Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 1008/05
Rechtsgebiete: MAVO, BGB, KAVO, MAVR


Vorschriften:

MAVO § 34
MAVO § 35
MAVO § 35 Abs. 2
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
KAVO § 42 Abs. 1
MAVR § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 1008/05

Entscheidung vom 30.03.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2005 - 3 Ca 828/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Seit 01.07.1988 ist der Kläger bei der Beklagten beschäftigt, er ist am 14.12.1958 geboren. Zuletzt arbeitete er als Organist und Chorleiter. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung für das Bistum T. Anwendung. Danach beträgt angesichts des Alters und der Beschäftigungszeit des Klägers die ordentliche Kündigungsfrist 6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Der Kläger ist aufgrund der vereinbarten Anwendung der KAVO ordentlich nicht mehr kündbar, weil nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren, frühestens nach Vollendung des 40. Lebensjahres, die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.

Unter dem 04.04.2004 erging eine schriftliche Aufforderung an den Kläger, pünktlich zum Dienst zu erscheinen, in der wörtlich ausgeführt wird, man erwarte, dass er sich mindestens 15 Minuten vor Beginn eines Gottesdienstes in der Sakristei einzufinden habe.

Ebenfalls unter dem Datum vom 04.04.2004 richtete die Beklagte an den Kläger zwei Schreiben, die sie als Abmahnung bezeichnete und in dem sie monierte, der Kläger sei am 22.03.2004 zu einem Sterbeamt, welches um 13:30 Uhr angesetzt war, erst um 13:50 Uhr erschienen. Er habe weiter am 04.03.2004 zu Beginn der Abendmesse die Orgel in Gang zu setzen versucht, da dies nicht möglich war, die Orgelempore verlassen, seiner Frau mündlich den Abgang mitgeteilt und die Kirche verlassen. Die Möglichkeit, die Elektronenorgel im Chor zu benutzen sei, offenbar nicht in Betracht gekommen. Das Verhalten sei als grober Verstoß gegen seine Pflichten zu beurteilen. Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 27.04.2004 Stellung, auf die bei den Akten befindliche Ablichtung wird Bezug genommen (Bl. 63).

Mit Schreiben vom 23.04.2004 mahnte die Beklagte den Kläger ab. Als Grund für die Abmahnung nannte sie das verspätete Kommen anlässlich des Sterbeamtes eines Herrn B. , welches am Donnerstag, 08.04.2004 für 13:30 Uhr angesetzt war. Der Kläger sei erst um 13:40 Uhr in der Kirche erschienen, vermutlich wäre er noch später erschienen, hätte nicht eine Frau vom Beerdigungsinstitut ihn gegen 13:25 Uhr telefonisch erreicht. In einem weiteren Schreiben vom 15.10.2004 mahnte die Beklagte den Kläger erneut ab, nämlich wegen verspäteten Erscheinens um 13:27 Uhr zum beginnend Sterbeamt am 20.09.2004 um 13:30 Uhr. Am Dienstag, 28.09.2004 sei der Kläger verspätet zur 18:00 Uhr Abendmesse nach Beginn der Messe erschienen. Zur Messe der Frauengemeinschaft am 01.10.2004, 9:00 Uhr sei er überhaupt nicht erschienen.

Zu dem am 10.05.2005 für 18:00 Uhr vorgesehenen Gottesdienst erschien der Kläger erst nach dem Beginn, er entschuldigte sich damit, er habe sich ausgesperrt und deshalb erst ein in einem Geschäft hinterlegten Schlüssel holen müssen. Am 12.05.2005 erschien er zu einem Gottesdienst um 14:30 Uhr überhaupt nicht und erklärte sinngemäß, er habe den Dienst vergessen. Am 13.05.2005 erschien er zu der um 17:30 Uhr beginnenden Maiandacht in B. erst bei deren Beginn.

In einer von der Beklagten anberaumten Besprechung stellte der Kläger der Beklagten anheim, telefonisch davon zu benachrichtigen, wenn er rechtzeitiges Erscheinen zur Arbeit in Zukunft versäumen sollte. Er werde sich alsdann sofort auf den Weg machen.

