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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 3 TaBV 41/07
Rechtsgebiete: BetrVG, AÜG, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 21a
BetrVG § 21a Abs. 2
BetrVG § 21b
BetrVG § 23 Abs. 3 S. 1
BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 1
AÜG § 14
AÜG § 14 Abs. 3
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72a
ArbGG § 92a
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 613a Abs. 1
BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.04.2007 - Az: 1 BV 22/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 bei der Einstellung von Mitarbeitern zu beteiligen hat. Dabei sind die rechtlichen Pflichten aus § 99 BetrVG und § 14 AÜG nicht im Streit, sondern allein die Frage, ob der Beteiligte zu 1 der zu beteiligende Betriebsrat ist oder ob dieser der aus der Betriebsratswahl vom 15.12.2006 hervorgegangene Beteiligte zu 3 ist.

In dem Beschluss vom 25.04.2007 - 1 BV 1/07 - (Bl. 156 ff. d. Beiakte -1 BV 1/07 = 3 TaBV 36/07 -; folgend: BA) hat das Arbeitsgericht auf den Antrag der Gewerkschaft IG-Metall die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 15.12.2006 festgestellt.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes des vorliegenden Beschlussverfahrens wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 25.04.2007 - 1 BV 22/07 - (dort S. 2 ff. unter Ziffer 1. = Bl. 28 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat in dem vorbezeichneten Beschluss nach näherer Maßgabe des Tenors (Beschluss S. 2 = Bl. 28 d.A.) den Anträgen des Beteiligten zu 1 stattgegeben.

Gegen den ihr am 14.05.2007 zugestellten Beschluss vom 25.04.2007 - 1 BV 22/07 - hat die Beteiligte zu 2 am 12.06.2007 Beschwerde eingelegt und diese am 16.7.2007 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 16.7.2007 begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 16.07.2007 (Bl. 44 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beteiligte zu 2 bringt dort u.a. vor,

dass es mehr als erheblichen Zweifeln unterliege, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl zutreffend sei. Das Arbeitsgericht stehe mit seiner Entscheidung im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl in einem nicht betriebsratsfähigen Betrieb. Weiter ist nach Ansicht der Beteiligten zu 2 zu beachten, dass dann, wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl richtig wäre, es sich im Dezember 2006 bei der Beteiligten zu 2 um einen betriebsratslosen Betreib gehandelt hätte. Für dessen Arbeitnehmer, also die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2, wäre der Beteiligte zu 1 nicht zuständig. Auch ein sich aus § 21a Abs. 2 BetrVG ergebendes Übergangsmandat wäre auf die dem Betriebsrat bisher zugeordneten Arbeitnehmer personell beschränkt.

Die Beteiligte zu 2 bestreitet außerdem das Vorliegen einer Zusammenfassung von Betrieben im Sinne des § 21a Abs. 2 BetrVG zum 01.01.2007. Vorgelegen habe zum fraglichen Zeitpunkt die Umgestaltung der L KG als geschäftsleitende Holding für eine neu gegründete D. GmbH und die A. (= Beteiligte zu 2) im Sinne einer Betriebsaufspaltung. In dem hier erheblichen organisatorischen Bereich habe eine Zusammenfassung von Betrieben nicht vorgelegen.

Die Beteiligte zu 2 beantragt,

auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.04.2007 (- 1 BV 22/07 -) aufzuheben und den Antrag des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3 gibt keine Erklärung ab.

Der Beteiligte zu 2 verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts gegen die Beschwerde der Beteiligten zu 2 nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Beschwerdebeantwortung vom 13.09.2007 (Bl. 60 ff. d.A.), worauf zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen. Die Akte des Verfahrens - 1 BV 1/07 - = 3 TaBV 36/07 - (BA) war zu Informationszwecken beigezogen.

II.

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet.

2. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Beteiligten zu 1 zu recht stattgegeben.

a) Die Anträge sind zulässig. Insbesondere sind sie genügend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Um welche Verpflichtungen der Beteiligten zu 2 es dem Beteiligten zu 1 im einzelnen geht und wie diese voneinander abzugrenzen sind, lässt sich im Wege der Antragsauslegung ermitteln.

b) Die Anträge sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 1, 99 Abs. 1 BetrVG und § 14 Abs. 3 AÜG begründet. Darüber, dass überhaupt entsprechende Verpflichtungen der Beteiligten zu 2 bestehen, besteht kein Streit. Der darüber bestehende Streit, ob diese Verpflichtungen der Beteiligten zu 2 gegenüber dem Beteiligten zu 1 oder aber gegenüber dem Beteiligten zu 3 bestehen, ist dahingehend zu entscheiden, dass die Verpflichtungen gegenüber dem Beteiligten zu 1 bestehen.

aa) Bei dem Beteiligten zu 1 handelt es sich um den Betriebsrat, der im April 2006 rechtswirksam für den Betrieb gewählt worden ist, den die L. KG damals und weiter bis zum 31.12.2006 in der A-Straße in A-Stadt unterhalten hat. Der vorgenannte Betrieb ist mit Wirkung ab dem 01.01.2007 an die Beteiligte zu 2 verpachtet worden (entsprechend der "Mitteilung über geplanten Betriebsübergang" vom 15.12.2006, Bl. 4 BA). Der damit verbundene Betriebsinhaberwechsel (Übergang des Betriebs auf einen anderen Inhaber) hat die Identität des Betriebes nicht verändert oder berührt. Die Beteiligte zu 2 ist als Betriebserwerberin von Gesetzes wegen nicht nur in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehenden Arbeitsverhältnissen unmittelbar eingetreten, sondern zugleich auch in das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis des Beteiligten zu 1 zum Betriebsinhaber. Durch § 613a Abs. 1 S. 1 BGB sollen anerkanntermaßen nicht nur die bestehenden Arbeitsplätze geschützt, sondern es soll vor allem auch die Kontinuität des im Betrieb amtierenden Betriebsrates gewährleistet werden (vgl. zu den beiden Schutzzwecken des § 613a Abs. 1 BGB Richardi/Thüsing 8. Aufl. BetrVG § 21 Rz 28). Demgemäß richten sich die Mitbestimmungsrechte des Beteiligten zu 1 seit dem 01.01.2007 nicht mehr gegen die bisherige Betriebsinhaberin, die L. KG, sondern gegen die neue Betriebsinhaberin, die Beteiligte zu 2.

