f.
ZPO § 114 S. 1
ZPO § 121 Abs. 2 1. Alt.
ZPO § 563 Abs. 2
ArbGG § 11 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 11 Abs. 2 S. 1
ArbGG § 11 Abs. 2 S. 2
ArbGG § 11a Abs. 1 S. 1
ArbGG § 11a Abs. 1 S. 2
TV JSV § 12
GKG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird - unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen - der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - - teilweise, - nämlich insoweit aufgehoben, als dort (auch) der Prozesskostenhilfe- und Rechtsanwaltsbeiordnungsantrag des Klägers hinsichtlich des Klageantrages, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.280,00 EUR brutto (nebst Zinsen) zu zahlen, zurückgewiesen worden ist.

2. Im Umfang der teilweisen Aufhebung des Beschlusses vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - wird das Prozesskostenhilfe-Verfahren an das Arbeitsgericht zwecks Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe und sodann zwecks erneuter Entscheidung über den Prozesskostenhilfe- und Rechtsanwaltsbeiordnungs-Antrag zurückverwiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Eine Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben.

Gründe:

I. Der Kläger ist seit dem Jahre 1983 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Feinkeramischen Industrie und Glasveredelung Anwendung. Für das Jahr 2004 zahlte die Beklagte dem Kläger keine Jahressondervergütung. Zur Rechtsverteidigung hat sie sich insoweit auf die nachfolgend zitierte Tarifnorm und auf die Betriebsvereinbarung vom 09.12.2004 (Bl. 12 f. d.A.) berufen.

§ 12 des Tarifvertrages "Jahressondervergütung für die Feinkeramische Industrie und die Glasveredelung" vom 05.12.2003 lautet auszugsweise wie folgt:

"...

Arbeitgeber und Betriebsrat können bei tiefgreifenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach Prüfung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien auf Betriebs- oder Unternehmensebene Ausnahmelösungen vereinbaren, die die Höhe und/oder den Auszahlungszeitpunkt der Jahresleistung und des zusätzlichen Urlaubsgeldes für ein Kalenderjahr betreffen...".

Mit seiner Klage beanspruchte der Kläger zuletzt noch die Zahlung von "Weihnachtsgeld" (Jahressondervergütung) für das Jahr 2004 in Höhe von 1.280,-- EUR brutto.

Im Kammertermin vom 05.03.2008 hat sich die Beklagte in dem gerichtlichen Vergleich - 4 Ca 2471/07 - (sinngemäß) verpflichtet, dem Kläger zur Abgeltung der Klageforderung 500,-- EUR brutto zu zahlen.

Mit dem Beschluss vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfebewilligung (nebst Rechtsanwaltsbeiordnung) und den hilfsweisen Antrag des Klägers auf Rechtsanwaltsbeiordnung (gemäß § 11a ArbGG) zurückgewiesen.

Gegen den am 04.03.2008 zugestellten Beschluss vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - hat der Kläger am 14.03.2008 mit dem Schriftsatz vom 13.03.2008 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 13.03.2008 (Bl. 15 f. des PKH-Beiheftes) verwiesen.

Mit dem Beschluss vom 18.03.2008 hat das Arbeitsgericht mit der aus Bl. 20 des PKH-Beiheftes ersichtlichen Begründung der Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Beschwerde hat teilweise und nach näherer Maßgabe der folgenden Ausführungen Erfolg. Im übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Unbegründet ist die Beschwerde in dem Umfang, in dem der Kläger im Termin vom 05.03.2008 die Klage (teilweise) zurückgenommen hat (s. dazu die Sitzungsniederschrift vom 05.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - dort S. 2 = Bl. 27 d.A.). Unbegründet ist die Beschwerde also hinsichtlich der ursprünglich beabsichtigten Rechtsverfolgung wegen Urlaubsabgeltung (Forderung 530,00 EUR brutto) und Überstundenvergütung (Forderung 140,79 EUR brutto).