Mit Schreiben vom 20.05.2005 zeigte die Beklagte der Mitarbeitervertretung die Absicht der fristlosen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsvertrages an. Sie führte aus, die Kirchengemeinde erwäge eine fristlose Kündigung, sie nahm hierbei Bezug auf die Schreiben vom 23.04.2004 und 15.10.2004, schilderte die Vorfälle im Mai 2005. Es sei auffallend, dass der Kläger wegen seines Verhaltens am 10.05.2005 angesprochen und keine arbeitsvertragsrelevante Begründung für sein verspätetes Kommen geben konnte, dennoch sei er nicht gehindert, seine dienstlichen Verpflichtungen am 12.05.2005 gänzlich fern zu bleiben, auch hierfür habe er keine arbeitsvertragsrelevante Begründung angeben können, was ihn wiederum nicht hinderte, am 13.05.2005 erneut seine Arbeitsverpflichtung in gleicher Weise zu verletzen.

Die Beklagte wies auf die Fristen des § 35 MAVO hin und schrieb wörtlich:

"Bei Einhaltung der Frist von 3 Arbeitstagen könnte ein Entscheid über die fristlose Kündigung durch den Verwaltungsrat der Kath. Kirchengemeinde nicht mehr so rechtzeitig erfolgen, dass die für eine fristlose Kündigung vorgesehene Zweiwochenfrist des § 626 BGB für den Ausspruch der Kündigung in Bezug auf das Ereignis vom 10.05.2005 eingehalten werden könnte. Sollte die Mitarbeitervertretung mit einer fristlosen Kündigung einverstanden sein, wird deshalb darum gebeten, über dieses Einverständnis alsbald Nachricht zu geben."

Die Mitarbeitervertretung bestätigte den Erhalt am 20.05.2005 um 11:20 Uhr und erklärte sich nach Beratung mit der fristlosen Kündigung einverstanden, hierzu verhält sich der von drei Mitgliedern unterzeichnete Vermerk vom 20.05.2005 um 11:45 Uhr. Mit zwei gleich lautenden Schreiben vom 21.05.2005 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich aus wichtigem Grund zum 30.06.2005. Hierbei ist ein Schreiben von dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Herrn Pfarrer W. und einem Mitglied des Verwaltungsrates unterschrieben, das zweite Schreiben trägt nur die Unterschrift des Pfarrers W..

Mit seiner am 06.06.2005 bei Gericht eingegangener Klage verfolgt der Kläger die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Er hat geltend gemacht, ein wichtiger Grund läge nicht vor, die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung werde bestritten, die Beklagte habe der Mitarbeitervertretung nur die erteilten Abmahnungen, nicht jedoch die Gegendarstellung des Klägers überreicht, hat geltend gemacht, die Beklagte habe eine soziale Auslauffrist beachten müssen, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspreche, die Mitarbeitervertretung habe wie zu einer ordentlichen Kündigung angehört werden müssen. Darüber hinaus habe er einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt.

Diesen Antrag hatte der Kläger am 01.06.2005 gestellt. Das Amt für soziale Angelegenheiten in T. hat mit Bescheid vom 29.06.2005 festgestellt, der Grad der Behinderung betrage 70, dieser Grad der Behinderung habe bereits ab Kalenderjahr 2000 vorgelegen. Die Beeinträchtigung wird beschrieben mit Psychose und insulinpflichtiger Diabetes mellitus.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die beiden außerordentlichen Kündigungen zum 30.06.2005 endet, sondern über den 30.06.2005 hinaus unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung auf die im Tatbestand wiedergegebenen wiederholten arbeitsvertraglichen Fehlleistungen des Klägers berufen. Die Anhörung der Mitarbeitervertretung sei zu einer außerordentlichen Kündigung erfolgt, das Anhörungsverfahren sei beanstandungsfrei. Der Kläger habe durch seine Äußerungen, er vergesse so manches, was andere nicht vergäßen, die gegebene Wiederholungsgefahr bestätigt. Diese Wiederholungsbereitschaft habe er bereits in der Besprechung vom 20.05.2005 klargestellt, in dem er es zur Aufgabe des Arbeitgebers gemacht habe, ihn per Telefon zur Einhaltung der jeweiligen Arbeitsverpflichtungen anzuhalten.