bb) Eine irgendwie geartete Konkurrenzsituation im Verhältnis des Beteiligten zu 1 zum Beteiligten zu 3 ist hinsichtlich der sich aus dem BetrVG und dem AÜG ergebenden (betriebsverfassungsrechtlichen) Rechte im Zusammenhang mit dem Betriebsinhaberwechsel nicht entstanden. Dies ergibt sich daraus, dass die Beteiligte zu 2 vor dem 01.01.2007 noch nicht über einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG verfügte. Die gleichwohl am 15.12.2006 durch 5 Arbeitnehmer erfolgte Betriebsratswahl war und ist nichtig. Damit existierte am 31.12.2006/01.01.2007 ein weiterer Betriebsrat, der mit dem bereits im April 2006 gewählten Betriebsrat - also mit dem Beteiligten zu 1 - hätte konkurrieren können, nicht. Die Problematik etwaiger Übergangs- oder Restmandate gemäß § 21a oder § 21b BetrVG stellt sich nicht.

(Auch) die 5 Arbeitnehmer (Sch. u.a.), die im Dezember 2006 an der nichtigen Betriebsratswahl teilgenommen haben, werden von dem im April 2006 gewählten Betriebsrat, also von dem Beteiligten zu 1, repräsentiert. Sie gehören ab dem 01.01.2007 - wie bereits zuvor jedenfalls bis zum 30.11.2006 - zu der Belegschaft, für die der Beteiligte zu 1 zuständig ist.

cc) Hinsichtlich der Erwägungen, die dazu führen, das Nichtvorhandensein eines Betriebes bei der Beteiligten zu 2 für die Zeit vor dem 01.01.2007 und die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 15.12.2006 festzustellen, wird auf die Entscheidungsgründe des - allen Beteiligten und Verfahrensbevollmächtigten bekannten -Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.09.2007 - 3 TaBV 36/07 - verwiesen.

Diese - für einen nicht existierenden Betrieb durchgeführte - Betriebsratswahl ist ebenso nichtig wie eine Wahl, die für einen nicht-betriebsratsfähigen Betrieb durchgeführt wird. Es wurde damals gegen alle Wahlvorschriften des BetrVG verstoßen, die an den Begriff des "Betriebes" anknüpfen. Eine - der Definition des "Betriebes" entsprechende auch nach außen hinreichend in Erscheinung tretende - Betriebsstruktur existierte bei der Beteiligten zu 2 im Dezember 2006 noch nicht (vgl. zur Definition des Betriebes BAG v. 30.06.1993 - 7 ABR 64/92 - und v. 25.05.2005 - 7 ABR 38/04 -;vgl. weiter Richardi 8. Aufl. BetrVG § 1 Rz 27 und 40, § 9 Rz 10 und 13 a.E.). Auch wenn die 5 Arbeitnehmer (Sch. u.a.) bereits die Beteiligte zu 2 als neue Vertragsarbeitgeberin hatten und veränderte Tätigkeiten ausübten, sind sie doch weiter in der betrieblichen Sphäre des damals - im Dezember 2006 - noch von der L KG geführten Betriebes geblieben. Sie sind nach wie vor in dem Betriebsgebäude in der A-Straße in A-Stadt beschäftigt gewesen. Sie haben die Betriebsmittel genutzt, die ihnen bereits zuvor zur Verfügung standen. Sie sollten in Zusammenarbeit mit den 3 Vorstandsmitgliedern Konzepte entwickeln, eine zukunftsweisende Lagerhaltung und Logistik im Zusammenhang mit einem optimierten Versand auf den Weg bringen und ein Rechnungswesen aufbauen sowie eine vereinfachte Gesamtlohnabrechnung erarbeiten. Diese Tätigkeiten sind vor dem Hintergrund des sich damals - nach dem Unternehmenskonzept ("Business-Plan") - bereits abzeichnenden Betriebsinhaberwechsels per 01.01.2007 zu sehen, - sie stellen einen Teil des einheitlichen Lebenssachverhalts "Betriebsübergang" (gemäß § 613a Abs. 1 BGB) dar.

dd) Unterhielt die Beteiligte zu 2 im Dezember 2006 noch keinen Betrieb, konnte (dort) auch kein Betriebsrat gewählt werden (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Da dies unter den gegebenen Umständen offensichtlich gewesen ist, stellt sich das Verhalten der Beteiligten zu 2 (= Nichtbeteiligung des Beteiligten zu 1 im Rahmen des § 99 BetrVG i.V.m. § 14 AÜG) als grober Verstoß i.S.d. § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG dar.

Hiernach musste die Beschwerde der Beteiligten zu 2 erfolglos bleiben.

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann von den Beteiligten zu 2 und 3 nach näherer Maßgabe des § 92a ArbGG und den dort weiter in Bezug genommenen Vorschriften des § 72a ArbGG selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt oder Postanschrift 99113 Erfurt einzulegen. Hierauf werden die Beteiligten zu 2 und 3 hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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