a) Bezüglich der genannten beiden Streitgegenstände hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung die gemäß § 114 S. 1 ZPO notwendige hinreichende Erfolgsaussicht verneint.

b) Bezüglich dieser beiden Streitgegenstände hat das Arbeitsgericht weiter zutreffend die Voraussetzungen einer Rechtsanwaltsbeiordnung gemäß § 11a Abs. 1 S. 1 ArbGG verneint. Dies ergibt sich im Ergebnis schon daraus, dass die diesbezügliche Rechtsverfolgung des Klägers offensichtlich mutwillig gewesen ist. Im übrigen ist hier der Auffassung zu folgen, die besagt, dass das Gesetz alleine auf die formale Zuordnung abstellt. Die Beklagte ist eben nicht von Ass. B. als Rechtsanwalt vertreten gewesen, sondern von Ass. B. als Verbandsvertreter. Es muss davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen einem Rechtsanwalt im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 ArbGG und einem Verbandsvertreter im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 ArbGG geläufig ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber an der formalen Differenzierung, die der Vorschrift des § 11a Abs. 1 S. 2 (dort a.E.) ArbGG zugrunde liegt, festgehalten, - und zwar auch im Rahmen seiner jüngsten gesetzgeberischen Aktivitäten (vgl. dazu das ab dem 01.07.2008 geltende Recht gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 Nr.n 4 und 5 sowie Abs. 2 S. 2 ArbGG). Dies belegt eindeutig, dass der Gesetzgeber bewusst allein auf das Auftreten des Prozessbevollmächtigten der Gegenseite abstellt (- es gilt also weiterhin die formale Betrachtungsweise, die bereits das LAG Düsseldorf seinem Beschluss vom 09.06.1988 - 14 Ta 135/88 - zugrunde gelegt hat).

2. Hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 S. 1 ZPO besteht jedoch - bzw. hat im Zeitpunkt der erstmaligen Antragsstellung bestanden -, soweit es dem Kläger um die Jahressondervergütung für das Jahr 2004 ("Weihnachtsgeld") geht bzw. gegangen ist. Insoweit kommt hier - falls der Kläger auch bedürftig i.S.d. §§ 114 S. 1 (- am Anfang -) und 115 ZPO sein sollte - eine rückwirkende Prozesskostenhilfebewilligung (nebst Anwaltsbeiordnung gemäß § 121 Abs. 2 ZPO) für die erste Instanz in Betracht.

a) Sieht man einmal von den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten unter Ziffer 3. der Klageerwiderung vom 16.11.2007 ab, war der Jahressondervergütungsanspruch an sich nach Grund und Höhe unstreitig. Dass die Erfolgsaussicht hinsichtlich dieses Anspruches gleichwohl fehle, lässt sich nicht ohne weiteres unter Hinweis auf die Betriebsvereinbarung vom 09.12.2004 i.V.m. § 12 des Tarifvertrages "Jahressondervergütung für die Feinkeramische Industrie und die Glasveredelung" vom 05.12.2003 (- folgend: TV JSV) begründen. Nach näherer Maßgabe der zuletzt genannten tariflichen Regelung können freilich Arbeitgeber und Betriebsrat Ausnahmelösungen vereinbaren, die die Höhe und/oder den Auszahlungszeitpunkt der Jahresleistung und des zusätzlichen Urlaubsgeldes für ein Kalenderjahr betreffen.