Von einer seelischen Erkrankung, welche es dem Kläger unmöglich mache, seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachzukommen, sei ihr nichts bekannt, diese läge auch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2005 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht zum 30..06.2005, sondern erst zum 31.12.2005 beendet worden sei. Die außerordentlichen Kündigungen seien als eine Kündigung anzusehen und rechtswirksam nach § 626 Abs. 1 BGB i. V. m. § 42 Abs. 1 KAVO. Es läge ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Es sei der Beklagten auf Dauer nicht zuzumuten, den Kläger als Organist und Chorleiter weiterzubeschäftigen. Er habe trotz mehrerer Abmahnungen durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht bereit oder in der Lage sei, berechtigte Anweisungen der Beklagten zu befolgen. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten sei im Wesentlichen unstreitig. Der Kläger habe trotz der schriftlichen Hinweise vom 04.04.2004, den Abmahnungen vom 23.04. und 15.10.2004 am 10.12. und 13.05.2005 nicht unerheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Aufgrund dieses Verhaltens musste die Beklagte zu Recht befürchten, der Kläger werde auch in Zukunft ihre berechtigten Anweisungen nicht befolgen. Seine nicht näher konkretisierte Einlassung, er sei seelisch erkrankt und vergesse somit manches, was andere nicht vergäßen, zeige die Richtigkeit des Vorbringens, unterstellt, dass der Kläger möglicherweise auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, vertragsgerecht zu arbeiten. Trotz Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei der Kündigung eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfristen entsprechende Auslauffrist einzuräumen. Die vertraglich vereinbarte Unkündbarkeit wirke sich zu Lasten des Klägers aus, bei unterstellter Kündbarkeit sei nur eine fristgerechte Kündigung zulässig gewesen. Zur Meidung eines Wertungswiderspruches müsse dem Kläger deshalb eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingeräumt werden. Die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf einer fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist, d. h. bis zum 31.12.2005, sei zu bejahen. Die Kündigung sei nicht rechtsunwirksam wegen Vorschriften zum Schutz schwer behinderter Menschen. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei die Eigenschaft als Schwerbehinderter nicht nachgewiesen. Der Kläger habe seinen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft erst am 01.06.2005, also nach Zugang der Kündigung gestellt.

Die Kündigung sei auch nicht rechtsunwirksam, weil die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Zwar sei die Mitarbeitervertretung wie bei einer ordentlichen Kündigung anzuhören gewesen, grundsätzlich sei auch davon auszugehen, dass es zu einer Mitteilung der Kündigungsgründe gehöre, der Mitarbeitervertretung den Inhalt einer Stellungnahme des Arbeitnehmers zur Abmahnung oder Kündigungsgründen zur Kenntnis zu bringen. Die Mitteilung der Stellungnahme habe sich aber erübrigt, weil diese keinen wesentlichen, den Kläger entlastenden Sachverhalt enthalte, also die Meinungsbildung der Mitarbeitervertretung unerheblich war.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 23.11.2005, der Beklagten am 18.11.2005 zugestellt. Gegen das Urteil legte nur der Kläger mit am 19.12.2005 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein. Der Kläger hat seine Berufung mit am 20.01.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag, dass die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörung habe nach § 34 MAVR erfolgen müssen, also mit verschärften Anforderungen bei der Anhörung bezüglich einer ordentlichen Kündigung als gegenüber der Anhörung bezüglich einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte hätte der Mitarbeitervertretung eine Frist von mindestens einer Woche einräumen müssen. Die Anhörungsfrist dürfe vom Arbeitgeber unter keinen denkbaren Umständen verkürzt werden.

Das Arbeitsgericht habe des Weiteren übersehen, dass die ausgesprochenen Abmahnungen überhaupt nicht ihre Funktion erfüllen konnten. Eine Abmahnung habe üblicherweise eine Hinweis-, Dokumentation- sowie Warn- und Ankündigungsfunktion. Sei ein Fehlverhalten nicht steuerbar und somit vorwerfbar, mache eine Abmahnung auch keinen Sinn. Die Beklagte habe zunächst die Dienstfähigkeit des Klägers aufklären müssen. Der Kläger habe erstinstanzlich vorgetragen, er sei seelisch erkrankt und könne deshalb seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen. Insofern habe er die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Die seelische Erkrankung ergebe sich auch aus dem Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 29.06.2005. Zwischenzeitlich sei er auch stationär behandelt worden. Der Kläger habe auch mehrfach behauptet, dass die Vertreter der Beklagten seine seelische Erkrankung gekannt hätten, entweder haben sie mit seiner seelischen Erkrankung nicht richtig umzugehen gewusst oder sie hätten sie schlicht und einfach ignoriert. Von der seelischen Erkrankung habe die Beklagte die Mitarbeitervertretung nicht informiert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2005 - 3 Ca 828/05 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die beiden außerordentlichen Kündigungen vom 30.06.2005 endet, sondern über den 31.12.2005 hinaus unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis, vertritt aber nach wie vor die Auffassung, dass die Kündigung als außerordentliche ausgesprochen mit einer sozialen Auslauffrist gerechtfertigt war. Die Anhörung der Mitarbeitervertretung habe nach den Grundsätzen über die Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung erfolgen dürfen, Fehler im Anhörungsverfahren seien nicht festzustellen. Die seelische Erkrankung des Klägers werde bestritten, sie sei auch der Beklagten nicht bekannt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 30.03.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat im Ergebnis jedoch keinen Erfolg.

Jedenfalls die außerordentliche Kündigung, die die Unterschrift zweier Unterschriftsberechtigter, nämlich des Vorsitzenden des Verwaltungsrates und eines Mitgliedes, enthält, hat das Arbeitsverhältnis spätestens mit dem 31.12.2005 beendet Ob eine frühere Beendigung eingetreten ist, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, weil die Beklagte gegen das sie insoweit belastende Urteil des Arbeitsgerichts Trier kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Kammer ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB im gegebenen Fall vorliegt. Der Beklagten war es auf Dauer nicht zuzumuten, den Kläger als Organist und Chorleiter weiterzubeschäftigen. Er hat trotz mehrerer Abmahnungen durch sein Verhalten gezeigt, dass er entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, berechtigte Anweisungen der Beklagten zu befolgen. Trotz der schriftlichen Hinweise vom 04.04.2004 und der Abmahnungen vom 23.04. und 15.10.2004 hat der Kläger wiederum am 10., 12. und 13.05.2005 in nicht unerheblichem Maße gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Er ist teilweise zu spät, teilweise gar nicht zum Dienst erschienen.

Aufgrund dieses Verhaltens musste die Beklagte zu Recht befürchten, dass der Kläger auch in Zukunft ihre durchaus berechtigten Anweisungen nicht befolgen wird, dies ist objektiv festzuhalten, unabhängig von der Ursache für dieses Verhalten. Der Kläger ist weder willens noch in der Lage, sich in die erforderlichen betrieblichen Abläufe einzufügen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es gerade seine Funktion als Organist zur Aufrechterhaltung eines geordneten liturgischen Dienstes es erfordert, dass er pünktlich erscheint um in der unverzichtbaren Vorbereitungszeit die erforderliche Abstimmung zwischen Seelsorger und Musiker über die Auswahl und Festlegung derjenigen Kirchenmusik, welche in der jeweiligen Sequenz des Gottesdienstes geschaffen werden soll, erfolgen kann. Wenn der Organist verspätet oder überhaupt nicht zum Gottesdienst erscheint ist das Ziel eines jeden mit Kirchenmusik begleiteten Gottesdienstes gravierend gestört.