Es begegnet aber gewissen Bedenken, ob die Betriebsparteien mit der Betriebsvereinbarung vom 09.12.2004 in zulässiger Weise von dieser tariflich eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Insoweit lässt sich durchaus die Auffassung vertreten, dass eine zulässige Betriebsvereinbarung nach § 12 des Tarifvertrages JSV die Festlegung eines konkreten anderen Auszahlungszeitpunktes erfordert. Ein konkreter anderer Auszahlungszeitpunkt wird in der Betriebsvereinbarung vom 09.12.2004 aber gerade nicht genannt, - die Vereinbarung eines (anderen) konkreten Auszahlungszeitpunktes wird dort lediglich in Aussicht gestellt (S. 2 der Betriebsvereinbarung dort Ziffer 3.). Aus dem Wortlaut des § 12 des TV JSV erschließt sich nicht ohne weiteres der übereinstimmende Wille der Tarifvertragsparteien dahingehend, dass die Betriebsparteien (auch) befugt sein sollten, den Auszahlungszeitpunkt für die Jahressondervergütung auf einen unbestimmten Zeitpunkt (quasi auf den "Sankt-Nimmerleins-Tag") zu verschieben. Zwar mag die Rechtsfrage letztlich (möglicherweise) so zu beantworten sein, wie das Arbeitsgericht dies im Ergebnis und mit ausführlicher Begründung unter Ziffer II. 3. des Beschlusses vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - getan hat. Problemlos und leicht zu beantworten ist diese Rechtsfrage jedoch keineswegs. Zwar reicht im Rahmen des § 114 S. 1 ZPO eine nur entfernte Erfolgsaussicht nicht aus, um die sachliche Voraussetzung der Prozesskostenhilfe zu bejahen. Allerdings kennzeichnet das in § 114 S. 1 ZPO enthaltene Wort "hinreichend", dass sich das Gericht mit einer mehr oder weniger vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen darf und muss. Dies ist anerkanntes Recht. Nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in PKH-Prüfungsverfahren eine gewisse Großzügigkeit durchaus geboten. Dies führt vorliegend zur Bejahung hinreichender Erfolgsaussicht. In diesem Zusammenhang muss nicht entscheidend darauf abgestellt werden, dass sich die Beklagte in dem gerichtlichen Vergleich vom 05.03.2008 verpflichtet hat, immerhin 500,00 EUR brutto an den Kläger zur Abgeltung der Klageforderung zu zahlen, - wobei die Klageforderung nach der vorangegangenen teilweisen Zurücknahme der Klage im übrigen lediglich noch den hier zuletzt streitgegenständlichen Anspruch auf Zahlung der Jahressondervergütung betraf. Insoweit hat die Klage des Klägers also nicht nur hinreichende Erfolgsaussicht gehabt, sondern teilweise auch tatsächlichen Erfolg gehabt.

b) Hiernach ist die hinreichende Erfolgsaussicht hinsichtlich des Anspruches auf Jahressondervergütung (für das Jahr 2004) für die Zeit ab Antragsstellung bis zur Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens - 4 Ca 2471/07 - zu bejahen. Wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht kann der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers insoweit deswegen nicht zurückgewiesen werden. Dies bedingt die teilweise Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 04.03.2008 - 4 Ca 2471/07 - insoweit. Von einer eigenen Sachentscheidung hat die Beschwerdekammer unter den gegebenen Umständen abgesehen. Das Arbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe getroffen. Diese Prüfung muss das Arbeitsgericht nunmehr noch vornehmen. Aus diesem Grunde wird das PKH-Prüfungsverfahren im Umfang der Aufhebung des Beschlusses vom 04.03.2008 - 4 Ca 247/07 - zum Zwecke der Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen (§ 115 ZPO) an das Arbeitsgericht zurückverwiesen (§ 572 Abs. 3 ZPO), wobei § 563 Abs. 2 ZPO entsprechend gilt. Sollten die wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§ 114 f. ZPO erfüllt sein, kommt unter den hier gegebenen Voraussetzungen wohl auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 121 Abs. 2 - 1. Alternative - ZPO in Betracht.

3. Gemäß Nr. 8614 S. 2 a.E. Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - Gebührenverzeichnis - wird bestimmt, dass für dieses Beschwerdeverfahren eine Gerichtsgebühr nicht zu erheben ist.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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