Der von der Beklagten des Weiteren gehaltene Vortrag, der Kläger habe zu seiner Rechtfertigung im Gespräch am 20.05.2005 erklärt, er möge doch seitens der Beklagten angerufen werden, sollte er wiederum seinen Dienst vergessen, zeigt, dass der Kläger selbst nicht mit einer Änderung seines Verhaltens rechnete. Dies alles zeigt, dass es für die Beklagte unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls bis zum Pensionsalter fortzusetzen.

Es trifft zwar zu, dass sich der besondere tarifliche Schutz gegen ordentliche Kündigungen im Einzelfall bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, auch zu Lasten des betreffenden Arbeitnehmers auswirken kann. Liegt etwa ein betriebsbedingter Kündigungsgrund, z. B. Betriebsstilllegung vor, der bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, kann gerade die lange Bindungsdauer durch tarifliche "Unkündbarkeit" dazu führen, dass die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers ggf. bis zum Pensionsalter dem Arbeitgeber unzumutbar ist und eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB deshalb gerechtfertigt ist.

Nichts anderes gilt bei einer verhaltensbedingten Kündigung, wenn einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne gesteigerten Kündigungsschutz bei vergleichbarem Kündigungssachverhalt zwar nicht nach § 626 BGB außerordentlich, jedoch fristgerecht gekündigt werden könnte. Die lange Bindungsdauer aufgrund der tariflichen "Unkündbarkeit" kann dann dazu führen, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers nach § 626 Abs. 1 BGB anzunehmen ist (vgl. BAG v. 13.04.2000 - 2 AZR 259/99 -). Kann sich danach bei der Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, die tarifliche Unkündbarkeit auch zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken, so ist jedoch auf der Rechtsfolgenseite zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs dem tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer, wenn bei unterstellter Kündbarkeit nur eine fristgerechte Kündigung zulässig wäre, eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuräumen (vgl. BAG v. 11.03.1999 - 2 AZR 427/98 -). Eine außerordentliche Kündigung ohne Gewährung einer derartigen Auslauffrist ist nur dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht einmal zumutbar ist, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der fiktiven Frist zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen. Da Prüfungsmaßstab derjenige bei vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmern ist, ist es nicht gerechtfertigt, für die Bejahung der Zulässigkeit einer fristlosen oder vor Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist wirksam werdenden Kündigung nochmals zu Lasten des Arbeitnehmers seine tarifliche Unkündbarkeit zu berücksichtigen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass es der Beklagten angesichts der wiederholten und nicht abstellbaren Mängel in der Arbeitsleistung des Klägers nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der fiktiven Frist zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen, dies ist der 31.12.2006. Die dem Kläger vorgehaltenen Vertragsverstöße machen es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur für die Dauer von 7 Monaten weiterzubeschäftigen, weil die Gefahr besteht, dass auch in diesen 7 Monaten der Kläger wiederum seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde.

Demgemäß lag ein wichtiger Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB vor, der auch gegenüber den durch Vereinbarung der MAVO ordentlich unkündbaren Kläger eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer sozialen Auslauffrist erlaubte.

Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht an einer fehlerhaften Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Nach der Ordnung für Mitarbeitervertretungen im Bistum T. vom 15.12.2004 ist der Mitarbeitervertretung vor einer außerordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. Im Gegensatz zur Anhörung und Mitberatung bei ordentlicher Kündigung sind die Gründe nicht darzulegen. Nach § 35 Abs. 2 MAVO hat die Mitarbeitervertretung das Recht, gegen die Kündigung Einwendungen geltend zu machen, hierzu braucht sie das Einverständnis des Betroffenen. Eine Mitteilungsfrist von 3 Tagen ist in der Mitarbeitervertretungsordnung vorgesehen, diese Frist kann vom Dienstgeber auf 48 Stunden verkürzt werden.

Die Frist ist durch die Beklagte nicht verkürzt worden. In dem Schreiben an die Mitarbeitervertretung vom 20.05.2005 hat zwar die Arbeitgeberin auf die Fristen hingewiesen, hat die Frist allerdings nicht verkürzt, sondern lediglich gebeten, bei Einverständnis dieses alsbald bekannt zu geben. Eine Abkürzung der Frist ist damit nicht verbunden gewesen. Die Mitarbeitervertretung hat sich mit der fristlosen Kündigung ausdrücklich am 20.05.2005 einverstanden erklärt. Damit war das Beteiligungsverfahren zur außerordentlichen Kündigung abgeschlossen. Die Anhörung bezog sich im Übrigen ausdrücklich auf eine außerordentliche Kündigung ohne Gewährung einer sozialen Auslauffrist, von dieser ist in der Anhörung nicht die Rede.

Demgegenüber ist es unschädlich, dass die Beklagte dann in der ausgesprochenen Maßnahme dem Kläger aus sozialen Gründen eine Frist zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einräumte. Durch diese Einräumung einer Frist, die nicht der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprochen hat, hat die Beklagte aber nicht den Charakter einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund aufgegeben. Dass dem Personalrat nicht bekannt gegeben wurde, eine Kündigung mit einer kurzen Auslauffrist sei geplant, ist in diesem Zusammenhang daher nicht schädlich.

Die mit Beteiligung der Mitarbeitervertretung war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht alle Kündigungstatsachen mitgeteilt hat. Insofern ist auch das arbeitsgerichtliche Urteil zutreffend. Die Gegendarstellung des Klägers vom 27.04.2004, die sich im Übrigen auch nur auf eine Abmahnung bezog, enthielt keine wesentlichen, den Kläger entlastenden Sachverhalt. Sie war somit für die Meinungsfindung der Beklagten unerheblich, die im Übrigen auch nur verpflichtet war, sofern überhaupt Gründe vorzutragen sind, die für die Kündigung tragenden Gesichtspunkte der Mitarbeitervertretung mitzuteilen. Des Weiteren war sie auch für die Meinungsbildung der Mitarbeitervertretung nicht relevant.

Der vom Kläger im Berufungsverfahren gehaltene Einwand, der Mitarbeitervertretung hätte die seelische Erkrankung des Klägers mitgeteilt werden müssen, weil diese sein Verhalten in einem anderen Licht erscheinen ließe, verhilft ihm ebenfalls nicht zum Erfolg des Berufungsbegehrens.

Der Kammer ist es nicht ersichtlich, welche seelische Erkrankung vorlag, die den Kläger hinderte, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erledigen, insbesondere hat er nicht dargelegt, dass er auch sonst nicht in der Lage sei, seinen Alltag zu organisieren. Der Hinweis, er vergesse manches, was andere nicht vergessen, hilft dem Kläger auch nicht weiter, dann muss er die üblichen zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nutzen, sich etwa Termine aufzuschreiben bzw. Alarmeinrichtungen wie Wecker nutzen.

Dass der Beklagten die seelische Erkrankung bekannt war, hat der Kläger zwar behauptet, es fehlt dem Vortrag aber jegliche tatsächliche Substanz insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die seelische Erkrankung dergestalt ausgeprägt sein soll, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen unmöglich war, seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nachzukommen.

Aus welchen Gründen es der Beklagten bekannt gewesen sein sollte, dass eine schwierige persönliche Lebenssituation vorlag, die beim Kläger zu einem Krankheitsbild geführt hat, welches ihn wiederum außer Stand setzte, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, hat er nicht vorgetragen. Der Umstand, dass er nach der Kündigung sich im Spätjahr 2005 in einen stationären Krankenhausaufenthalt begeben musste, hat keinen Erkenntniswert für die Frage, ob bereits zum Zeitpunkt der Kündigung ein Krankheitsbild so ausgeprägt war, dass der Kläger unverschuldet nicht in der Lage war, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erledigen.

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass auch unverschuldete Vertragspflichtverletzungen geeignet sein können, eine außerordentliche Kündigung zu tragen. Für die Betriebsablaufstörungen macht es keinen Unterschied, aus welchen Gründen der zum Musikdienst eingeteilte Organist nicht zum Gottesdienst erscheint oder diesen erst verspätet aufsucht.

Im Übrigen hat, wie dargestellt, der Sachvortrag des Klägers bezüglich seiner seelischen Erkrankung keinerlei Substanz. Zwar mag es ausreichend sein, dass dann, wenn ein Einblick aufgrund fehlender medizinischer Kenntnisse nicht vorliegt, sich eine Partei auf ein medizinisches Gutachten beruft, hierzu wäre aber ein konkreter Tatsachenvortrag erforderlich, aus welchen Gründen ein Krankheitsbild vorliegt, welches die vorübergehende Störung der Geistestätigkeit mit sich bringt oder ansonsten ein Vertragsverstoß als unverschuldet angesehen werden kann. Hierzu reicht der Vortrag auf einen Bescheid des Versorgungsamtes nicht aus, insbesondere wenn die Behinderung auf verschiedene Ursachen sich stützt und eine Diabetes mellitus nicht notwendiger Weise zu Störungen der Organisationsfähigkeit im täglichen Leben führt.

II.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wäre aber auch dann richtig, wenn entgegen der Auffassung der Kammer die Beklagte nicht berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer sozialen Auslauffrist außerordentlich zu kündigen, sondern eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende fiktive Kündigungsfrist hätte wahren müssen. Auch in diesem Fall wäre das Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.2005 beendet. Selbst wenn man also der Auffassung ist, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende soziale Auslauffrist einzuhalten, könnte die ausgesprochene außerordentliche Kündigung in eine derartige Kündigung umgedeutet werden.

Es entsprach dem mutmaßlichen Willen der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auf jeden Fall zu beenden, jedenfalls spätestens mit einer der längsten ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist.

Die Umdeutung der streitbefangenen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist scheitert jedenfalls nicht an der Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Zwar wäre für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung nach den für ordentlichen Kündigungen geltenden Regelungen erforderlich gewesen (vgl. BAG 2 AZR 227/97). Dies hätte vorausgesetzt, dass die Beklagte die Mitarbeitervertretung nach den Bestimmungen des § 34 MAVO beteiligt hat. Die Beteiligung bei ordentlicher Kündigung im Mitarbeitervertretungsrecht gewährt den Arbeitnehmern mehr Rechte. Die Arbeitgeberin hat die Gründe für die Kündigung darzulegen, die Äußerungsfrist für die Mitarbeitervertretung ist länger, die Mitarbeitervertretung kann mit Einwendungen ein Beratungsverfahren einleiten.

Im vorliegenden Fall war jedoch eine Beteiligung nach dem für die ordentlichen Kündigungen geltenden Regelungen ausnahmsweise entbehrlich. Die Mitarbeitervertretung hat der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt. Aus sonstigen Umständen ist nicht zu entnehmen, dass sie für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der dann verbleibenden ordentlichen Kündigung entgegen getreten wäre. Somit steht eine etwaige unterbliebene Beteiligung der Mitarbeitervertretung nach den Verfahren für die ordentliche Kündigung einer Umdeutung in eine Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht im Wege (vgl. zu ähnlichen Regelungen des Betriebs- und Personalvertretungsrechts, BAG Urt. v. 16.03.1978, 2 AZR 424/76, v. 20.09.1984, 2 AZR 633/82 und vom 08.06.2000, 2 AZR 638/99).

Dies gilt insbesondere auch im hier anwendbaren Bereich der Mitarbeitervertretungsordnung, weil die Beklagte der Mitarbeitervertretung die Gründe für die ausgesprochene Kündigung dargelegt hat, wofür sie im Rahmen der Beteiligung bei einer außerordentlichen Kündigung an sich nicht verpflichtet gewesen wäre.

III.

Steht somit nach allem fest, dass das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mit Ablauf des 31.12.2005 geendet hat, war die gegen die diesbezüglich lautende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung des Klägers nicht erfolgreich.

Sie war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück